Urteil vom Landgericht Dortmund - 43 KLs 8/06
Tenor
Der Angeklagte M wird wegen vorsätzlicher Ausfuhr von in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) genannten Waren ohne Genehmigung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
3 Jahren und 10 Monaten
verurteilt. Zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer gelten 6 Monate dieser Strafe als verbüßt.
Der Angeklagte M2 wird wegen vorsätzlicher Ausfuhr von in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) genannten Waren ohne Genehmigung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von
2 Jahren und 4 Monaten
verurteilt. Zur Entschädigung für die überlange Verfahrensdauer gelten 6 Monate dieser Strafe als verbüßt.
Die anlässlich der Durchsuchung der Räumlichkeiten der Fa. N am 17.7.2001 sichergestellten zwei Teleskopzylinder werden eingezogen.
Die Angeklagten tragen die Kosten des Verfahrens, soweit sie verurteilt worden sind. Soweit die Kammer das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 StPO eingestellt hat, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens; insoweit wird jedoch davon abgesehen, die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse aufzuerlegen.
Angewendete Vorschriften:
§ 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG i. d. F. vom 11.12.1996 i. V. m. § 5 Abs. 1 AWV, §§ 25 Abs. 2, 52, 53, 54 StGB, § 36 AWG
1
Gründe
2Inhaltsverzeichnis
3- Feststellungen zur Person
- Der Angeklagte M
- Der Angeklagte M2
- Feststellungen zur Sache
- Vorgeschichte und Rahmengeschehen
8
- Entwicklung des Unternehmens N
- Die Funktionsweise von Hydraulikzylindern
- Produktionsablauf bei der N
- Entwicklung der Geschäfte der N in Indien
- Die Außenwirtschaftsprüfung im Dezember 1995 bei der N
- Die Entwicklung des indischen Raketenprogramms
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- Historischer Hintergrund
- Die indische Mittelstreckenrakete Agni ("Feuer")
- Die indische Kurzstreckenrakete Prithvi ("Erde")
- Research and Development Establishment (S)
- Die Lieferung von Hydraulikzylindern durch die N (Kommissionsnummern 7572 und 7955) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im Mai 1997 (Anklagepunkt 1.)
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- Das Geschehen bis zu den Vergabeverhandlungen in der indischen Botschaft in London am 7.5.1996
11
- Vorgeschichte
- Die Anfragen bei der I
- Die Anfragen bei der N
- Die Anfrage bei der N2
- Die Verhandlungen in der High Commission of India am 7.5.1996
- Das Geschehen bis zur Ausfuhr der Zylinder und der Kugelrollspindeln im Jahre 1997 sowie die weitere Entwicklung
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- Die Vorgänge im Zusammenhang mit der I
- Die Vorgänge im Zusammenhang mit der N
- Die Vorgänge im Zusammenhang mit der N2
- Das Geschehen bis zu den Vergabeverhandlungen in der indischen Botschaft in London am 7.5.1996
11
- Die Lieferung von zwei Stützzylinderpaaren durch die N (Kommissionsnummer 9284) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im Dezember 1997 (Anklagepunkt 3.)
- Die Lieferung von zwei Stützzylinderpaaren durch die N (Kommissionsnummer 1547) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II Anfang 1999
- Die Lieferung von zwei Zylinderrohren durch die N (Kommissionsnummer 2745) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im März 2000 (Anklagepunkt 6.)
- Die Lieferung von zwei Stützzylinderpaaren durch die N (Kommissionsnummer 2265) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im November 1999 (Anklagepunkt 4.)
- Die Produktion von Teleskopzylindern durch die N (Kommissionsnummer 3566) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im Jahre 2000 (Anklagepunkt 10.)
- Die Lieferung von neun Zylindern durch die N (Kommissionsnummer 9891) für einen Prototypen der Abschussrampe für die indische Kurzstreckenrakete Prithvi im September 1998 (Anklagepunkt 9.)
- Die Lieferung von zwei Mastzylindern durch die N (Kommissionsnummer 2815) für den Prototypen eines mobilen Radarsystems für die indischen Streitkräfte im Juni und Juli 2000 (Anklagepunkte 7. und 8.)
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- Das Geschehen bis Ende des Jahres 1997
- Entwicklung des Auftrages bis zur Auslieferung der Zylinder im Sommer 2000
- Das weitere Geschehen nach der Auslieferung der Zylinder
- Beweiswürdigung
- Allgemeines
- Komplex "Vorgeschichte und Rahmengeschehen" (Punkt B. I. der Feststellungen)
- Komplex "Agni" (Punkte B. II. bis einschließlich VII. der Feststellungen)
- Komplex Prithvi (Punkt B. VIII. der Feststellungen)
- Komplex Mast (Punkt B. IX. der Feststellungen)
- Rechtliche Würdigung
- Strafzumessung
- Einziehung
- Kostenentscheidung
A. Feststellungen zur Person
21I. Der Angeklagte M
22Der 64 Jahre alte Angeklagte zu 1) wurde am ##.##.1943 in S2 geboren. Sein Vater war als Industriekaufmann in einem Edelstahlwerk tätig und seine Mutter war Hausfrau. Er hat einen älteren und einen jüngeren Bruder, ersterer ist bereits verstorben. Der Angeklagte wurde altersgerecht eingeschult. Im Jahre 1952 gründete sein Vater in I2 ein eigenes Unternehmen, die "N3". In demselben Jahr zog die Familie nach E, wo der Angeklagte weitere eineinhalb Jahre lang die Grundschule besuchte. Anschließend wechselte er auf ein Gymnasium in X. In der siebten Klasse waren seine schulischen Leistungen so schlecht, dass die Versetzung gefährdet erschien. Seine Eltern beschlossen daher, ihn auf ein Gymnasium in X2 gehen zu lassen. Unter der Woche wohnte er dort im erzbischöflichen Knabenkonvikt und war nur an den Wochenenden zuhause. Ab dem Jahre 1960 lebte er auch unter der Woche wieder bei seiner Familie und fuhr von dort zur Schule. Seine Leistungen verbesserten sich stetig und im Jahre 1963 ging er als Jahrgangsbester mit dem Abitur von der Schule ab. Er war der erste in seiner Familie, der die Hochschulreife erlangte.
23Der Angeklagte begann, an der Technischen Universität in C Maschinenbau zu studieren. Sechs Jahre später (1969) schloss er das Studium erfolgreich mit dem Diplom ab. Anschließend wollte er an dem damals einzigen Institut für Hydraulik in der Bundesrepublik Deutschland, an der Technischen Universität in B, promovieren. Da dort keine Assistentenstelle frei war, ging er zunächst von Februar bis September 1970 in die USA. Er besuchte neun Wochen lang eine Sprachschule in Washington D.C. und erhielt das bis dahin beste Abschlusszeugnis der Schule. Anschließend lebte er – zur weiteren Verbesserung seiner Sprachkenntnisse – bei einer Familie in einem kleinen Dorf in Massachusetts.
24Am 1. Oktober 1970 wurde er Assistent an der Technischen Universität B und beschäftigte sich im Rahmen seiner Promotion u.a. mit Hydraulikflüssigkeiten.
25Im August 1971 heiratete er eine Amerikanerin, die er bei seinem Aufenthalt in den USA kennengelernt hatte.
26Im Jahre 1974 starb der Vater des Angeklagten. Daher trat dieser, unmittelbar nachdem er im darauf folgenden Jahr seine Promotion mit der Note "sehr gut" abgeschlossen hatte, in das von seinem Vater gegründete Unternehmen ein und zog mit seiner Familie nach I2. Die "N3" war zwischenzeitlich in "N" umbenannt worden. An der Gesellschaft waren Mitte 1975 – auf die Einzelheiten wird noch einzugehen sein – außer dem Angeklagten zu 1), der (zusammen mit seinen Brüdern) den väterlichen Anteil von 45 % geerbt hatte, sein Vetter M3, der Vater des Angeklagten zu 2), der als kaufmännischer Geschäftsführer fungierte, mit 45 % sowie zwei Prokuristen mit jeweils 5 % beteiligt. Der Angeklagte zu 1) wurde zunächst neben seinem Vetter zum weiteren Geschäftsführer ohne festen Aufgabenbereich bestellt und kümmerte sich um die Fertigungssteuerung. In diesem Bereich führte das Unternehmen zu jener Zeit eine moderne, auf EDV gestützte Fertigungsproduktion ein, was zunächst chaotische Zustände nach sich zog. Der Angeklagte verbesserte daraufhin eineinhalb Jahre lang die Fertigungssteuerung im Unternehmen; dabei lernte er die betrieblichen Abläufe und alle Mitarbeiter kennen. Infolgedessen wurde er zum Geschäftsführer für Produktion und Organisation ernannt; im Jahre 1985 – das Unternehmen war zwischenzeitlich dergestalt umstrukturiert worden, dass die Kommanditgesellschaft nur noch als Besitzgesellschaft fungierte und das operative Geschäft von der N betrieben wurde – übernahm er nach Ausscheiden des technischen Leiters auch den Bereich Technik. Zwei Jahre später – nachdem sein Vetter aus dem Unternehmen ausgeschieden war – wurde er für einen Zeitraum von drei Jahren alleiniger Geschäftsführer und war vor allem für die Kundenbetreuung zuständig. Dazu gehörte, die Kontakte zu den meist langjährigen Kunden zu halten, sich ihre Wünsche anzuhören und alle technischen Neuerungen auf dem Markt kennenzulernen. Der Angeklagte zu 1) begab sich jedoch nie selbst zu Kunden, um die Produkte des Unternehmens vorzustellen.
27Am 1. Juli 2003 trat er aufgrund des vorliegenden im April 2001 eingeleiteten Verfahrens als Geschäftsführer zurück. Faktisch änderte sich jedoch seine Stellung im Unternehmen nicht. Sein Vertrag als Geschäftsführer lief zunächst noch bis Ende des Jahres 2004. Seit dem 1. Januar 2005 ist er aufgrund eines Beratervertrages für das Unternehmen tätig; die Gesellschafter haben zudem beschlossen, dass er innerhalb des Unternehmens unbeschränkt weisungsbefugt ist. Derzeit ist er bemüht, eine Regelung für seine Nachfolge im Unternehmen zu finden.
28Der Angeklagte, der fließend englisch spricht, hat drei erwachsene Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, sowie einen Enkelsohn.
29Seit dem Jahre 1991 ist der Angeklagte im Besitz eines Flugscheins für zweimotorige Maschinen. Mit einem dem Unternehmen gehörenden Flugzeug steuert er Ziele innerhalb Deutschlands und Europas an. Diese Transportmöglichkeit nutzt er häufig, um geschäftliche Termine wahrzunehmen.
30Der Angeklagte wurde im vorliegenden Verfahren am 6.3.2003 aufgrund eines Haftbefehls des Amtsgerichts Dortmund vom 30.1.2003 festgenommen und befand sich bis zum 28.4.2003 in Untersuchungshaft. Mit Beschluss vom 15.4.2003 hatte das Amtsgericht den Haftbefehl unter Auflagen (vor allem der Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 3 Mio. €) außer Vollzug gesetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dortmund wurde von der zuständigen Beschwerdekammer des Landgerichts Dortmund – nachdem diese zunächst gemäß § 307 Abs. 2 StPO die Aussetzung der Haftverschonung angeordnet hatte – durch Beschluss vom 28.4.2003 verworfen. Nach Eingang der Anklageschrift vom 27.4.2004 hat die erkennende Kammer auf Antrag der Verteidiger des Angeklagten durch Beschluss vom 28.6.2004 die Kaution auf 2 Mio. € herabgesetzt; durch weiteren Beschluss der Kammer vom 1.3.2007 ist die Sicherheitsleistung auf 500.000,- € reduziert worden.
31Der für den Angeklagten eingeholte Bundeszentralregisterauszug enthält keine Eintragungen.
32II. Der Angeklagte M2
33Der 55 Jahre alte Angeklagte zu 2) wurde am ##.##.1953 in E geboren. Als er zwei Jahre alt war, zog er mit seinen Eltern nach E2, wo sein Vater, M3, in einer Außenstelle der Industrievertretung seines Großvaters tätig war. Seine Mutter war Hausfrau. Der Angeklagte hat eine jüngere Schwester. Nachdem sein Großvater im Jahre 1960 die Industrievertretung aus Altersgründen aufgegeben hatte, wurde sein Vater Verkaufsleiter bei der N3. Im Jahre 1962 zog die Familie wieder nach E. Ein Jahr später wechselte der Angeklagte von der Grundschule auf das Gymnasium. Er musste ein Schuljahr wiederholen und ging im Jahre 1972 mit dem Abitur ab.
34Anschließend absolvierte er in E3 ein Studium zum Wirtschaftsingenieur, das er im Jahre 1980 erfolgreich abschloss. Danach besuchte er vier Monate einen Sprachkurs in Frankreich. Im Jahre 1981 nahm er eine Stelle in der Abteilung "Zentrale Arbeitsvorbereitung" in dem Unternehmen N3 in N5 an, in dem technische Geräte für die NATO repariert werden. Zwei Jahre später übernahm er die Funktion des kaufmännischen Abteilungsleiters in einer Zweigstelle des Betriebes, einem Vulkanisierungswerk. Im Jahre 1985 verließ der Angeklagte das Unternehmen und war zwei Jahre bei der C2, einer Wirtschaftsprüfergesellschaft in E, tätig.
35Im Mai 1987 wechselte er zur N und fing als Sachbearbeiter im Verkauf an. Drei Jahre später wurde er Geschäftsführer in dem in I3 neu gegründeten Tochterunternehmen "N6". Gleichzeitig bestellte man ihn auch zum weiteren Geschäftsführer der N3 in I2. Im Jahre 1995 gab der Angeklagte zu 2) die Tätigkeit in I3 auf und kehrte zur Muttergesellschaft in I2 zurück. Er beschäftigte sich nun mit der Auftragsabwicklung im Verkauf, wobei der Angeklagte zu 1) jedoch nach außen für die Kundenbetreuung und die Auftragsverhandlungen zuständig blieb. Daneben war der Angeklagte zu 2) für die Bereiche Finanzen und Personal zuständig. Vier Jahre später (zum 1.7.1999) übernahm er zusätzlich die Geschäftsführung der von der N neu erworbenen Maschinenfabrik "H" in H2. Dort koordinierte er die Integration des Betriebes in die Muttergesellschaft. Im Herbst 2002 war diese Aufgabe abgeschlossen und er nahm wieder seine Tätigkeit in I2 auf. Im Juli 2003 trat er zusammen mit seinem Onkel als Geschäftsführer zurück und ist seitdem Privatier.
36Der Angeklagte zu 2), der ebenfalls fließend englisch spricht, ist zum zweiten Mal verheiratet. Er hat aus seiner ersten Ehe drei noch schulpflichtige Kinder, die bei seiner geschiedenen Ehefrau leben. Seine zweite Frau hat zwei Töchter in die Ehe mitgebracht, die beide derzeit studieren.
37Der Angeklagte zu 2) wurde im vorliegenden Verfahren am 6.3.2003 zusammen mit seinem Onkel aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Dortmund vom 30.1.2003 verhaftet und befand sich bis zum 19.3.2003 in Untersuchungshaft; an diesem Tage setzte das Amtsgericht den Haftbefehl unter Auflagen (vor allem der Erbringung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 500.000,- €) außer Vollzug. Durch Beschluss vom 1.3.2007 hat die erkennende Kammer die Kaution auf 125.000,- € herabgesetzt.
38Strafrechtlich ist der Angeklagte noch nicht in Erscheinung getreten.
39B. Feststellungen zur Sache
40I. Vorgeschichte und Rahmengeschehen
411. Entwicklung des Unternehmens N
42Der Onkel des Angeklagten zu 1), M4, war Anfang der fünfziger Jahre Direktor eines Eisenbahnunternehmens in T, das u.a. Waggons baute. Sein Bruder, der wie der Angeklagte zu 1) M hieß, betrieb selbständig eine Industrievertretung in E und verkaufte u.a. die Waggons, die in dem von M4 geführten Unternehmen produziert wurden. Beide suchten ein Unternehmen, das Reparaturen an diesen Waggons durchführen könnte. Ihr jüngerer Bruder M5, der Vater des Angeklagten zu 1), ergriff die Gelegenheit und gründete im Jahre 1952 die "N3" in I2. M beteiligte sich mit 50 % und wurde stiller Teilhaber des Unternehmens. Die Gesellschaft beschäftigte sich zunächst mit der Reparatur von Waggons und verlegte sich anschließend auf die Produktion von hydraulischen Klappen, die für den Kohle- und Erzabbau benötigt wurden. Kurz darauf begann sie, auch hydraulische Zylinder für die Stahl- und Hüttenindustrie herzustellen.
43Im Jahre 1960 trat M3, der Sohn von M und Vater des Angeklagten zu 2), in das Unternehmen ein und übernahm von seinem Vater dessen Anteil an der Gesellschaft. Er wurde Leiter des Einkaufes und im Jahre 1966 kaufmännischer Geschäftsführer. Fünf Prozent seiner Gesellschafteranteile übertrug er im Jahre 1969 an L, den er in der Kriegsgefangenschaft kennen gelernt hatte. L wurde technischer Leiter des Unternehmens. M5 trat zeitgleich fünf Prozent seiner Gesellschafteranteile an den Vertriebsleiter, I4, ab. Sowohl L als auch I4 erhielten Prokura. Das Unternehmen wurde in "N" umbenannt.
44Im Februar 1974 starb M5 und eineinhalb Jahre später trat der Angeklagte zu 1) als Geschäftsführer in das Unternehmen ein. Seine Brüder und er hatten jeder 1/3 des väterlichen Anteils geerbt, also jeweils 15 % der Gesamtanteile. Ausweislich des Gesellschaftervertrages durfte jedoch immer nur einer der Erben das Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung wahrnehmen. Der Angeklagte zu 1) übte es für seine Geschwister aus; nachdem er Anfang der achtziger Jahre seinem älteren Bruder dessen Anteil abgekauft hat, vertritt er seitdem nur noch seinen jüngeren Bruder in der Gesellschafterversammlung.
45Im Jahre 1982 schlugen die Steuerberater des Unternehmens eine Umstrukturierung vor. Die N, welche vorher nur als Verwaltungsgesellschaft fungiert hatte, wurde betriebsführend (N). Die Kommanditgesellschaft blieb Eigentümerin der Immobilien und vermietete sie an die N. Das Stammkapital wurde von 20.000 DM auf 1,2 Mio. DM erhöht und die ursprünglichen Beteiligungsverhältnisse der Kommanditgesellschaft auf die N erstreckt.
46Im Jahre 1985 trat L in den Ruhestand. Zwei Jahre später wechselte der Angeklagte zu 2) zur N und wurde im Bereich "Verkauf" tätig. Sein Vater, M3, schied zeitgleich aus dem Unternehmen aus.
47Um den Bereich der Reparaturen aus dem Gesamtbetrieb ausgliedern zu können, wurde im Jahre 1990 die "N6" in X2 gegründet; alleinige Gesellschafterin ist die N. Der Angeklagte zu 2) wurde zum Geschäftsführer dieser eigenständigen Gesellschaft sowie zum weiteren Geschäftsführer der N bestellt; deren Stammkapital wurde auf drei Mio. DM erhöht. Sein Vater übertrug ihm und seiner Schwester nunmehr seine Gesellschaftsanteile (jeweils 22,5 %); der Angeklagte zu 2) übt in der Gesellschafterversammlung das Stimmrecht für seine Schwester aus.
48Im Jahre 1991 wurde auch L2, der Sohn von L und bisherige Assistent der Geschäftsleitung, zum Geschäftsführer der N bestellt. Gleichzeitig übertrug ihm sein Vater seine Gesellschaftsanteile. Das Stammkapital der N wurde auf sechs Mio. DM erhöht. Vier Jahre später wurde L2 anstelle des Angeklagten zu 2) Geschäftsführer der N6 in X2 und letzterer kehrte zur Muttergesellschaft nach I2 zurück. Er übernahm die Überprüfung und Abwicklung der mit den Kunden abgeschlossenen Verträge und kümmerte sich um die Bereiche Finanzen und Personal.
49Im Jahre 1994 übertrug I4 seine Gesellschaftsanteile auf seinen Sohn I5, der seit dem Jahre 1990 im Bereich "Einkauf" tätig ist. I4 senior schied aus dem Unternehmen aus und der Angeklagte zu 1) übernahm auch die Position des Vertriebsleiters.
50In den folgenden Jahren expandierte das Unternehmen: Im Jahre 1997 wurde eine Niederlassung in Indien, die "N7" (im Folgenden N7), gegründet; auf die Einzelheiten wird noch einzugehen sein. Ein Jahr darauf erwarb die N eine vierzigprozentige Beteiligung an der italienischen "B2", einem Hersteller von kleineren Zylindern. Im Jahre 1999 erhöhte das Unternehmen das Stammkapital auf zehn Mio. DM und übernahm die Betriebs-GmbH der Maschinenfabrik "H" in H2. Diese Gesellschaft hatte zunächst nur den Bergbau beliefert; anschließend hatte sie ihre Produktpalette verbreitert und war zu einem Konkurrenten der N geworden. Der Angeklagte zu 2) übernahm dort ab dem 1.7.1999 bis zum Herbst 2002 zusätzlich die Geschäftsführung; anschließend war er wieder bei der N in I2 tätig. M6, der Neffe des Angeklagten zu 1) trat in das Unternehmen ein und erhielt Prokura. Die letzte Neuerwerbung erfolgte im Oktober 2006: Die N übernahm die I6, deren Firmensitz südlich von T2 liegt und die Spezialzylinder für Raupenkräne herstellt.
51Am 1. Juli 2003 traten die drei Geschäftsführer aufgrund des vorliegenden Verfahrens, das sich zunächst auch gegen L2 richtete, zurück. M7, der älteste Sohn des Angeklagten zu 1), wurde als weiterer Geschäftsführer und M6 zum stellvertretenden Geschäftsführer der N bestellt. Letzterer übernahm die Aufgaben des Angeklagten zu 2). X3, der zuvor Geschäftsführer bei der H gewesen war, übernahm die Position des technischen Geschäftsführers bei der N und L2 wurde erneut alleiniger Geschäftsführer der N6 in X2. Faktisch änderte sich – wie bereits erwähnt – an der Stellung des Angeklagten zu 1) im Unternehmen nichts; er traf weiterhin allein die wesentlichen unternehmerischen Entscheidungen. Nach einem Jahr verließ M7 das Unternehmen wieder und kehrte in seinen ursprünglichen Beruf (Pilot bei der Lufthansa) zurück. Inzwischen ist auch M6 aus der Gesellschaft ausgeschieden und ein N8 neben X3 Geschäftsführer der N in I2.
52Im Laufe der Jahre sind der Umsatz und die Zahl der Mitarbeiter des Unternehmens ständig gestiegen. Im Jahre 1996 erzielte die N mit 340 Mitarbeitern einen Umsatz in Höhe von 43 Mio. €; im Jahre 2006 betrug der Umsatz der N Gruppe bei 890 Mitarbeitern 175 Mio. €. Das Unternehmen hat sich in den letzten zwanzig Jahren auf Hydraulikzylinder spezialisiert. Es hat inzwischen eine Monopolstellung im Bereich der Teleskopzylinder, nachdem sich der Hauptwettbewerber, die I mit Sitz in M8 (im Folgenden I), aus diesem Bereich zurückgezogen hat, und eine dominante Stellung hinsichtlich aller anderen Arten von Hydraulikzylindern. Die Produktion von Zylindern umfasst mittlerweile 90% des Umsatzes. Die übrigen 10 % betreffen Kolbenspeicher, Ventile und ähnliches Zubehör. Letzteres stellt die N überwiegend zum Eigenbedarf her. Das Unternehmen ist seit Jahrzehnten ein zugelassener Zuliefer-Betrieb für die Bundeswehr, d.h. es beliefert die Hersteller von Rüstungsgütern mit Hydraulikzylindern.
532. Die Funktionsweise von Hydraulikzylindern
54In einem Hydraulikzylinder wird die Energie aus der Hydraulikflüssigkeit, die von einer Pumpe geliefert wird, in eine einfache geradlinig wirkende Kraft umgesetzt. Er besteht – grob vereinfacht – aus einem Zylinderrohr, einer Kolbenstange, einem Kolben und Dichtungen.
55Hydraulikzylinder gibt es in verschiedenen Bauformen:
56Ein Differentialzylinder besteht aus einem Rohr, durch dessen Mitte eine Stange, die sogenannte Kolbenstange, verläuft. Die Kolbenstange ist mit einem Kolben innerhalb des Rohres verbunden. Das Rohr wird vorne und hinten verschlossen, damit die einzuführende Flüssigkeit nicht herausläuft. Es verfügt oben und unten über Gewindelöcher, an die Schläuche angeschlossen werden. Eine außenliegende Pumpe drückt aus einem Tank Öl in den Schlauch auf der einen Seite des Kolbenraumes. Der Druck, mit dem die Pumpe das Öl in das Rohr drückt, bewegt den Kolben und schiebt die mit ihm verbundene Kolbenstange aus dem Rohr heraus. Wird Öl in den Schlauch auf der anderen Seite des Kolbenraumes und damit in den Teil auf der Rückseite des Kolbens gepumpt, werden Kolben und Kolbenstange wieder zurückgeschoben und das Öl läuft aus dem ersten Schlauch wieder zurück in den Tank.
57Neben den Differentialzylindern gibt es noch sogenannte Plungerzylinder. Sie verfügen nur über ein Gewindeloch, durch welches das Öl eingeführt wird, das sodann die Kolbenstange ausfährt. Plungerzylinder besitzen keinen eigentlichen Kolben, sondern die Kolbenstange dient als Kolben. Zum Einfahren wird sie durch das darauf lastende Gewicht oder die Eigenmasse wieder heruntergedrückt und das Öl fließt aus dem Kolbenraum heraus.
58Eine weitere Bauform ist der sogenannte Teleskopzylinder. Er besteht aus mehreren ineinander gebauten Zylindern und ist meistens als Plungerzylinder konstruiert.
59Der Vorteil von Teleskopzylindern besteht darin, dass sie bei relativ kleinen Einbaulängen durch die teleskopartig ausfahrenden Stangen große Hübe erzeugen können.
60Ein Zylinder kann auf unterschiedlichen Bauformen montiert ("aufgehängt") werden: Am Boden des Rohres kann sich ein Gabelkopf befinden, durch den ein Bolzen geführt wird; am Boden des Rohres kann eine Platte anmontiert werden; der Zylinder kann seitlich liegend auf eine Platte, z. B. auf einem Fahrzeug, befestigt werden; um das Rohr herum kann eine Art Ring, ein sogenannter Schwenkzapfen, angebracht werden, an dem der Zylinder aufgehängt wird.
61Am Ende der Kolbenstange, außerhalb des Rohres, sitzt meistens ein u-förmiger Gabelkopf. Durch zwei sich gegenüberliegende Löcher in dem Gabelkopf wird ein Bolzen geführt, der mit dem Gegenstück in der Maschine verbunden ist. Bewegt sich die Stange im Zylinder nach oben, fährt der Bolzen aus und das Gegengewicht wird nach oben oder nach unten bewegt.
62Dichtungen sitzen am Kolben sowie an der Kolbenstange; sie verhindern zum einen ein inneres Auslaufen der Flüssigkeit von der Hochdruck- auf die Niederdruckseite und zum anderen ein äußeres Auslaufen. Während ein kleines Leck an der Kolbendichtung nur den Wirkungsgrad verringert und tolerierbar sein oder sogar unbemerkt bleiben kann, wird ein Leck an der Stangendichtung dazu führen, dass die Druckflüssigkeit aus dem Zylinder austritt. Es ist daher notwendig, dass die Kolbenstange eine absolut fehlerfreie Oberflächenbeschaffenheit erhält. Da die Kolbenstange durch das Ein- und Ausfahren aus dem Zylinder unterschiedlichen äußeren Einflüssen ausgesetzt ist, muss sie entsprechend gegen Korrosion geschützt werden. Kolbenstangen sind daher üblicherweise hartverchromt. Einen noch besseren Schutz (vor allem bei einem Einsatz in salzhaltiger Umgebung) bietet eine Keramikbeschichtung der Kolbenstangen. Die bereits erwähnte I hatte im Jahre 1996 bereits ein Verfahren zur Beschichtung mit Keramik entwickelt und konnte diese ihren Kunden anbieten. Die N konnte diesen Zusatz lange nicht anbieten, bis sie nach Jahren einen entsprechenden Zulieferer in den Niederlanden fand. Die Stangendichtungen sind zusätzlich mit einem Abstreifer ausgerüstet, der beim Einfahren in den Zylinder Staubpartikel von der Kolbenstange abstreift. Weitere Dichtungen befinden sich in den Ventilen. Nach etwa zwei Jahren sind Dichtungen verschlissen und müssen ausgetauscht werden.
63Für den Betrieb der Zylinder werden verschiedene Druckflüssigkeiten verwendet. Bei industrieller Anwendung, z. B. in Werkzeugmaschinen, Erd- und Landbaumaschinen, werden zumeist Hydraulikflüssigkeiten auf Mineralölbasis benutzt, da sie unter anderem über schmierende und korrosionshemmende Eigenschaften verfügen. Für spezielle Anwendungsbereiche stehen synthetische Öle zur Verfügung (zum Beispiel schwer entflammbare Öle). Die Art der Druckflüssigkeit bestimmt, welche Dichtungen verwendet werden müssen. Normale Dichtungen würden beim Kontakt mit einem schwer entflammbaren Öl aufquellen und damit nutzlos werden. In diesem Fall müssen vielmehr spezielle Viton-Dichtungen eingebaut werden.
64Für zwei parallel laufende Zylinder entwickelte die N bereits vor vielen Jahren die sogenannte Zylinderverbindung. Üblicherweise hat jeder Zylinder ein eigenes Ventil, über welches das Öl eingeleitet wird. Bei parallel laufenden Zylindern kann es zu Unregelmäßigkeiten im Lauf kommen, wenn sich die Ventile zum Beispiel zeitverzögert öffnen. Die Zylinderverbindung besteht aus einem Rohr, das zwischen den beiden Zylindern befestigt wird und mit ihnen verbunden ist, sowie nur einem Ventil. Über letzteres werden beide Zylinder gleichzeitig mit Öl beliefert. Dadurch wird ein gleichmäßiger Lauf der Zylinder garantiert.
