Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 O 146/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die am #.#.1935 geborene Klägerin macht gegenüber der Beklagten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wegen einer ärztlichen Behandlung im Hause der Beklagten in der Zeit vom 19.7.1999 bis zum 17.3.2001 geltend.
3Die Klägerin stürzte im Jahre 1986 mit dem Fahrrad. Hierbei zog sie sich einen Innenmeniskusschaden zu. Es kam zu einer Innenmeniskusteilentfernung im linken Knie. In der Folge stürzte die Klägerin erneut mit dem Fahrrad. Danach wurden die Reste des linken Innenmeniskusschadens entfernt. Im Jahre 1996 erfolgte eine Umstellungsosteotomie im linken Knie. In der Folgezeit begab sich die Klägerin sodann in die Behandlung des Krankenhauses für Sportverletzte in I, wo mehrere Eingriffe vorgenommen wurden. Exemplarisch kann auf den Arztbrief vom 14.4.1999 (Bl. 20 d.A.) verwiesen werden.
4Am 19.7.1999 stellte sich die Klägerin erstmals auf Überweisung des O-hospitals ambulant im Hause der Beklagten vor. Insoweit wird auf den Arztbrief vom 20.7.1999 (Bl. 116 d.A.) Bezug genommen. Der erste stationäre Aufenthalt im Hause der Beklagten erfolgte in der Zeit vom 29.7. bis zum 19.8.1999. Insoweit kann auf die Kopie des Arztbriefes vom 19.8.2001 (Bl. 123 d.A.) Bezug genommen werden. Während dieses stationären Aufenthaltes sollte ein Patellaersatz erfolgen. Mit der Klägerin wurde hierüber ein Aufklärungsgespräch geführt, infolge dessen sie am 29.7. einen Aufklärungsbogen (Bl. 118 d.A.) unterzeichnete. Der Eingriff fand am 30.7.1999 statt. Wegen der Einzelheiten des Eingriffs kann auf die Kopie des Operationsberichts (Bl. 122 d.A.) Bezug genommen werden. Es folgten nach der Entlassung der Klägerin zwei ambulante Untersuchungen am 13.9. und 27.9.1999. Insoweit kann auf die beiden Arztbriefe vom 14.9. und 28.10.1999 (Bl. 124 und 126 d.A.) Bezug genommen werden.
5Am 26.1.2000 unterzeichnete die Klägerin einen weiteren Aufklärungsbogen für eine nochmals neu geplante Operation. Insoweit kann auf die Kopie des Aufklärungsbogens (Bl. 128 d.A.) Bezug genommen werden. Es folgte ein zweiter stationärer Aufenthalt in der Zeit vom 27. 1 bis zum 17.2.2000. Hierzu wird auf die Kopie des Arztbriefes vom 16.2.2000 (Bl. 132 d.A.) verwiesen. In dieser Zeit fand am 27.1.2000 ein zweiter Eingriff statt, bei dem das Inlay ausgetauscht wurde. Insoweit kann auf die Kopie des Operationsberichts (Bl. 131 d.A.) Bezug genommen werden. Es schloss sich eine Rehabilitationsbehandlung in Bad Meinberg in der Zeit vom 22.2. bis zum 14.3.2000 an. Auf den Entlassungsbericht (Bl. 133 f. d.A.) kann verwiesen werden. Eine weitere ambulante Untersuchung fand am 22.3.2000 statt. Insoweit wird auf den Arztbrief vom 22.3.2000 (Bl. 142 d.A.) verwiesen.
