Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 S 169/07
Tenor
Auf die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 10.10.2007 wird das Urteil abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Firma B, vertreten durch den Geschäftsführer T, C, E, 53,44 € (i.W. dreiundfünfzig 44/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2006 sowie weitere 23,21 € an den Kläger zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die weitergehende Berufung zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 80 % und die Beklagte zu 20 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Der Kläger beansprucht von der Beklagten als Haftpflichtversicherung des Unfallgegners Schadensersatz aufgrund eines Verkehrsunfalls vom 20.8.2006. Die Haftung dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig. Mit der Klage macht der Kläger weitere Mietwagenkosten geltend.
4Am 4.9.2006 mietete der Kläger einen Ersatz-Pkw der Firma B zum "Unfallersatztarif" an. Für die Zeit vom 4.9.2006 bis zum 14.9.2006 berechnete die Firma B mit Rechnung vom 4.10.2006 für 6 Miettage 904,80 €. Auf diesen Betrag zahlte die Beklagte 591,60 €. Der Kläger beansprucht die Zahlung der übrigen Mietwagenkosten. Erstinstanzlich hat das Amtsgericht Dortmund mit Urteil vom 10.10.2007 die Klage abgewiesen. Es hat die Auffassung vertreten, weiterer Schadensersatz stünde dem Kläger nicht zu, da er nicht dargelegt und bewiesen habe, dass ihm kein anderer als der sogenannte Unfallersatztarif zugänglich gewesen wäre. Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers.
5Er beantragt,
6das Urteil des Amtsgerichts abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
7286,06 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.10.2006 an die Firma B, vertreten durch den Geschäftsführer T, C, E, sowie weitere 23,21 € zu zahlen.
8Die Beklagte beantragt,
9die Berufung zurückzuweisen.
10Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen werden.
11II.
12Die Berufung ist nach Zulassung des Rechtsmittels zulässig und in dem tenorierten Umfang begründet.
13Der Kläger hat gegen die Beklagte nach §§ 7,17,18 StVG, 3 PflVG einen Anspruch auf Erstattung weiterer Mietwagenkosten in Höhe von noch 53,44 €. Der Kläger hat dagegen keinen Anspruch auf Erstattung der Mietwagenkosten in voller Höhe. Der Unfallersatztarif, der dem Kläger in Rechnung gestellt worden ist, ist deutlich überhöht. Da die wirtschaftliche Berechtigung dieses Tarifes nicht dargelegt ist und dem Kläger ein anderer Tarif zugänglich war, übersteigen diese hohen Kosten den tatsächlich erforderlichen Aufwand zur Schadensbeseitigung. Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf ihre Grundsatzentscheidungen vom 14.06.2007 in den Verfahren 4 S 165/06, 4 S 16/06 und 4 S 129/06, veröffentlicht in der Rechtssprechungsdatenbank unter www.justiz.nrw.de.
14Gemäß § 287 ZPO hat die Kammer den erforderlichen Aufwand geschätzt. Da die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste 2006 umstritten war, hat sich die Kammer bislang bei ihrer Schätzung an der Schwacke-Liste 2003 orientiert und einen jährlichen Zuschlag für die Teuerung vorgesehen. Die Kammer hat keine Zweifel, dass auch diese Schätzung von dem ihr zustehenden Ermessensspielraum gedeckt war. In Abweichung zu dieser Rechtsprechung legt die Kammer nunmehr aber die Schwacke-Liste 2006 zugrunde. Die Kammer folgt damit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 11.3.2008 (Aktenzeichen VI ZR 164/07, veröffentlicht in NJW 2008, 1519 ff). Der Bundesgerichtshof hat ausgeführt, dass die Schwacke-Liste 2006 als Schätzgrundlage herangezogen werden kann, auch wenn allgemein gehaltene Angriffe gegen sie vorgebracht werden.
15Der Kammer ist aus einer Vielzahl an Verfahren bekannt, dass es sich immer um die gleichen Angriffe handelt, wie beispielsweise, dass Online-Angebote nicht berücksichtigt seien, zu hohe Preissteigerungen vorliegen würden, weil die Anbieter möglicherweise auf die Nachfrage hin zu hohe Angaben gemacht hätten und die Anzahl der Nennungen nicht zu erkennen sei, um die Relevanz der Preise am Markt beurteilen zu können. Möglicherweise beruhen die Preissteigerungen allerdings auch darauf, dass früher die sogenannten Normaltarife unternehmensintern subventioniert waren und sich mittlerweile aufgrund der Rechtssprechung wieder ein wirklicher Marktwert auch für den Normaltarif herausbildet. Eine Überprüfung der Marktanalyse ist dem Gericht nicht möglich. Die Kammer ist auf Schätzgrundlagen wie die Schwacke-Liste angewiesen. Es kann nicht wünschenswert sein, dass in dem Bezirk des Berufungsgerichts jeder Amtsrichter andere Schätzgrundlagen entwickelt. Die Kammer hat daher auch in der Vergangenheit betont, dass die Schätzung mit Hilfe eines 2%-igen Aufschlages pro Jahr nur eine vorübergehende sein kann. Nachdem der Bundesgerichtshof die Schwacke-Liste 2006 trotz der allgemeinen Angriffe für anwendbar erklärt hat, wird die Kammer zu dieser Schätzgrundlage zurückkehren.