653. Produktionsablauf bei der N
66Anfragen eines Kunden hinsichtlich eines Hydraulikzylinders werden bei der N entweder an die Geschäftsleitung oder unmittelbar an die Konstruktionsabteilung gerichtet. Ein Kunde muss dabei, damit das Unternehmen ihm ein Angebot machen kann, zumindest angeben, welche Last bewegt, welcher Hub ausgefahren, wie der Zylinder aufgehängt werden soll und mit welchem Druck die Ölpumpe arbeitet.
67In dem Projektbüro der Konstruktionsabteilung befinden sich die Pläne aller Zylinder, welche die N je hergestellt hat. Bei einer Anfrage sucht der Projekt-Ingenieur, M9, die Pläne eines Zylinders heraus, den die N bereits produziert hat und der dem Kundenwunsch am nächsten kommt. Die Pläne dieses Zylinders passt er sodann den Vorgaben des Kunden an. Diese neuen Unterlagen gibt N9 in die Abteilung Arbeitsvorbereitung weiter, in der eine Angebotskalkulation erstellt wird. Die erforderlichen Materialien werden in der Abteilung Einkauf angefragt und die Herstellungskosten errechnet. Anschließend wird das Angebot gefertigt und an den Kunden geschickt. Nimmt er es an, wird der Auftrag im Bereich Verkauf registriert und die Unterlagen gehen zurück in die Konstruktionsabteilung. Dort wird eine Gesamtzeichnung des Zylinders erstellt und dem Kunden zur Genehmigung zugesandt. Sobald dieser die Pläne akzeptiert hat, gehen sie in das technische Büro, wo die Einzelteile gezeichnet und eine genaue Stückliste erstellt wird. Die Zeichnungen werden anschließend wieder an die Abteilung Arbeitsvorbereitung weitergereicht, die die konkreten Fertigungspläne erstellt. Diese gehen sodann in die Produktion und der Zylinder wird gebaut. Vor der Auslieferung wird der Zylinder mit dem vom Kunden vorgegebenen Öl beaufschlagt und der Zylinder einige Male ein- und ausgefahren, damit sich auf den Kolbenstangen ein Ölfilm bildet. Dieser bietet einen Korrosionsschutz für ca. sechs Monate.
684. Entwicklung der Geschäfte der N in Indien
69Im Jahre 1983 wandte sich der Inhaber des indischen Maschinenbauunternehmens N9, ein Herr B3, an die N. Die indische Regierung investierte zu der Zeit in erheblichem Umfang in die Infrastruktur, wofür u.a. Bagger und Kräne benötigt wurden. Daneben plante sie große Staudammprojekte, für die man ebenfalls Zylinder brauchte. B3 wollte daher in Indien eine Fabrik aufbauen, welche die erforderlichen Zylinder vor Ort produzieren könnte. Für dieses Projekt suchte er einen deutschen Partner und verhandelte diesbezüglich sowohl mit der N als auch mit der I, einem der größten Konkurrenten der N zu jener Zeit. Der Angeklagte zu 1) und I4 führten die Verhandlungen mit B3 in I2 und am 24.5.1983 schlossen die Vertreter beider Unternehmen ein "Agreement between N and N9" und ein "Licence Agreement" ab. Danach erhielt N9 das exklusive Recht zur Herstellung und zum Vertrieb der Hydraulikzylinder der N in Indien. N9 wurde bei der Materialauswahl beraten, seine Mitarbeiter, u.a. ein S3, wurden in I2 geschult und die N unterstützte N9 beim Vertrieb der Zylinder. So reisten der Angeklagten zu 1) und I4 nach Indien und suchten potentielle Kunden auf, unter anderem alle Stahl- und Hüttenwerke. Zu nennenswerten Vertragsabschlüssen kam es jedoch nicht. Ende des Jahres 1989 schlief die Geschäftsbeziehung trotz zahlreicher Briefe und Mahnungen von Seiten der N ein.
70Anfang der neunziger Jahre suchte der Inhaber des indischen Unternehmens V, ein Herr K, den Angeklagten zu 1) auf. V produzierte in Indien Zylinder und war auf der Suche nach westlicher Technologie. Die N war weiterhin an den äußerst lukrativen Aufträgen aus dem Bereich des Staudammbaus in Indien interessiert. Die Angeklagten hatten festgestellt, dass die alleinige Lieferung von Zylindern für die Leiter dieser Großprojekte nicht interessant war; vielmehr wollten letztere Komplettlösungen, das heißt mit Aggregaten und der Elektrik. Da K diese mit seinem Unternehmen im Gegensatz zu N9 anbieten konnte, arbeiteten die N und V im Zeitraum von 1994 bis 1997 auf diesem Gebiet zusammen. Auch diese Verbindung blieb jedoch letztlich erfolglos. Die N erstellte zwar in den drei Jahren Angebote im Wert von insgesamt zwölf Mio. €. Für einen erhofften Auftrag über 56 Zylinder flog der Angeklagte zu 1) zusammen mit dem Projekt-Ingenieur M9 sogar nach Indien zu einem Interessenten und wich damit von seinem üblichen Verhalten ab, nicht mit Prospekten der N potentielle Kunden aufzusuchen. Trotzdem erhielt das Unternehmen nicht die erwünschten Aufträge, was die beiden Angeklagten frustrierte. Besonders ärgerte sie, dass die konkurrierende I es inzwischen geschafft hatte, über die Lieferung von Dichtungen auf dem indischen Markt Fuß zu fassen und auch die begehrten Aufträge für die Staudammzylinder zu erhalten.
71Im April 1995 rief S3, der bereits erwähnte Mitarbeiter von B3, den Angeklagten zu 1) an und berichtete ihm, dass N9 insolvent sei. Ein Interessent wolle sich mit dem Angeklagten zu 1) auf der zu jener Zeit stattfindenden Maschinenbau-Messe in Hannover treffen und hinsichtlich einer Übernahme des Unternehmens verhandeln. Er sei nämlich nur interessiert, wenn sich auch die N an N9 beteiligen würde. Bei der Besprechung kam es jedoch zu keiner Einigung. Im Verlauf der nächsten eineinhalb Jahre suchte der Angeklagte zu 1) nach potentiellen Partnern für N9; schließlich überlegten die Gesellschafter der N (I4, L2 und die beiden Angeklagten), ob sie N9 nicht selbst übernehmen sollten. Im Februar 1997 flog der Angeklagte zu 1) nach Indien und inspizierte eine Woche lang das Unternehmen. Nachdem S3 jedoch vor einer weiteren Zusammenarbeit mit B3 gewarnt hatte, verfolgte der Angeklagte zu 1) diesen Plan nicht weiter. Nach einer kurzen Rücksprache mit den übrigen Gesellschaftern bot er vielmehr S3 an, ein in Indien neu zu gründendes Unternehmen zu leiten, das die Interessen der N in Indien wahrnehmen sollte.
72Am 25.3.1997 wurde daraufhin die N7 (im Folgenden N7) von S3 als Einpersonengesellschaft gegründet. Am 9.7.1997 schloss die N mit S3 einen Repräsentationsvertrag über die gesamte Produktpalette und einer Laufzeit von drei Jahren ab, der für S3 ein monatliches Gehalt in Höhe von 1.400,- DM sowie Provisionen für alle von ihm verkauften Zylinder vorsah. Am 30.12.1998 beteiligte sich die N zu 50 % an der N7, da das Unternehmen Geld benötigte, um ein Büro anzumieten und Mitarbeiter einzustellen. Im Jahre 1999 konnte N7 den ersten Auftrag für ein Staudammprojekt akquirieren. Die Zylinder dafür wurden bei der N in I2 produziert und nach Indien geliefert. In den nächsten Jahren plant die indische Regierung die Realisierung von noch etwa einhundert weiteren Staudammprojekten. Seit dem Jahre 2007 verfügt die N7 über ein eigenes Betriebsgelände in Chennai mit einem Bürogebäude und einer Produktionshalle; zuvor hatte das Unternehmen die erforderlichen Räumlichkeiten nur gemietet. Geplant ist der Bau einer weiteren Produktionsstätte. Seit die N in das Staudammgeschäft einsteigen konnte, hat – zur Genugtuung der Angeklagten – die I in diesem Bereich keinen Auftrag mehr erhalten.
735. Die Außenwirtschaftsprüfung im Dezember 1995 bei der N
74In regelmäßigen Abständen – etwa alle vier Jahre – führt die Oberfinanzdirektion Münster bei der N eine Außenwirtschaftsprüfung durch. Dabei wird in erster Linie überprüft, ob das Unternehmen die außenwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen bei den im Prüfungszeitraum durchgeführten Exporten beachtet hat. Bereits seit den siebziger Jahren (bis zu seiner Pensionierung im September 2003) war bei der N der stellvertretende Verkaufsleiter I8 für alle Exportgeschäfte des Unternehmens zuständig; Leiter des Vertriebs und damit sein unmittelbarer Vorgesetzter war von 1994 an der Angeklagte zu 1), der ausweislich des Prüfungsberichtes – auf den noch einzugehen sein wird – auch als Ausfuhrverantwortlicher im Sinne des Außenwirtschaftsgesetzes fungierte. Um sich hinsichtlich der besonderen Vorschriften des Außenwirtschaftsrechts sachkundig zu machen, besuchte I8 mehrfach diesbezügliche Seminare, die vom Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau sowie dem Hauptzollamt Dortmund abgehalten wurden; ein Exemplar des Außenwirtschaftsgesetzes und die jeweils geltende Außenwirtschaftsverordnung befanden sich in seinem Büro.
75Eine derartige Außenwirtschaftsprüfung fand auch im Dezember 1995 unter Leitung des Zollamtmannes T3 statt. Dabei wurde insbesondere eine im September 1991 erfolgte Lieferung von Hydraulikzylindern für "Büffel"-Bergepanzer an die Firma E4 in den Niederlanden überprüft. Dort sollte eine Teilkomplettierung stattfinden und die Endmontage sollte durch die Firmen N19 in L sowie L4 in N11 erfolgen; die fertigen Panzer sollten sodann an die Bundeswehr ausgeliefert werden. Die N hatte für dieses Exportgeschäft im September 1991 eine Ausfuhrgenehmigung beim Bundesausfuhramt in Eschborn (im Folgenden BAFA) beantragt und diese auch erhalten. Darüber hinaus nahmen die Prüfer einen im November 1991 durchgeführten Export von Hydraulikzylindern für einen Bergepanzer an die Firma T4 in Singapur unter die Lupe. Auch für diese Lieferung hatte die N eine Ausfuhrgenehmigung beantragt und erhalten.
76Letztlich führte die Außenwirtschaftsprüfung zu keinen Beanstandungen. In dem Prüfungsbericht (Sonderheft "Außenwirtschaftsprüfung bei der Firma N" Bl. 3), welcher der N von der Oberfinanzdirektion im Mai 1996 übersandt wurde, wurde das Unternehmen jedoch unter Punkt 3.1.2. darüber belehrt, dass der Export von speziell konstruierten Hydraulikzylindern, die in Waren eingebaut würden, die den Beschränkungen der Ausfuhrliste unterlägen, möglicherweise genehmigungspflichtig sein könnte. Darüber hinaus wies der Außenwirtschaftsreferent C3 von der Oberfinanzdirektion Münster in einem an die Geschäftsleitung der N adressierten Schreiben vom 13.5.1996 (Sonderheft "Außenwirtschaftsprüfung bei der Firma N" Bl. 1) auf die Einhaltung von § 5 d Außenwirtschaftsverordnung hin und bat sie, sich bei Zweifeln an der Genehmigungspflicht – gegebenenfalls auch in Fällen, welche die Ausfuhrliste betreffen würden – mit dem BAFA in Verbindung zu setzen.
776. Die Entwicklung des indischen Raketenprogramms
78a) Historischer Hintergrund
79Das Land Indien sah sich seit seiner Unabhängigkeit im Jahre 1947 bis in die jüngste Vergangenheit hinein von zwei Seiten mit ablehnenden Staaten konfrontiert: im Norden von der Volksrepublik China und im Westen von Pakistan, die beide zumindest bis vor kurzem durch ihre Gegnerschaft zu Indien verbündet waren. Dementsprechend konnte man in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts in Indien Anstrengungen feststellen, die auf eine militärische Parität mit diesen Ländern abzielten, wobei mit Nuklearsprengköpfen ausgestattete Raketen kürzerer und längerer Reichweite im Zentrum des Interesses standen. Für längere Zeit versuchte Indien seine militärischen Raketenaktivitäten durch ein ziviles Raumfahrtprogramm mit Höhen- und Satellitenträgern zu camouflieren, jedoch war von Anfang an klar, dass diese Forschungen in die Richtung ballistischer Raketenprogramme zielten.
80Die Arbeiten an indischen Raketenwaffen begannen bereits in den sechziger Jahren nach der Niederlage im Grenzkrieg gegen die Volksrepublik China 1962, dem ersten chinesischen Nukleartest 1964 und dem zweiten Kaschmir-Krieg gegen Pakistan 1965. Indische Ingenieure experimentierten mit Höhenraketen, die aus Frankreich stammten, um erste Erfahrungen zu gewinnen. Gleichzeitig unternahm Indien Anstrengungen, eigene Atomwaffen zu entwickeln. Am 11. Mai 1974 ließ das indische Militär unterirdisch eine erste indische Plutoniumbombe detonieren, deren Explosivkraft in etwa der amerikanischen Hiroshima-Bombe entsprach. In den Folgejahren gab es wiederholt Überlegungen der indischen Regierungen, weitere Nuklearwaffenversuche durchzuführen, die aber in Erwartung internationaler Proteste immer wieder aufgegeben wurden.
81In den achtziger Jahren forcierte Indien das Programm zur Entwicklung von militärischen Trägerraketen. Dafür wurde beim Verteidigungsministerium eine eigenständige Abteilung mit der Bezeichnung "E5" (E5) mit zahlreichen Untergliederungen aufgebaut. Die erforderliche Technologie erhielt Indien überwiegend aus der Sowjetunion, aber auch aus Europa.
82Im Jahre 1998 kamen in Indien erstmals Hindu-Nationalisten an die Regierung und ordneten sofort Kernwaffentests an. Am 11. und 13. Mai 1998 führte Indien zwei unterirdische Nuklearwaffenversuche durch. Pakistan reagierte umgehend und testete seinerseits am 28. und 30. Mai 1998 Atomsprengköpfe. Mit Resolution 1172 vom 6. Juni 1998 verurteilte der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen die Nukleartests und legte allen Staaten nahe, unter anderem die Ausfuhr von Ausrüstung, Material oder Technologien zu verhindern, die unter anderem Programme für ballistische Flugkörper, welche als Trägermittel für Kernwaffen einsatzfähig sind, in Indien oder Pakistan unterstützen könnten.
83Im Jahre 1999 kam es zwischen Indien und Pakistan erneut zu einer kriegerischen Auseinandersetzung im Kaschmir-Gebiet; seit November 2003 herrscht ein Waffenstillstand zwischen beiden Ländern.
84b) Die indische Mittelstreckenrakete Agni ("Feuer")
85Anfang der achtziger Jahre begann das indische Militär mit der Entwicklung der Mittelstreckenrakete Agni. Leiter dieses Projektes war bis zu seiner Pensionierung im Juli 2005 der Ingenieur der Raumfahrt B4. Der zunächst nur als Agni bezeichnete Flugkörper wurde zwischen 1989 und 1994 dreimal von einer stationären Abschussvorrichtung aus gestartet; danach wurde das Programm auf Druck der Vereinigten Staaten zunächst beendet und als Technologie-Demonstrationsprogramm klassifiziert.
86In der Folgezeit entwickelten indische Ingenieure jedoch anhand der bis dahin gewonnenen Erkenntnisse die Mittelstreckenrakete Agni II. Sie ist eine zweistufige Feststoffrakete, deren erste Stufe auf einem früheren indischen Satellitenträger beruht und ca. 10 m lang ist. Die zweite Stufe ist neu konstruiert worden, ebenfalls 10 m lang und mit einem Feststoffraketenmotor versehen. Die Reichweite liegt bei mindestens 1.600 bis 1.700 km. Die Rakete wiegt 16 t und hat einen Durchmesser von einem Meter.
87Ein erster erfolgreicher Testabschuss der Agni II fand am 11.4.1999 auf dem indischen Raketentestgelände Wheeler Island, einer zum Bundesstaat Orissa gehörenden Insel im Golf von Bengalen, statt; dabei wurde die Rakete von einer auf einem Eisenbahnwaggon montierten Startrampe aus abgefeuert. Zwei weitere – ebenfalls positiv verlaufene – Abschüsse folgten am 17. Januar 2001 sowie im Jahre 2004. Mit dieser Mittelstreckenrakete können die indischen Streitkräfte potentielle Ziele in ganz Pakistan sowie im Süden der Volksrepublik China angreifen. Die geringe Anzahl der Abschüsse spricht zwar dafür, dass die Rakete noch nicht für einen operationellen militärischen Einsatz zur Verfügung steht, sondern in erster Linie dazu dient, die waffentechnischen Fähigkeiten Indiens zu demonstrieren. Gleichwohl könnte die Rakete im Ernstfall zum Einsatz kommen. In den indischen Medien wird zudem berichtet, dass auch Kernsprengköpfe für die Agni II entwickelt worden seien. Auch das renommierte, vor über einhundert Jahren in Großbritannien gegründete und ständig aktualisierte Nachschlagewerk "Jane´s" für alle militärischen Waffenprogramme in allen Ländern der Erde geht davon aus, dass für die Agni II Nuklearsprengköpfe existieren; unter der Überschrift "Agni 1/2/3" ist dort bezüglich der Agni II von einem 200 kT Nuklearsprengkopf, der etwa 500 kg wiegt, die Rede.
88Im Oktober 1999 – nach der militärischen Auseinandersetzung mit Pakistan um die Kargil Anhöhen – erteilte die indische Regierung die Freigabe zur Entwicklung, Erprobung und Herstellung der Agni I. Sie ist 15 m lang und hat eine Reichweite von ca. 700 – 800 km. Sie soll die Lücke zwischen Agni II und der indischen Kurzstreckenrakete Prithvi schließen. Am 25.1.2002 wurde ein erster Versuchsabschuss der Agni I auf Wheeler Island durchgeführt. Sie wurde von einer auf einem Straßenfahrzeug montierten Startplattform aus abgeschossen, kann jedoch auch von einer schienengestützten Abschussrampe aus gestartet werden.
89c) Die indische Kurzstreckenrakete Prithvi ("Erde")
90Die Entwicklung dieser Rakete begann Anfang der achtziger Jahre zeitgleich mit der Entwicklung des Agni-Flugkörpers. Sie ist eine taktische Artilleriewaffe und Indiens erste militärische Boden-Boden-Rakete. Prithvi ist eine Flüssigkeitsrakete, die der sowjetischen Rakete Tochka ähnelt. Sie ist 8,5 m lang und hat wie die Agni-Flugkörper einen Durchmesser von einem Meter; als Abschussrampen werden umgebaute Lkw der tschechischen Marke Tatra eingesetzt. Es existieren drei
91Varianten der Prithvi mit Reichweiten von 150 bis 350 km. Wegen ihrer begrenzten Reichweite kann sie nur für einen Einsatz gegen Pakistan in Betracht kommen; geplant ist auch eine Ausrüstung mit Kernsprengköpfen. Ein erster Testflug fand am 25. Februar 1988 statt; bis 2008 gab es ungefähr 20 Erprobungsschüsse. Die Raketen stehen inzwischen in kleinem Umfang dem Heer als operative Waffe zur Verfügung.
92d) S (S)
93Die S ist eine Untereinrichtung der E5 und hat ihren Sitz in Pune / Indien. Sie leistet technische Unterstützung bei der Entwicklung militärischer Produkte für alle drei Waffengattungen der indischen Streitkräfte (Heer, Luftwaffe, Marine). Bis zum 1. August 1999 war K2 ihr Direktor, danach wurde es Q. Am 6. August 1999 erhielt ein aus vier Wissenschaftlern bestehendes Team der S wegen seines Beitrags zu dem erfolgreichen Start des Agni II-Flugköpers von einer mobilen schienengestützten Startrampe aus die "Agni Self Reliance" Auszeichnung; übergeben wurde sie von dem damaligen indischen Premierminister A. B. Vajpayee. Zu den Preisträgern gehörten u.a. der Projektleiter H3 sowie die Ingenieure N12 und T5. Das Team zeichnete für die Konstruktion und Entwicklung aller erforderlichen Bodensysteme verantwortlich, wozu erstmals eine schienengestützte Vorrichtung zum Transport, Aufrichten und Stützen des Flugkörpers bis zum Start gehörte. Die Plattform, die auf einem Eisenbahnwaggon montiert war, konnte auf einer standardmäßigen Breitspurschiene verfahren werden und war somit extrem mobil. Der erste Testabschuss der Agni II am 11.4.1999 wurde daher nicht von der ortsfesten Startplattform des indischen Raketentestgeländes im Bundesstaat Orissa, sondern von der vor der Küste von Orissa in der Bucht von Bengalen liegenden Insel Wheeler Island aus durchgeführt, wobei gleichzeitig die mobile Startvorrichtung erprobt wurde.
94II. Die Lieferung von Hydraulikzylindern durch die N (Kommissionsnummern 7572 und 7955) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im Mai 1997 (Anklagepunkt 1.)
951. Das Geschehen bis zu den Vergabeverhandlungen in der indischen Botschaft in London am 7.5.1996
96a) Vorgeschichte
97Wie bereits ausgeführt, begann das indische Militär ab dem Jahre 1995 mit der Entwicklung der Agni II-Mittelstreckenrakete. Dabei war von Anfang an geplant, diese – um sie vor gegnerischen Angriffen möglichst effektiv zu schützen – nicht von stationären, sondern von mobilen Abschussrampen aus zu starten. Deshalb wurde die S beauftragt, eine auf einem Eisenbahnwaggon zu installierende Startrampe zu entwickeln, die in der Lage sein würde, die 16 t schwere Agni II aus einer horizontalen Transportposition zum Zwecke des Abschusses in kürzester Zeit senkrecht aufzurichten. Die Ingenieure der S, die sich anfangs noch nicht im Klaren waren, wie sie diese technisch anspruchsvolle Vorgabe optimal umsetzen sollten, kamen überein, zunächst Versuche mit der Kombination verschiedener Zylindertypen durchzuführen, um so die konstruktiv beste Lösung zu finden und sodann einen ersten Startrampenprototypen zu bauen. Vor diesem Hintergrund beschloss das unter der Leitung des bereits erwähnten H3 gebildete Ingenieur-Team, sowohl die bereits erwähnte I mit Sitz in M8 als auch die N – die Mitte der neunziger Jahre weltweit führenden Zylinderhersteller – um die Abgabe von Angeboten für verschiedene Zylindertypen zu bitten. Die indischen Ingenieure fassten ferner den Entschluss, bei der N2 mit Sitz in S2 (im Folgenden N2) ein Angebot über paarweise einzusetzende Kugelrollspindeln (auch Kugelgewindetriebe genannt) einzuholen; auch diese Bauteile, die ebenso wie Hydraulikzylinder große Lasten bewegen können, dabei aber nicht hydraulisch, sondern mechanisch arbeiten, wollten die Ingenieure der S im Rahmen ihrer Experimente einsetzen. Diese Pläne setzten die indischen Verteidigungsorganisationen sodann wie im Folgenden zu schildern in die Tat um.
98b) Die Anfragen bei der I
99Mit Schreiben vom 27.12.1995 (Beweismittelordner / I-verfahren – im Folgenden BMO – 4, Bl. 1) bat die Firma I9 mit Sitz in Lucknow / Indien (im Folgenden I9), die zivile und militärische Luftfahrzeuge produziert, die I um ein Angebot für einen bzw. zwei horizontale Hydraulikzylinder und einen bzw. zwei Teleskopzylinder. Unterzeichnet war die Anfrage von dem "leitenden Manager" B4, bei dem es sich um den oben erwähnten Leiter des Projekts zur Entwicklung der Agni II handelte. Er setzte die I9 im Rahmen der von ihm geleiteten Entwicklung der Agni II als Beschaffungsstelle für den Raketenbau ein; an ihn persönlich sollte auch die Antwort gerichtet werden. Aus den Anlagen ergab sich, dass der Horizontalzylinder eine geschlossene Länge von 5.810 mm sowie einen Hub von 5.200 mm haben und die Kolbenstange verchromt sein sollte. Der Teleskopzylinder sollte erheblich kleiner sein, nämlich eine geschlossene Länge von 800 mm und einen Hub von 1.200 mm haben; das Ende der Kolbenstange sollte wie eine Halbkugel gestaltet sein.
100Unter dem 31.1.1996 (BMO 4, 62) übersandte I10, der seinerzeit die Exportabteilung der I leitete, der I9 ein Angebot, das für den Horizontalzylinder einen Preis von 40.000,- DM (bei zwei Exemplaren 38.000,- DM) und für den Teleskopzylinder einen solchen von 15.000,- DM (bei zwei Exemplaren 14.000,- DM) vorsah.
101Mit Schreiben vom 14.3.1996 (BMO 4, 76) – wiederum unterzeichnet von B4 – bat die I9 um ein weiteres Angebot für zwei doppeltwirkende Neigezylinder, also Zylinder, die sowohl hydraulisch als auch durch das auf sie wirkende Gewicht eingefahren werden können. Sie sollten eine geschlossenen Länge von 7.100 mm, einen Hub von 5.260 mm haben und synchron laufen.
102Mit Schreiben vom 19.3.1996 (BMO 4, 82) teilte die I9 (B4) der I mit, dass am 7.5.1996 eine indische Delegation zu Vertragsverhandlungen in der indischen Botschaft in London sein werde und fragte, ob ein Repräsentant der I daran teilnehmen könne. Die I sagte zu und lud Vertreter der I9 und der S zu einer Besichtigung des Werkes in M8 ein. Mit Schreiben vom 25.3.1996 (BMO 4, 89) teilte T6, der Repräsentant der I in Indien, der in Kalkutta ein Verbindungsbüro unterhielt, I10 mit, dass alle seitens der I9 angefragten Zylinder für dasselbe Projekt seien.
103Mit Schreiben vom 27.3.1996 (BMO 4, 111) schlug T6 – abgestimmt mit I10 – B4 zunächst den 29.4.1996 als Besuchstermin in M8 vor. Dieses Schreiben schickte er in Kopie an "Herrn S4, Wissenschaftler, AGNI Abteilung, S, E5, Verteidigungsministerium, Dighi, Pune".
104Unter dem 29.3.1996 übersandte die I ein Angebot für die beiden doppeltwirkenden Neigezylinder an S, zu Händen von Herrn B4, das über insgesamt 74.000,- DM lautete (BMO 4, 114). Auch dieses Angebot schickte T6 in Kopie an "Herrn S4, Wissenschaftler, AGNI Abteilung, S, E5, Verteidigungsministerium, Dighi, Pune".
105Mit Schreiben der indischen Botschaft in Großbritannien vom 12.4.1996 (BMO 4, 126) wurde der I mitgeteilt, dass die indische Delegation am 6.5.1996 nach M8 kommen werde.
106Mit Telefax vom 18.4.1996 (BMO 4, 137) informierte T6 I10 darüber, dass der indische Kunde für den Test eines Prototypen zwei Zylindersätze mit je vier Zylindern benötige; das künftige Potential sei groß. Die I9 sei nur die Beschaffungsstelle. Ferner stellte T6 das "Verteidigungsteam", das die I Werke am 6.5.1996 besuchen werde, näher vor. Es werde aus dem Projektleiter B4, dem Co-Direktor der H3, dem T7 sowie den Wissenschaftlern O und L5 (dem Assistenten von B4) bestehen. Alle Zylinder seien für "launcher" bestimmt, aber die Teammitglieder wollten nicht, dass die Vertreter der I dies bei der Besprechung in M8 erwähnten.
107Im Sprachgebrauch sowohl der indischen Verteidigungsorganisationen als auch der indischen Medien wird der Begriff "launcher", der grundsätzlich im Englischen verschiedene Bedeutungen – zum Beispiel Startplattform, Starter, Katapult, Stapellauf, Initiator – haben kann, ausschließlich als Bezeichnung für eine Raketenstartrampe verwendet. Spätestens seit diesem Schreiben war sowohl I10 als auch I11, dem Komplementär und alleinigen Geschäftsführer der I, klar, dass die Zylinder für den Einbau in eine Raketenabschussrampe bestimmt waren. Denn I10 übersetzte dieses Telefax für I11, der kein englisch spricht, und verwendete dabei für "launcher" die Worte: "Starter (will sagen Raketenstartrampen)".
108T6 wies in dem Telefax vom 18.4.1996 abschließend darauf hin, dass die indische Delegation am 3.5.1996 auch die N besuchen wolle.
109Mit Telefax vom 24.4.1996 (BMO 4, 144) bat T6 nochmals um eine bevorzugte Behandlung der indischen Besucher. Denn B4 sei ein "Spitzenwissenschaftler" im Bereich der Verteidigung in Indien. Seine Meinung habe großes Gewicht auf höchster Ebene des Verteidigungsministeriums und bei sämtlichen wichtigen Verteidigungsprojekten; er könne auch bei etwaigen behördlichen Genehmigungsverfahren in Indien von großer Hilfe sein.
110Einen Tag später (BMO 4, 148) teilte T6 mit, dass die indische Delegation am 1.5.1996 in Frankfurt eintreffen werde. B4 habe entschieden, dass nur H3 und L5 die N aufsuchen sollten.
111Am 5.5.1996 (BMO 4, 164) erteilte T6 I10 schriftlich noch einige Instruktionen für den Besuch der Delegation am nächsten Tag. Er berichtete, dass die Inder mit der Besichtigung der N am 3.5.1996 zufrieden gewesen seien. Für das Projekt seien fünf bis zehn Folgeaufträge geplant. Die Inder seien an einer Keramikbeschichtung der Kolbenstangen interessiert, weil die Umgebung am Einsatzort der Zylinder salzhaltig sei. Es würden hinsichtlich der Qualität keine Kompromisse akzeptiert, da es sich um ein absolut wichtiges Projekt handele. Die Verhandlungen in London werde B4 zusammen mit Finanzleuten der I9 leiten. H3 gehöre zur "ausführenden Stelle launcher".
112Am 6.5.1996 besichtigten die Inder die Produktionsstätten der I in M8; der genaue Ablauf dieses Besuches und der Inhalt der dabei geführten Gespräche ließen sich in der Hauptverhandlung nicht mehr feststellen.
