Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 50/07
Tenor
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 31.689,00 € (i.W.: einunddreißigtausendsechshundertneunundachtzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basis-zinssatz von 15.844,50 € seit dem 31.03.2004 und von weiteren 15.844,50 € seit dem 01.06.2004 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 72 % und der Beklagte 28 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Unter dem 11.03.1991 schlossen die Parteien einen schriftlichen "Sozietätsvertrag", der die gemeinsame Ausübung der kassenärztlichen und privatärztlichen Tätigkeit als Zahnärzte in einer Gemeinschaftspraxis einschließlich eines zahntechnischen Labors zum Gegenstand hatte. Der Kläger zahlte an den Beklagten 400.000,00 DM und der Beklagte brachte die von ihm in gemieteten Räumen (Mietvertrag vom 29.09.1988, Blatt 43 und 44 der Akten) in I, X- Straße ## betriebene Zahnarztpraxis ein. Der Sozietätsvertrag vom 11.03.1991 (Blatt 14 – 21) enthält u.a. folgende Regelungen:
3"§ 15 Fortführung der Praxis nach Auflösung der Gesellschaft...
4Der ausscheidende Gesellschafter bzw. seine Erben sind von dem verbleibendem Gesellschafter in barem Geld abzufinden. Die Höhe der Abfindung ist nach Maßgabe einer zum Stichtag des Ausscheidens aufzustellenden Auseinandersetzungsbilanz zu ermitteln. Der Wert der Praxis (ideell und materiell) sind von einem unabhängigen Sachverständigen zu ermitteln,...
5§ 16 Wettbewerbsverbot
6- Kein Gesellschafter darf sich nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft innerhalb eines Umkreises von 5 Kilometern um den Geschäftssitz als Zahnarzt niederlassen oder an einer zahnärztlichen Praxisgemeinschaft beteiligen.
- Dieses Verbot gilt für die Dauer von fünf Jahren."
Der Kläger kündigte den "Sozietätsvertrag" zum 31.12.2003 und betreibt seitdem eine Zahnarztpraxis in I M-weg ####. Vor dem Ausscheiden des Klägers aus der Gemeinschaftspraxis beliefen sich die abrechnungsfähigen Fallzahlungen auf 3.015 (2002) und 3.256 (2003) und danach auf 1.499 (2004) und 1.429 (2005), Einzelheiten Blatt 34 der Akten.
8Die Parteien beauftragten den Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Z mit der Erstellung einer Auseinandersetzungsbilanz. In seinem Gutachten vom 31.08.2006 (Hülle Blatt 22) ermittelte Z einen Praxiswert in Höhe von 204.300,00 €, einen Abfindungsbetrag zugunsten des Klägers in Höhe von 10.320,00 € (Kapitalkonto T) + 102.150,00 € (50 % des Praxiswertes) + 25.250,00 € Zinsen = 137.720,00 € abzüglich 39.257,75 € (50 % des Darlehens U). Mit Schreiben vom 27.12.2006 (Blatt 23/24) teilte Z dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass ein Ausgleich der Kapitalkonten erforderlich sei und dem Kläger daraus 24.722,21 € zustünden.
9Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger sein Abfindungsguthaben, das er wie folgt berechnet:
10137.720,00 € (Gutachten Z ) – 10.320,00 € (Vermeidung einer Doppelberechnung) + 24.722,21 € (Ausgleich der Kapitalkonten) – 39.257,75 € (U-Darlehen) = 112.864,46 €.
11Der Kläger beantragt,
12den Beklagten zu verurteilen, an ihn 112.864,46 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten seit dem 16.12.2006 zu zahlen.
13Der Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Der Beklagte rügt die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte und erhebt folgende Einwendungen:
16Ein ideeller Wert (Goodwill) der Praxis sei nicht zu berücksichtigen, weil der Kläger gegen das Wettbewerbsverbot, über dessen Wirksamkeit die Parteien streiten, verstoßen habe. Der Beklagte behauptet, die Entfernung der Praxisräume betrage weniger als 4 km (Der Kläger gesteht 4,2 km zu). Zahlreiche Patienten der Gemeinschaftspraxis habe der Kläger nach seinem Ausscheiden aus der Gemeinschaftspraxis weiterbehandelt.
17Der Kläger habe in den Jahren 2002 und 2003 Fremdlaborkosten in Auftrag gegeben, die 70.000,00 € höher gewesen seien, als die von dem Beklagten in Auftrag gegebenen Fremdlaborkosten, die auch im eigenen Labor hätten erledigt werden können. Dadurch seien Gewinne in Höhe von 50 % mithin 35.000,00 € an der Gemeinschaftspraxis vorbeigeleitet worden.