6In der Folgezeit wurde mit der Klägerin dann am 3.4.2000 ein Wechsel der linken Knieprothetik besprochen. Diese war ursprünglich bereits für den 16.5.2000 geplant, wurde aber wegen Herzbeschwerden verschoben. Der dritte stationäre Aufenthalt der Klägerin erfolgte dann im Hause der Beklagten in der Zeit vom 6. bis zum 28.11.2000. Insoweit kann auf den Arztbrief vom 30.11.2000 (Bl. 150 d.A.) Bezug genommen werden. Die Klägerin unterzeichnet auch vor dem dritten Eingriff einen Aufklärungsbogen. Insoweit wird auf dessen Kopie (Bl. 144 d.A.) verwiesen. Der dritte Eingriff fand am 7.11.2000 statt. Hier wurde die Knieprothetik insgesamt gewechselt und auf eine zementfreie Prothetik umgestellt. Auf die Kopie des Operationsberichts (Bl. 148 d.A.) wird Bezug genommen. Es schloss sich eine weitere Rehabilitationsbehandlung diesmal in Bad Sassendorf in der Zeit vom 30.11. bis zum 21.12.2000 an. Insoweit wird auf die Kopie des Entlassungsberichts vom 28.2.2000 (Bl. 151 f. d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin stellte sich sodann erneut am 28.2.2001 ambulant im Hause der Beklagten vor, wie sich aus dem Arztbrief vom 5.3.2001 (Bl. 160 d.A.) ergibt.
7Ein vierter stationärer Aufenthalt fand dann in der Zeit vom 11.3. bis zum 17.3.2001 statt. Insoweit wird auf den Arztbrief vom 17.3.2001 (Bl. 166 d.A.) Bezug genommen. Am 12.3.2001 wurde eine Arthrolyse vorgenommen, nachdem die Klägerin auch hierzu einen Aufklärungsbogen unterzeichnet hatte. Auf die Kopie des Aufklärungsbogens (Bl. 162 d.A.) wird verwiesen. Die Klägerin stellte sich sodann ambulant nochmals am 16.6. 2001 und 28.1.2002 vor, wie sich aus den Arztbriefen vom 16.6.2001 (Bl. 167 d.A.) und vom 4.2.2002 (Bl. 169 d.A.) ergibt. In der Zeit vom 25. bis zum 27.2.2002 befand sich die Klägerin nochmals stationär im Hause der Beklagten. Eine weitere Operation wurde verschoben. Auf die Kopie des Arztbriefes vom 27.2.2002 (Bl. 171 d.A.) wird verwiesen. Die Klägerin stellte sich sodann letztmalig noch einmal am 13.11.2002 und 27.8.2003 im Hause der Beklagten vor. Insoweit wird auf die Arztbriefe vom 15.11.2002 (Bl. 172 d.A.) und vom 9.9.2003 (Bl. 174 d.A.) Bezug genommen.
8Im Jahre 2004 stellte sich die Klägerin in der Universitätsklinik N vor. Insoweit wird auf den Arztbrief vom 16.7.2004 (Bl. 247 d.A.) Bezug genommen. Die Klägerin stellte sich zudem am 19.8.2004 in der F-Klinik in Hamburg vor. Insoweit wird auf den Arztbrief vom 23.8.2004 (Bl. 245 d.A.) Bezug genommen.
9Die Klägerin behauptet, bereits die erste Operation im Jahre 1999 sei fehlerhaft gewesen. Der Patellaersatz sei fehlerhaft implantiert worden. Der Patellaersatz habe nicht richtig gesessen und zu starken Schmerzen geführt. Bei dem Patellaersatz sei es unterlassen worden, das Inlay auszutauschen. Dies ist dann in der Operation vom 27.1.2000 durchgeführt worden. Das Inlay hätte jedoch schon Mitte 1999 geändert werden müssen. Auch die Operation vom 7.11.2000 sei fehlerhaft gewesen. Die Knieprothetik sei zwar ausgetauscht worden. Dies sei jedoch fehlerhaft geschehen. Die Klägerin habe danach nach wie vor nur noch mit Gehstützen gehen können und laufend unter Schmerzen gelitten. Der Austausch der Knieprothetik am 7.11.2000 hätte vermieden werden können, wenn die vorherigen Operationen richtig durchgeführt worden wären. Die Klägerin behauptet weiter, sie sei nicht ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Die Klägerin räumt zwar ein, über Risiken aufgeklärt worden zu sein. Sie beanstandet jedoch, dass sie über die besonderen Risiken wegen der Voroperationen nicht aufgeklärt worden sei. Die Klägerin macht geltend, dass die drei Operationen im Hause der Beklagten überflüssig gewesen seien und sie daher eine Leidenszeit von 6 Jahren mit Schmerzen habe durchstehen müssen. In dieser Zeit habe sie nur an Unterarmgehstützen laufen können. Sie ist der Ansicht, ihr stehe ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 65.000,00 € zu.