113c) Die Anfragen bei der N
114Mit einem Schreiben der I9 vom 19.1.1996 (Beweisheft – im Folgenden BH – 4, Bl. 27) bat B4 auch die N um die Abgabe eines Angebotes für einen bzw. zwei Horizontal- und einen bzw. zwei Teleskopzylinder; beigefügt waren dieselben Anlagen wie bei dem Schreiben an die I vom 27.12.1995. Die Verkaufsabteilung der N legte das Schreiben vom 19.1.1996 dem Angeklagten zu 1) mit der Frage vor, ob das zu erstellende Angebot über die Firma N9, die seinerzeit noch die Interessen der N in Indien vertrat, der I9 zugeleitet werden oder unmittelbar an diese verschickt werden solle. Der Angeklagte zu 1) erteilte die Anweisung, direkt anzubieten.
115Unter dem 7.2.1996 schickte der Geschäftsführer von N9 – B3 – ein Telefax (BH 4, 37) an den Angeklagten zu 1), in dem er darauf hinwies, dass er die N bei der I9 empfohlen habe. Er bat, bei der Preisgestaltung daran zu denken, eine zehnprozentige Marge für ihn und eine weitere zehnprozentige Marge für die Preisverhandlungen einzuplanen. Bei dem potenziellen Auftraggeber handele es sich um ein Regierungsunternehmen, das keinen Preis ohne einen Nachlass akzeptieren werde.
116Unter dem 12.2.1996 (BH 4, 34) übermittelte die N der I9 zu Händen B4 ein Angebot über die gewünschten Zylinder, das für den Horizontalzylinder (ID-Nr. 818902) einen Preis in Höhe von 35.600,- DM (bei zwei Exemplaren 33.100,- DM) und für den Teleskopzylinder (ID-Nr. 818903) einen solchen von 17.900,- DM (bei zwei Exemplaren 15.400,- DM) vorsah.
117Mit einem Schreiben der I9 vom 14.3.1996 (BH 4, 16) bat B4 auch die N um ein weiteres Angebot für zwei doppeltwirkende, synchron laufende Neigezylinder mit einer geschlossenen Länge von 7.100 mm und einem Hub von 5.260 mm. Der bereits erwähnte stellvertretende Verkaufsleiter I8 legte die Anfrage dem Angeklagten zu 1) mit einem Zettel (Ordner "Erledigte Akkreditive 7572/96 Government of India" – im Folgenden Ordner 1 – vor Bl. 378) vor, auf dem es hieß: "Sollen wir anbieten?" Der Angeklagte zu 1) antwortete mit dem schriftlichen Vermerk: "Ja. Auftrag kommt!"
118Fünf Tage später teilte B4 mit einem Telefax der I9 (BH 4, 38 a) mit, dass ein technisches Team für Verhandlungen am 7.5.1996 in London sein werde; der Tagungsort sei die High Commission of India (hierbei handelt es sich um die indische Botschaft in Großbritannien). Er bat um eine Nachricht, ob jemand von der N bereit sei, dorthin zu kommen. Der Angeklagte zu 1) antwortete per Fax (BH 4, 38 b), dass er grundsätzlich zur Verfügung stehe.
119Mit Schreiben vom 10.4.1996 (BH 4, 21) an die I9 bot die N die gewünschten zwei doppeltwirkenden Neigezylinder (ID-Nr. 818788) für insgesamt 49.960,- DM an.
120Mit Schreiben der I9 vom 12.4.1996 (BH 4, 42) – auf dem Briefpapier der High Commission of India – wurde der Angeklagte zu 1) zu Verhandlungen am 7.5.1996 nach London eingeladen. Gleichzeitig wurde mitgeteilt, dass ein technisches Team das Unternehmen in I2 am 3.5.1996 besuchen werde. Der Angeklagte zu 1) bestätigte beide Termine mit Schreiben vom 17.4.1996 (BH 4, 43).
121Durch Telefax vom 19.4.1996 (BH 4, 39) teilte B3 dem Angeklagten zu 1) mit, dass sich das indische Projekt, für das die Zylinder vorgesehen seien, noch in der Konstruktionsphase befinde; das grundlegende Konzept sei jedoch inzwischen geklärt. Er teilte ferner mit, dass der Co-Direktor H3 und der Wissenschaftler L5 am 3.5.1996 die N in I2 besichtigen würden; der einzige Konkurrent sei die I. Er bat darum, die Besucher wie "VIP" zu behandeln, da er auf weitere Aufträge hoffe.
122Mit Telefax vom 25.4.1996 (BH 4, 48) an die High Commission of India in London bat der Angeklagte zu 1) um Details bezüglich des Besuches der indischen Delegation in I2. Unter dem 30.4.1996 (BH 4, 49) antwortete Q2, der "Technische Berater (Verteidigung)" der indischen Botschaft in London, dass H3 und L5 das Unternehmen besuchen würden.
123Am 3.5.1996 fand die Besichtigung wie geplant statt. Der Angeklagte zu 1) zeigte H3 und L5 zunächst die Produktionsstätten; anschließend sprachen sie über die beiden Angebote der N. H3 legte ferner dem Angeklagten zu 1) eine etwa im Format Din A 0 gehaltene Konstruktionszeichnung vor, auf der ein Brückenlegerfahrzeug mit acht Rädern und einem Führerhaus abgebildet war. In dem darauf befindlichen Brückenmechanismus waren die bei der N angefragten Zylinder eingezeichnet, die nach der Abbildung dazu dienen sollten, die Brücke aufzurichten, hinter dem Lkw abzulegen und später wieder einzuholen. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die im Sonderheft VIII ("sichergestellte Zeichnung Büro M") befindliche Zeichnung verwiesen. Diese Zeichnung hatten die Techniker der S ausschließlich zu Täuschungszwecken angefertigt. Den Verantwortlichen der indischen Verteidigungsorganisationen war bewusst, dass deutsche Unternehmen für die Ausfuhr von Waren nach Indien eine Genehmigung benötigen und die zuständigen deutschen Behörden einen Export von Gütern, die für den Bau einer Raketenabschussrampe bestimmt sind, aller Voraussicht nach nicht gestatten würden. Von daher hatten sie von Anfang an den Entschluss gefasst, den deutschen Exportkontrollbehörden vorzuspiegeln, die zu erwerbenden Hydraulikzylinder und Kugelrollspindeln würden für die Entwicklung eines Brückenlegerfahrzeuges benötigt; sie gingen davon aus, dass die Ausfuhr von Bestandteilen für ein derartiges – eher harmloses – Militärgerät ohne große Probleme genehmigt werden würde. Um diese "Brückenlegerlegende" möglichst plausibel und überzeugend vortäuschen zu können, hatten die Ingenieure der S eigens die besagte Zeichnung angefertigt, um sie – falls nötig – den deutschen Behörden vorzulegen. Was H3 und L5 mit dem Angeklagten zu 1) anlässlich der Präsentation dieser Zeichnung besprochen haben, ließ sich nicht klären. Ob sie ihm bereits zu diesem Zeitpunkt mitteilten, dass die Zeichnung ausschließlich dazu dienen solle, die deutschen Exportkontrollbehörden zu täuschen, und ob sie ihn schon bei diesem Besuch über die tatsächlich beabsichtigte Verwendung der Zylinder für die Entwicklung einer mobilen Raketenstartrampe informierten, konnte nicht sicher festgestellt werden. Nach Beendigung der Besichtigung nahm H3 die Zeichnung wieder mit.
124Drei Tage später erstellte der Angeklagte zu 1) ein neues Angebot (BH 4, 57) bezüglich aller seitens der I9 angefragten Zylinder in Höhe von insgesamt 109.255,- DM, das er bei den Vergabeverhandlungen in London vorlegen wollte. Darin enthalten waren der Horizontalzylinder für 37.495,- DM, der Teleskopzylinder für 18.500,- DM und das Neigezylinderpaar für zusammen 46.080,- DM. Für letzteres sah das Angebot zusätzlich eine Zylinderverbindung zum Preis von 7.180,- DM vor; die – oben unter Punkt B. I. 2. beschriebene – Funktionsweise einer solchen Verbindung und ihre Vorteile hatte der Angeklagte zu 1) den beiden indischen Ingenieuren bei ihrem Besuch am 3.5.1996 erläutert.
125d) Die Anfrage bei der N2
126Mit Schreiben vom 19.1.1996 – unterzeichnet von B4 – bat die I9 die N2 mit Sitz in S2 um ein Angebot für paarweise einzusetzende Kugelrollspindeln. Dem Schreiben waren Anlagen beigefügt, aus denen sich die von den Indern gewünschten technischen Konfigurationen ergaben (N2/BAFA, 13). Diese entsprachen hinsichtlich der Abmessungen, der Anforderungen an den Synchronlauf und der Schwenkwinkel exakt denen der im März 1996 bei der I und der N angefragten doppeltwirkenden Neigezylinder. In den Anlagen zum Schreiben vom 19.1.1996 wurde erläuternd darauf hingewiesen, dass die Kugelrollspindeln in ein System zusammen mit zwei Zylindern eingebaut werden sollten. Die N2 gab nicht sofort ein Angebot ab, da zunächst noch Rückfragen im technischen Bereich bestanden, über die beide Seiten in den darauf folgenden Wochen korrespondierten, ohne allerdings alle technischen Fragen abschließend klären zu können.
127Am 2.5.1996 besichtigte eine dreiköpfige indische Delegation die N2 in S2 – die Namen der Besucher hat die Kammer nicht klären können. Die N2 erstellte unmittelbar nach dem Besuch ein Angebot; anschließend lud die indische Seite den Geschäftsführer T8 zu den für den 7.5.1996 anberaumten Verkaufsverhandlungen in die High Commission of India in London ein. T8 lehnte jedoch eine Teilnahme ab, da er befürchtete, einen weiteren Rabatt einräumen zu müssen, was er nicht wollte.
1282. Die Verhandlungen in der High Commission of India am 7.5.1996
129Am 7.5.1996 flog der Angeklagte zu 1) mit seinem von ihm selbst gesteuerten Flugzeug nach London und begab sich dort zur indischen Botschaft. Sein Gespräch mit den indischen Verhandlungspartnern, bei dem er das Angebot vom 6.5.1996 vorlegte, dauerte ca. 35 Minuten und drehte sich um Preise, Liefertermine und Gewährleistungsregeln; ob bei diesen Verhandlungen auch über die seitens der indischen Verteidigungsorganisationen geplante Verwendung der Zylinder geredet wurde, hat die Kammer nicht sicher festzustellen vermocht.
130Im Anschluss an die Unterredung traf der Angeklagte zu 1) in der Eingangshalle der Botschaft auf I11 und I10, die an diesem Tage wie geplant ebenfalls nach London geflogen waren. Bei ihrem Gespräch mit den indischen Auftraggebern versuchten diese in erster Linie, die seitens der I verlangten Preise zu drücken und verwiesen zu diesem Zweck auf das günstigere Angebot der N. I11 zeigte sich zu einem Preisnachlass bereit; außerdem schlug er die Verwendung keramikbeschichteter Kolbenstangen vor, an denen die Inder – wie T6 der I bereits mitgeteilt hatte – lebhaft interessiert waren und die weltweit nur von der I angeboten wurden. An demselben Tag erstellte I11 ein abschließendes Angebot (BMO 4, 179) über zwei Sets der von der I9 angefragten Zylinder zu einem Gesamtpreis von 193.500,- DM. Er teilte seinen Verhandlungspartnern ferner die Mehrkosten für keramikbeschichtete Kolbenstangen mit.
1313. Das Geschehen bis zur Ausfuhr der Zylinder und der Kugelrollspindeln im Jahre 1997 sowie die weitere Entwicklung
132Nach den Verhandlungen in London beschlossen die zuständigen Entscheidungsträger der indischen Verteidigungsorganisationen, die von S für die Entwicklung der Raketenabschussrampe für nötig erachteten Zylinder bei der I zu bestellen. Ferner entschieden sie, zusätzlich bei der N das Neigezylinderpaar mit der besonderen Zylinderverbindung zu ordern, da sie deren Wirkungsweise testen wollten. Schließlich sollten für die geplanten Versuche auch vier Kugelrollspindeln bei der N2 in Auftrag gegeben werden.
133a) Die Vorgänge im Zusammenhang mit der I
134Mit Kaufauftrag vom 10.5.1996 (BMO 4, 203) bestellte der bereits erwähnte Q2 – der technische Berater für den Bereich Verteidigung der indischen Botschaft in London – in Vertretung des indischen Präsidenten für das indische Verteidigungsministerium bei der I zwei Zylinder-Sätze, jeweils bestehend aus einem Horizontal-, einem Teleskop- und zwei doppeltwirkenden Neigezylindern, für insgesamt 193.500,- DM. Ausweislich der Vertragsbedingungen war Q2 mit der Abwicklung des Vertrages betraut; Kopien des gesamten Schriftverkehrs sollten zusätzlich an den eigentlichen Empfänger S zu Händen H3s gesandt werden.
135An demselben Tag stellte I11 für die I beim BAFA einen Antrag auf Ausfuhrgenehmigung (BMO 4, 218) für acht Hydraulikzylinder nach Indien. In dem von ihm verwendeten offiziellen Formular "Antrag auf Ausfuhr-/Verbringungs-genehmigung" gab er in der Rubrik Nr. 19 als "Endverwendung" wahrheitsgemäß "Startrampe" an. Unter Nr. 24 des Antragsformulars beantwortete er die Frage: "Ist Ihnen bekannt, daß die beantragten Güter vollständig oder in Teilen für eine Verwendung in Verbindung mit der Entwicklung, Herstellung, dem Umschlag und der Handhabung, der Wartung, Lagerung, Ortung, Identifizierung oder Verbreitung von chemischen, biologischen oder nuklearen Waffen oder der Entwicklung, Herstellung, Wartung oder Lagerung von Flugkörpern für derartige Waffen bestimmt sind.....?" mit "ja". Als I11 und I10 im Laufe des Genehmigungsverfahrens allerdings erkannten, dass die deutschen Ausfuhrbehörden eine Lieferung von Bauteilen für eine Raketenstartrampe nicht genehmigen würden, ersetzten sie die ursprünglich wahrheitsgemäßen Angaben in Absprache mit den Verantwortlichen der indischen Verteidigungsorganisationen durch falsche, um so die Exporterlaubnis zu erschleichen. Der Antrag erhielt beim BAFA die Vorgangsnummer 2527567.
136Auf entsprechende Nachfragen des BAFA teilte die I zunächst in einem Schreiben vom 3.6.1996 (BMO 4, 232) mit, die Hydraulikzylinder seien "besonders konstruiert" und keine Katalogware; ferner habe man keine Kenntnis über Details der Verwendung der Zylinder und die Art der Startrampe, werde sich aber beim Auftraggeber erkundigen. I10 teilte der indischen Botschaft in Großbritannien am gleichen Tag mit, dass die deutschen Exportkontrollbehörden detaillierte Angaben über die Startrampe wünschten, für welche die zu liefernden Zylinder bestimmt seien. Q2 stellte daraufhin zwecks Täuschung der deutschen Exportkontrollbehörden ein mit dem Siegel der indischen Botschaft in London versehenes Endverwenderzertifikat mit dem Datum 5.6.1996 (BMO 4, 235) aus, in welchem er bewusst wahrheitswidrig bescheinigte, die Zylinder seien für den Einbau in Brückenlegerfahrzeuge bestimmt. Obwohl I10 klar war, dass dieses ihm noch am 5.6.1996 zugesandte Zertifikat nicht den Tatsachen entsprach, leitete er es mit Schreiben vom 11.6.1996 (BMO 4, 252) an das BAFA weiter. Mit Schreiben vom 2.7.1996 (BMO 4, 258) teilte er namens der I dem BAFA ergänzend mit, die Angabe "Startrampe" im Antrag beruhe auf Aussagen der indischen Botschaft in London anlässlich der Auftragsvergabeverhandlungen.
137Da zwischenzeitlich – unter dem 20.5.1996 – beim BAFA ein Antrag der N2 auf Genehmigung der Ausfuhr von vier Kugelrollspindeln nach Indien eingegangen war, die nach einem beigefügten – wahrheitswidrigen – Endverwenderzertifikat der indischen Botschaft in London für eine von der indischen Regierungsorganisation S geplante Hochleistungsbrückenausrüstung bestimmt sein sollten (auf die Einzelheiten wird noch einzugehen sein), bat das BAFA Anfang Juli 1996 (Akte I/BAFA, 15) den Bundesnachrichtendienst um eine Einschätzung der beteiligten Firmen (S und I9) und um eine Stellungnahme, ob ein Einsatz der Hydraulikzylinder und der Kugelrollspindeln in einer Raketenstartrampe denkbar sei. Das BAFA hatte wegen des identischen Endempfängers (S) einen Zusammenhang zwischen den Anträgen der I und der N2 hergestellt.
138Der Ingenieur im Referat Luft- und Raumfahrttechnik des BAFA, H4, erstellte unter dem 19.7.1996 eine sogenannte fachtechnische Stellungnahme (Akte I/BAFA, 18). Eingehende Anträge auf Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung werden im BAFA immer zuerst technisch begutachtet. Dabei wird überprüft, ob die grundsätzlich vom Antragsteller vorzunehmende Einstufung des zu exportierenden Gutes in die entsprechende Position der Ausfuhrliste (Anlage AL zu § 5 Außenwirtschaftsverordnung) im Hinblick auf den angegebenen Verwendungszweck plausibel, dieser selbst in sich schlüssig und ob die Ware "besonders konstruiert" im Sinne der Ausfuhrliste ist. Die fachtechnische Stellungnahme soll ferner aufzeigen, ob es sich bei dem auszuführenden Gegenstand um ein Rüstungsgut im Sinne des Abschnitts A der Ausfuhrliste oder um eine Ware mit doppeltem Verwendungszweck (Abschnitt C der Ausfuhrliste) handelt. Anschließend werden die Anträge von den entsprechenden Genehmigungsreferaten (für "dual-use"-Güter oder für Rüstungsgüter) weiterbearbeitet. H4 gelangte in seiner fachtechnischen Stellungnahme zu der Einschätzung, dass sowohl die Zylinder des Antrags der I als auch die Kugelrollspindeln des Antrags der N2 sehr wahrscheinlich für Brückenverlegungsfahrzeuge bestimmt und damit als besonders konstruierte Bestandteile von Rüstungsgütern im Sinne der Position 0006 des Abschnitts A der Ausfuhrliste zu qualifizieren seien. Eine Verwendung der Waren in einer Raketenabschussrampe sei nicht plausibel. Denn sowohl die Zylinder als auch die Kugelgewindetriebe seien für relativ große Hübe disponiert. Da die bekannten indischen Raketen Prithvi und Agni relativ kurze Raketen seien, würde man für eine für sie vorgesehene Raketenabschussrampe Zylinder beziehungsweise Kugelrollspindeln mit kürzeren Hüben benötigen. Außerdem seien für Prithvi Abschussrampen bereits vorhanden und Testschüsse der Agni auch bereits vorgenommen worden; ein Bedarf für eine Abschussrampe sei daher nicht ersichtlich. Die Möglichkeit, dass das indische Verteidigungsministerium eine längere Agni-Version mit einer neuen Startrampe entwickeln könnte, sah H4 nicht.
139Im Laufe des Juli 1996 wurden die indischen Auftraggeber der I ungeduldig. T6 teilte in mehreren Telefaxen (BMO 4, 263; BMO 4, 264) I10 mit, sowohl B4 als auch die S hätten bereits mehrfach nachgefragt, ob die Ausfuhrgenehmigung vorliege.
140Mit Schreiben vom 17.7.1996 (Akte I/BAFA, 21) antwortete der BND dem BAFA, dass die I9 zivile sowie militärische Luftfahrzeuge produziere und dass die S der E5 und damit dem indischen Verteidigungsministerium unterstehe. Sowohl die Hydraulikzylinder als auch die Kugelrollspindeln könnten sowohl für Brückenlegevorrichtungen als auch für Raketen-Startrampen verwendet werden. Eine genauere Stellungnahme könne aufgrund der fehlenden technischen Parameter zu den Hydraulikzylindern nicht abgegeben werden.
141Der Leiter des für Rüstungsgüter zuständigen Genehmigungsreferates Q3 entschied aufgrund des nicht eindeutig klaren Verwendungszwecks der Zylinder und der Kugelrollspindeln, die Ausfuhranträge der I und der N2 dem Auswärtigen Amt mit einem negativen Votum vorzulegen, das heißt, mit dem Vorschlag, die Anträge auf Ausfuhrgenehmigung abzulehnen. Bei für sensible Staaten wie Indien bestimmten Rüstungsgütern darf das BAFA aufgrund einer entsprechenden Anweisung des ihm übergeordneten Bundeswirtschaftsministeriums nicht autonom über eine Genehmigung entscheiden, sondern muss den Antrag dem Auswärtigen Amt sowie zur Kenntnisnahme auch dem Bundeswirtschaftsministerium vorlegen; an die Weisungen dieser Ministerien ist das BAFA gebunden. Dabei werden die Vorgänge immer zuerst dem Auswärtigen Amt zugeleitet. Ist dieses mit dem Export einverstanden, darf das BAFA den Antrag – ohne dass eine Entscheidung des Bundeswirtschaftsministeriums herbeigeführt wird – genehmigen. Lehnt das Auswärtige Amt jedoch eine Ausfuhr ab, muss der Antrag auch offiziell dem Bundeswirtschaftsministerium vorgelegt werden, damit beide Ministerien eine einvernehmliche Lösung finden.
142Mit Schreiben vom 30.8.1996 (BMO 4, 281) wandte sich die seinerzeit noch in Bonn residierende indische Botschaft an die I und teilte mit, dass sie wegen der bisherigen Dauer des Genehmigungsverfahrens von Q2 eingeschaltet worden sei. Sie bat um eine schnelle Sachstandsmitteilung, damit sie mit den deutschen Exportbehörden Kontakt aufnehmen könne. Dieses Schreiben leitete die I sofort an das BAFA weiter.
143Unter dem 3.9.1996 (Akte des Bundeswirtschaftsministeriums – im Folgenden BMWi – Bl. 111) legte das BAFA den Ausfuhrantrag der I zusammen mit dem bereits erwähnten Antrag der N2 (auf den wie schon gesagt noch einzugehen sein wird) dem Auswärtigen Amt und dem Bundeswirtschaftsministerium mit dem Vorschlag vor, die beantragten Genehmigungen zu verweigern. Zur Begründung verwies es in erster Linie darauf, es lasse sich nicht ausschließen, dass die Zylinder und Spindeln für den Einbau in eine Raketenstartrampe bestimmt seien.
144Mit Schreiben vom 10.9.1996 (BMO 4, 286) sandte T6 an I10 Kopien eines Prospektes, welcher ihm von H3 zur Weiterleitung an die deutschen Exportkontrollbehörden übergeben worden war. In dem mehrere Seiten umfassenden Prospekt ist der Brückenlegepanzer T 72 der indischen Armee in verschiedenen Arbeitspositionen dargestellt. Auf diese Weise wollten die indischen Verteidigungsinstitutionen die bereits mit dem Endverwenderzertifikat vom 5.6.1996 eingestielte Täuschung der deutschen Ausfuhrstellen über den in Wirklichkeit beabsichtigten Einsatz der Zylinder zusätzlich vertiefen. I10 schickte den Prospekt mit Schreiben vom 30.9.1996 (BMO 4, 298) an das BAFA mit dem Hinweis, das vom Kunden zur Verfügung gestellte Material zeige den geplanten Einsatzzweck der Zylinder; das BAFA wiederum leitete das Prospektmaterial an das Auswärtige Amt und das Bundeswirtschaftsministerium weiter.
145Am 16.9.1996 (BMWi, 72 und 110) übersandte das Auswärtige Amt dem Bundeswirtschaftsministerium den Vorgang bezüglich der Ausfuhranträge der I und der N2; es wies darauf hin, dass es gegen die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung aus außenpolitischer Sicht Bedenken erhebe.
146Am 23.9.1996 bat I10 den ihm persönlich bekannten Bundestagsabgeordneten N13, in dessen Wahlkreis die I liegt, um Unterstützung. Dieser wandte sich mit einem Schreiben vom 25.9.1996 (BMWi, 63) an den damaligen Bundeswirtschaftsminister Dr. Rexrodt, in welchem er ihn ersuchte, sich der Angelegenheit anzunehmen und den Ausfuhrantrag zu unterstützen.
147Mit Schreiben vom 26.9.1996 (BMWi, 107) bat die indische Botschaft in Bonn das Bundeswirtschaftsministerium um eine beschleunigte Bearbeitung der seitens der I und der N2 gestellten Ausfuhranträge. Die zuständige Sachbearbeiterin im Referat für konventionelle Rüstungsgüterexporte des Bundeswirtschaftsministeriums N14 (jetzt verheiratete X4) fragte daraufhin mit Schreiben vom 7.10.1996 (BMWi, 105) die indische Botschaft in Bonn, ob die Waren, welche die I und die N2 nach Indien liefern wollten, für dasselbe Projekt seien und wofür sie genau verwendet werden sollten.
148Mit Schreiben vom gleichen Tag forderte N14 (BMO 4, 300) die I auf, den Widerspruch zwischen der Verwendungsangabe "Startrampe" in ihrem Antrag vom 10.5.1996 einerseits und der im Endverwenderzertifikat genannten Bestimmung "Brückenleger" andererseits zu klären sowie den Wertanteil der Zylinder an dem kompletten Gerät mitzuteilen. Letztgenannte Frage bezog sich auf einen im April 1996 im Bundessicherheitsrat vereinbarten Erlass des Bundeswirtschaftsministeriums, der die Entscheidung bei Zulieferungen zu Rüstungsgütern vereinfachen sollte und seit dem 22.7.1996 galt. Ursprünglich sollte er allerdings nur Anwendung finden, wenn beabsichtigt war, eine Ware von der Bundesrepublik Deutschland über einen auswärtigen Staat in ein weiteres Drittland zu liefern. Außer der Bundesrepublik Deutschland mussten demnach noch zwei weitere Länder beteiligt sein. In dem Fall sah der Erlass für Zulieferungen, die wertmäßig weniger als 10 % des Fertigproduktes ausmachten, eine Genehmigungsvermutung vor, das heißt, die Genehmigung war grundsätzlich zu erteilen. Bei trägertechnologierelevanten Zulieferungen, also solchen, die in einem irgendwie gearteten Zusammenhang mit Raketen standen, war der Erlass nach seiner Vorbemerkung nicht anzuwenden. Im Jahre 1998 – dies sei hier nur am Rande erwähnt – versuchte das Bundeswirtschaftministerium den Anwendungsbereich des Erlasses auszudehnen; er sollte auch dann gelten, wenn das Gut in dem Land, in welches es von der Bundesrepublik Deutschland aus exportiert werden sollte, verbleiben würde. Diese Erweiterung ist jedoch bis heute nicht vom Bundessicherheitsrat akzeptiert worden.
149I10 antwortete dem Bundeswirtschaftsministerium mit Schreiben vom 15.10.1996 (BMO 4, 306) bewusst wahrheitswidrig, die I habe erst nach Vorlage des inzwischen übersandten Prospektmaterials erkannt, dass die Zylinder für eine "Katapult-Vorrichtung zum Brückenbau" bestimmt seien. Der im Antrag vom 10.5.1996 als Verwendungszweck angegebene Begriff "Startrampe" stelle eine fehlerhafte Übersetzung der englischen Vokabel "launcher" dar; dieses Wort sei in dem mit den indischen Auftraggebern geführten Schriftverkehr nie aufgetaucht, sondern lediglich bei den Auftragsvergabeverhandlungen in London erwähnt worden. Die I gehe davon aus, dass unter diesem neuen Gesichtspunkt die Ausfuhrgenehmigung nunmehr erteilt werde.
150Unter dem 24.10.1996 (BMWi, 58) teilte der damalige Bundeswirtschaftsminister Dr. Rexrodt dem Bundestagsabgeordneten N13 mit, dass eine Entscheidung bislang noch nicht habe ergehen können, weil der Verwendungszweck der Hydraulikzylinder sich noch nicht zufriedenstellend habe klären lassen. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: "Einer etwaigen späteren Verwendung im Raketenbereich Indiens – hierauf könnte die Formulierung im Antrag der Firma hindeuten – würde die Bundesregierung sicherlich nicht zustimmen."
151Mit Schreiben vom 13.11.1996 (BMWi, 55) wandte sich die Sachbearbeiterin N14 unter Bezugnahme auf den Ausfuhrantrag der I an das Auswärtige Amt und wies darauf hin, dass nach Ansicht des Bundswirtschaftsministeriums aufgrund des Prospektmaterials der S, des Endverwenderzertifikats der indischen Botschaft in London sowie der fachtechnischen Stellungnahme des BAFA von einer Verwendung der Hydraulikzylinder in Brückenlegefahrzeugen auszugehen sei. Die Ausfuhr sei nach Einschätzung des Bundeswirtschaftsministeriums wegen des nicht aggressiven Warencharakters genehmigungsfähig. N14 bat das Auswärtige Amt, im Hinblick darauf sein negatives Votum vom 16.9.1996 zu überprüfen.
152Mit Antwort vom 14.11.1996 (BMWi, 51) erklärte sich das Auswärtige Amt bereit, seinen Standpunkt zu überdenken. Es bat jedoch das Bundeswirtschaftsministerium zu überprüfen, ob die Verwendung der Zylinder in MTCR-erfaßten Startanlagen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Das MTCR (Missile Technology Control Regime) ist eine freiwillige Arbeitsgruppe, die 1987 von den sieben Staaten der G-7 ins Leben gerufen wurde und der heute mehr als dreißig Staaten, darunter alle bedeutenden Länder der Erde, angehören. Diese Arbeitsgruppe hat sich zum Ziel gesetzt, die Verbreitung von Fernlenkwaffen und Raketen zu verhindern; zu diesem Zweck hat sie Richtlinien erarbeitet, die von den Mitgliedstaaten – auf freiwilliger Basis – durch die Schaffung entsprechender innerstaatlicher Exportkontrollen in nationales Recht umgesetzt werden sollen. Die Richtlinien listen katalogartig zahlreiche Waren und Güter auf, deren Export wegen ihrer Verwendbarkeit im Bereich der Raketentechnologie nur unter strenger Kontrolle erfolgen soll.
153Mit Schreiben vom 15.11.1996 (BMO 4, 320) teilte I10 dem Bundeswirtschaftsministerium auf dessen Anfrage vom 7.10.1996 mit, dass nach den Angaben der Firma N10 mit Sitz in L3 ein Brückenverleger ca. 5 Mio. DM koste und acht bis zehn Zylinder in ein solches Gerät eingebaut würden.