16Da oftmals in den Verfahren – so auch hier – günstigere Angebote als berechnet eingereicht werden, nimmt die Kammer dies zum Anlass, bei der Schätzung das arithmetische Mittel zugrunde zu legen. Die Schwacke-Liste deckt nämlich eine erhebliche Bandbreite an unterschiedlichen Preisen ab, und zwar auch sehr günstige Preise. Dieser Mittelwert scheint der Kammer die Preisdifferenzen am besten abzudecken. Was die günstigen Online-Angebote angeht, so ist auch zu berücksichtigen, dass diese immer den Stand eines erst weit nach dem Verkehrsunfall recherchierten Angebotes wiedergeben und nicht eingeschätzt werden kann, ob im Einzelfall an dem betreffenden Tag Restfahrzeuge besonders günstig angeboten werden, die am Unfalltag zu diesem Preis nicht zu erhalten gewesen wären. So kann auch aus den hier für März 2007 eingereichten Angebote nicht gefolgert werden, dass diese dem Kläger im August 2006 zur Verfügung gestanden hätten und erst recht nicht, dass die Schwacke-Liste 2006 aus diesem Grund für den betreffenden Fall falsch und nicht anwendbar sei.
17Die Kammer hält weiterhin daran fest, dass zur Abgeltung der besonderen Unfallsituation ein Aufschlag von 20% auf den so ermittelten Normaltarif gerechtfertigt ist, um die Besonderheiten der Kosten und Risiken des Unfallersatzgeschäfts im Vergleich zu einer normalen Autovermietung abdecken zu können. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass vergleichbar dem Sachverhalt in dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 11.03.2008 auch hier ein Ersatzfahrzeug nicht am Unfalltag, sondern erst später angemietet worden ist. Eine Eil- oder Notsituation ist nicht zu sehen. Allerdings bietet der Unfallersatztarif für den Geschädigten Vorteile, die er in Anspruch nehmen darf. Die oft erheblichen Mietwagenkosten werden ihm kreditiert. Da die Kreditlinie auch bei Kreditkarteninhabern zumeist begrenzt ist und oft gleichzeitig Unfallschäden an dem Fahrzeug selbst zu reparieren und vorzuleisten sind, weil die Abwicklung mit den Versicherungen Wochen in Anspruch nehmen, handelt es sich um einen erheblichen Vorteil. Außerdem ist die Haftungsbeschränkung bei einem Fahrzeug zum Unfallersatztarif eine günstigere. Üblicherweise steht einem Geschädigten kein Angebot zur Verfügung, dass sein Schaden vorfinanziert wird. Wenn es aber diese Möglichkeit gibt und sich die Kosten in angemessenem Rahmen halten, darf er diese Möglichkeit in Anspruch nehmen. Bei der Höhe des Zuschlags hat die Kammer auch zur Vereinheitlichung der Rechtsprechung nicht unterschieden, ob nur diese Leistungen erbracht oder weitere Leistungen aus einer Notsituation heraus genutzt werden.
18Damit ergibt sich vorliegend folgende Berechnung:
19
Normaltarif Schwacke-Automietpreisspiegel 2006, Gruppe III, Postleitzahl ###, 2x 3 Tage = 2 x 244,00 € | 488,00 € |
minus 10% Eigenersparnis | 48,40 € |
439,20 € | |
zuzüglich 20% Aufschlag | 87,84 € |
527,04 € | |
zuzüglich Nebenkosten Haftungsbeschränkung (2 x 59,00 €) | 118,00 € |
645,04 € | |
abzüglich der Zahlung von | 591,60 € |
offene Restforderung | 53,44 €. |
20
Über diese Restforderung hinaus hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch auf Erstattung der außergerichtlich entstandenen und nicht anrechnungsfähigen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 23,21 €.
21Die Zinsforderung ab dem 25.10.2006 folgt aus §§ 286, 288 BGB.
22Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert. Der Bundesgerichtshof hat zu den Rechtsfragen auf denen das Urteil beruht bereits mehrfach, zuletzt in der vorstehend zitierten Entscheidung Stellung genommen und insbesondere ausgeführt, dass die Bemessung des erforderlichen Aufwandes zur Schadensbehebung im tatrichterlichen Ermessen liegt.
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