10Die Klägerin beantragt,
11- die Beklagte zu verurteilen, ein der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
- festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen weiteren, derzeit nicht vorhersehbaren immateriellen Schaden und sämtlichen materiellen Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aufgrund der Fehlbehandlungen im Hause der Beklagten in den Jahren 1999, 2000 und 2001 entstanden ist und noch entstehen wird, letzterer nur insoweit, als er nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist.
Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte behauptet, die gesamte Behandlung sei fachgerecht erfolgt und die Klägerin sei insgesamt vor allen Eingriffen auch fachgerecht aufgeklärt worden. Der Eingriff vom 30.7.1999 sei auch lege artis ausgeführt worden und komplikationslos verlaufen. Die Klägerin habe jedoch nicht ordnungsgemäß bei der Mobilisation mitgewirkt. Auch der zweite Eingriff vom 27.1.2000 sei lege artis durchgeführt worden. Dies gilt schließlich auch für den Eingriff vom 7.11.2000. Der dritte Eingriff sei ebenfalls fachgerecht ausgeführt worden und komplikationslos verlaufen. Auch hier habe die Klägerin nicht ordnungsgemäß an der Mobilisation mitgewirkt. Insgesamt habe die Klägerin Mitwirkungspflichten verletzt. Sie sei ärztlichen Empfehlungen nicht gefolgt und habe sich nicht an ärztliche Anweisungen gehalten. Die Beklagte hat den Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
17Die Kammer hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. M vom 29.10.2007 und durch Anhörung des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2008. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme kann auf das Gutachten (Bl. 161 f. d.A.) sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen werden. Die Kammer hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen Dr. T. Auch insoweit kann auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2008 Bezug genommen werden.
18Entscheidungsgründe:
19Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann von der Beklagten weder Schadensersatz- noch Schmerzensgeldansprüche geltend machen. Solche Ansprüche ergeben sich weder aus §§ 823, 831, 253, 249 BGB noch aus §§ 611, 280, 278, 253, 249 BGB.
20Der Klägerin ist der ihr obliegende Nachweis, dass es bei ihrer Behandlung zu haftungsrelevanten Fehlern gekommen ist, nicht gelungen.
21Die Kammer musste nicht entscheiden, ob es vor der ersten Operation bereits zu einem Planungsfehler gekommen ist. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten bereits ausgeführt, dass hier möglicherweise ein Planungsfehler in Betracht kommt, wenn ein zu der in I implantierten Prothese passendes Inlay nicht für den Eingriff vom 30.7.1999 vorsorglich vorlag. Der Sachverständige hat dazu ausgeführt, dass man intraoperativ möglicherweise zu dem Ergebnis hätte kommen können, dass auch das Inlay gewechselt werden müsste. Für einen solchen Fall hätte man grundsätzlich dafür Sorge tragen müssen, dass ein passendes Inlay vorrätig gewesen wäre. Ob ein solches Inlay tatsächlich vorgelegen hat, musste die Kammer jedoch nicht aufklären. Es kann nicht festgestellt werden, dass sich aus einem solchen Planungsfehler ein Schaden ergeben hat. Wie nachstehend ausgeführt, muss die Kammer davon ausgehen, dass der erste Eingriff fachgerecht durchgeführt worden ist und ein Inlaywechsel bei dem Eingriff vom 30.7.1999 nicht erforderlich gewesen ist. In diesem Falle hätte es sich nicht ausgewirkt, wenn es fehlerhaft unterblieben wäre, ein Inlay rechtzeitig vorher zu bestellen.
22Der Klägerin kommt insoweit auch keine Beweiserleichterung zugute, da es sich bei einem solchen Planungsfehler nicht um einen groben Fehler handelt. Der Sachverständige Prof. Dr. M hat in der mündlichen Verhandlung hierzu ausgeführt, dass es nicht gänzlich unverständlich gewesen wäre, wenn der Operateur sich vor dem Eingriff darauf verlassen hätte, dass ein Inlaywechsel nicht erforderlich werden würde und man von vornherein davon ausgegangen ist, dass der Patellawechsel ausreichend sein werde. Er hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass es nur dann grob fehlerhaft gewesen wäre, wenn sich der Operateur überhaupt keine Gedanken über einen Inlaywechsel gemacht hätte. Eine solche Gedankenlosigkeit des Operateurs kann die Klägerin letztlich nicht nachweisen und erscheint der Kammer auch fernliegend. Soweit der Operateur darauf vertraut hatte, dass ein Inlaywechsel nicht erforderlich sein werde, so wäre dies allenfalls ein einfacher Planungsfehler, der hier letztendlich ohne Konsequenzen geblieben wäre.