154Unter dem 18.11.1996 (BMWi, 29 und 49) bat das Auswärtige Amt das Bundeswirtschaftsministerium unter Hinweis auf ein "US-non paper" (einer informellen nachrichtendienstlichen Mitteilung der US-amerikanischen Botschaft) um Überprüfung, ob der Antrag der I zu dessen Inhalt passe. In dem "US-non paper", das die amerikanische Botschaft am 23.9.1996 dem Auswärtigen Amt übersandt hatte, heißt es u.a.:
155"Indische Beschaffungsbemühungen im Rahmen von Flugkörperprogrammen
156....möchten die Vereinigten Staaten Ihr Augenmerk auf Informationen über jüngste Beschaffungsbemühungen durch indische Organisationen lenken, die mit den Agni und Prithvi Flugkörperprogrammen verbunden sind, die versuchen, Ausrüstung zur Verwendung in diesen Flugkörpern bei verschiedenen ausländischen Lieferanten zu beschaffen. Während des vergangenen halben Jahres haben indische Organisationen Firmen kontaktiert, um Informationen zu erhalten über..... hydraulische Heber ..... und Bauteile für Flugkörperstartvorrichtungen oder diese zu kaufen. Unsere Informationen besagen, dass diese Artikel in Agni und/oder Prithvi Kategorie I (MTCR Klasse) Flugkörpern Anwendung finden sollen. Die an den Beschaffungsbemühungen beteiligten indischen Organisationen umfassen: E5 (E5)..... E5 Vertreter haben 8 hydraulische Heber in ihren unterschiedlichen Modellen von I11 (G) bestellt. Wir haben Grund zu der Annahme, dass diese Heber in Startvorrichtungen für Agni Flugkörper verwendet werden.... Wir bitten Sie, diese Berichte zu überprüfen und die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um Aktivitäten einzustellen, welche den Effekt hätten, die indischen Flugkörperprogramme zu unterstützen."
157Mit Schreiben vom 25.11.1996 (BMWi, 76) bat N14 das BAFA im Hinblick auf die vom Auswärtigen Amt im Schreiben vom 14.11.1996 vorgebrachte Bitte um Klärung, ob die Verwendung der Hydraulikzylinder der I in MTCR-erfassten Startanlagen mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Am 18.12.1996 erstellte daraufhin der bereits erwähnte Ingenieur im Referat Luft- und Raumfahrttechnik des BAFA H4 eine weitere fachtechnische Stellungnahme (Akte I/BAFA, 48). Diese kam zu dem Ergebnis, es lasse sich zwar nicht grundsätzlich ausschließen, dass die Hydraulikzylinder in Startanlagen eingesetzt werden könnten, jedoch sei die Verwendung der Ware in einer technisch sinnvollen Konstruktion einer Raketenabschussrampe sehr unwahrscheinlich. Die fachtechnische Stellungnahme ging am 2.1.1997 beim Bundeswirtschaftsministerium ein.
158Im Hinblick auf die ablehnende Haltung des Auswärtigen Amtes und den Umstand, dass sich nach den Erkenntnissen des BAFA die Verwendung der Zylinder in Raketenstartrampen nicht mit letzter Sicherheit ausschließen ließ, kamen die Sachbearbeiterin N14 und der zuständige Referent im Referat für konventionelle Rüstungsgüterexporte, der Regierungsdirektor X5, zunächst überein, den Antrag der I abzulehnen. Diese Haltung änderte sich jedoch, als sich die indische Botschaft in Bonn mit Schreiben vom 8.1.1997 (BMWi, 16) erneut an das Bundeswirtschaftsministerium wandte. In Beantwortung der Anfrage des Bundeswirtschaftsministeriums vom 7.10.1996 teilte die Botschaft mit, die Hydraulikzylinder und die Kugelrollspindeln seien für Brückenleger bestimmt, wobei die beiden Kugelrollspindeln als Alternative für die beiden doppeltwirkenden Neigezylinder gedacht seien. Die I9 sei eine Produktionsvertretung für verschiedene Bauteile der von S konstruierten Brücken. Als Beleg fügte die Botschaft nochmals den bereits erwähnten Prospekt des indischen Brückenlegepanzers T 72, weiteres Prospektmaterial über andere in der indischen Armee eingesetzte Brückenleger sowie vor allem die oben beschriebene Konstruktionszeichnung eines Brückenlegers bei, welche die Ingenieure der S eigens zur Täuschung der deutschen Exportkontrollbehörden erstellt und die H3 bereits dem Angeklagten zu 1) anlässlich der Besichtigung der N am 3.5.1996 vorgelegt hatte. Abschließend strich die indische Botschaft in ihrem Schreiben heraus, dass sie nunmehr davon ausgehe, dass die Ausfuhrgenehmigungen für die Hydraulikzylinder und die Kugelrollspindeln schnellstmöglich erteilt würden. Vor dem Hintergrund dieses mit überzeugend wirkenden Belegen versehenen offiziellen Schreibens der indischen Regierung kamen N14 und X5 zu dem Ergebnis, dass damit endgültig geklärt sei, dass die bei der I und der N2 bestellten Waren für den Bau eines Brückenlegerfahrzeuges bestimmt seien; dass die indischen Regierungsstellen die deutschen Behörden gezielt täuschen könnten, lag außerhalb ihres Vorstellungsbereiches. Bei Bestandteilen für ein derartiges militärisches Gerät sprachen aus ihrer Sicht – anders als bei einer Raketenstartrampe – keine Bedenken gegen die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung. Von daher schickte N14 mit Schreiben vom 27.1.1997 (BMWi, 1) sämtliche Unterlagen erneut an das Auswärtige Amt mit der Bitte, sein negatives Votum zu den Ausfuhranträgen der I und der N2 zu überprüfen. Nach den fachtechnischen Stellungnahmen des BAFA und insbesondere aufgrund der Mitteilungen der indischen Botschaft sei nach Auffassung des Bundeswirtschaftsministeriums mit ausreichender Sicherheit davon auszugehen, dass die den Ausfuhranträgen zugrundeliegenden Waren für den Einbau in ein Brückenlegefahrzeug – und nicht für eine Raketenstartrampe – bestimmt seien. Damit könnten die Ausfuhren genehmigt werden. Das Auswärtige Amt antwortete unter dem 14.2.1997 (BMWi, 79), es sehe sich zu einer Stellungnahme nicht in der Lage, solange nicht die im "US-non paper" geäußerte Befürchtung einer Verwendung der Waren im Raketentechnologiebereich auszuschließen sei.
159Mit Schreiben vom 17.2.1997 (BMWi, 73) teilte der Bundesnachrichtendienst dem Bundeswirtschaftsministerium mit, dass – trotz anderslautender offizieller Verlautbarungen von indischer Seite – das Agni-Programm "sehr wohl aktiv sei".
160Unter dem 25.2.1997 (BMWi, 124) erstellte der bereits mehrfach genannte Ingenieur H4 eine weitere fachtechnische Stellungnahme, nach der er erneut die Verwendung der Zylinder in einem Brückenleger für technisch eher nachvollziehbar hielt als in einem Raketenabschussfahrzeug. Der Begriff "launcher" werde auch bei Brückenlegerfahrzeugen verwendet. Typischerweise werde eine Rakete mit einem mittig oder zwei seitlich auf der Plattform angeordneten Zylindern aufgerichtet; der bei I bestellte Zylindersatz mit drei unterschiedlichen Zylinderarten lasse sich dem nicht zuordnen. Schließlich sei auch in der Endverwendererklärung nur von Brückenlegern die Rede. Diese fachtechnische Stellungnahme ging dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Auswärtigen Amt noch an demselben Tag per Telefax zu.
161Mit Schreiben vom 27.2.1997 (BMWi, 67) teilte das Auswärtige Amt dem Bundeswirtschaftsministerium – ohne nähere Begründung – mit, dass es seine Bedenken bezüglich des Ausfuhrantrages der N2 nicht aufrechterhalte. Das Bundeswirtschaftsministerium wies daraufhin das BAFA unter dem 4.3.1997 (Akte N2/BAFA, 71) an, den Export der Kugelrollspindeln zu genehmigen, was dies auch umgehend tat; auf Einzelheiten wird noch einzugehen sein. Mit Schreiben vom 11.3.1997 (BMWi, 67 und 120) setzte das Auswärtige Amt das Bundeswirtschaftsministerium davon in Kenntnis, dass es seine Bedenken bezüglich des Ausfuhrantrages der I zurückstellen könne, falls der Bundesnachrichtendienst bestätige, dass der im "US-non paper" geäußerte Verdacht plausibel widerlegt sei.
162Auf eine entsprechende Nachfrage des Bundeswirtschaftsministeriums vom 18.3.1997 (BMWi, 135) wies der Bundesnachrichtendienst mit Schreiben vom 3.4.1997 (BMWi, 138) darauf hin, dass zwar für die doppeltwirkenden Neigezylinder eine Verwendung in Raketenstartrampen nicht ausgeschlossen werden könne, dass aber die Nutzung aller vier Hydraulikzylinder zusammen in einem Brückenlegersystem wahrscheinlicher sei.
163Aufgrund dieser Auskunft, mit der die zuständigen Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums die vom Auswärtigen Amt genannte Bedingung für erfüllt hielten, wies die Sachbearbeiterin N14 in Absprache mit dem Referenten X5 das BAFA mit Schreiben vom 7.4.1997 (BMWi, 140) an, den Ausfuhrantrag der I zu genehmigen. Das BAFA erteilte die Genehmigung mit Bescheid vom 17.4.1997. Hätten die zuständigen Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes und des Bundeswirtschaftsministeriums gewusst, dass die Zylinder nicht wie seitens der I und der indischen Regierungsstellen behauptet für ein Brückenlegerfahrzeug, sondern für die Entwicklung einer mobilen Abschussrampe der Mittelstreckenrakete Agni verwendet werden sollten, wäre die Genehmigung nicht erteilt worden.
164Auf Veranlassung von H3 besuchten die bei S beschäftigten Ingenieure S3 und N12 – letzterem wurde wie bereits erwähnt zusammen mit H3 im August 1999 die "AGNI Self Reliance" Auszeichnung verliehen – vom 14. bis 17.5.1997 (BMO 5, 478) die I, die bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht mit der Produktion der Zylinder begonnen hatte. Die beiden indischen Techniker teilten Änderungswünsche von S hinsichtlich der Abmessungen der Zylinder mit und legten Prüfanforderungen fest.
165In einem Telefax vom 14.6.1997 (BMO 5, 536) teilte T6 I10 mit, dass der Hub der doppeltwirkenden Neigezylinder nunmehr 100 mm länger sein solle als ursprünglich vorgegeben. Als S gehört habe, dass die I Schwierigkeiten habe, eine Ausfuhrgenehmigung zu erhalten, sei Q2 angewiesen worden, bei der N zwei Zylinder zu bestellen. Diese habe nämlich mitteilen lassen, dass sie keine Probleme mit den deutschen Ausfuhrkontrollbehörden habe. Nachdem die I in der Folgezeit immer noch nicht habe liefern können, sei Q2 angewiesen worden, einen ganzen Satz Zylinder (vier Stück) bei der N zu bestellen. Dort seien die Zylinder sofort produziert worden. Als die Versendung angestanden habe, habe das Unternehmen jedoch dieselben Schwierigkeiten bekommen wie die I. Nunmehr wolle S mit den Zylindern der beiden Unternehmen eine vergleichende Funktionsprüfung durchführen und anschließend entscheiden, welches von ihnen die Folgeaufträge erhalten werde. Abschließend wies Sen in dem Telefax darauf hin, dass auf Wunsch von S bei einem der beiden bei der I bestellten Zylindersätze die Kolbenstangen mit einer Keramikbeschichtung zu versehen seien; die Ingenieure der S hätten die Absicht, die keramikbeschichteten mit den hartverchromten Kolbenstangen zu vergleichen. Mit einem Telefax vom 16.6.1997 (BMO 5, 538) berichtete T6 an I10, dass die N H3 mitgeteilt habe, dass die Keramikbeschichtung bei Kolbenstangen eine kürzere Lebensdauer der Dichtungen zur Folge habe. Er – T6 – habe H3 aber dennoch von den Vorteilen der Keramikbeschichtung überzeugen können. H3 gehe davon aus, dass nach den zunächst geplanten Feldversuchen ein weiterer Bedarf in etwa zwei Jahren von ca. zwanzig Sätzen Zylindern pro Jahr bestehe.
166In der Zeit zwischen der Bestellung der Zylinder im Mai 1996 und der Erteilung der Ausfuhrgenehmigung hatte die I bereits mehrfach Zeichnungen der Zylinder an H3 geschickt. Dieser hatte sie jeweils selbst abgezeichnet und mit roter Farbe Änderungswünsche eingetragen. Ende Juni 1997 begann die I schließlich mit der Produktion der Zylinder. Am 11.8.1997 (BMO 6, 630) besuchte S4 aus der Agni-Abteilung der S in Begleitung eines weiteren technischen Mitarbeiters die I und führte Gespräche über eine bessere Synchronisierung der doppeltwirkenden Zylinder. Mitte Oktober 1997 nahmen S6, ein Wissenschaftler der S, und T5, der wie H3 und N12 im August 1999 vom indischen Ministerpräsidenten für seine Verdienste um das Agni II-Projekt ausgezeichnet wurde, die Hydraulikzylinder bei der I in M8 ab (BMO 7, 791).
167Am 3.11.1997 (BMO 6, 815, 864, 867) führte die I die acht Zylinder aus und verschiffte sie nach Indien.
168Mit Telefax vom 18.9.1998 (BMO 7, 975) teilte T6 I10 mit, dass ihn H3 davon in Kenntnis gesetzt habe, dass der "Vorabtest" mit den Zylindern zufriedenstellend verlaufen sei und innerhalb der nächsten Wochen ein Feldversuch stattfinden werde. Mit Schreiben vom 4.1.1999 (BMO 7, 984) und 12.1.1999 (BMO 7, 991) wies T6 die I darauf hin, dass bei den ersten Feldversuchen, die auf dem Raketentestgelände im ostindischen Bundesstaat Orissa durchgeführt wurden, unter Belastung bei den doppeltwirkenden Neigezylindern diverse technische Probleme aufgetreten seien, und zwar insbesondere mit dem Synchronlauf. Daraufhin sandte die I auf Bitten von H3 noch im Januar 1999 einen indischen Hydraulikexperten, der von einem Mitarbeiter des Verbindungsbüros der I in Indien begleitet wurde, auf das Testgelände. Nach einer Überprüfung der Zylinder konnte der Hydraulikspezialist die Probleme lösen.
169Am 11.4.1999 fand auf Wheeler Island, einer zu dem Raketentestgelände gehörenden, im Golf von Bengalen liegenden Insel, ein erster erfolgreicher Abschuss der Mittelstreckenrakete AGNI II statt. Die Abschussrampe war auf einem Eisenbahnwaggon montiert und wurde mit den von der I gelieferten beiden doppeltwirkenden Neigezylindern zusammen mit dem Teleskopzylinder senkrecht aufgerichtet.
170Mit Telefax vom 17.5.1999 (BMO 7, 1017) berichtete T6 I10, die Ingenieure der S hätten ihm mitgeteilt, dass der Abschuss erfolgreich mit den Zylindern der I mit den verchromten Kolbenstangen durchgeführt worden sei. Bei den doppeltwirkenden Neigezylindern mit keramikbeschichteten Kolbenstangen sei bei Versuchen eine geringfügige Undichtigkeit festgestellt worden. T6 habe S4 gebeten, ihm diesbezüglich Einzelheiten mitzuteilen.
171Am 1.9.1999 (BMO 11, 146) übersandte T6 an I10 eine neue indische Briefmarke, auf der einige Projekte der E5, unter anderem die Mittelstreckenrakete Agni II, dargestellt waren. Er schrieb dazu: " Unten links ist A-II gezeigt, in deren Abschussfahrzeug Spezialzylinder von I durch S benutzt wurden."
172b) Die Vorgänge im Zusammenhang mit der N
173Mit Telefax vom 8.5.1996 (Ordner 1, 336) an die indische Botschaft in Großbritannien – einen Tag nach dem Treffen in London – teilte der Angeklagte zu 1) mit, dass er nunmehr einen Satz der vier Zylinder – ohne Zylinderverbindung – zu 98.000,- DM (anstelle der ursprünglich geforderten 102.075,- DM) anbiete; bei der Bestellung mehrerer Sätze würde sich der Preis pro Satz weiter reduzieren.
174Entsprechend dem von den zuständigen Entscheidungsträgern der indischen Verteidigungsorganisationen am 9.5.1996 gefassten Beschluss erhielt die N von der High Commission of India, unterzeichnet von dem Technischen Berater (Verteidigung) Q2 in Vertretung des indischen Präsidenten, für das indische Verteidigungsministerium einen Auftrag über die beiden doppeltwirkenden Neigezylinder mit Zylinderverbindung für insgesamt 47.774,- DM (BH 4, 59). Darin enthalten war ein Nachlass von 10,3 %, den der Angeklagte zu 1) bei den Verhandlungen in London zugestanden hatte. Die Vertragsbedingungen sahen – wie bei denen der I – vor, dass jeglicher weiterer Schriftverkehr mit Q zu führen war und Kopien an S zu Händen von H3 geschickt werden sollten.
175Spätestens jetzt, also in engem zeitlichen Zusammenhang mit dieser Bestellung, teilten die indischen Verteidigungsorganisationen dem Angeklagten zu 1) mit, dass die Zylinder für die Entwicklung einer mobilen Raketenabschussrampe bestimmt seien und dass die ihm bei der Werksbesichtigung am 3.5.1996 vorgelegte Zeichnung eines Brückenlegers ausschließlich zum Zwecke einer eventuell erforderlichen Irreführung deutscher Exportkontrollbehörden angefertigt worden sei. Wann genau und durch wen genau der Angeklagte zu 1) diese Informationen erhielt, konnte nicht sicher festgestellt werden. Auch der Angeklagte zu 2) erfuhr in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Auftragserteilung, für welche Zwecke die Zylinder eingesetzt werden sollten. Ob er unmittelbar durch die indischen Verteidigungsorganisationen in Kenntnis gesetzt wurde oder ob – wofür mehr spricht – der Angeklagte zu 1) ihn informierte, konnte nicht sicher festgestellt werden.
176Mit Schreiben vom 24.6.1996 (BH 4, 67) bestätigte der Angeklagte zu 1) namens der N den Auftrag und nannte als Liefertermin die 38. Kalenderwoche, also Ende September 1996. Innerhalb des Unternehmens erhielt der Auftrag die Kommissionsnummer 7572. Zwei Tage später (Ordner 1, 157) übersandte der Angeklagte zu 2) Q2 zwei Zeichnungen der Zylinder und bat um die Genehmigung zur Produktion.
177Nach einem Telefongespräch mit Q2 bot der Angeklagte zu 1) mit Schreiben vom 9.7.1996 (BH 5, 3) auch den Horizontal- und den Teleskopzylinder zu einem deutlich reduzierten Preis an, nämlich für insgesamt 45.700,- DM anstelle der im Angebot vom 6.5.1996 geforderten 55.995,- DM.
178Am 29.7.1996 schickte H3 an den Angeklagten zu 1) ein Telefax (Ordner 1, 153), in welchem er kleinere Änderungen bei den Abmessungen der doppeltwirkenden Neigezylinder wünschte und darum bat, im Folgenden weitere technische Einzelheiten direkt mit ihm zu klären. Zwei Tage später expedierte H3 die von ihm abgezeichneten Pläne mit den eingezeichneten Änderungswünschen an den Angeklagten zu 1); der Angeklagte zu 2) leitete sie an die Konstruktionsabteilung weiter.
179Als die indischen Verteidigungsinstitutionen erkannten, dass sich die Lieferung der bei der I bestellten Zylindersätze wegen der Probleme mit der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung erheblich verzögern würde, fassten sie den Entschluss, nunmehr entgegen ihrer ursprünglichen Planung auch bei der N einen Horizontal- und einen Teleskopzylinder zu bestellen, um möglichst schnell mit ihren Experimenten für die optimale Konstruktion einer mobilen Agni-Startrampe beginnen zu können. Offensichtlich hatte der Angeklagte zu 1) – wie es T6 in seinem Schreiben vom 14.6.1997 der I mitteilte – die S wissen lassen, die N habe keine Probleme mit den deutschen Exportbehörden. Von daher übersandte H3 mit Telefax vom 7.8.1996 (BH 5, 10) dem Angeklagten zu 1) die Bestellung eines Horizontal- und eines Teleskopzylinders für insgesamt 45.700,- DM. Der Auftrag war von K2, dem damaligen Direktor der S, unterzeichnet und erfolgte ausdrücklich im Namen des indischen Präsidenten für das Verteidigungsministerium; der weitere Schriftverkehr sollte wieder ausschließlich mit H3 geführt werden.
180Mit Schreiben vom 21.8.1996 (Ordner 1, 140) teilte der Angeklagte zu 1) H3 – unter Bezugnahme auf ein an demselben Tag zwischen den beiden geführtes Telefongespräch – mit, dass die Zeichnungen der Neigezylinder entsprechend den Wünschen H3s geändert worden seien und ersuchte um erneute Genehmigung der dem Telefax anliegenden Pläne. Zwei Tage später (BH 1, 7) antwortete H3 dem Angeklagten zu 1) und bat um eine Änderung des Lagers am Stangenende der Neigezylinder sowie um zusätzliche Übersendung der entsprechend korrigierten Pläne per Kurier. Unter dem 2.9.1996 (Ordner 1, 130) übersandte diesmal der Angeklagte zu 2) H3 die nochmals geänderten Zeichnungen per Kurier und bat um Genehmigung. Mit Schreiben vom 5.9.1996 (BH 1, 8) fragte Q2 den Angeklagten zu 1), ob die technischen Änderungswünsche in die Zeichnungen eingearbeitet worden seien. Fünf Tage später (Ordner 1, 124) antwortete ihm der Angeklagte zu 1), dass in den am 2.9.1996 übersandten Zeichnungen die Änderungswünsche von H3 bereits berücksichtigt worden seien.
181Mit Schreiben vom 10.9.1996 (BH 5, 19) an H3 bestätigte der Angeklagte zu 1) für die N den Auftrag über die Lieferung des Horizontal- und des Teleskopzylinders; innerhalb des Unternehmens wurde der Auftrag unter der Kommissionsnummer 7955 geführt.
182H3 teilte mit Telefax vom 12.9.1996 (Ordner 1, 116) Änderungswünsche hinsichtlich der Abmessungen des Horizontal- und des Teleskopzylinders mit und fragte nach technischen Einzelheiten hinsichtlich der Kolbenstangen der Neigezylinder. Er bat außerdem darum, alle Zylinder "weit vor Dezember 1996" zu liefern und kündigte an, dass bei den Abnahmeprüfungen der Zylinder ein indischer Ingenieur anwesend sein solle.
183Der bereits mehrfach erwähnte Geschäftsführer der Montech Hydraulics, B3, bat den Angeklagten zu 1) mit Schreiben vom 17.9.1996 (BH 30, 22) um Übersendung der Auftragsbestätigungen für die Zylinder und stellte in Aussicht, dass er aufgrund seiner Beziehungen zu S diese dazu bringen könne, die benötigten Zylinder in Zukunft ausschließlich von der N zu beziehen. Der Angeklagte zu 1) antwortete B3 umgehend mit Schreiben vom 18.9.1996 (BH 30, 24) und fügte die beiden Auftragsbestätigungen bei. Er berichtete ferner, dass die N den Auftrag für die doppeltwirkenden Neigezylinder aufgrund des besseren technischen Konzeptes (Zylinderverbindung) erhalten habe; der Horizontal- und der Teleskopzylinder seien bei einem anderen Unternehmen bestellt worden. Mehrere Wochen später sei er von Q2 nochmals angesprochen worden; er habe daraufhin ein Angebot mit einem geringeren Preis für den Horizontal- und den Teleskopzylinder abgegeben und die N habe sodann auch noch diesen Auftrag erhalten. Der Angeklagte zu 1) stellte in Aussicht, dass weitere Details bei seinem Besuch in Indien im Oktober 1996 besprochen werden könnten.
184Mit Telefax vom 29.9.1996 (Ordner 1, 100) bat H3 den Angeklagten zu 1) – unter Bezugnahme auf ein weiteres zwischen beiden drei Tage zuvor geführtes Telefongespräch – um Beantwortung des Telefaxes vom 12.9.1996. Durch Schreiben vom 1.10.1996 (Ordner 1, 96) erteilte diesmal wieder der Angeklagte zu 2) die von H3 gewünschten technischen Auskünfte. Er teilte ferner mit, dass eine Lieferung der Zylinder frühestens im Januar 1997 möglich sei. Drei Tage später (Ordner 1, 95) schrieb H3 dem Angeklagten zu 1), dass die im Telefax vom 1.10.1996 mitgeteilten technischen Details größtenteils akzeptabel seien, bat jedoch bei den doppeltwirkenden Neigezylindern um eine erneute Änderung der Abmessungen sowie um die Versetzung eines Ventils. Am 7.11.1996 (Ordner 1, 66) übersandte der Angeklagte zu 2) H3 per Kurier eine Belastungsanalyse für die doppeltwirkenden Zylinder sowie je zwei Zeichnungen aller Zylinder und ersuchte um endgültige Genehmigung.
185Die Angeklagten, die genau wussten, dass man Rüstungsgüter und deren Bestandteile nicht ohne Erlaubnis der Ausfuhrbehörden exportieren darf, hatten ursprünglich beabsichtigt, die bei der N bestellten Zylinder ohne Einschaltung des BAFA auszuliefern; ihnen war klar, dass die zuständigen deutschen Behörden den Export von Zylindern, die für die Entwicklung einer indischen Raketenabschussrampe bestimmt waren, nicht bewilligen würden. Irgendwann in der Zeit zwischen Mitte Mai und Ende Oktober 1996 erfuhr der Angeklagte zu 1) jedoch, dass die I bezüglich der bei ihr in Auftrag gegebenen – gleichen – Zylinder eine Ausfuhrgenehmigung beantragt hatte. Die Angeklagten kamen daraufhin überein, dass deshalb ein heimlicher Export zu riskant sei und beschlossen, ebenfalls einen Ausfuhrantrag zu stellen. Angesichts des von ihnen – zu Recht – als problematisch eingeschätzten Bestimmungszwecks der Zylinder waren sich die Angeklagten allerdings zunächst nicht im Klaren, mit welchen Angaben sie eine Ausfuhrgenehmigung beantragen sollten. Deshalb wies der Angeklagte zu 1) Anfang November 1996 den schon erwähnten Exportsachbearbeiter der N, I8, an, bei der Oberfinanzdirektion Münster vorzufühlen, was genau man bei einem Export von Zylindern in außenwirtschaftsrechtlicher Hinsicht zu beachten habe. I8 ließ den Angeklagten zu 1) in einem Vermerk vom 7.11.1996 (BH 5, 37) wissen, der bereits erwähnte Zollamtmann T3 von der Oberfinanzdirektion habe ihm mitgeteilt, für den Fall, dass der Verwendungszweck nicht bekannt sei, müsse der Kunde ein Endverwenderzertifikat vorlegen. Liege ein solches vor oder sei der Verwendungszweck bekannt, könne man direkt beim BAFA nachfragen, ob die konkrete Lieferung genehmigungsbedürftig sei.
186Daraufhin wandte sich der Angeklagte mit einem Schreiben vom 7.11.1996 (Ordner "Büro Versandleiter Objekt 1 Lfd. Nr. 2 – im Folgenden Ordner 2 – Bl. 83) an H3, das wie folgt lautete:
187"Ihr Zeichen 3 A 16 GSB6G6S
188Unser Zeichen 7955
189Sehr geehrter Herr H3,
190hinsichtlich der Ausstellung der Ausfuhrbescheinigungen möchten wir Sie höflich bitten, uns "irgendeine Art von Information" (Arbeitsplattform oder ähnliches?) in Bezug auf die Anwendung zu geben, für welche die Zylinder ihres oben genannten Auftrages verwendet werden.
191Mit freundlichen Grüßen"
192Mit diesem Schreiben wollte der Angeklagte zu 1) ersichtlich mit H3 abstimmen, wie man nunmehr, nachdem er und sein Neffe sich doch zur Stellung eines Ausfuhrantrages entschlossen hatten, gegenüber den Exportbehörden vorgehen solle. Warum das Schreiben nur auf den Auftrag über den Horizontal- und den Teleskopzylinder (und nicht auch auf die Bestellung der Neigezylinder) Bezug nimmt und ob im Zusammenhang mit diesem Schreiben zusätzliche mündliche Absprachen mit H3 getroffen wurden, hat die Kammer nicht klären können.
193Mit Schreiben vom 12.11.1996 (BH 4, 126) teilte das technische Büro der N H3 mit, dass an allen Zylindern neue Bremsventile eingebaut würden und daher die Zeichnungen geändert worden seien; es wurde um Genehmigung dieser neuen Pläne gebeten. H3 akzeptierte sie mit Schreiben vom 14.11.1996 (Ordner 1, 60) und ersuchte nochmals darum, das Ventil bei den doppeltwirkenden Neigezylindern zu versetzen; dies sagte die N zu. Unter dem 18.11.1996 (Ordner 1, 56) sandte der Angeklagte zu 2) erneut je zwei Zeichnungen aller Zylinder an H3 und bat darum, jeweils eine unterschrieben zurückzusenden. Vier Tage später forderte H3 in einem an den Angeklagten zu 1) gerichteten Schreiben (BH 1, 5) eine weitere geringfügige Korrektur bei den Neigezylindern.
194Unter dem 28.11.1996 (BH 1, 26) übersandte H3 im Hinblick auf das Schreiben des Angeklagten zu 1) vom 7.11.1996 eine von K2 unterzeichnete Bescheinigung, die sich nur auf den Horizontal- und den Teleskopzylinder bezog. Als Verwendungszweck wurde – wahrheitswidrig – angegeben: "Verschiedene Arten von transportablen Brücken, die auf Panzern/Fahrzeugen montiert sind, um durch ein geeignetes hydraulisches/mechanisches System von einer Ausgangsböschung zu einer Zielböschung über eine Kluft (feucht/trocken) ausgefahren zu werden. Die Anzahl der Hydraulikzylinder ist Teil eines derartigen Überbrückungssystems."