181998 sei mit dem Vermieter der Praxisräume eine Mieterhöhung von unstreitig 856,75 € vereinbart worden, weil der Kläger einen langfristigen Vertrag habe abschließen wollen. Der Beklagte begehrt den Ersatz der Mieterhöhung, die er seit Januar 2004 zahlt und zwar in Höhe von 39 Monate x 438,05 € = 17.083,95 €.
19Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Kaufmann E. Wegen der Einzelheiten der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen vom 14. Februar 2008 verwiesen.
20E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
21Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
22Die Klage ist nicht nach § 1032 ZPO unzulässig, weil die Schiedsgerichtsvereinbarung der Parteien nach § 1027 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F. unwirksam ist. Danach muss die Schiedsgerichtsvereinbarung in einer besonderen Vertragsurkunde getrennt vom Hauptvertrag geschlossen werden. Dies war vorliegend unstreitig nicht der Fall. Nach Artikel 4 SchiedsVfg beurteilt sich die Wirksamkeit nach altem Recht, weil der vorliegende Vertrag vor dem Inkrafttreten der neuen Regelungen (01.01.1998) geschlossen worden ist (Zöller, vor § 1025 Rdnr. 11).
23Der Kläger hat gegen den Beklagten nach § 15 Abs. 3 des Sozietätsvertrages vom 11.03.1991 einen Abfindungsanspruch in Höhe von 31.689,00 €.
24Nach § 15 Abs. 3 des Sozietätsvertrages ist der verbleibende Gesellschafter mithin der Beklagte verpflichtet, dem ausscheidenden Gesellschafter mithin den Kläger abzufinden. Die Höhe der Abfindung soll sich nach § 15 Abs. 3 des Sozietätsvertrages nach der Auseinandersetzungsbilanz richten, die von einem unabhängigen Sachverständigen zu ermitteln ist. Das von dem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Z ermittelte Abfindungsguthaben kann der Kläger jedoch nicht verlangen.
25Entsprechend § 319 Abs. 1 BGB ist das Schiedsgutachten eines Dritten für die Parteien nicht verbindlich, wenn es offenbar unrichtig ist. Eine derartige Unrichtigkeit liegt vor, wenn sich einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter – sei es auch erst nach eingehender Prüfung – offensichtliche Fehler der Leistungsbestimmung aufdrängen, die das Gesamtergebnis verfälschen (Palandt § 319 Rdnr. 4 und 5, BGH NJW 2001, 3775 (3777)). Maßgebend ist allein das Ergebnis. Fehler in der Bewertung sind daher unschädlich, wenn sie durch andere gegenteilige Fehler ausgeglichen werden.
26Das Ergebnis des von Z ermittelten Abfindungsguthabens des Klägers ist offensichtlich falsch. Nach dem überzeugenden und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen E vom 14. Februar 2008, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen voll inhaltlich Bezug genommen wird beläuft sich das Abfindungsguthaben ohne Berücksichtigung des ideellen Wertes der Gemeinschaftspraxis auf 31.689,00 € (insbesondere Seiten 12 – 16, 52, 53, 59 des Gutachtens). Insoweit hat keine Partei Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen erhoben.
27Ein Zahlungsanspruch auf Ersatz des Goodwills der Gemeinschaftspraxis steht dem Kläger nicht zu. Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang die Wirksamkeit des vereinbarten Wettbewerbsverbotes.
28Wenn das Wettbewerbsverbot unwirksam sein sollte, ist der ideelle Wert der Praxis entgegen dem Gutachten des Sachverständigen E denknotwendig mit Null anzusetzen (BGH NJW 1994, 796, NJW 2000, 2584, OLG Celle NZG 2002, 862). Wenn das vereinbarte Wettbewerbsverbot unwirksam ist, dann darf jeder der Partner das von ihm zu seinen Patienten aufgebaute Vertrauensverhältnis in der Weise für sich wirtschaftlich nutzbar machen, dass er die ärztliche Betreuung dieser Patienten auch nach der Auflösung der Gemeinschaft fortsetzt. Die starke Personengebundenheit der Patientenbetreuung lässt in diesem Fall keinen nachhaltig wirkenden Goodwill entstehen.
29Der Kläger, der seine neue Zahnarztpraxis in nichtübermäßig großer Entfernung zur ursprünglichen Gemeinschaftspraxis betreibt, kann im Falle der Unwirksamkeit des Wettbewerbsverbotes mangels Wettbewerbsverbotes die ihm zustehenden Anteile am Goodwill ohne weiteres dadurch realisieren, dass er seine bisherigen Patienten in der neuen Praxis weiterbehandelt. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob sich diese Möglichkeit tatsächlich verwirklicht hat. Denn der Goodwill bezieht sich auf Ertragserwartungen und steht daher ohnehin unter der stets ungewissen Prämisse künftiger Realisierung (OLG Celle NZG 2002, 864).