23Im Übrigen geht die Kammer nach der Beweisaufnahme davon aus, dass die Behandlung der Klägerin fachgerecht erfolgt ist. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass er nicht feststellen kann, dass der Eingriff vom 30.7.1999 fehlerhaft durchgeführt worden wäre. Insoweit kann die Klägerin nicht nachweisen, dass hier fehlerhaft die Bandspannung nicht untersucht worden ist und es daher fehlerhaft war, dass das Inlay nicht bereits zu diesem Zeitpunkt gewechselt worden ist. Der Klägerin kommt hier keine Beweiserleichterung wegen eines Dokumentationsfehlers zu. Mit dem Sachverständigen wurde in der mündlichen Verhandlung ausführlich die Frage erörtert, ob die Prüfung der Bandspannung im Operationsbericht hätte dokumentiert werden müssen. Der Sachverständige hat hierzu ausgeführt, dass die Prüfung der Bandspannung ein Routinevorgang ist, der nicht zwingend zu dokumentieren ist. Der Sachverständige hat zwar erklärt, dass er eine solche Prüfung in einem Operationsbericht festhalten würde. Er hat jedoch auch betont, dass dies aus medizinischen Gründen nicht erforderlich ist, wenn diese Prüfung keine Auffälligkeiten ergeben haben. Der Sachverständige hat daher erklärt, dass hier im Operationsbericht keine Dokumentation fehlt, wenn die Bandspannung geprüft worden ist und diese sich noch im tolerablen Bereich gehalten hätte. Der Kammer ist auch aus anderen Verfahren bekannt, dass Routineeingriffe und Routineuntersuchungen grundsätzlich nicht dokumentiert werden müssen, solange sie keine auffälligen Befunde ergeben. Der Zeuge Dr. T konnte zwar in der mündlichen Verhandlung aus konkreter Erinnerung nicht sicher bestätigen, dass eine solche Bandspannung hier geprüft worden ist. Auch der Zeuge hat jedoch glaubhaft dargestellt, dass es sich um eine Untersuchungsmethode handelt, die bei einer Knieoperation vom Operateur regelmäßig vorgenommen wird. Soweit der Sachverständige ausgeführt hat, dass eine Dokumentation insbesondere dann nicht geboten ist, wenn ein erfahrener Operateur am Werke war, hat die Kammer keine Bedenken, von einer hinreichenden Qualifikation des Operateurs auszugehen. Der Chefarzt der Beklagten, Herr Dr. P, hat in der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2008 überzeugend dargelegt, dass der Operateur seinerzeit bereits ein erfahrener Oberarzt war, der über ausreichende Kenntnisse verfügt hat. Der Sachverständige hat ebenfalls bestätigt, dass keine Anhaltspunkt für Zweifel an der fachlichen Kompetenz des Operateurs gegeben sind.
24Soweit eine Dokumentation nicht erforderlich ist, kann die Klägerin den ihr obliegenden Nachweis, dass die Bandspannung nicht geprüft worden ist, nicht führen. Die Kammer muss daher davon ausgehen, dass im ersten Eingriff die Bandspannung vom Operateur geprüft worden ist und sich noch im tolerablen Bereich befunden hat. Dies ist vom Zeugen T zumindest für die präoperativen Befunde unter Bezugnahme auf den Arztbrief vom 20.7.1999 auch bestätigt worden.