195Der Angeklagte zu 2) schrieb am 3.12.1996 (Ordner 1, 50) an Q2 und H3, dass jetzt alle technischen Details geklärt seien und die Abnahme der Zylinder für den 17.2.1997 geplant sei. Mit Schreiben vom 23.1.1997 (BH 4, 128) teilte der Angeklagte zu 2) H3 mit, die Exportgenehmigung sei "okay" und das Abnahmeteam werde am 14.2.1997 in I2 erwartet; tatsächlich hatte die N bis zu diesem Zeitpunkt noch gar keinen Ausfuhrantrag gestellt.
196Erst unter dem 5.2.1997 (BH 4, 87; BH 5, 39) bat die N mit einem von dem Angeklagten zu 2) und I8 unterzeichneten Schreiben um Überprüfung, ob die Ausfuhr der vier Zylinder genehmigungspflichtig sei. Vorsorglich legten die beiden zwei bereits vollständig ausgefüllte und mit dem Datum 6.2.1997 versehene Ausfuhrantragsformulare bezüglich des Auftrages vom 10.5.1996 über die Neigezylinder (Kommissionsnummer 7522) einerseits und des Auftrages vom 7.8.1996 über den Horizontal- und den Teleskopzylinder (Kommissionsnummer 7955) andererseits bei. Ferner fügten sie Zeichnungen der Zylinder, Kopien der Kaufaufträge und einzelner Schreiben der indischen Besteller sowie die Endverwendererklärung vom 28.11.1996 hinzu. Im Antrag für die Neigezylinder, bei denen der N keine indische Verwendungsbescheinigung vorlag, vermerkten der Angeklagte zu 2) und I8 unter der Rubrik "Endverwendung" "vermutlich für Brückenleger-Fahrzeug Panzer"; die Frage unter Nr. 24 nach einer Verwendung der Ware in Flugkörpern für chemische, biologische oder nukleare Waffen ließen sie offen. Im Antrag für den Horizontal- und den Teleskopzylinder – auf diesen bezog sich die beigefügte indische Bescheinigung vom 28.11.1996 – gaben sie als Endverwendung "Brückenlege-Fahrzeug-Panzer" an und verneinten die Frage Nr. 24 ausdrücklich. In beiden Anträgen wurde der Angeklagte zu 2) als der Ausfuhrverantwortliche benannt. In dieser Funktion unterzeichnete er eine in den Antragsformularen vorgedruckte Erklärung, dass er Mitglied der Unternehmensleitung und über die wesentlichen Pflichten eines Exporteurs, insbesondere im Zusammenhang mit Ausfuhrgeschäften genehmigungsbedürftiger Waren, unterrichtet sei. Er sei bestrebt, die einschlägigen Regelungen des Außenwirtschaftsgesetzes, der Außenwirtschaftsverordnung und der Ausfuhrliste zu beachten und alle erforderlichen Vorkehrungen zu treffen, damit diese im Unternehmen eingehalten würden. Er sei sich bewusst, dass es ihm im Falle einer Zuverlässigkeitsprüfung verwehrt sei, sich auf Nichtwissen oder Missverstehen der außenwirtschaftlichen Bestimmungen zu berufen.
197Bei der zwischen den Angeklagten abgesprochenen Abfassung der Anträge war beiden klar, dass die Angaben zu der beabsichtigten Verwendung der Zylinder falsch waren. Sie gingen – in Absprache mit den Verantwortlichen der indischen Verteidigungsorganisationen – davon aus, dass die deutschen Exportkontrollbehörden bei Vortäuschung einer Verwendung der Zylinder für Brückenlegerfahrzeuge die Ausfuhr eher genehmigen würden als bei Angabe des wirklichen Bestimmungszwecks. Ob dem Exportsachbearbeiter I8 bewusst war, dass die Angaben in den Anträgen nicht der Wahrheit entsprachen, hat die Kammer nicht sicher feststellen können.
198Innerhalb des BAFA wurden die Anträge unter den Vorgangsnummern 2557192 (bezüglich der Neigezylinder) und 2557193 (bezüglich des Horizontal- und des Teleskopzylinders) geführt. Mit Schreiben vom 7.2.1997 (BH 5, 46) teilte das BAFA der N mit, dass die Ausfuhr der Zylinder auf jeden Fall genehmigungsbedürftig sei, weil sie unter Pos. 0006 Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste zu subsumieren seien. Die Verwendungsbeschreibung in dem einen Antrag – "vermutlich für Brückenlege-Fahrzeug-Panzer" – genüge in keinster Weise der Anforderung der ausführlichen Angabe zur Verwendung. Außerdem entspreche die beigefügte indische Bescheinigung nicht den üblichen Endverwenderzertifikaten; als Vorlage fügte der Sachbearbeiter seinem Schreiben ein Muster bei.
199Mit Telefax vom 7.2.1997 (Ordner 2, 60) schrieb der Angeklagte zu 2) an H3, dass die deutschen Ausfuhrbehörden – "unerwartet für die N" – eine Originalbescheinigung des Endabnehmers verlangen würden; er fügte dem Schreiben das vom BAFA zur Verfügung gestellte Muster bei und bat um Übersendung eines entsprechenden Zertifikates. Unter dem 17.2.1997 (BH 5, 49) sandte H3 dem Angeklagten zu 2) eine neue von K2 unterzeichnete, dem BAFA-Muster entsprechende Bescheinigung zu. Sie bezog sich auf den Horizontal- und den Teleskopzylinder und enthielt hinsichtlich des Verwendungszwecks dieselbe Formulierung wie das Zertifikat vom 28.11.1996. Einige Tage später – unter dem 26.2.1997 – schickte Q2 dann auch ein von K2 unterzeichnetes Zertifikat (BH 4, 97) hinsichtlich der Neigezylinder; die Angaben zum Verwendungszweck waren mit denen der anderen Bescheinigung identisch.
200Der Angeklagte zu 2) leitete die beiden Testate mit Schreiben vom 25.2. (BH 4, 100) beziehungsweise 3.3.1997 (BH 5, 51) an das BAFA weiter und bat darum, nunmehr möglichst kurzfristig über die Ausfuhranträge zu entscheiden.
201Mit Schreiben vom 10.3.1997 (BH 4, 129) teilte der Angeklagte zu 2) H3 mit, dass die N in zwei bis drei Wochen die Erteilung der Ausfuhrgenehmigung erwarte und bat um Informationen hinsichtlich des angekündigten Teams indischer Ingenieure, das die Zylinder abnehmen solle.
202Die Mitarbeiter des BAFA hatten schnell erkannt, dass die den Ausfuhranträgen der N zugrunde liegenden Zylinder offensichtlich für dasselbe indische Rüstungsprojekt bestimmt waren wie die Waren, die den Gegenstand der Exportanträge der I und der N2 bildeten. Von daher leitete das Genehmigungsreferat des BAFA die beiden Anträge der N unter dem 12.3.1997 dem Auswärtige Amt und dem Bundeswirtschaftsministerium mit der Bitte zu, über diese zusammen mit dem Antrag der I – der Antrag der N2 war wie oben erwähnt zwischenzeitlich bereits positiv beschieden worden – zu entscheiden; ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass aus fachtechnischer Sicht eine Verwendung der den Anträgen zugrunde liegenden Zylinder in einem Brückenlegerfahrzeug plausibel erscheine.
203Auch die beiden Ministerien sahen den Zusammenhang zwischen den Ausfuhranträgen der drei Unternehmen und behandelten von daher die Anträge der N gewissermaßen als Anhängsel zu dem noch nicht endgültig beschiedenen Exportantrag der I. Nachdem das Bundeswirtschaftsministerium bei letzterem wie oben ausgeführt aufgrund des Schreibens des Bundesnachrichtendienstes vom 3.4.1997 die Sachlage endgültig dahingehend für geklärt hielt, dass die Ausfuhr zu bewilligen sei, teilte das Ministerium dem BAFA mit seinem Schreiben vom 7.4.1997 (BMWi, 140), in welchem es die Weisung zur Genehmigung des Ausfuhrantrages der I erteilte, mit, dass nunmehr auch die Ausfuhranträge der N genehmigt werden könnten. Dabei gingen die zuständigen Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums davon aus, dass der mit den Anträgen behauptete Bestimmungszweck der Zylinder – Einbau in ein Brückenlegerfahrzeug – den Tatsachen entsprach. Hätten sie gewusst, dass die Zylinder für die Entwicklung einer mobilen Raketenabschussrampe verwendet werden sollten, wäre die Genehmigung versagt worden.
204Nachdem sich bereits der Angeklagte zu 2) mit Telefax vom 4.4.1997 (Akte Montanhydraulik/BAFA, 40) beim BAFA nach dem Sachstand erkundigt hatte, telefonierte der Angeklagte zu 1) am 8.4.1997 mit dem Amt und erfuhr, dass die N die Exportgenehmigungen spätestens bis Ende der Woche erhalten werde. Mit Schreiben vom selben Tage (BH 4, 130) gab er diese Information an Q2 weiter, entschuldigte sich für die Verzögerung und wies darauf hin, er sei sich sicher, dass es "bei zukünftigen Geschäften keine Hindernisse mehr geben" werde.
205Unter dem 17.4.1997 (BH 1, 2 und 17) erteilte das BAFA der N die Genehmigungen für die Ausfuhr der Zylinder. Auf den beiden Genehmigungsbescheiden hieß es jeweils in Fettdruck: "Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Erteilung dieser Genehmigung ohne Präjudizwirkung für spätere Ausfuhrgenehmigungsanträge, gleich welcher Art, erfolgt."
206Der Angeklagte zu 1) teilte den Erhalt der Genehmigung umgehend H3 mit (BH 4, 132) und bat um Instruktionen bezüglich des avisierten Abnahmeteams; die Zylinder seien seit Januar 1997 fertiggestellt. Mit Schreiben vom 23.4.1997 (BH 4, 134) dankte H3 der indischen Botschaft in Bonn für ihre Bemühungen, von den deutschen Behörden die Ausfuhrgenehmigungen zu erhalten. Die Botschaft leitete dieses Schreiben zusammen mit Informationen über das zweiköpfige Abnahmeteam an den Angeklagten zu 1) weiter (BH 4, 135). Vom 7. bis 13.5.1997 besuchten die Ingenieure S3 und. N12 – letzterem wurde wie schon erwähnt zusammen mit H3 im August 1999 der "AGNI Self Reliance" Preis verliehen – die N und nahmen die Zylinder ab; es gab keine Beanstandungen. Anschließend fuhren sie weiter zur I, um sich dort – wie oben bereits geschildert – nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.
207Mit Telefax vom 8.5.1997 (BH 7, 25) teilte S3, der – wie oben unter Punkt B. 4. ausgeführt – inzwischen die N7 gegründet hatte, der N mit, dass die beiden indischen Ingenieure, die gerade bei der N die Abnahme der Zylinder durchführten, die leitenden Assistenten von H3 seien. Ferner berichtete er, er habe über die Lieferung der Zylinder mit K2 gesprochen und ihm für weitere Lieferungen eine Preisreduzierung in Aussicht gestellt.
208Mit Schreiben vom 19.5.1997 (Ordner 2, 123) bat H3 den Angeklagten zu 2) unter Hinweis darauf, dass die Zylinder dringend benötigt würden, um die Angabe der Mehrkosten, falls die Zylinder per Luftfracht – und nicht wie ursprünglich geplant auf dem Seeweg – nach Indien geliefert würden. Der Angeklagte zu 1) teilte ihm umgehend mit (Ordner 2, 120), dass der Seetransport 2.500,- DM und die Luftfracht 19.000,- DM kosten würde. Mit Schreiben vom 27.5.1997 (Ordner 2, 122) wies H3 den Angeklagten zu 1) an, die Zylinder – ungeachtet der erheblichen Mehrkosten – auf dem Luftwege transportieren zu lassen. Am 30.5.1997 (BH 4, 121 a ; BH 5, 32) führte die N alle vier Zylinder per Luftfracht nach Indien aus. In den bei jedem Export den deutschen Zollbehörden vorzulegenden "Ausfuhranmeldungen" verwies das Unternehmen auf die Bewilligungsbescheide des BAFA vom 17.4.1997.
209Die beiden an den Direktor der S adressierten Rechnungen der N über insgesamt 93.474,- DM wurden von der indischen Seite zeitnah beglichen.
210Vom 1. bis 6.6.1997 unternahm der Angeklagte zu 1) eine Geschäftsreise nach Indien. Am 2.6.1997 besuchte er zusammen mit S3 die S in Pune und traf sich dort mit H3 sowie weiteren Verantwortlichen. Was bei diesem Treffen genau besprochen wurde, konnte nicht sicher festgestellt werden. Vom 20. bis 27.2.1998 war der Angeklagte zu 1) erneut auf Geschäftsreise in Indien. Am 24. und 25.2.1998 hielt er sich zusammen mit S3 bei der S in Pune auf und führte mit H3 und seinen Mitarbeitern Gespräche, deren Inhalt ebenfalls nicht sicher festgestellt werden konnte.
211Wie bereits oben geschildert, führten die Ingenieure der S mit den seitens der I gelieferten Zylindern umfangreiche Versuche durch. Auch die Zylinder der N wurden verschiedenen Tests unterzogen. Dabei stellten die Mitarbeiter der S fest, dass die doppeltwirkenden Neigezylinder der N eine aus ihrer Sicht zu geringe Absenkgeschwindigkeit aufwiesen. Nachdem S3 bereits mit Telefax vom 20.2.1998 (Ordner "Erledigte Akkreditive 8798/97 Hydraulic Actuators" – im Folgenden Ordner 3 – Bl. 70) den Angeklagten zu 2) auf dieses Problem hingewiesen hatte, nahm sich der Angeklagte zu 1) während seiner Indienreise vom 20. bis 27.2.1998 der Sache an. Mit einem Telefax vom 22.2.1998 (Band III der Hauptakten, Bl. 98), das er aus seinem Hotel in Chennai an die N in I2 schickte, forderte er das technische Büro auf, nach einer Lösung für diese Beanstandung zu suchen. Was daraus geworden ist, konnte nicht festgestellt werden. Im Ergebnis entschieden die Mitarbeiter der S wie oben geschildert, den endgültigen Prototypen der Agni-Startrampe mit dem Teleskop- und den doppeltwirkenden Neigezylindern der I auszustatten. Für die von der N gelieferten Zylinder hatten die indischen Verteidigungsorganisationen letztlich keine Verwendung. Sie lagerten jahrelang in einer Halle der S in Pune. Im Laufe der Hauptverhandlung nahm die N Kontakt zu S auf und kaufte die Zylinder für etwa 55.000,- € zurück. Seit dem Frühjahr 2008 liegen sie nunmehr in den Werkshallen der Montan Reparatur & Service GmbH.
212c) Die Vorgänge im Zusammenhang mit der N2
213Obwohl seitens der N2 niemand an den Verhandlungen in London teilgenommen hatte, erhielt das Unternehmen – entsprechend den oben geschilderten Plänen der indischen Verteidigungsorganisationen – mit Schreiben der indischen Botschaft in London vom 10.5.1996, unterzeichnet von dem Technischen Berater (Verteidigung) Q2 in Vertretung des indischen Präsidenten für das indische Verteidigungsministerium, einen Auftrag über vier Kugelrollspindeln für insgesamt 151.316,- DM. Die Vertragsbedingungen sahen auch hier vor, dass das Unternehmen den weiteren Schriftverkehr mit Q2 zu führen und Kopien an die S zu Händen von H3 zu schicken habe.
214C4, die Verkaufsleiterin der N2, erkundigte sich am 10.5.1996 bei dem Juristen des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau, Herrn G2, nach der Firma I9, nach möglichen Übersetzungen des dem Unternehmen bereits im Vorfeld der Auftragserteilung genannten Verwendungszwecks "Heavy Duty Bridge Laying Equipment" sowie danach, ob ein Export eventuell genehmigungspflichtig sei. G2 teilte ihr mit, "Heavy Duty Bridge Laying Equipment" könne mit Brückenverlege-Panzer übersetzt werden; die Ausfuhr der Kugelrollspindeln sei genehmigungspflichtig, wenn sie dafür "besonders konstruiert" seien. Als ein Beispiel für in jedem Fall genehmigungspflichtige Exporte nannte G2 Zulieferungen für Raketeneinrichtungen. Die I9 sei ein großes Luftfahrtunternehmen, das auch für den Rüstungssektor produziere. Nach dieser Auskunft entschlossen sich der Geschäftsführer T8 und C4, beim BAFA eine Ausfuhrgenehmigung zu beantragen.
215Die N2 stellte daher mit einem von T8 unterzeichneten Schreiben vom 20.5.1996 beim BAFA einen Antrag auf Ausfuhrgenehmigung (Akte N2/BAFA, 3), dem sie unter anderem ein von Q2 unterschriebenes Endverwenderzertifikat der indischen Botschaft in Großbritannien vom 9.5.1996 beifügte, in dem – wahrheitswidrig – bescheinigt wurde, die Kugelrollspindeln seien für eine "Hochleistungs-Brückenlegeausrüstung" vorgesehen, welche die indische Regierungsorganisation S entwickele. Der innerhalb des BAFA zunächst mit der technischen Begutachtung beauftragte Ingenieur M10 bat mit Schreiben vom 22.5.1996 (Akte N2/BAFA, 10/3) um eine Erläuterung dieses Verwendungszwecks. T8 antwortete ihm am 23.5.1996 (Akte N2/BAFA, 10/5): "... Der Firmierung der Londoner Kontaktadresse vermuten wir, daß es sich um eine irgendwie geartete militärische Anwendung handelt. Eine exakte Verwendung oder eine Beschreibung der gesamten Maschine/Vorrichtung/Anlage wurde uns nicht bekannt. Im Rahmen der technischen Ausführungen zur Angebotslegung erhielten wir als Vorgabe, daß die teleskopartig ausfahrbare Einheit im Ruhezustand eine Gesamtlänge von 7100 mm aufweist und durch motorischen Antrieb des von uns zu liefernden Kugelgewindetriebes auf 12360 mm ausgefahren werden kann. Diese Baugruppe kann eine ähnliche Bewegung ausführen wie ein Hydraulikzylinder.... Es ließe sich damit z. B. eine schwere Einheit (z. B. Wagen, Schlitten, Schieber, Brückenträger, Plattform, Befestigungsfläche, Säule, Schutzvorrichtung, Rampe, Abschußrampe, Trennwand etc.) rasch und präzise bewegen, verstellen, verschieben, positionieren....."
216Ob der Geschäftsführer T8 und / oder weitere Mitarbeiter der N2 zu irgendeinem Zeitpunkt Kenntnis davon erlangten, dass die Kugelrollspindeln in Wirklichkeit für die Entwicklung einer mobilen Abschussrampe der Agni II bestimmt waren, hat die Kammer nicht sicher festzustellen vermocht.
217In einer fachtechnischen Stellungnahme vom 20.6.1996 (Akte N2/BAFA, 26) kam der im Referat für militärische Fahrzeuge des BAFA tätige Ingenieur S5 zu der Einschätzung, dass die Kugelrollspindeln nicht für den Einsatz in Brückenverlegerfahrzeugen geeignet seien. Es handele sich dabei vielmehr um Präzisionsteile, die für eine hohe statische Traglast ausgelegt, aber für dynamische Belastungen, wie sie bei Brücken- und Verlegerfahrzeugen aufträten, nur bedingt geeignet seien. Der Einsatz in einem korrosiv und abrasiv wirkenden Medium (Wasser, Verunreinigungen wie Staub, Sand, etc.) würde zu Problemen führen. Ferner müssten die Spindeln zur Vermeidung von Überlastungen beim Fahren der Kugelmutter in die Endlagen für die Verwendung in einem Brückenleger mit zusätzlichen Sicherheitseinrichtungen wie Endschaltern, Rutschkupplungen und Sollbruchstellen ausgerüstet werden. S5 hielt wegen der I9 als Auftraggeber, die in Luftfahrt- und Flugkörperaktivitäten involviert sei, und der von T8 im Schreiben vom 23.5.1996 ausdrücklich genannten Verwendungsmöglichkeit "Rampe, Abschussrampe" vielmehr einen Einsatz in einer Raketenabschussrampe für plausibel. H4, der bereits mehrfach erwähnte Ingenieur im Referat Luft- und Raumfahrttechnik, widersprach in einer von S5 angeforderten technischen Stellungnahme vom 8.7.1996 (Akte N2/BAFA, 35) dieser Einschätzung und hielt – wie in seiner Stellungnahme vom 19.7.1996 im Antragsverfahren der I – einen Einsatz der Kugelrollspindeln in einem Brückenverlegerfahrzeug für wahrscheinlicher; zur Begründung führte er an, dass für die indische Kurzstreckenrakete Prithvi Abschussrampen bereits vorhanden und Testschüsse der Mittelstreckenrakete Agni schon durchgeführt worden seien. S5 schloss sich letztlich der Einschätzung von H4 an, vermerkte aber auf dem Vorgang, dass der Sachverhalt "kritisch" sei. Wie oben unter B. II. 3. a) im Einzelnen geschildert, legte das BAFA unter dem 3.9.1996 die Antragsunterlagen zusammen mit denen der I mit einem negativen Votum dem Auswärtigen Amt und dem Bundeswirtschaftsministerium vor. Wie bereits dargestellt teilte das Auswärtige Amt unter dem 27.2.1997 dem Bundeswirtschaftsministerium ohne nähere Begründung mit, dass es seine ursprünglichen Bedenken hinsichtlich der Lieferung der Kugelgewindetriebe zurückstelle. Aufgrund dessen wies die Sachbearbeiterin N14 des Bundeswirtschaftsministeriums mit Schreiben vom 4.3.1997 das BAFA an, den Antrag der N2 positiv zu bescheiden, was das Amt auch umgehend tat. Hätten die zuständigen Beamten des Auswärtigen Amtes und des Bundeswirtschaftsministeriums gewusst, dass die Kugelrollspindeln nicht für ein Brückenlegerfahrzeug, sondern für die Entwicklung einer mobilen Abschussrampe der Agni II bestimmt waren, wäre die Genehmigung nicht erteilt worden.
218Nach Erhalt des Genehmigungsbescheides vom 5.3.1997 begann die N2 mit der Produktion der Kugelrollspindeln. Zur Abnahme reiste auch hier ein Team von Ingenieuren der S an. Am 8.8.1997 führte das Unternehmen die vier Kugelrollspindeln nach Indien aus. Weitere Aufträge erhielt die N2 von S nicht; die Kugelgewindetriebe wurden letztlich nicht in die Agni-Startrampe eingebaut.
219Das Zollkriminalamt Köln leitete am 18.7.2001 gegen den Geschäftsführer T8 ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts des Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch die Lieferung der Kugelrollspindeln nach Indien ein, das die zuständige Staatsanwaltschaft Wuppertal unter dem 16.7.2004 gemäß § 170 Abs. 2 StPO einstellte.
220III. Die Lieferung von zwei Stützzylinderpaaren durch die N (Kommissionsnummer 9284) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im Dezember 1997 (Anklagepunkt 3.)
221Mitte 1997 benötigten die Ingenieure der S im Rahmen des Projektes zur Entwicklung der mobilen Abschussrampe für die Agni II vier weitere – relativ kleine – doppeltwirkende Zylinder, die paarweise angeordnet sein sollten und bei denen die jeweils ein Paar bildenden Zylinder absolut synchron laufen mussten. Höchstwahrscheinlich – ganz sicher hat die Kammer dies nicht feststellen können – waren diese zwei Zylinderpaare dafür vorgesehen, den oberen Teil der Rakete am Trägerarm der Abschussrampe bis zum Start zu fixieren. Die Verantwortlichen der S beschlossen, diese Zylinder ausschließlich bei der N zu bestellen, und zwar zusammen mit der nur von dieser angebotenen Zylinderverbindung für jedes Zylinderpaar, weil diese den gewünschten optimalen Synchronlauf garantieren würde. Dementsprechend bat die S mit einem von H3 unterzeichneten Telefax vom 28.8.1997 (BH 29, 5) die im Frühjahr 1997 gegründete N7 um ein Angebot für zwei Paar Zylinder mit jeweils einer Zylinderverbindung; die beiden Zylinder sollten dabei die gleiche Last halten können. Er wies darauf hin, dass die Zylinder für dasselbe Projekt von S vorgesehen seien, für das die N die vier Zylinder im Frühsommer des Jahres geliefert habe. H3 bat um zügige Bearbeitung der Anfrage, da die Montage für das Projekt Ende September beginnen solle. S3 leitete das Telefax an die N weiter. Die Angeklagten kamen zusammen mit S3 überein, im Falle einer verbindlichen Auftragserteilung die N7 zwischenzuschalten, das heißt, S sollte den Vertrag über die Lieferung der Zylinder mit der N7 schließen und diese wiederum die Zylinder bei der N bestellen.
222Mit Telefax vom 24.9.1997 (BH 30, 14) teilte S3 dem Angeklagten zu 1) mit, dass S der N7 in Kürze einen Auftrag über die beiden Zylinderpaare mit Zylinderverbindung erteilen werde. Die Zylinder würden später paarweise montiert; sie sollten einen Kolbendurchmesser von 63 mm, einen Stangendurchmesser von 45 mm und einen Hub von 750 mm haben. Die N solle bereits mit der Herstellung der Zeichnungen beginnen; S werde die Zylinder innerhalb von neun Wochen nach der Bestellung benötigen.
223Mit Telefax vom 10.10.1997 (BH 28, 2) berichtete S3 beiden Angeklagten, dass er die Bestellung von S zu einem Gesamtpreis von 256.500,- Rupien erhalten habe. Er hoffe, dass die N bereits mit der Arbeit an den Zeichnungen begonnen habe, da die Zylinder nunmehr am 7. Dezember in Indien benötigt würden. Die formale Bestellung der N7 bei der N werde folgen. S3 fragte den Angeklagten zu 1), welchen Preis er in diese Auftragserteilung einsetzen solle. Ferner bat er darum, die Zeichnungen so schnell wie möglich zur Genehmigung zu übersenden. Mit Telefax vom 10.11.1997 (BH 28, 4) erinnerte S3 den Angeklagten zu 2) daran, endlich die Zeichnungen zu schicken, damit S sie genehmigen könne.
224Nachdem die Bestellung der N7 bei der N eingegangen war und dort die Kommissionsnummer 9284 erhalten hatte, erstellte der Angeklagte zu 2) unter dem 9.12.1997 (BH 8, 1) eine an die N7 adressierte Rechnung für die beiden Zylindersätze sowie zwei Ersatzdichtungen in Höhe von insgesamt 11.200,- DM. Die Angeklagten kamen überein, die vier Zylinder ohne Einholung einer Ausfuhrgenehmigung nach Indien zu liefern. Ihnen war bekannt, dass es sich bei diesen Zylindern um besonders konstruierte Bestandteile einer Raketenabschussrampe und damit eines Rüstungsgutes handelte, die die N nur mit einer Ausfuhrgenehmigung exportieren durfte. Die deutschen Exportkontrollbehörden hätten die Ausfuhr dieser für den Bau einer mobilen Startrampe der indischen Streitkräfte bestimmten Zylinder, wenn ein entsprechender Antrag gestellt worden wäre, nicht bewilligt; dies war den Angeklagten bewusst. Am 26.12.1997 lieferte die N die Zylinder unter Vorlage einer sogenannten einfachen Ausfuhranmeldung (BH 8, 3) an die N7 aus, und zwar auf Wunsch von S per Luftfracht.
225Mit Telefax vom 7.1.1998 (BH 28, 9) teilte S3 dem Angeklagten zu 1) mit, dass die Lieferung in Indien eingetroffen und von ihm durch den Zoll gebracht worden sei. Die Zylinder seien bereits an S weiter versandt worden; er erwarte die Bezahlung durch S noch im Laufe der Woche. Er bat ferner um Übersendung der Materialabnahmeberichte für die Zylinderrohre und die Kolbenstangen.
226Die Zylinder wurden zeitnah seitens S bezahlt; die Kammer geht zugunsten der Angeklagten davon aus, dass die Zylinder letztlich keine Verwendung fanden.
227IV. Die Lieferung von zwei Stützzylinderpaaren durch die N (Kommissionsnummer 1547) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II Anfang 1999
228Mit Telefax vom 22.4.1998 (BH 28, 16) teilte S3 dem Angeklagten zu 1) mit, dass ein Ventil bei einem der Zylinderpaare der Kommission 9284 nicht optimal arbeite und bat um Vorschläge zur Lösung des Problems. Das andere Zylinderpaar funktioniere reibungslos.
229Mit Telefax vom 25.5.1998 (BH 28, 19) berichtete S3 dem Angeklagten zu 1), dass S zwei Sätze Ersatzzylinder für die Zylinder der Kommission 9284 – diesmal allerdings ohne Zylinderverbindung – benötige. Er nannte die Maße und bat den Angeklagten zu 1), den Preis und die Lieferzeit möglichst bis zum nächsten Tag durchzugeben; ein formelles Angebot sei nicht notwendig. Dem Angeklagten zu 1) war aufgrund der vorangegangenen Kommission 9284 von Anfang an klar, dass auch diese Zylinder für die Abschussrampe der Mittelstreckenrakete Agni II bestimmt waren.
230Mit Telefax vom 29.5.1998 (BH 28, 21) bestätigte S3 dem Angeklagten zu 2) schriftlich den bereits telefonisch zwischen ihnen abgestimmten Preis von 5.500,- DM für die vier Zylinder. Spätestens seit diesem Telefonat, möglicherweise auch bereits aufgrund einer entsprechenden Information durch den Angeklagten zu 1), wusste auch der Angeklagte zu 2), dass diese Zylinder ebenfalls für die Abschussrampe der Mittelstreckenrakete Agni II vorgesehen waren.
231Mit Telefax vom 6.7.1998 (BH 28, 30) teilte S3 dem Angeklagten zu 1) mit, dass S die beiden Zylindersätze in Kürze bestellen werde und weiterer Bedarf an diesen Zylindern bestehe.
232Der Auftrag – die schriftliche Bestellung lag der Kammer nicht vor – erhielt bei der N die Kommissionsnummer 1547. Ob der Auftrag unmittelbar von der S erteilt oder ob auch hier die N7 zwischengeschaltet worden war, hat sich nicht klären lassen. Auch wie er sich im Einzelnen zwischen Juli und November 1998 weiterentwickelte, konnte die Kammer nicht feststellen. Mit Telefax vom 18.11.1998 (BH 28, 42) teilte S3 dem Angeklagten zu 2) jedenfalls mit, dass S die Zeichnungen der vier Zylinder erhalten und grundsätzlich genehmigt habe; der Kunde wünsche lediglich, dass bei zwei Zylindern am Zylinderboden noch eine Öffnung gebohrt werde. Aus einem Telefax des Exportsachbearbeiters I8 an S3 vom 22.7.1999 (BH 9, 34) ergibt sich, dass die N unter dem 6.1.1999 den Auftrag bestätigte und unter dem 5.2.1999 eine Rechnung erstellte, deren Höhe nicht aufgeklärt werden konnte. Mit Telefax vom 10.2.1999 (BH 28, 43) berichtete S3 dem Angeklagten zu 2), dass die vier Zylinder der Kommission 1547 am Flughafen Madras eingetroffen seien.