30Angesichts der unstreitigen Reduzierung der Fallzahlen der ehemaligen Gemeinschaftspraxis um etwa 50 % spricht zudem alles dafür, dass sich die Möglichkeit der Patientenmitnahme zum großen Teil verwirklicht hat.
31Dieses Ergebnis führt auch nicht etwa faktisch zu einer – gegen § 723 Abs. 3 BGB verstoßenden – unvertretbaren Kündigungsbeschränkung. Denn eine Abfindungsregelung, die einen Freiberufler auf die Mitnahme seiner Klientel beschränkt, ist nicht zu beanstanden (BGH NJW 1994, 796 ff.). Es ist vielmehr im Regelfall als angemessene Art der Auseinandersetzung der in Form einer BGB-Gesellschaft betriebenen Gemeinschaftspraxis von Ärzten anzusehen, wenn die Sachwerte geteilt werden und die Mitnahme von Patienten rechtlich nicht beschränkt wird.
32Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Tatsache, dass der Kläger beim Eintritt in die Praxis 400.000,00 DM an den Beklagten gezahlt hat. Denn durch diese Zahlung hat er nicht nur den hälftigen Anteil an den materiellen Praxiswerten erworben, sondern auch die Möglichkeit erhalten, sofort am – vom Beklagten allein geschaffenen – ideellen Praxiswert und am Gewinn zu partizipieren. Überdies liegen zwischen Eintritt und Ausscheiden des Klägers in bzw. aus der Gemeinschaftspraxis mehr als 12 Jahre, so dass sich die Zahlung durch die Teilhabe des Klägers am Gewinn der Praxis quasi verbraucht hat, jedenfalls aber nicht mehr Grundlage einer nun etwa vom Beklagten zu leistenden Abfindungszahlung sein kann.
33Festzuhalten bleibt damit, dass dem Kläger aus Rechtsgründen kein Zahlungsanspruch hinsichtlich des Goodwills der Gemeinschaftspraxis zusteht, wenn das vereinbarte Wettbewerbsverbot unwirksam ist.
34Aber auch dann, wenn das Wettbewerbsverbot wirksam sein sollte, ist der ideelle Wert der Praxis im vorliegenden Fall in der Auseinandersetzungsbilanz mit Null anzusetzen, weil sich der Kläger nicht an das Wettbewerbsverbot gehalten hat. Seine neuen Praxisräume liegen unstreitig weniger als 5 Kilometer vor den Räumen der früheren Gemeinschaftspraxis entfernt. Der Kläger hat sich damit über das vereinbarte Wettbewerbsverbot hinweggesetzt und sich damit vereinbarungswidrig die Möglichkeit verschafft, seine ehemaligen Patienten der Gemeinschaftspraxis weiter zu behandeln. Ob und inwieweit sich diese Möglichkeit tatsächlich verwirklicht hat spielt für die Entscheidung nach dem oben Gesagten keine entscheidende Rolle. Entscheidend ist allein, dass der Partner des ausgeschiedenen Gesellschafters vor einer vertragswidrigen mithin illoyalen Verwertung der Erfolge der gemeinsamen Arbeit und vor einer doppelten Inanspruchnahme (nämlich einmal durch die Beteiligung an dem in die Zahlung des Abfindungsguthabens einbezogenen Goodwills und zum anderen durch die Mitnahme der Patienten) zu stützen ist (BGH NJW 2005, 3061, NJW 2000, 2584).
35Festzuhalten bleibt damit, dass der Kläger keinen Zahlungsanspruch auf Ersatz des Goodwills hat, weil ihm der Goodwill wirtschaftlich bereits dadurch zugeflossen ist, dass er von der Möglichkeit – sei es vertragesgemäß oder vertragswidrig – Gebrauch gemacht hat, die von ihm in der Gemeinschaftspraxis behandelten Patienten weiter zu behandeln.
36Unerheblich ist der Einwand des Beklagten zu den Fremdlaborkosten, denn der Kläger war aus keinem Rechtsgrund verpflichtet, das Eigenlabor in Anspruch zu nehmen, wenn er mit der Leistung des eigenen Zahntechnikers aus welchen Gründen auch immer nicht zufrieden war.
37Unerheblich ist schließlich auch, dass der Beklagte seit dem 01.01.2004 die vereinbarte, erhöhte Miete allein weiterzahlt, denn er betreibt in den gemieteten Geschäftsräumen weiterhin die Zahnarztpraxis und muss daher auch im Innenverhältnis der Parteien allein die damit verbundenen Kosten tragen.
38Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus den §§ 286, 288 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 Satz 3 des Sozietätsvertrages.
39Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO und berücksichtigt das jeweilige Unterliegen der Parteien. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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