25Der Sachverständige Prof. Dr. M hat dazu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass es nicht fehlerhaft war, sich bei einer tolerablen Bandspannung beim ersten Eingriff auf einen Patellaersatz zu beschränken. Er hat ausgeführt, dass es vertretbar war, wenn der Operateur gehofft hat, dass dieser Eingriff ausreichen würde, um die Beschwerden der Klägerin zu lindern. Der Sachverständige hat insoweit nach Erörterung nochmals betont, dass es sich hier um eine Ermessensentscheidung des Arztes handelt, ob die Probleme allein mit dem Patellaersatz zu lösen sind oder ob auch direkt ein Inlayaustausch erforderlich ist. Der Sachverständige hat insoweit auch darauf hingewiesen, dass vor dem ersten Eingriff bei der Klägerin eine eingeschränkte Beweglichkeit bestand. Insoweit war nach Angaben des Sachverständigen die Gefahr gegeben, dass bei einem sofortigen Inlaywechsel die Bandspannung erhöht worden wäre, was möglicherweise nochmals die Beweglichkeit verschlechtert hätte. Dies hatte der Operateur bei seiner Ermessensentscheidung zu berücksichtigen. Aus diesem Grunde war es nach Angaben des Sachverständigen durchaus vertretbar, zuerst auf einen Inlaywechsel zu verzichten und zu hoffen, mit dem Patellaersatz eine Besserung bei der Klägerin erreichen zu können.
26Der Sachverständige konnte auch bei der zweiten Operation keinen Fehler feststellen. Der Sachverständige hat hierzu in seinem Gutachten ausgeführt, dass es in Anbetracht der ungünstigen Situation und des Leidensdruckes der Klägerin gerechtfertigt war, Verbesserungsversuche herbeizuführen. Entsprechend hat er bereits in seinem Gutachten betont, dass der Eingriff vom 27.1.2000 nicht fehlerhaft ausgeführt worden ist. In der mündlichen Verhandlung hat er nochmals betont, dass es vertretbar war, hier einen erneuten Besserungsversuch vorzunehmen. Nach dem Eingriff vom 30.7.1999 trat bei der Klägerin keine Besserung ein, so dass es nach Angaben des Sachverständigen nicht zu beanstanden ist, wenn die Ärzte nunmehr versuchen wollten, die erheblichen Beschwerden der Klägerin mit einem Inlaywechsel zu beheben. Fehler bei der Ausführung dieses Eingriffes konnte der Sachverständige nicht feststellen.
27Letztendlich war auch der dritte Eingriff vom 7.11.2000 nicht fehlerhaft. Der Sachverständige hat auch insoweit in seinem Gutachten ausgeführt, dass diese Operation nicht fehlerhaft war. Der Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung nochmals erläutert, dass man seinerzeit den Verdacht hatte, dass hier eine Allergie der Klägerin gegen einen Bestandteil des Zements zu den Beschwerden geführt hat. Mit dem Sachverständigen wurden die Krankenunterlagen erörtert. Aus diesen ergibt sich, dass bei der Klägerin eine Kontaktallergie gegen einen Zementbestandteil festgestellt worden ist. Der Sachverständige hat zwar betont, dass eine Kontaktallergie, d.h. eine Reaktion der Haut auf einen bestimmten Stoff, nicht automatisch dazu führt, dass eine allergische Reaktion sich auch im Knie abspielt. Der Sachverständige hat jedoch betont, dass man eine solche allergische Reaktion im Knie letztlich nicht mit ausreichender Zufriedenheit vor der Operation messen kann. Insoweit bleibt nur die Möglichkeit, einen entsprechenden Wechsel auf eine zementfreie Prothetik durchzuführen.
28Der Chefarzt der Beklagten, Herr Dr. P, hat in der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2008 dazu ausgeführt, dass man seinerzeit Kontakt mit der Firma V, die den Zement herstellt, aufgenommen hat. Diese habe mitgeteilt, dass immer die Gefahr bestehe, dass sich Bestandteile aus dem Zement lösen und sich ins Gewebe begeben. Dies könne zu allergischen Reaktionen führen. Der Sachverständige hat dazu erläutert, dass es letztendlich nicht als fehlerhaft gewertet werden kann, wenn man auf dieser Grundlage die Prothetik wechselt und eine zementfreie Prothese einbringt, um auf diesem Weg eine Besserung für die Klägerin zu versuchen. Dass dieser Versuch nicht geeignet war, die Beschwerden der Klägerin zu lindern, lässt nach Angaben des Sachverständigen keinen Rückschluss darauf zu, dass dieser Versuch fehlerhaft war. Auch insoweit hat der Sachverständige nochmals ausgeführt, dass es sich hier jeweils immer nur um Versuche gehandelt hat, die ohnehin schlechte Situation der Klägerin nun doch noch zu verbessern. Auch wenn die Chancen bei jedem Eingriff schlechter geworden sind, so war es nach Angaben des Sachverständigen nicht fehlerhaft, jeweils zumindest Verbesserungsversuche vorzunehmen.