233Auch für diese Ausfuhr hatten die Angeklagten – wie von Anfang an beabsichtigt – keine Ausfuhrgenehmigung eingeholt. Ihnen war klar, dass die deutschen Exportkontrollbehörden die Zulieferung von Zylindern für eine Abschussrampe der Mittelstreckenrakete Agni II nicht genehmigt hätten.
234Der Export dieser Zylinder, bezüglich derer die Kammer zugunsten der Angeklagten davon ausgeht, dass sie letztlich keine Verwendung fanden, ist seitens der Staatsanwaltschaft nicht angeklagt worden und damit auch nicht Gegenstand der vorliegenden Verurteilung. Die Kammer hat die vorstehenden Feststellungen jedoch in der Hauptverhandlung treffen können.
235V. Die Lieferung von zwei Zylinderrohren durch die N (Kommissionsnummer 2745) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im März 2000 (Anklagepunkt 6.)
236Mit Telefax vom 23.4.1999 (BH 28, 44) teilte S3 dem Angeklagten zu 1) mit, dass S für die im Mai 1997 gelieferten doppeltwirkenden Neigezylinder zwei neue Zylinderrohre mit einem 100 mm längeren Hub benötige. Mit Telefax vom 4.5.1999 (BH 28, 45) informierte S3 den Angeklagten zu 1) darüber, dass S nunmehr überlege, zwei komplette Neigezylinder plus Zylinderverbindung mit denselben technischen Spezifikationen wie die im Mai 1997 erhaltenen Zylinder – aber mit einem um 100 mm längeren Hub – zu bestellen.
237Mit Schreiben vom 2.12.1999 (BH 11, 3) an M6, der – wie oben unter B I. 1. näher ausgeführt – am 1.7.1999 als Prokurist in die N eingetreten war, bestellte S3 namens der N7 zwei zu den im Mai 1997 gelieferten Neigezylindern passende Rohre mit einem um 100 mm längeren Hub für 19.600,- DM. S3 bat um schnellstmögliche Lieferung; er wies darauf hin, dass die N7 die Rohre allerdings erst 90 Tage nach Rechnungsstellung bezahlen könne, da zuerst die Zahlung seitens der S eingehen müsse. S3 strich ferner heraus, dass die beiden Rohre – bis auf den Hub – den Rohren der beiden doppeltwirkenden Neigezylinder genau gleichen müssten, da sie in das vorhandene Zylinderpaar eingesetzt werden sollten. M6 informierte zumindest den Angeklagten zu 1) über den Inhalt des Telefaxes; ob auch der Angeklagte zu 2) davon Kenntnis erhielt, hat die Kammer nicht festzustellen vermocht.
238Warum die Verantwortlichen der S den zwischenzeitlich ins Auge gefassten Plan, zwei komplette Neigezylinder mit Zylinderverbindung zu erwerben, wieder fallen ließen und stattdessen doch nur die zwei Rohre in Auftrag gaben, konnte die Kammer ebenso wenig klären wie die Absicht, die die indischen Ingenieure mit der Bestellung dieser Rohre verfolgten. Sicher ist, dass sie in irgendeiner Form im Rahmen des Projektes der mobilen Agni-Abschussrampe Verwendung finden sollten, zumal S – worauf noch einzugehen sein wird – Mitte des Jahres 2000 auch bei der I erneut zwei komplette Zylindersätze – jeweils bestehend aus einem Horizontal-, einem Teleskop- und zwei Neigezylindern – mit denselben technischen Spezifikationen wie die der im Jahre 1997 gelieferten Zylinder bestellte. Möglicherweise benötigten die Techniker der S sowohl die bei der N georderten Rohre als auch die bei der I in Auftrag gegebenen Zylindersätze für die von ihnen nach dem ersten Testabschuss einer Agni II am 11.4.1999 in Angriff genommene Entwicklung einer verbesserten Startrampenversion; hierauf wird noch näher einzugehen sein.
239Mit Telefax vom 8.12.1999 (BH 11, 4) bestätigte die N den Auftrag über die Rohre; dieser erhielt die Kommissionsnummer 2745.
240Am 7.3.2000 lieferte die N die beiden Rohre unter Vorlage einer einfachen Ausfuhranmeldung (BH 11, 7) an die N7 aus; von dieser wurden sie an S weitergeleitet. Eine Ausfuhrgenehmigung hatte der Angeklagte zu 1), der genau wusste, dass die Zylinderrohre für das Agni-Startrampen-Projekt der S bestimmt waren, wie von Anfang an geplant nicht beantragt. Eine solche wäre von den deutschen Exportkontrollbehörden auch nicht erteilt worden, da es sich um eine Ersatzlieferung für die Startrampe der Mittelstreckenrakete Agni II handelte. Ob und inwieweit der Angeklagte zu 2) über die Vorgänge und Hintergründe dieser Zylinderrohrlieferung informiert war, hat die Kammer nicht feststellen können.
241Zugunsten der Angeklagten geht die Kammer davon aus, dass die Rohre seitens der Ingenieure der S letztlich nicht verwendet worden sind.
242Die Kammer hat das Verfahren hinsichtlich dieses Tatvorwurfes bezüglich beider Angeklagter in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt.
243VI. Die Lieferung von zwei Stützzylinderpaaren durch die N (Kommissionsnummer 2265) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im November 1999 (Anklagepunkt 4.)
244Mit Telefax vom 24.6.1999 (BH 9, 28) kündigte S3 dem Angeklagten zu 2) einen Wiederholungsauftrag der S zu der Kommissionsnummer 9284 an und fragte nach dem aktuellen Preis sowie der Lieferzeit. Hintergrund sei, dass die Ingenieure der S die Kolbenstangen eines der beiden im Februar 1999 unter der Kommissionsnummer 1547 ausgelieferten Zylinderpärchens verbogen hätten; sie bräuchten deshalb jetzt Ersatz. Der Angeklagte zu 2) antwortete per Telefax vom 25.6.1999 (BH 9, 29), der Preis belaufe sich wie bei den Zylindern aus der Kommission 9284 auf insgesamt 11.200,- DM; die Lieferzeit dauere jedoch acht Wochen, da nicht alle Teile auf Lager seien. Er fügte eine Zeichnung der Kolbenstange bei.
245Mit Telefax vom 29.6.1999 (BH 9, 4) bestellte S3 namens der N7 bei der N – unter Bezugnahme auf ein Telefongespräch zwischen ihm und dem Angeklagten zu 2) – zwei Zylindersätze mit Zylinderverbindung entsprechend der Kommission 9284. Allerdings sollte zusätzlich bei beiden Paaren in jeweils einen Zylinder ein sogenanntes Wegmeßsystem eingebaut werden; dadurch erhöhte sich der Geamtkaufpreis auf 14.000,- DM. Der Angeklagte zu 2) informierte den Angeklagten zu 1) über den neuen Auftrag. Noch unter dem 29.6.1999 (BH 9, 5) bestätigte der Angeklagte zu 2) der N7 den Auftrag, der die Kommissionsnummer 2265 erhielt. Ob und inwieweit der Angeklagte zu 2), der sich ab dem 1.7.1999 in erster Linie um die Belange der neu erworbenen H kümmerte, in der Folgezeit noch mit dem Auftrag befasst war, konnte die Kammer nicht klären.
246Die N produzierte die Zylinder und lieferte sie am 3.11.1999 im vereinfachten Ausfuhrverfahren (BH 9, 1 und 18) per Luftfracht an die N7 aus; diese leitete die Sendung an S weiter. Eine Ausfuhrgenehmigung hatte der Angeklagte zu 1), der genau wusste, dass auch diese Zylinder für die Startrampe der Agni II Verwendung finden sollten, wie von Anfang an beabsichtigt nicht beantragt. Eine solche wäre seitens der deutschen Exportkontrollbehörden wegen der geplanten Verwendung der Zylinder im Raketentechnologiebereich nicht erteilt worden.
247Zugunsten der Angeklagten geht die Kammer davon aus, dass die Zylinder letztlich keine Verwendung fanden.
248Bezüglich des Angeklagten zu 2) hat die Kammer das Verfahren hinsichtlich dieses Tatvorwurfes in der Hauptverhandlung gemäß § 154 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt.
249VII. Die Produktion von Teleskopzylindern durch die N (Kommissionsnummer 3566) für den Prototypen der mobilen schienengestützten Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni II im Jahre 2000 (Anklagepunkt 10.)
250Nach dem erfolgreichen Abschuss der Agni II am 11.4.1999 beschlossen die Verantwortlichen der S, eine neue mobile Startrampe für diese Rakete mit einer veränderten technischen Konfiguration zu konstruieren. Statt einer Kombination aus verschiedenen Zylindern sollten nun zwei parallel angeordnete Teleskopzylinder die Rakete aufrichten; erste Überlegungen in diese Richtung hatten die indischen Ingenieure bereits ab Mitte des Jahres 1997 angestellt. Sowohl die N7 als auch die I erhielten Anfang des Jahres 2000 einen Auftrag für solche Zylinder. Diese wurden auch bei der N und der I produziert; zu einer Auslieferung der Zylinder an S kam es allerdings nicht mehr.
2511. Die Vorgänge bei der N
252Mit Telefax vom 25.10.1997 (BH 30, 18) an den Angeklagten zu 1), in welchem S3 ausführlich von seinem Besuch bei S in Pune im September 1997 berichtete, verwies er unter dem Punkt "H3s Projekt" auf den "launcher" (zu deutsch: Abschussrampe), für welche die N mehrere Zylinder geliefert habe. H3 wolle diese Zylinderkombination in dem nächsten "launcher" durch zwei Teleskopzylinder mit einer geschlossenen Länge von 4.750 mm und einer ausgefahrenen Länge von 10.850 mm ersetzen. Der Angeklagte zu 1) solle mitteilen, ob ein solcher Zylinder zwei oder drei Stufen haben müsse und einen Richtpreis nennen. Der Angeklagte zu 1), dem naturgemäß klar war, dass auch diese Zylinder für das Agni II-Startrampenprojekt bestimmt sein würden, beantwortete das Fax umgehend; den Inhalt seiner Antwort hat die Kammer nicht feststellen können.
253Mit Telefax vom 1.12.1997 (BH 13, 1) berichtete S3 dem Angeklagten zu 1) detailliert über seinen Besuch am 25. und 26.11.1997 bei S in Pune. Unter 4. kam er mit den Worten: "Multistage Cylinder for Launcher: Mr. H3´s project” (zu deutsch: "Mehrstufiger Zylinder für Startplattform: Mr. H3s Projekt") auf die Pläne der S bezüglich des Einsatzes von Teleskopneigezylindern zu sprechen. S3 rief dem Angeklagten zu 1) in Erinnerung, dass dieser für derartige Zylinder einen ungefähren Richtpreis von 30 bis 40 Prozent über dem Preis für das im Mai des Jahres gelieferte Neigezylinderpaar genannt habe; er – S3 – habe deshalb gegenüber der S einen "Budgetpreis" in Höhe von 58.500,- DM angegeben. Abschließend gab S3 noch einige konstruktionstechnische Fragen weiter, welche die Ingenieure der S aufgeworfen hatten; ob und gegebenenfalls wie diese durch den Angeklagten zu 1) beantwortet wurden, hat die Kammer nicht feststellen können.
254Im Anschluss daran wurden diese Pläne seitens der Ingenieure der S zunächst nicht weiter verfolgt und erst nach dem am 11.4.1999 durchgeführten Testabschuss der Agni II wieder aufgegriffen.
255Mit Telefax vom 19.5.1999 (BH 16, 49) bat S3 den Angeklagten zu 1) um Preisangaben für zwei verschieden große Teleskopzylinder für das Abschussrampen-Projekt. Der erste Typ, ein zweistufiger Zylinder, sollte eine geschlossene Länge von 5.875 mm und eine ausgefahrene Länge von 13.850 mm haben. Der andere, ein dreistufiger Zylinder, sollte über eine geschlossene Länge von 5.000 mm und eine ausgefahrene Länge von 15.300 mm verfügen; es könne noch geringe Abweichungen in den endgültigen Abmessungen geben. Der Angeklagte zu 1) gab S3 telefonisch eine ungefähre Preisangabe durch.
256Nachdem – wie bereits mehrfach erwähnt – der Neffe des Angeklagten zu 1), M6, als Prokurist in die N eingetreten war, übertrug ihm der Angeklagte zu 1) die weitere Bearbeitung dieses potentiellen Auftrages; allerdings ließ er sich über die wesentlichen Ereignisse auf dem Laufenden halten. Inwieweit der Angeklagte zu 1) seinen Neffen über die Vorgeschichte und die Hintergründe ins Bild setzte, vermochte die Kammer nicht festzustellen. Mit Telefax vom 6.10.1999 (BH 16, 43) an S3 teilte M6 zum einen mit, dass die N einen dreistufigen Zylinder mit den im Fax vom 19.5.1999 genannten Spezifikationen nicht produzieren könne. Zum anderen konkretisierte er die Preisangabe seines Onkels und gab an, dass das angefragte zweistufige Teleskopzylinderpaar einschließlich einer Zylinderverbindung 74.000,- DM kosten würde. Sollten die Kolbenstangen keramikbeschichtet und Weg-Mess-Systeme in die Zylinder eingebaut werden, müsse mit Zusatzkosten in Höhe von 25.000,- DM pro Zylinder gerechnet werden. Mit Telefax vom 1.12.1999 (BH 16, 48) an S3 erklärte der Angeklagte zu 1), dass der dreistufige Zylinder deshalb nicht realisiert werden könne, weil eine Ölversorgung über drei Stufen technisch nicht machbar sei. Der Außendurchmesser des zweistufigen Teleskopzylinders werde etwa 360 mm betragen. Mit Telefax vom 6.12.1999 (BH 16, 45) an M6 wies S3 darauf hin, dass beide Teleskopzylinder synchron arbeiten müssten; er fragte, ob man, um dies zu gewährleisten, in die Zylinder Weg-Mess-Systeme einbauen könne; dann sei eventuell die Zylinderverbindung entbehrlich.
257Am 7.12.1999 ging bei der deutschen Botschaft in Neu-Dehli / Indien ein anonymer Hinweis (Band I der Hauptakten, Bl. 11) mit folgendem Inhalt ein:
258"Sehr geehrter Herr,
259die Fa. N, #### I2, Deutschland, hat entgegen den "MTCR"-Regeln Hydraulik-Zylinder an "S. (Engrs)", eine "E5" für mobile AGNI-Raketen-Abschussrampen, geliefert. Wir fügen eine Ablichtung eines Briefes von der "S" an die indische Tochterfirma der Fa. N bei, in dem nach weiteren Zylindern gefragt wird. Die angegebenen Ident-Nrn. stehen in Zusammenhang mit den Ident-Nrn., anhand der Details zu jeder Transaktion nachgewiesen werden können. Ferner machte die Fa. N, Deutschland, falsche Angaben hinsichtlich des Bestimmungszwecks der Zylinder, um die Exportlizenz zu erhalten, obwohl M6, der Generaldirektor der Fa. N, persönlich mit den Offiziellen von "S" gewirkt hatte, um die Verwendung der Zylinder zu verstehen und obwohl er sich der Tatsache bewusst war, dass er gegen die "MTCR"-Regeln handelte. Hochachtungsvoll"
260Der Anzeige war das unter Punkt B. III. bereits erwähnte Telefax des H3 an S3 vom 28.8.1997 beigefügt. Die Botschaft leitete die Anzeige an das Auswärtige Amt weiter, das wiederum das Kanzleramt sowie verschiedene Bundesministerien informierte. Das Bundesfinanzministerium beauftragte das Zollkriminalamt Köln mit der Durchführung von Vorermittlungen; dieses setzte das BAFA über den anonymen Hinweis in Kenntnis. Das Zollkriminalamt seinerseits ließ die weiteren Voruntersuchungen durch das Zollfahndungsamt Düsseldorf vornehmen; dieses schaltete im April 2001 die Staatsanwaltschaft Dortmund ein, die daraufhin das vorliegende Verfahren gegen die Angeklagten sowie den weiteren Geschäftsführer L2 – zunächst nur wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch die im Mai 1997 erfolgte Lieferung von Hydraulikzylindern nach Indien – einleitete.
261Mit Telefax vom 16.12.1999 (BH 16 a, 111) teilte S3 M6 mit, dass die I die Zylinder mit einer Keramikbeschichtung angeboten habe und statt des Weg-Mess-Systems eine mit Metall gefüllte Spiralnute vorschlage, die eine ähnliche Funktion habe. Ferner fragte er nach technischen Details hinsichtlich der Teleskopzylinder.
262Am 23.12.1999 leitete S3 ein von dem oben bereits erwähnten S4, der in der Agni-Abteilung der S arbeitete, unterzeichnetes und an die N7 gerichtetes Telefax vom 20.12.1999 (BH 16, 41) an M6 weiter. Darin teilte S4 mit, dass am 5.1.2000 in der "Agni Conference Hall" in Hyderabad technische und kommerzielle Verhandlungen hinsichtlich der Teleskopzylinder stattfinden würden und bat um Entsendung eines Vertreters. In diesem Telefax nahm S4 ferner Bezug auf ein seitens der N7 am 10.12.1999 gegenüber S abgegebenes Angebot über die Teleskopzylinder, dessen Inhalt die Kammer nicht feststellen konnte. M6 zeigte das Telefax der S dem Angeklagten zu 1), der entschied, dass nur S3 an den Verhandlungen in Hyderabad teilnehmen solle. Mit Telefax vom 3.1.2000 (BH 16, 38) beantwortete M6 – zur Vorbereitung von S3s Reise nach Hyderabad – dessen Fragen aus dem Telefax vom 16.12.1999. Mit Telefax vom 4.1.2000 (BH 28, 61) teilte S3 M6 und dem Angeklagten zu 1) mit, dass das Treffen in Hyderabad verschoben worden sei, weil einer der weiteren Anbieter am 5.1.2000 verhindert sei. Die Ausschreibungsverhandlungen fanden schließlich am 28.1.2000 in der "Agni Conference Hall" statt; seitens der indischen Regierung nahmen die Herren B4, H3, S4 und N12 teil. Im Ergebnis erhielten die N7, die I und ein weiterer Anbieter – eine F mit Sitz in der Ukraine – jeweils einen Auftrag zur Lieferung der von der S benötigten Teleskopzylinder.
263Mit Telefax vom 31.1.2000 (BH 16, 36) – gerichtet an den Angeklagten zu 1) und an M6 – informierte S3 über das Resultat. Die I und der dritte Bewerber müssten auf Wunsch der S ihre Zylinder so konstruieren, dass sie mit der Zylinderverbindung der N kompatibel seien; diese werde S später separat bestellen. Die Zylinder sollten nunmehr eine geschlossene Länge von 5.280 mm und eine ausgefahrene Länge von 13.648 mm haben. Ob S den förmlichen Kaufauftrag in indischen Rupien über die N7 oder direkt in DM bei der N plazieren werde, stehe noch nicht abschließend fest.
264Der Angeklagte zu 1) fasste den Entschluss, für die Ausfuhr dieser Zylinder einen Antrag auf Genehmigung beim BAFA zu stellen. Da er wusste, dass die I ebenfalls einen Auftrag über die Lieferung der Teleskopzylinder erhalten hatte, rechnete er damit, dass diese wie bei dem Auftrag aus dem Jahre 1996 einen Ausfuhrantrag stellen werde; ein Export dieser Zylinder ohne Einholung einer Genehmigung erschien ihm daher in diesem Fall zu gefährlich. Allerdings war dem Angeklagten zu 1) klar, dass das BAFA eine Lieferung von Zylindern, die für eine indische Raketenstartrampe bestimmt waren, nicht erlauben würde. Deshalb beschloss er, dem BAFA den tatsächlichen Verwendungszweck zu verschweigen und stattdessen unter Hinweis auf die im April 1997 erteilte Ausfuhrgenehmigung vorzuspiegeln, die nunmehr bestellten Zylinder seien für dasselbe Brückenlegerprojekt bestimmt wie die seinerzeit exportierten Zylinder. Er ging davon aus, dass das BAFA aufgrund dieser Angaben erneut den Export gestatten werde.
265Auf Veranlassung des Angeklagten zu 1) wandte sich der stellvertretende Verkaufsleiter I8 mit einem Schreiben der N vom 14.2.2000 (BH 16 a, 91) an das BAFA und wies darauf hin, dass das Unternehmen in Kürze mit einem Anschlussauftrag an die Zylinderbestellung rechne, deren Auslieferung das BAFA unter dem 17.4.1997 genehmigt habe. Die Zylinder seien wieder für einen "Brückenlegerfahrzeugpanzer". I8 bat um Mitteilung, ob für diesen Auftrag ein neuer Antrag auf Ausfuhrgenehmigung gestellt werden müsse oder ob die Möglichkeit bestehe, die Ausfuhrgenehmigung aus dem Jahre 1997 auf den neuen Auftrag zu verlängern beziehungsweise zu übertragen.
266Mit Schreiben vom 17.2.2000 (BH 16, 28) – unterzeichnet vom stellvertretenden Leiter des Referates für Genehmigungen im Rüstungsgüterbereich K3 – teilte das BAFA der N mit, dass die Ausfuhr der von Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste erfassten Zylinder genehmigungspflichtig sei und die N dafür einen neuen Antrag beim BAFA stellen müsse. Da die Bundesrepublik Deutschland gegenüber Indien eine restriktive Genehmigungslinie verfolge, empfahl K3 der N, vor einer Vertragsunterzeichnung eine Voranfrage bezüglich der möglichen Genehmigungsfähigkeit zu stellen. I8 informierte den Angeklagten zu 1) umgehend über den Inhalt dieses Schreibens.
267Mit Telefax vom 17.3.2000 (BH 16, 35) teilte S3 dem Angeklagten zu 1) und M6 mit, dass die N7 den förmlichen Kaufauftrag über ein Teleskopzylinderpaar seitens S erhalten habe. Der Auftrag sei in Rupien erteilt und S3 bat darum, eine von ihm bereits mit seinem Telefax vom 31.1.2000 übermittelte Preiskalkulation zu bestätigen. Anschließend werde er der N die "formelle Bestellung" zusenden.
268Mit Schreiben vom 6.4.2000 (BH 16 a, 87) – unterzeichnet von K3 – fragte das BAFA bei der N nach, ob noch mit einer Voranfrage zu rechnen sei. Mit Schreiben vom 15.5.2000 (BH 16 a, 86) teilte K3 mit, dass das BAFA die Anfrage vom 14.2.2000 als erledigt ansehe, da die Angelegenheit von der N nicht weiter betrieben worden sei. Der Angeklagte zu 1) nahm dies zur Kenntnis.
269Mit E-Mail vom 11.4.2000 (BH 16, 34) bat M6 S3 um Übersendung des Auftrages von S. Er teilte ferner mit, dass die N die Puffer am Ende der Stufen der Teleskopzylinder nicht in der von S gewünschten Form liefern könne. S3 antwortete per E-Mail vom selben Tag (BH 16, 34), dass die N dies trotzdem bewerkstelligen müsse, da auch die I und der dritte Auftragnehmer solche Puffer liefern würden.
270Unter dem 24.4.2000 (BH 16, 33) bestellte S3 im Namen der N7 bei der N zwei Teleskopzylinder zu einem Gesamtpreis inklusive der Kosten für einen Dichtungssatz und den Lufttransport in Höhe von 162.800,- DM. Mit Schreiben vom 28.4.2000 (BH 16, 32) bestätigte M6 den Auftrag, welcher bei der N die Kommissionsnummer 3566 erhielt.
271Mit Schreiben vom 7.7.2000 (BH 16, 23) – unterzeichnet von dem Angeklagten zu 1) sowie dem stellvertretenden Verkaufsleiter I8 – stellte die N beim BAFA einen Antrag auf Genehmigung der Ausfuhr der zwei Teleskopzylinder. Als Ausfuhrverantwortlicher im Sinne des Außenwirtschaftsgesetzes fungierte der Angeklagte zu 1). Entsprechend seinem oben geschilderten Plan wies der Angeklagte zu 1) sowohl in dem Schreiben vom 7.7.2000 als auch in dem beigefügten offiziellen Antragsformular bewusst wahrheitswidrig darauf hin, die Zylinder würden in ein "Brückenleger-Fahrzeug" montiert. Inwieweit der stellvertretende Verkaufsleiter darüber informiert war, dass die Zylinder in Wirklichkeit für eine Raketenstartrampe bestimmt waren, hat die Kammer nicht feststellen können. Der Antrag erhielt beim BAFA die Vorgangsnummer 2693560.
272Mit einem Telefax vom 24.8.2000 (BH 30, 29) berichtete S3 dem Angeklagten zu 1) sowie M6 von Gesprächen, die er mit H3 und weiteren Ingenieuren der S geführt hatte. S3 ermahnte die N, bei der Angabe von Preisen und technischen Spezifikationen sorgfältiger zu sein. Dazu führte er aus, dass das Unternehmen, dessen Produkte einmal für ein Gerät ausgewählt worden seien, automatisch alle Folgeaufträge bekomme. So habe die I im letzten Monat Folgeaufträge für Zylindersätze für den "launcher" (zu deutsch: Abschussrampe) erhalten, für welche im Jahre 1997 die N und die I Zylindersätze geliefert hätten. Wenn dieser "launcher" mit den Zylindern der I fertiggestellt sei, verwende S vielleicht den Zylindersatz der N für ein neues Gerät und diese erhalte eine neue Chance. In der Zwischenzeit habe die I jedoch das Geschäft gemacht. Ähnliches gelte für die aktuelle neue Version. Wenn die Teleskopzylinder der N nicht als erste in dem Prototypen eingebaut und sich bewähren würden, werde die N auch keine Folgeaufträge erhalten.
273Unter dem 4.10.2000 legte das BAFA den Ausfuhrantrag der N vom 7.7.2000 dem Auswärtigen Amt und dem Bundeswirtschaftsministerium mit dem Vorschlag vor, den Antrag abzulehnen (Akte BAFA/N aus dem Jahre 2000, Bl. 39). Zur Begründung verwies es darauf, dass zum einen nach einer im Amt erstellten fachtechnischen Stellungnahme der von der N angegebene Verwendungszweck der Teleskopzylinder nicht plausibel erscheine; es komme vielmehr – wofür auch ein dem BAFA vorliegender anonymer Hinweis spreche, nach dem die N bereits im Jahre 1997 Hydraulikzylinder für das indische Agni-Raketenprojekt geliefert habe – die Möglichkeit in Betracht, dass die den Gegenstand des Antrags bildenden Teleskopzylinder für eine mobile Startrampe der Agni bestimmt seien. Zum anderen sei nach Auffassung des BAFA aufgrund der bestehenden Spannungen zwischen Indien und Pakistan, die sich Mitte 1999 erneut verschärft hätten, der beantragte Export unabhängig davon nicht genehmigungsfähig, ob die Teleskopzylinder für eine Raketenstartrampe oder wie von der N behauptet für einen Brückenleger bestimmt seien. Die zuständigen Beamten des Auswärtigen Amtes und des Bundeswirtschaftsministeriums kamen überein, dem Ausfuhrantrag nicht stattzugeben; das Bundeswirtschaftsministerium wies das BAFA entsprechend an.
274Mit Bescheid vom 13.11.2000 (BH 16, 18) lehnte das BAFA demgemäß den Antrag der N vom 7.7.2000 ab. Es führte aus, dass sich die Sach- und Rechtslage seit 1997 geändert habe: "Das Verhältnis zwischen Indien und Pakistan ist weiterhin durch den seit der Teilung des indischen Subkontinents ungeklärten Konflikt um die Grenzprovinz Kaschmir geprägt. Nach einer Verschärfung der Spannungen aufgrund der Atomversuche beider Länder im Frühjahr 1998 und den 1999 stattgefundenen Flugerprobungen von Mittelstreckenraketen, die auch zum Transport von nuklearen Sprengkörpern geeignet sind, kam es im Jahre 1999 erneut zu einer Auseinandersetzung im Kashmir, bei der von indischer Seite erhebliche militärische Kräfte eingesetzt worden sind. In jüngster Zeit wurde bekannt, dass die indische Regierung den Verteidigungshaushalt um 10 Prozent aufgestockt hat. Es wird befürchtet, dass in der Region ein neuer Rüstungswettlauf stattfinden könnte. Die Bundesregierung verfolgt daher gegenüber beiden Ländern nach wie vor eine besonders restriktive Rüstungspolitik. Sie sieht sich dazu veranlasst, die Ausfuhr aller Güter des Teils I Abschnitt A der Ausfuhrliste – insbesondere von Gütern, die geeignet sind, die Einsatzfähigkeit bereits vorhandener Waffen/Waffensysteme zu verbessern oder zu verlängern bzw. zur Entwicklung/Fertigung neuer Systeme und damit zur Erhöhung des im Konflikt nutzbaren Potentials verwendet zu werden – nach Indien oder auch nach Pakistan nicht zu genehmigen, da dies im Widerspruch zu ihrer restriktiven Rüstungspolititk und ihrer auf Ausgleich angelegten Außenpolitik stünde."
275Mit Telefax vom 20.11.2000 (BH 16, 17) legte der Angeklagte zu 1) namens der N gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Er begründete ihn wie folgt: "Ihre Ablehnung zu unserem Antrag vom 7.7.2000 haben wir durch Ihr Schreiben vom 13.11.2000 zur Kenntnis genommen. Als wir unseren indischen Kunden über diese Tatsache informierten, haben wir erfahren, dass – wie bei dem ersten Auftrag aus dem Jahre 1997 – die Firma I in M8 auch in diesem Fall einen Auftrag zur Lieferung des neuen Zylindersystems erhalten hat. Des weiteren wurden wir darüber informiert, dass in dieser Woche der indische Kunde zur Abnahme der Zylinder in M8 weilt. Offensichtlich ist der Firma I auch in diesem Fall eine Ausfuhrgenehmigung erteilt worden. Aus dem vorgenannten Grunde legen wir hiermit Widerspruch gegen Ihre Entscheidung vom 13.11.2000 ein und bitten Sie – um Wettbewebsverzerrung zu vermeiden – um kurzfristige positive Entscheidung."
276Mit Telefax vom 28.11.2000 (BH 16, 7) übersandte S3 an M6 ein Telefax der S an die N7, das sich unter anderem mit den in die Teleskopzylinder einzubauenden Ventilen befasste.
277Mit Bescheid vom 11.12.2000 (BH 16, 11) wies das BAFA den Widerspruch der N zurück. Es legte dar, dass die fachtechnischen Überprüfungen zu dem Ergebnis gelangt seien, dass die Verwendung der Zylinder in einem Brückenlegerfahrzeug zwar plausibel sei, dass sie aber auch für eine Verwendung in "einer mobilen Raketenabschussrampe oder einem mobilen Raketentransporter (etwa einem hierfür vorgesehenen Schienenfahrzeug)" geeignet seien. Das Amt verwies hinsichtlich der wachsenden Spannungen zwischen Indien und Pakistan auf die Ausführungen im Bescheid vom 13.11.2000 und führte weiter aus: "Eine Belieferung einer der beteiligten Seiten mit militärischer Ausrüstung würde dem Zweck der Bewahrung bzw. Wiederherstellung des friedlichen Zusammenlebens der Völker in dieser Region diametral zuwiderlaufen und stünde nicht im Einklang mit der von Bundesregierung verfolgten Rüstungsexportpolitik, welche sich gerade den Abbau von Spannungen in anderen Teilen der Welt zum Ziel gesetzt hat. Auf die erst kürzlich neu verabschiedeten Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern (s. Bundesanzeiger Nr. 19 S. 1299 vom 28.1.2000, dort Punkt III. 5.) sei an dieser Stelle verwiesen. Die Belieferung einer der beiden Konfliktparteien würde aber auch die Gefahr des Vorwurfes der einseitigen Einmischung durch die Bundesregierung hervorrufen. Dies könnte zu einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik führen (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 AWG). Auch dieser hier von der Bundesregierung verfolgte Zweck ist daher bei einer Durchführung der Lieferung wesentlich gefährdet......Auch der von der Wf in ihrem Begründungsschreiben vom 20.11.2000 geäußerte Verdacht, ihrem Konkurrenten – der Fa. I in M8 – sei offensichtlich eine Ausfuhrgenehmigung für die Lieferung des gleichen Zylinders an den gleichen indischen Kunden erteilt worden bzw. ein Vertreter des indischen Kunden sei bereits in M8 zur Abnahme der Zylinder gewesen, kann von hier aus nicht bestätigt werden. Sollte die Fa. I die gleichen Zylinder ohne eine erforderliche Ausfuhrgenehmigung nach Indien ausführen, so würde sie sich des Vorwurfs einer illegalen und damit strafbaren Ausfuhr aussetzen. Hierauf könnte sich die Wf jedoch nicht berufen, da es – auch zur Beseitigung von vermeintlichen Wettbewerbsverzerrungen – keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt. Schließlich kann sich die Wf nicht auf ihr im Jahre 1997 für ähnlich konstruierte Zylinder erteilte Ausfuhrgenehmigungen berufen. Sowohl in der Genehmigung Nr. 2557193 als auch der Genehmigung Nr. 2557192 war ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Erteilung der Genehmigung ohne Präjudizwirkung für spätere Genehmigungsanträge, gleich welcher Art, erfolgt. Darüber hinaus wurde die Wf in dem an sie gerichteten Schreiben vom 4.10.2000 darauf aufmerksam gemacht, dass aufgrund der erneut verschärften Spannungen zwischen Indien und Pakistan Lieferungen von Rüstungsgütern in diese Länder deutlich restriktiver behandelt werden müssen als dies noch 1997 möglich war."
278Der Bescheid ging am 13.12.2000 bei der N ein. Der Angeklagte zu 1) nahm die Entscheidung wenig erfreut zur Kenntnis.
279Mit Telefax vom 11.12.2000 (BH 16, 9) – gerichtet an den Angeklagten zu 1) und an M6 – fragte S3 nach technischen Details hinsichtlich der von der N bei den Teleskopzylindern vorgesehenen Ventile.
280Mit Telefax vom 2.1.2001 (BH 16, 3) übersandte S3 M6 und dem Angeklagten zu 1) ein Telefax des S4 von S, das dieser nach einem Besuch S3s bei S am 18.12.2000 an die N7 geschickt hatte. S3 schrieb in seinem Fax, die N solle auf der Grundlage der Ausführungen S4 mit der Produktion der Zylinder fortfahren und die Auslieferung noch vor Mitte März einplanen.
281Auf Nachfrage von I8 entschied der Angeklagte zu 1) am 4.1.2001 (BH 16 a, 56), dass die Kommission 3566 offiziell storniert werden solle, da der Antrag auf Ausfuhrgenehmigung abgelehnt worden sei. Gleichzeitig ordnete er an, die Zylinder trotzdem fertig zu stellen.
282In einem Telefax vom 25.1.2001 (BH 16, 2) an den Angeklagten zu 1) und M6 bezog sich S3 auf eine E-Mail der Montanhydraulik vom 22.1.2001, mit welcher Zeichnungen der Teleskopzylinder übersandt worden waren, und teilte mit, der Hub der Zylinder könne auch etwas geringer als ursprünglich vorgesehen ausfallen; auf diese Weise könnten die von der N in ihrer E-Mail vom 22.1.2001 angesprochenen produktionstechnischen Schwierigkeiten vermieden werden.
283Im Mai 2001 besuchten der bereits erwähnte damalige Direktor der S Q und ein Ingenieur der S die N und erkundigten sich bei dem Angeklagten zu 1) nach Möglichkeiten, ob und wie die inzwischen fertig produzierten Zylinder doch noch ausgeführt werden könnten. Ob die Beteiligten bei diesem Gespräch übereinkamen, dass die Zylinder trotz der verweigerten Ausfuhrgenehmigung nach Indien ausgeliefert werden sollten (wofür einiges spricht), konnte nicht mit letzter Sicherheit festgestellt werden.
284Am 17.7.2001 ließ die Staatsanwaltschaft Dortmund aufgrund mehrerer von ihr erwirkter richterlicher Beschlüsse die Geschäftsräume der N und der N6 sowie die Wohnungen der beiden Angeklagten und des dritten Geschäftsführers L2 durchsuchen; den Angeklagten wurde der gegen sie vorliegenden Tatverdacht (Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch die im Mai 1997 erfolgte Zylinderlieferung) bekannt gemacht. Es wurden umfangreiche Teile der Geschäftsunterlagen beschlagnahmt; die beiden Teleskopzylinder, die in Folie eingeschweißt und in Holzkisten verpackt auf dem Werksgelände in I2 lagerten, wurden sichergestellt.
285Im November 2001 flog der Angeklagte zu 1) nach Indien und traf sich mit Q, dem Direktor der S. Auf Bitten des Angeklagten zu 1) übergab Q ihm eine Ausfertigung der Konstruktionszeichnung eines Brückenlegefahrzeugs, welche H3 dem Angeklagten zu 1) bei dem Besuch in I2 am 3.5.1996 gezeigt hatte. Der Angeklagte zu 1) legte die Zeichnung den Ermittlungsbehörden vor, um damit seine Einlassung zu untermauern, die im Mai 1997 nach Indien gelieferten Zylinder seien für ein Brückenlegerprojekt bestimmt gewesen.
286Nachdem sich aufgrund einer ersten Auswertung der am 17.7.2001 beschlagnahmten Geschäftsunterlagen der dringende Verdacht ergeben hatte, dass die N unter Verstoß gegen das Außenwirtschaftsgesetz noch weitere Zylinder für das Agni-Raketenprogramm nach Indien exportiert hatte und die Staatsanwaltschaft Dortmund darüber hinaus davon ausging, die seitens des Angeklagten zu 1) präsentierte Zeichnung sei eine nachträglich angefertigte Fälschung, ließ diese am 6.3.2003 die Geschäftsräume der N erneut durchsuchen; weiteres umfangreiches Beweismaterial wurde beschlagnahmt. Ferner wurden die beiden Angeklagten aufgrund des wegen Verdunkelungsgefahr erlassenen Haftbefehls des Amtsgerichts Dortmund vom 30.1.2003 in Untersuchungshaft genommen.
287Die Staatsanwaltschaft Dortmund hatte die vorstehend geschilderten Ereignisse unter Punkt 10. der Anklageschrift vom 27.4.2004 – ausgehend von der bis Mitte 2006 geltenden Fassung des Außenwirtschaftsgesetzes – beiden Angeklagten als Straftat gemäß §§ 33 Abs. 5 Nr. 1, 34 Abs. 2 AWG zur Last gelegt. Nachdem § 34 Abs. 2 AWG in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.6.2006 nur noch Verweise auf § 33 Abs. 1 und 4 AWG enthält, hat die Kammer – fußend auf § 2 Abs. 3 StGB – die Angeklagten darauf hingewiesen, dass bezüglich der unter Punkt 10. der Anklageschrift angeklagten Vorgänge allenfalls eine Verurteilung wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 33 Abs. 5 Nr. 1 AWG in Betracht kommt. Letztlich hat die Kammer das Verfahren insoweit bezüglich beider Angeklagter im Laufe der Hauptverhandlung gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt.
2882. Die Vorgänge bei der I
289Mit Telefax vom 26.6.1999 (BMO 7, 1023) teilte T6 dem damaligen Exportleiter der I, I10, mit, dass die Ingenieure der S nach dem erfolgreichen Abschuss der Agni-Rakete im April 1999 die Konstruktion einer verbesserten Version der Startrampe planen würden. Dafür würden sie zwei große Teleskopzylinder mit einer eingefahrenen Länge von 6.200 mm und einer ausgefahrenen Länge von 15.925 mm benötigen. T6 bat um die Information, ob ein Zylinder in dieser Größe mehr als zwei Stufen haben müsse. Er wies darauf hin, dass der Hauptkonkurrent hinsichtlich dieses Auftrages wieder die N sein werde und bat um Mitteilung, welche technischen Vorteile die Zylinder der I gegenüber denen der N hätten, damit er diese bei der S vortragen könne.
290Mit Telefax vom 9.7.1999 (BMO 7, 1029) teilte T6 I10 mit, dass aufgrund der jüngsten kriegerischen Auseinandersetzung mit Pakistan alle Verteidigungsprojekte Priorität erhalten hätten und deshalb seitens der indischen Regierung neue Finanzmittel zur Verfügung gestellt worden seien. H3 werde daher in Kürze noch einmal die im November 1997 von der I ausgelieferten Zylindersätze bestellen. S sei mit der Leistung dieser Zylinder bei dem Abschuss zufrieden gewesen. Eine Anfrage werde jedoch auch an die N verschickt werden; entscheidend für die Auftragsvergabe werde letztlich der Preis sein.
291Mit Telefax vom 16.7.1999 (BMO 11, 135 a) an I10 teilte T6 mit, dass die I in ein oder zwei Tagen die Anfrage von S hinsichtlich der im Fax vom 26.6.1999 angesprochenen Teleskopzylinder für das von H3 und S4 betriebene "A-II Projekt" erhalten werde, für das die I bereits die Zylindersätze im November 1997 geliefert habe.
292Mit Telefax vom 22.7.1999 (BMO 11, 138) an I10 berichtete T6 über wichtige, die I betreffende Verteidigungsprojekte in Indien. Unter dem Punkt "E5" rief er in Erinnerung, dass B4 von der E5 und H3 von der S die I besucht hätten, als sie die Zylinder für "A-II" bestellt hätten.
293Mit Telefax vom 18.8.1999 (BMO 7, 1031) erinnerte T6 I10 daran, zu dem Problem Stellung zu nehmen, dass bei den Tests mit den im November 1997 gelieferten Neigezylindern mit keramikbeschichteten Kolbenstangen eine geringfügige Undichtigkeit festgestellt worden sei. Sen bat darum, Lösungsvorschläge noch vor dem nächsten Startvorgang zu übermitteln, damit die Ingenieure der S nicht gezwungen seien, die bei ihnen vorrätigen Zylinder der N zu verwenden.
294Mit Telefax vom 27.8.1999 (BMO 11, 144) teilte T6 I10 mit, dass in Kürze eine förmliche Anfrage der S für zwei Zylindersätze entsprechend den im November 1997 gelieferten kommen werde. Ein Satz solle diesmal wohl nur aus einem Teleskop- und einem Neigezylinderpaar bestehen; der Horizontalzylinder werde anscheinend nicht mehr benötigt. Er berichtete ferner, dass die N diesmal das Angebot über die N7 in indischen Rupien unterbreiten wolle, was für sie einen deutlichen Wettbewerbsvorteil darstelle. Mit Telefax vom 3.9.1999 (BMO 7, 1034) an I10 erklärte T6, dass die Spezifikationen der Neigezylinder diesmal anders sein würden als bei der Bestellung im Mai 1996. Er wiederholte, dass die I sich anstrengen müsse, um gegen ein Angebot der N in Rupien anzukommen. Ferner übersandte T6 Zeichnungen der von der N im Mai 1997 an S gelieferten Zylinder; er habe die Zeichnungen "informell" am Versuchsstandort in Indien erhalten.
295Mit Telefax vom 5.11.1999 (BMO 7, 1056) übersandte T6 I10 eine förmliche Anfrage der S vom 2.11.1999 über zwei Paar Teleskopzylinder, welche die indischen Ingenieure für die neue Startrampenversion benötigten.
296Vom 14. bis 21.11.1999 unternahmen I11, der Mitarbeiter der Exportabteilung Q4 und der bei der I angestellte Ingenieur S6 eine Geschäftsreise nach Indien. Am 19.11.1999 besuchten sie die S in Pune; dabei besprachen sie mit den indischen Ingenieuren aktuelle Projekte, insbesondere erörterten sie die Anfrage vom 2.11.1999 hinsichtlich der Teleskopzylinder und deren genaue Verwendung.
297Unter dem 8.12.1999 (BMO 7, 1097) übersandte die I der S ein Angebot über zwei Teleskopzylinderpaare mit keramikbeschichteten Kolbenstangen, das einen Preis von 214.800,- DM pro Zylinderpaar vorsah; ab einer Bestellung von fünf Paaren würde sich der Preis auf 204.000,- DM pro Zylinderpaar reduzieren.
298Mit Schreiben vom 21.12.1999 (BMO 7, 1120) übermittelte T6 der I ein Schreiben der S, in welchem darauf hingewiesen wurde, dass am 5.1.2000 Vertragsverhandlungen bezüglich der Teleskopzylinder in der "Agni Conference Hall" in Hyderabad stattfänden. Die I werde gebeten, einen Vertreter für die technischen und kommerziellen Erörterungen zu entsenden. Kurz darauf verschob S das Treffen auf den 28.1.2000. In einem Vermerk vom 24.1.2000 (BMO 8, 1163) hielt Q4, der inzwischen in der Exportabteilung der I die Betreuung der Indiengeschäfte von I10 übernommen hatte, fest, dass ausweislich eines Telefongespräches mit S4 auch die N und ein dritter Anbieter zu den Verhandlungen am 28.1.2000 eingeladen worden seien. Zu dem Treffen reisten I11, Q4 und S6 erneut nach Indien. Dort wurde Ihnen mitgeteilt, dass sie nur bei einer deutlichen Preisreduzierung den Auftrag erhalten könnten; I11 akzeptierte diese Forderung. Mit Telefax vom 1.2.2000 (BMO 8, 1169) an Q4 berichtete T6, dass – ausweislich eines Telefongespräches mit H3 – B4 zugestimmt habe, jeweils ein Paar der Teleskopzylinder bei der I und der N in Auftrag zu geben.
299Mit Kaufauftrag vom 3.3.2000 (BMO 8, 1180) bestellte H3 in Vertretung des indischen Präsidenten für das indische Verteidigungsministerium ein Teleskopzylinderpaar sowie Dichtungen für insgesamt 196.320,- DM bei der I.
300Mit einem an I11 adressierten Telefax vom 10.4.2000 (BMO 8, 1209) bat S4 unter Bezugnahme auf den alten Auftrag vom 10.5.1996 um ein Angebot mit den aktuellen Preisen für einen Satz derartiger Zylinder.
301Ausweislich eines von Q4 erstellten Tagesberichts vom 14.4.2000 (BMO 8, 1214) – jeder leitende Mitarbeiter der I musste eine Beschreibung seiner im Verlauf des Tages durchgeführten Tätigkeiten fertigen und abends vor dem Verlassen der Firma bei I11 abgeben – wurde an diesem Tag innerhalb der I besprochen, dass für den Export der Teleskopzylinder eine Ausfuhrgenehmigung beantragt werden müsse; mit welchen Personen Q4 darüber sprach, konnte die Kammer nicht feststellen. Am 17.4.2000 rief Q4 beim BAFA an und erkundigte sich nach den bei der Stellung eines Ausfuhrantrages zu beachtenden Formalitäten. Im Antwortschreiben vom selben Tag (BMO 8, 1216) verwies ihn das BAFA auf eine formgebundene Voranfrage und übersandte die dafür erforderlichen Formulare, unter anderem einen Vordruck für eine Endverwenderbescheinigung.
302Mit Telefax vom 20.4.2000 (BMO 8, 1221) an S bat Q4 unter Beifügung des Formulars um eine solche Endverwenderbescheinigung für die Teleskopzylinder. Mit Telefax vom 25.4.2000 an Q4 (BMO 8, 1224) berichtete T6, H3 habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass er das Telefax vom 20.4.2000 erhalten habe. T6 bat Q4 um eine Erklärung für die Forderung nach einer Endverwenderbescheinigung. Er wies darauf hin, dass die N – im Gegensatz zur I – bereits die Auftragsbestätigung sowie Zeichnungen der Teleskopzylinder übersandt habe und deutsche Ausfuhrbeschränkungen anscheinend nur für die I gelten würden. H3 sei über diese Entwicklung sehr beunruhigt, da er sich bei den Vertragsverhandlungen in Hyderabad besonders dafür eingesetzt habe, auch an die I einen Auftrag zu vergeben. H3 plane, drei Zylindersätze entsprechend denen des alten Auftrages vom 10.5.1996 zu bestellen und warte diesbezüglich auf die aktuellen Preise der I. Sollte die I jedoch auch hier Ausfuhrbeschränkungen unterliegen, werde H3 keine andere Wahl bleiben, als die Zylinder über die N zu beziehen.
303Ebenfalls am 25.4.2000 sandte die I die Auftragsbestätigung für die Teleskopzylinder an S (BMO 8, 1226).
304Im Protokoll über die Verkaufssitzung vom 9.5.2000 (BMO 8, 1271), an der unter anderem I11, Q4 und I10 teilnahmen, lautet ein Gesprächspunkt: "Projekt S, Indien: Teleskopzylinder für Raketenabschußrampe – Auftragswert 193 TDM". Dort heißt es, dass dafür vom Kunden eine Endverwenderbescheinigung angefordert worden sei.
305Unter dem 15.5.2000 (BMO 8, 1223) übersandte H3 per Telefax eine von ihm unterzeichnete Endverwenderbescheinigung der S vom 24.4.2000, in welcher ausgeführt wird, die Teleskopzylinder seien für Brückenlegerfahrzeuge bestimmt.
306In den Protokollen über die Verkaufssitzungen vom 24.5.2000 (BMO 8, 1317) und 6.6.2000 (BMO 8, 1328), an denen unter anderem I11 und Q4 teilnahmen, findet sich wieder der Punkt "Projekt S, Indien: Teleskopzylinder für Raketenabschußrampe – Auftragswert 193 TDM". Dort ist vermerkt, dass Q4, bevor er den Auftrag weiter bearbeite, auf das Original der Endverwenderbescheinigung warte.
307In einem Telefax vom 29.5.2000 an Q4 (BMO 8, 1327) machte T6 deutlich, dass die Teleskopzylinder der I vor denen der N in Indien eintreffen müssten, damit die Zylinder der I gleich bei dem ersten Test eingesetzt werden könnten. Trotzdem stellte Q4 auch in der Folgezeit keinen Ausfuhrantrag beim BAFA. Er hatte Skrupel, in den Formularen wissentlich einen falschen Verwendungszweck für die Zylinder – Brückenlegerfahrzeug – anzugeben und unterließ eine Antragstellung daher lieber ganz. Dies teilte er jedoch weder I11 noch I10 mit; beide gingen davon aus, dass der Ausfuhrantrag mit den falschen Angaben hinsichtlich des Bestimmungszweckes inzwischen dem BAFA vorliege.
308In dem Protokoll über die Verkaufssitzung vom 11.7.2000 (BMO 9, 1389), an der unter anderem I11, I10 und Q4 teilnahmen, findet sich wieder der Gesprächspunkt: "Projekt S, Indien – Teleskopzylinder für Raketenabschußrampe – Auftragswert 193 TDM". Dort heißt es, dass die Teleskopzylinder noch im Juli in die Produktion gehen sollen.
309Mit Telefax vom 25.10.2000 (BMO 9, 1529) teilte T6 Q4 mit, dass er inzwischen einen Preis für die seitens der S gewünschten Zylinder, die denen aus der Lieferung im November 1997 entsprechen sollten, ausgehandelt habe, nämlich 208.102,- DM für zwei Sätze. Dementsprechend schickte Q4 am 26.10.2000 (BMO 9, 1534) an S eine Auftragsbestätigung über zwei Zylindersätze – jeweils bestehend aus einem Horizontal-, einem Teleskop- und zwei paarweise anzuordnenden Neigezylindern – für insgesamt 208.102,- DM. Die angegebenen technischen Spezifikationen entsprachen denen der im November 1997 ausgelieferten Zylinder; für alle Kolbenstangen war eine Verchromung vorgesehen. Auf den Horizontalzylinder wollte die S nun doch nicht verzichten.
310Mit Telefax vom 1.11.2000 an Q4 (BMO 9, 1557) kündigte T6 bereits einen Wiederholungsauftrag hinsichtlich der Teleskopzylinder an. Er fragte nach dem frühesten Liefertermin, falls der Auftrag von S noch im Dezember platziert werde. Er versuche verzweifelt, eine offene Ausschreibung bezüglich dieser Zylinder zu vermeiden, um die N aus dem Geschäft herauszuhalten. Mit Telefax vom 15.11.2000 (BMO 9, 1592) teilte T6 Q4 mit, dass S lieber bei der I als bei der N die Nachbestellung vornehme, da sie schneller liefere und die Zylinder besser verarbeitet seien. Die nächsten Testabschüsse würden auch wieder mit Zylindern der I stattfinden.
311Vom 22. bis 30.11.2000 besuchte der bereits mehrfach erwähnte N12 von S die I und nahm die inzwischen fertiggestellten Teleskopzylinder ab; unter dem 30.11.2000 (BMO 9, 1670) erstellte die I die Rechnung für die Zylinder.
312Am 19.12.2000 versuchte ein Mitarbeiter der I, dessen Name in der Hauptverhandlung nicht mehr festgestellt werden konnte, die Teleskopzylinder beim Zollamt Würzburg mit einer sogenannten einfachen Ausfuhranmeldung nach Indien auszuliefern. Das Zollamt lehnte nach telefonischer Rücksprache mit dem BAFA den Export ab und wies den Mitarbeiter der I auf die Genehmigungspflicht einer solchen Ausfuhr hin.
313Unter Bezugnahme auf die seitens der I im November 1997 an S gelieferten Zylinder und den aktuellen Auftrag über die Teleskopzylinder sandte T6 unter dem 18.1.2001 an Q4 zwei Zeitungsartikel (BMO 10, 1687), in denen über den zweiten Test-Abschuss der Agni II am 17.1.2001 auf Wheeler Island berichtet wird. Unter anderem wird in einem der Artikel der "Programmdirektor" B4 zitiert, der den Abschuss als erfolgreich bezeichnete.
314In den folgenden Monaten drängte T6 bei Q4 mehrfach auf Informationen, wann mit der Lieferung der Teleskopzylinder zu rechnen sei; Q4 hielt ihn mit unterschiedlichen Ausflüchten hin.
315Mit Telefax vom 12.5.2001 an Q4 (BMO 10, 1781) kündigte T6 an, dass Q und N12 am 21.5.2001 die I in M8 besuchen würden. Sie hätten vor, sich hinsichtlich des Stands des Exportgenehmigungsverfahrens bezüglich der Teleskopzylinder zu erkundigen. T6 wies darauf hin, dass der Besuch dieser beiden "Spitzeningenieure" von S für die I äußerst wichtig und richtungsweisend für künftige Geschäfte mit Verteidigungsinstitutionen in Indien sei. Er beschwor Q4, die I nicht von der N überrunden zu lassen. Q4 war bei der Ankunft der Inder am 21.5.2001 nicht anwesend, sondern befand sich im Urlaub. Während des Besuches von Q und N12 fanden I11 und I10 heraus, dass Q4 gar keinen Ausfuhrantrag beim BAFA gestellt hatte. Nach Q4 Rückkehr forderte I10 ihn auf, dies umgehend nachzuholen. Unter dem 31.5.2001 stellten I11 und Q4 namens der I beim BAFA einen Exportantrag bezüglich der Teleskopzylinder. Als Verwendungszweck gaben sie bewusst wahrheitswidrig an: "Einbau in Spezial-Brückenbaufahrzeuge, zum Schwenken von Brückenbaustahlelementen."
316Mit Schreiben vom 1.6.2001 (BMO 10, 1810) an Q4 übersandte T6 zwei Zeitungsartikel, die seiner Ansicht nach selbstredend seien. Danach sei die Agni II, eine ballistische Mittelstreckenrakete, inzwischen zweimal erfolgreich abgeschossen worden. Sie könne unterschiedliche Nutzlasten einschließlich atomarer Sprengköpfe tragen und werde nun in begrenztem Umfang in Produktion gehen. T6 schrieb erläuternd dazu, dass auf dem Agni Testgelände die Zylinder der I für die Abschüsse benutzt worden seien.
317Mit Bescheid vom 13.6.2001 (BMO 10, 1845) lehnte das BAFA die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung für den Export der Teleskopzylinder ab. Die Begründung entsprach exakt der im Bescheid an die N vom 13.11.2000. Mit Schreiben vom 27.6.2001 (BMO 10, 1875) legte I11 für die I beim BAFA Widerspruch gegen den Bescheid vom 13.6.2001 ein.
318Aufgrund des von dem Angeklagten zu 1) in seinem Widerspruch vom 20.11.2000 dem BAFA erteilten Hinweises, die I habe parallel zur N einen Auftrag der indischen Regierung über die gleichen Zylinder erhalten, hatte das vom BAFA informierte Zollkriminalamt Köln Vorermittlungen gegen die Verantwortlichen der I aufgenommen. Um eine etwaige illegale Auslieferung der Zylinder verhindern zu können, hatte das Zollkriminalamt am 1.2.2001 beim Landgericht Köln gemäß § 39 AWG a. F. die Überwachung des Brief-, Post- und Fernmeldeverkehrs der I sowie von I11 und von I10 beantragt; ein entsprechender Beschluss des Landgerichts Köln war am 2.2.2001 ergangen. Die vom Zollkriminalamt informierte Staatsanwaltschaft Würzburg leitete am 8.5.2001 gegen I11 und I10 ein Ermittlungsverfahren (Az 156 Js 579/01) wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz ein und beauftragte das Zollkriminalamt mit den weiteren Ermittlungen. Am 17.7.2001 durchsuchte das Zollkriminalamt aufgrund entsprechender richterlicher Beschlüsse zeitgleich mit den Durchsuchungen bei der N die Geschäftsräume der I sowie die Wohnungen von I11, I10 und weiteren Mitarbeitern der I; umfangreiches Beweismaterial wurde beschlagnahmt.
319Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Würzburg vom 23.8.2004, rechtskräftig seit dem 16.9.2004, ist I11 wegen der illegalen Ausfuhr der beiden Zylindersätze im November 1997 an S zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, sowie wegen mehrerer im Laufe des Ermittlungsverfahrens bekannt gewordener Exporte von Zylindern und Dichtungen für indische Kernkraftwerke zu einer Gesamtgeldstrafe von 360 Tagessätzen zu je 166,- € verurteilt worden. Durch Strafbefehl des Amtsgerichts Würzburg vom 23.8.2004, rechtskräftig seit dem 20.10.2004, ist gegen I10 wegen derselben Delikte eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, festgesetzt worden.
320VIII. Die Lieferung von neun Zylindern durch die N (Kommissionsnummer 9891) für einen Prototypen der Abschussrampe für die indische Kurzstreckenrakete Prithvi II im September 1998 (Anklagepunkt 9.)
321Wie bereits oben unter Punkt B. I. 6. c) dargelegt, existieren drei Varianten der Kurzstreckenrakete Prithvi mit Reichweiten von 150 bis 350 km. Die Prithvi II hat eine Reichweite von ca. 250 km und wird auf einer straßenmobilen Startplattform verfahren; zum Zwecke des Abschusses wird die während des Transportes horizontal auf dem Lkw liegende Rakete mittels Hydraulikzylindern SENkrecht aufgerichtet. Die ersten Abschussrampen waren noch mit Zylindern der indischen Firma U ausgerüstet. In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre ließ S eine verbesserte Version durch die indische Firma M11 mit Sitz in Chennai (im Folgenden M11) entwickeln; diese wiederum beabsichtigte, die dafür notwendigen Zylinder bei der N zu beziehen.
322Mit Telefax vom 31.1.1998 (Ordner "Erledigte Akkreditive 9891/98 M11", im Folgenden Ordner 4, Bl. 188) unterbreitete S3 namens der N7 der M11 – unter Bezugnahme auf ein früheres Angebot vom 29.12.1997, dessen Inhalt nicht bekannt ist – ein Angebot für einen Zylinder (C 1) mit den Abmessungen 200/140 x 785 für 7.000,- DM, zwei Zylinder (C 2) mit den Abmessungen 100/70 x 1380 für je 2.850,- DM, zwei Zylinder (C 3) mit den Abmessungen 63/36 x 140 für je 740,- DM und zwei Zylinder (C 4) mit den Abmessungen 125/80 x 600 für je 2.975,- DM. Bei den Abmessungen bezeichnet die erste Zahl den Durchmesser des Kolbens, die zweite den der Stange und die dritte den Hub. Die Zylinder mit der Bezeichnung C 2 sollten zusätzlich mit Hydraulikklemmen versehen werden. S3 wies M11 darauf hin, dass im Falle einer Auftragserteilung die Lieferung für diesen Prototypen noch durch die N in I2 erfolgen werde. Das Unternehmen plane jedoch den Aufbau eines Werkes zur Zylinderherstellung in der Nähe von Madras, wo die Zylinder für die Serienproduktion hergestellt werden könnten. Dieses Telefax sandte S3 zur Kenntnisnahme auch an die N.