29Entsprechend hat auch der vierte Eingriff, die Arthrolyse, wieder zu einer Besserung bei der Klägerin geführt. Der Sachverständige hat erklärt, dass schließlich bei diesem Eingriff ebenfalls keine Fehler haben festgestellt werden können. Bei der Klägerin hat sich nach diesem vierten Eingriff die Beweglichkeit wieder erheblich verbessert.
30Auf dieser Grundlage kann die Kammer keinen Behandlungsfehler feststellen, der zu einem kausalen Schaden der Klägerin geführt hat.
31Eine Haftung der Beklagten ergibt sich aber auch nicht aus einem Aufklärungsverschulden. Die Klägerin hat grundsätzlich nicht in Abrede gestellt, dass sie vor den Eingriffen aufgeklärt worden ist. Es kann jedoch nach Überzeugung der Kammer dahinstehen, ob sie von den Ärzten auf die erhöhten Risiken bei jedem Eingriff hingewiesen worden ist. Die Kammer geht davon aus, dass die Klägerin bei allen vier in Rede stehenden Eingriffen den Verbesserungsversuch gewagt hätte, wenn ihr die entsprechenden Risiken deutlich gemacht worden wären. Die Beklagte hat den Einwand der hypothetischen Einwilligung erhoben. Insoweit hat die Klägerin jedoch einen plausiblen Entscheidungskonflikt nicht darlegen können. Die Klägerin hat vielmehr selbst erklärt, dass sie in der ganzen Zeit unter einem erheblichen Leidensdruck gelitten hat und immer auf eine Besserung gehofft hat. Auf ausdrückliche Nachfrage der Kammer hat die Klägerin auch erklärt, dass sie den Eingriffen seinerzeit auch bei erhöhten Risiken zugestimmt hätte, in der Hoffnung, es würde doch noch zu einer Besserung kommen. Die Klägerin hat insbesondere zur dritten Operation erklärt, dass sie auch diesem Eingriff zugestimmt hätte, auch wenn sie von dem erhöhten Risiko eines Misserfolges bei einem weiteren Prothesenwechsel erfahren hätte. Die Klägerin hat erklärt, dass sie sich von diesem Eingriff schon erhofft hat, dass möglicherweise die Allergie doch Ursache war. Der Sachverständige hat hierzu betont, dass die einzige Alternative für die Klägerin zu dem Eingriff gewesen wäre, dauerhaft mit den Beschwerden zu leben. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin bei dieser einzigen Alternative doch die Versuche gewagt hätte, auch wenn das Risiko eines Misserfolges relativ hoch gewesen wäre. Wie sich aus den Krankenunterlagen ergibt, war in der gesamten Zeit der Leidensdruck der Klägerin erheblich. Die Klägerin hat auch in der mündlichen Verhandlung gegenüber der Kammer bestätigt, dass es ihr in der Zeit wirklich schlecht gegangen ist und es nie wirklich besser geworden ist.
32Soweit die Klägerin sich jedoch in jedem Falle hätte operieren lassen, so musste die Kammer letztendlich eine ordnungsgemäße und umfassende Aufklärung vor den einzelnen Eingriffen nicht mehr aufklären.
33Da sich eine Haftung weder wegen eines Behandlungsfehlers noch wegen eines Aufklärungsmangels ergibt, war die Klage insgesamt unbegründet und daher abzuweisen.
34Die Gewährung einer weiteren Schriftsatzfrist für den Klägervertreter war nicht geboten. Die wesentlichen Fragen ergaben sich bereits aus dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. M. Im Übrigen hatte der Klägervertreter ausreichend Gelegenheit, in der mündlichen Verhandlung vom 12.6.2008 an den Sachverständigen Fragen zu stellen.
35Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO:
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Referenzen
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