323Auf seiner bereits erwähnten Geschäftsreise nach Indien Ende Februar 1998 traf sich der Angeklagte zu 1) auch mit dem Geschäftsführer von M11. Den Inhalt der dabei geführten Gespräche hat die Kammer nicht feststellen können.
324Mit Schreiben vom 22.4.1998 (Ordner 4, 187) schickte S3 Zeichnungen der Zylinder, die er von S erhalten hatte, an den Angeklagten zu 1). Das Telefax trug den Betreff: "Zylinder für Neigeplattform". S3 teilte mit, dass der Auftrag zwar von M11 komme, aber S der maßgebliche Endkunde sei. Nach dem ersten Prototypensatz sei über einen Zeitraum von zwei Jahren mit der Bestellung von 40 weiteren Zylindersätzen zu rechnen; jeder Satz bestehe aus neun Zylindern für insgesamt 21.610,- DM.
325Mit Schreiben vom 5.5.1998 (Ordner 4, 186) bat M11 den Angeklagten zu 1) unter Auflistung der einzelnen Zylinder um eine deutliche Preisreduzierung von mindestens 15 % und bezog sich auf einen Besuch von S3 bei M11 am 4.5.1998. Die Anzahl der Zylinder setzte sich im Prinzip wie in dem Telefax vom 31.1.1998 dargelegt zusammen; von den Zylindern mit der Bezeichnung C 3 sollten nunmehr allerdings vier Stück geliefert werden, so dass ein Satz jetzt tatsächlich aus neun und nicht nur sieben Zylindern bestand. Der Angeklagte zu 1) ging auf die Bitte nicht ein, da er eine weitere Preissenkung ablehnte.
326Eine Woche später übersandte M1 den Kaufauftrag (Ordner 4, 184) über die neun Zylinder für insgesamt 21.610,- DM an den Angeklagten zu 1). Als Betreff gab M11 "Bauteile für eine Reifenpresse" an; innerhalb der N erhielt der Auftrag die Kommissionsnummer 9891.
327Spätestens zu diesem Zeitpunkt wussten beide Angeklagte, dass die Zylinder für die Entwicklung eines Abschussrampenprototypen der Kurzstreckenrakete Prithvi bestimmt waren. Wann genau, durch wen und auf welchem Wege sie diese Informationen erhalten haben, hat die Kammer nicht sicher festzustellen vermocht. Es spricht sehr viel dafür, dass der Angeklagte zu 1) bei seinem Treffen mit dem Geschäftsführer der M11 Ende Februar 1998 von diesem über den tatsächlichen Verwendungszweck der Zylinder unterrichtet worden ist; der Angeklagte zu 1) wird sodann seinen Neffen entsprechend ins Bild gesetzt haben. Die Angeklagten kamen überein, die Zylinder ohne Beantragung einer Ausfuhrgenehmigung nach Indien zu liefern, obwohl sie wussten, dass sie als Geschäftsführer der N verpflichtet waren, für den Export derartiger Bestandteile von Rüstungsgütern eine Erlaubnis einzuholen. Die Angeklagten gingen davon aus, dass die deutschen Exportkontrollbehörden die Lieferung von Zylindern für eine Raketenabschussrampe nicht genehmigen würden; deshalb zogen sie einen heimlichen Export vor.
328Unmittelbar nach der Auftragserteilung legte S in einem handschriftlichen Telefax vom 14.5.1998 (Ordner 4, 103) an M11, das diese an die N weiterleitete, die unterschiedlichen Anforderungen an die Kolben- und Stangendichtungen der vier verschiedenen Zylindertypen fest. Unter "Subject" (zu deutsch: "Betreff") war in diesem Schreiben die tatsächlich beabsichtigte Verwendung angegeben, nämlich: "Seals for Cylinders (P II launcher)", zu deutsch: "Dichtungen für Zylinder (P II Abschussrampe)".
329Ende Mai entdeckte der bereits erwähnte technische Projektleiter der N, der Zeuge M9, auf einer dem Unternehmen seitens der M11 zugeleiteten Zeichnung des Zylinders C 1 einen klärungsbedürftigen Widerspruch. Während die auf der rechten Seite aufgelisteten Spezifikationen des Zylinders unter Punkt d) einen Innendurchmesser des Zylinderrohres von 220 mm und unter Punkt e) einen Kolbenstangendurchmesser von 140 mm vorsahen, war auf der Skizze selbst ein Außendurchmesser des Zylinderrohres von 216 mm eingezeichnet. In der rechten unteren Ecke der Zeichnung befindet sich eine Legende, in der es unter dem Namen und Firmenlogo der M11 heißt: "Cylinder C – 1 P II Missile Launcher", zu deutsch: "Zylinder C – 1 P II Raketenabschussrampe". M9 legte die Zeichnung dem Angeklagten zu 1) vor und wies darauf hin, dass entweder der Innendurchmesser des Zylinderrohres auf 180 mm und der Kolbenstangendurchmesser auf 125 mm reduziert werden müssten – dann könne es bei dem Außendurchmesser von 216 mm bleiben – oder letzterer müsse auf 254 mm vergrößert werden; die entsprechenden Millimeterangaben hatte M9 handschriftlich in die Zeichnung eingetragen. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die im Beweismittelordner "Erledigte Akkreditive 9891/98 M11" als Bl. 99 abgeheftete Zeichnung verwiesen. Der Angeklagte sagte zu, sich um die Angelegenheit zu kümmern und entwarf unter dem 29.5.1998 handschriftlich auf einem Schmierzettel ein Schreiben (Ordner 4, 98), das wie folgt lautete:
330"Bezüglich M11 Auftrag
331Zylinder C 2 Wir benötigen Zeichnungen für Flanschplatte
332Zylinder C 4 Wir werden als Rückschlagventil Beringer NW 12 auswählen. Okay?
333Zylinder C 1 Abmessungsänderung gemäß Zeichnung erforderlich, um Abmessung d) und e) zu ermöglichen."
334Ein nach dieser Vorlage gefertigtes Telefax wurde – unter Beifügung einer Kopie der Zeichnung – noch am 29.5.1998 an S3 abgeschickt.
335Mit einem an den Angeklagten zu 1) adressierten Telefax von demselben Tag (Ordner 4, 90) teilte S3 unter anderem mit, der Außendurchmesser des Zylinders C 1 könne die vorgeschlagenen 254 mm betragen. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass die Auftragsbestätigung noch nicht vorliege, fragte nach Einzelheiten hinsichtlich der Bremsventile und bat um Übersendung der von der N erstellten Zeichnungen der Zylinder bis zum 4.6., da die Wissenschaftler der S am 4. und 5.6.1998 die M11 aufsuchen würden und man bei der Gelegenheit die Zeichnungen genehmigen lassen könne. Auf dem Telefax vermerkte der Angeklagte zu 2) handschriftlich, dass es noch am selben Tage beantwortet werden solle. Mit Schreiben vom 2.6.1998 (Ordner 4, 96) übersandte der Angeklagten zu 2) – unter Bezugnahme auf ein mit S3 geführtes Telefongespräch – diesem jeweils zwei Zeichnungen der vier Zylindertypen per Kurier und bat um Genehmigung sowie Rücksendung jeweils einer Zeichnung. Am Tag darauf fand ein Gespräch zwischen Mitarbeitern des technischen Büros der N und dem Angeklagten zu 1) über das für die Zylinder zu verwendende Bremsventil statt.
336Unter dem 4.6.1998 (Ordner 4, 88) beantwortete der Angeklagte zu 2) das Telefax des S3 vom 29.5.1998. Er teilte mit, dass die Auftragsbestätigung am nächsten Tag folgen werde, nannte den Preis für ein Bremsventil und stellte in Aussicht, die Zeichnungen zusätzlich per Telefax zu übersenden, falls sie per Kurier nicht rechtzeitig ankommen sollten. Ferner ersuchte er um einen Rückruf. Mit Telefax vom nächsten Tag (Ordner 4, 87) bat S3 um zusätzliche Informationen
337hinsichtlich der Bremsventile. Außerdem meldete er, dass die inzwischen von der
338N auch per Telefax übersandten Zeichnungen unvollständig
339angekommen seien. Er schlug vor, diese zusammen mit den Informationen über die
340Bremsventile sofort noch einmal zu schicken, damit er noch am selben Tage M11 aufsuchen und alles mit einem ebenfalls dort anwesenden Wissenschaftler von S besprechen könne. Nachmittags übermittelte der Angeklagte zu 2) S3 unter Bezugnahme auf mehrere an diesem Tag zwischen beiden geführte Telefongespräche schriftlich die erbetenen Informationen bezüglich der Bremsventile (Ordner 4, 85).
341Am 9.6.1998 fragte S3 per Telefax (Ordner 4, 84) bei dem Angeklagten zu 2) nach dem Fabrikat und der Teilnummer des Ventils für den Zylinder C 2 und teilte mit, die
342Zeichnungen mit einigen seitens S gewünschten Änderungen seien per Kurier an die N expediert worden. Der Angeklagte zu 2) beantwortete die Fragen bezüglich des Ventils umgehend.
343Einen Tag darauf (Ordner 4, 82) erkundigte sich der Angeklagte zu 2) besorgt bei S3, ob bei dem Zylinder C 2 eine Knickfestigkeit nach "Euler Fall II" von 1,8 ausreichend sei. Mit Telefax vom selben Tage (Ordner 4, 77) berichtete S3 dem Angeklagten zu 2) die Ergebnisse einer erneuten Besprechung mit M11. Für die Zylinder C 1 und C 4 akzeptiere M11 die höher als erwarteten Preise für die Bremsventile, so dass sich der Preis für diese Zylinder entsprechend erhöhe. Hinsichtlich der Ventile für die Zylinder C 2 versuche M11 noch einen günstigeren Anbieter zu finden.
344In einem zweiten Telefax von demselben Tag (Ordner 4, 80), diesmal gerichtet an den Angeklagten zu 1), erläuterte S3 die bereits angekündigten umfangreichen Änderungswünsche von S hinsichtlich der Abmessungen aller vier verschiedenen Zylindertypen und wies darauf hin, dass diese auf den zurückgesandten Zeichnungen gekennzeichnet worden seien. Unter anderem müssten die beiden Zylinder mit der Bezeichnung C 4, die als Abstützzylinder vorgesehen seien, spiegelbildlich gearbeitet werden, damit sie an der rechten und linken Seite des Lastwagens eingebaut werden könnten. Ferner wies er darauf hin, dass der Geschäftsführer von M11, den der Angeklagte zu 1) auf seiner Reise im Februar getroffen habe, Mitte Juni in der Bundesrepublik Deutschland sei und gerne dem Werk in I2 einen Besuch abstatten würde.
345Im Laufe des Juni entschieden die Angeklagten, dass die Zylinder nicht in dem Hauptwerk in I2, sondern in dem Tochterunternehmen N6 in X2 produziert werden sollten, da sie wegen ihrer relativ kleinen Abmessungen und der kurzen Lieferfristen besser in das dortige Sortiment passten.
346Mit Schreiben vom 18.6.1998 (Ordner 4, 75) übersandte der Angeklagte zu 2) S3 einen neuen Satz Zeichnungen, in denen die Änderungswünsche der S berücksichtigt worden waren, und bat um Genehmigung. Vier Tage später (Ordner 4, 68) expedierte der Angeklagte zu 2) hinsichtlich der beiden Zylinder C 4 neue Zeichnungen an M11, da das technische Büro der N diesbezüglich eine geringfügige Änderung hatte vornehmen müssen.
347Mit Telefax vom 23.6.1998 (Ordner 4, 67) teilte S3 dem Angeklagten zu 2) mit, dass M11 in Kürze einen überarbeiteten Kaufauftrag unter Berücksichtigung aller inzwischen geänderter technischen Details übersenden werde. Der Preis für einen Satz Zylinder betrage nunmehr 26.940,- DM. Auf dem Schreiben befinden sich mehrere handschriftliche Kommentare des Angeklagten zu 2).
348Am nächsten Tag telefonierte der Angeklagte zu 2) mit S3 und warnte ihn, dass es Probleme mit den Anflanschplatten an den Zylindern der Bezeichnung C 4 geben könne; über das Telefonat fertigte er eine Gesprächsnotiz (Ordner 4, 188 a).
349Unter dem 25.6.1998 (Ordner 4, 181) übersandte der Angeklagte zu 2) der M11 die von ihm erstellte Auftragsbestätigung der N. Sie umfasste die bestellten neun Zylinder, allerdings wurden die beiden ursprünglich mit C 4 bezeichneten Stützzylinder, die jetzt spiegelbildlich gebaut werden sollten, als ein Zylinder C 4 und ein Zylinder C 5 geführt. Als Liefertermin war die 33. Kalenderwoche, also Mitte August, vorgesehen. Der Angeklagte zu 2) hatte allerdings versehentlich in der Auftragsbestätigung die alten, zu niedrigen Preise eingesetzt. S3 wies den Angeklagten zu 2) in einem Telefax vom 29.6.1998 (Ordner 4, 63) auf seinen Irrtum hin und teilte mit, M11 werde einen neuen Auftrag mit den richtigen Preisen schicken. Er bat darum, dass der Angeklagte zu 2) die falsche Auftragsbestätigung zurücknehme. S3 kündigte ferner an, dass S einen Ingenieur nach I2 schicken werde, um die Zylinder abzunehmen. S wünsche, dass ein Zylinder für die Prüfung unmontiert bleibe, damit ihr Mitarbeiter die Abmessungen der Einzelteile untersuchen könne. Auch auf diesem Schreiben befinden sich handschriftliche Anmerkungen des Angeklagten zu 2).
350Am 2.7.1998 (Ordner 4, 59) übersandte der Angeklagte zu 2) S3 eine geänderte Zeichnung für den Zylinder der Bezeichnung C 1. Für diesen seien nun die von S gewünschten Ventile vorgesehen. Unter demselben Datum schickte M11 den geänderten Auftrag (Ordner 4, 180) mit den neuen Preisen (insgesamt 26.940,- DM für den Zylindersatz) an die N. Als Verwendungszweck hatte M11 auch hier wieder "Bauteile für Reifenpresse" angegeben. Am nächsten Tag expedierte der Angeklagte zu 2) eine korrigierte Auftragsbestätigung an M11 (Ordner 4, 177).
351Unter dem 17.7.1998 (Ordner 4, 47) übersandte S3 an den Angeklagten zu 2) einen mehrere Seiten umfassenden "Testplan", anhand dessen die Ingenieure von S die Zylinder bei der N abnehmen würden.
352An demselben Tag schickte S3 an den Angeklagten zu 1) ein Telefax (BH 28, 33), in welchem er feststellte, dass bislang für die Zylinder der Bezeichnung C 2 ein Rückschlagventil ohne Kompressionsminderung vorgesehen sei. Die "Experten" von S seien inzwischen der Ansicht, dass in dem vorangegangenen Modell des "launcher" (zu deutsch: Abschussrampe) ein vergleichbarer Zylinder mit einem ähnlichen Ventil eingesetzt worden sei, das immer einen großen "Knall" erzeugt habe, wenn der Zylinder aus der Ruheposition gestartet, das heißt, wenn das Rückschlagventil geöffnet worden sei. Die Ingenieure von S seien daher der Meinung, ein mit einer Kompressionsminderung ausgestattetes Ventil würde diesen Effekt verringern. S3 bat den Angeklagten zu 1), dieser Frage nachzugehen.
353Am 20.7.1998 teilte S3 in einem an den Angeklagten zu 2) gerichteten Telefax (Ordner 4, 45) mit, dass S nunmehr darum bitte, wie in dem Telefax vom 17.7.1998 angedeutet, die Zylinder mit der Bezeichnung C 2 mit Ventilen auszustatten, die über eine Kompressionsminderung verfügen. Er fügte dem Schreiben Zeichnungen des Zylinders hinzu, die S ihm zur Verfügung gestellt hatte.
354Am 28.7.1998 telefonierte der Angeklagte zu 2) mit W von S, der als Projektleiter für die Entwicklung der mobilen Abschussrampe der Prithvi zuständig war. Anschließend bestätigte ihm der Angeklagte zu 2) unter Bezugnahme auf dieses Telefonat schriftlich, dass die Zylinder zur Abnahme bereit stünden (Ordner 4, 13).
355Mit Telefax vom 5.8.1998 (Ordner 4, 34) teilte der Angeklagte zu 1) S3 mit, dass die Lieferzeit nur eingehalten werden könne, wenn die bereits vorrätigen Rückschlagventile eingebaut würden. Müsse die N neue Ventile bestellen, könne nicht in der 33., sondern erst in der 37. Kalenderwoche geliefert werden. Unter dem 6.8.1998 gab S3 diese Information per Telefax (Ordner 4, 31 a) unter dem Betreff: "P 2 Zylinder" an S weiter und schlug vor, doch die Ventile ohne Kompressionsminderung zu verwenden. Das Telefax sandte er zur Kenntnisnahme auch an den Angeklagten zu 1), und versah es auf dem unteren Viertel des Blattes mit der Anmerkung, dass die N wie von ihm vorgeschlagen vorgehen solle.
356Vier Tage später schickte S3 dem Angeklagten zu 2) ein Telefax (Ordner 4, 29) mit dem Ratschlag, dass die N bei der Abnahme einen bestmöglichen Eindruck auf die indischen Ingenieure machen solle, da 33 weitere Zylindersätze geplant seien. Auf diesem Telefax befinden sich wieder mehrere handschriftliche Anmerkungen des Angeklagten zu 2).
357Mit Telefax vom 26.8.1998 (Ordner 4, 18) teilte S3 dem Angeklagten zu 2) mit, das indische Abnahmeteam werde aus den Herren T9 und W bestehen. Diese hätten bezüglich des vorliegenden Auftrages und zukünftiger technischer Entwicklungen eine Schlüsselrolle inne. Die große Gastfreundschaft der N bei dem Besuch von N12 (im Mai 1997) sei in Indien immer noch Gesprächsthema. S3 bat darum, sich ähnlich fürsorglich um die avisierten Besucher zu kümmern. Mit Telefax vom selben Tage (Ordner 4, 17) teilte der Militärattaché der indischen Botschaft in der Bundesrepublik Deutschland der N die genaue Ankunftszeit der beiden "Offiziere" T9 und W mit und bat darum, sie am Flughafen Düsseldorf abzuholen.
358Die Abnahme der neun Zylinder fand sodann vom 3.9.bis zum 10.9.1998 auf dem Gelände der N6 in X2 in Gegenwart der indischen Ingenieure statt. Auf deren Wunsch wurden zahlreiche Tests mit den Zylindern durchgeführt, die zu ihrer Zufriedenheit verliefen. W erstellte ein handschriftliches Abnahmeprotokoll, das der Angeklagte zu 2) von seiner Sekretärin abschreiben ließ und sodann unterzeichnete (Ordner 4, 108).
359Mit Telefax vom 16.9.1998 (Ordner 4, 9) fragte M11 den Angeklagten zu 1) nach dem Ergebnis der Abnahme durch die Ingenieure der S. Das Unternehmen bat ferner um Versendung der Zylinder per Luftfracht. Die N übersandte M11 daraufhin Kopien des Abnahmeprotokolls.
360Am 23.9.1998 (Ordner 4, 159) schickte der Angeklagte zu 2) die Rechnung über die neun Zylinder für insgesamt 26.940,- DM an M11; diese wurde zeitnah beglichen.
361Vier Tage später wurden die Zylinder per Luftfracht an M11 ausgeliefert. Die Ausfuhr erfolgte unter Vorlage einer sogenannten einfachen Ausfuhranmeldung (Ordner 4, 162); eine Ausfuhrgenehmigung hatten die Angeklagten – wie von vornherein beabsichtigt – nicht beantragt. Im Falle der Stellung eines Ausfuhrantrages hätten die deutschen Exportkontrollbehörden die hier in Rede stehende Lieferung nicht genehmigt.
362IX. Die Lieferung von zwei Mastzylindern durch die N (Kommissionsnummer 2815) für den Prototypen eines mobilen Radarsystems für die indischen Streitkräfte im Juni und Juli 2000 (Anklagepunkte 7. und 8.)
363In der zweiten Hälfte der neunziger Jahre plante S die Entwicklung eines für die indischen Land- und Luftstreitkräfte vorgesehenen mobilen Radarsystems für die Luftraumüberwachung, das sich auf zwei Lkw verteilen und lufttransporttauglich sein sollte. Auf dem einen Lkw sollte ein mittels Hydraulikzylindern ausfahrbarer Mast montiert werden, der während des Transportes in horizontaler Position vollständig eingefahren wäre. Im Falle des Einsatzes sollte der Lkw zunächst mit Hilfe von vier Stützzylindern am Boden fixiert werden und ein kleinerer Hydraulikzylinder den noch eingefahrenen Mast sodann senkrecht aufrichten. Auf dem zweiten Lkw sollte sich ein zusammenklappbarer Kran, eine Rundplattform und die Radarantenne befinden. Mit Hilfe des Kranes sollte zuerst die Rundplattform und sodann die Radarantenne auf den aufgerichteten aber noch eingefahrenen Mastzylinder gehoben und anschließend beides dort befestigt werden. Dann erst sollte der Mast mit der Antenne ausgefahren und durch vier an ihm angebrachte Seile fixiert werden. Die Gesamthöhe des Lkw mit dem vollständig ausgefahrenen Mast sollte ca. 18,6 m betragen. Auch bei diesem Projekt traten die N und die I als Konkurrenten auf; im Ergebnis erhielt die N den Auftrag für zwei Exemplare des zum Ausfahren des Mastes benötigten Zylinders.
3641. Das Geschehen bis Ende des Jahres 1997
365Mit Schreiben vom 20.2.1997 (BH 30, 16) bat B3, der Geschäftsführer von N9, den Angeklagten zu 1), ein Angebot über einen zweistufigen Teleskopzylinder mit einer geschlossenen Länge von 5.775 mm und einer ausgefahrenen Länge von 14.510 mm abzugeben. Der Zylinder sollte eine Kopflast von 2000 kg tragen können und das oben von der Kopflast auf die Verriegelung am Mast wirkende Drehmoment sollte 1500 kg aufnehmen können. Als Betreff gab B3 "Projekt 18,6 m Mast" an – hiermit war das oben beschriebene Radarentwicklungsprojekt der S gemeint – und bezog sich hinsichtlich der Details auf ein Gespräch, das er anlässlich des Besuches des Angeklagten zu 1) in Indien vom 6. bis 12.2.1997 mit diesem geführt hatte. Dem Schreiben fügte B3 mehrere – nicht mehr vorhandene – Zeichnungen der Gesamtanordnung bei. Mit Telefax vom 5.3.1997 (BH 23, 24) bat der Angeklagte zu 1) die N9, das Drehmoment zu bestätigen, da es ihm als Reaktionsimpuls der Drehantenne extrem hoch erscheine. Ferner zweifelte er daran, ob das Drehmoment allein durch die Reibungskraft der vorgesehenen Klemmverbindungen gehalten werden könne. Zwei Tage später erklärte S3, der seinerzeit noch bei der N9 beschäftigt war (vgl. oben unter B. I. 4.) dem Angeklagten zu 1) per Telefax (BH 23, 22), dass das Drehmoment am Zylinder tatsächlich 640 kg/m betrage. Dies liege nicht nur an dem Reaktionsmoment der Antennenrotation, sondern überwiegend an den Seitenkräften des auf die Antenne auftreffenden Windes. Am 11.3.1997 kalkulierte der Angeklagte zu 1) handschriftlich den Preis für den gewünschten Teleskopzylinder (BH 23, 20); zwei Tage später sandte er ein Angebot an N9, das einen Preis von 44.000,- DM vorsah (BH 23, 16).
366Erst Mitte 1997 wurde das Projekt weitergeführt, nachdem S3 die N7 gegründet und die Planungen für den Mast von der inzwischen insolventen N9 übernommen hatte. Als der Angeklagte zu 1) und S3 – wie oben unter B. II. 3. geschildert – im Juni 1997 die S besuchten, präsentierten und erläuterten sie den indischen Ingenieuren einen ersten Entwurf für den Mastzylinder. Spätestens seit diesem Treffen wusste der Angeklagte zu 1), dass das Projekt ein Radarsystem für die indischen Streitkräfte zum Gegenstand hatte. Mit Schreiben vom 11.8.1997 (BH 23, 15) fragte S3 den Angeklagten zu 1) nach technischen Details hinsichtlich des Mastes; er interessierte sich zum einen für das Gesamtgewicht des Teleskopzylinders und zum anderen für die Drehsicherungsvorrichtungen. Er bat um schnelle Beantwortung der beiden Fragen, da er das System bereits am 19.8.1997 erneut bei S in Pune vorstellen solle. Das technische Büro der N präsentierte in seinem Antwortschreiben an S3 vom 12.8.1997 (BH 23, 14) eine neue Konstruktion für den Mast, die anstelle eines großen Teleskopzylinders zwei nebeneinander sitzende einstufige Differentialzylinder vorsah, die in einem Teleskoprohr befestigt waren. Beim Ausfahren der ersten Stufe des Rohres durch den einen Zylinder sollte der zweite – ohne bereits selbst tätig zu werden – mit nach oben fahren. Letzterer sollte erst dann die zweite Stufe des Rohres hochschieben, wenn der erste Zylinder vollständig ausgefahren war. Wie es zu dieser technischen Änderung gekommen war, ließ sich in der Hauptverhandlung nicht mehr feststellen. Der Vorteil der neuen Konstruktion bestand zum einen darin, dass der Mast durch das außen liegende Stahlteleskoprohr eine erhöhte Festigkeit erhielt; das gesamte System litt nämlich unter dem Problem, dass der Mast in ausgefahrenem Zustand und bei sich drehender Radarantenne sehr schnell Gefahr lief, instabil zu werden. Zum anderen wurden die empfindlichen Dichtungen der Hydraulikzylinder im Inneren des Teleskoprohres vor dem bei einem Einsatz in Wüstengegenden zu erwartenden Sand geschützt. Für das Rohr schlug das technische Büro der N als Korrosionsschutz einen Zinküberzug vor.
367Mit Schreiben vom 29.8.1997 (Ordner "Erledigte Akkreditive Kom. 2815/00 TIL" – im Folgenden Ordner 5 genannt – Bl. 411) übermittelte S3 dem Angeklagten zu 1) die technischen Daten hinsichtlich des für das Mast-Projekt benötigten Kranes und nannte mögliche Lieferanten in der Bundesrepublik Deutschland sowie in Italien. Der Kran sollte aus mehreren zusammenklappbaren Auslegern bestehen und mit einer Schwenkvorrichtung für eine 360° Drehung versehen sein; außerdem sollte er zwei Tonnen bei acht bis zehn Metern Radius und zwölf Metern effektiver vertikaler Reichweite heben können. S3 bat den Angeklagten zu 1) um Nachforschungen, welcher Kranhersteller für eine solche Lieferung in Betracht komme und um Übermittlung der Informationen bis zum 4.9.1997, da er am 8.9.1997 den Ingenieuren von S über das Ergebnis berichten müsse. Der Angeklagte zu 1) nahm daraufhin Kontakt mit verschiedenen Kranherstellern auf, sammelte Kataloge und schickte alle Informationen an S3. Er – der Angeklagte zu 1) – wies darauf hin, dass er einen Kran der Q5 favorisiere.
368Am 2.9.1997 sandte S3 dem Angeklagten zu 1) ein Telefax (BH 23, 13) mit weiteren technischen Details zu dem für das Projekt benötigten Mastzylinder. Unter anderem führte er aus, dass S festgestellt habe, dass die Antennenlast nur 1.450 kg betrage, jedoch außerdem die Last von vier Halteseilen berücksichtigt werden müsse, die unter Spannung stünden, wenn der Mast ausgefahren werde; sie würden mit Hilfe von Seilwinden vorgespannt. Die dabei zusätzlich bei der Aufwärtsbewegung des Mastes nach unten wirkende Kraft betrage 3.800 kg und damit insgesamt 5.250 kg.
369Einen Tag später übersandte S3 dem Angeklagten zu 1) per Telefax (BH 23, 10 und Ordner 5, 402) einen elfseitigen Vertragsentwurf, der als Grundlage dafür dienen sollte, das gesamte System als Gemeinschaftsprojekt der Unternehmen N7, N und des indischen Unternehmens F2 (im Folgenden F2) der S anzubieten. S3 bat den Angeklagten zu 1), den Entwurf durchzusehen und zusätzlich ein Schreiben an S zu fertigen, in welchem die N ihre Bereitschaft, an diesem Projekt mitzuarbeiten, bestätige.
370In dem Memorandum werden zunächst die von jeder der drei Firmen zu übernehmenden Beiträge vorgestellt. Zur N heißt es, dass sie sämtliche Zylinder für das Projekt zur Verfügung stellen werde. Das Unternehmen erkläre sich zudem bereit, die ununterbrochene Lieferung dieser Zylinder zu gewährleisten und für den unwahrscheinlichen Fall von Lieferbeschränkungen aufgrund politischer Änderungen, die später auftreten könnten, das Knowhow zur Herstellung derartiger Zylinder in Indien zur Verfügung zu stellen.
371Auf Seite 4 wird auf die Zylinderlieferung für den Prototypen der Abschussrampe für die Agni II verwiesen: "Montan hat kürzlich außerdem Zylinder und Ventile für das launcher-Projekt innerhalb des festgelegten Zeitrahmens konstruiert und an S geliefert und somit bewiesen, dass man ein verlässlicher Vertragspartner und Auftragnehmer ist." Unter der Überschrift "Konstruktions-, Entwicklungs- und Produktionsphilosophie" heißt es in dem Vertragsentwurf weiter:
372"Angesichts der Tatsache, dass der Mast in Umgebungen mit Wüstensand zum Einsatz kommt, ist es nicht ratsam, einen Hydraulikzylinder als den eigentlichen Hauptmast zu verwenden, da feiner Sand an der Oberfläche der Kolbenstange anhaften wird und diese mittelfristig beschädigt.... Es ist ratsam, allen ungeschützten Kolbenstangen einen Schutzüberzug in der Art zu geben, dass sie kein Sonnenlicht reflektieren und somit ihre Anwesenheit dem Feind nicht mitteilen. Die derzeitige Methode, glänzende Hartverchromung zu verwenden, sollte überdacht werden."
373Als Vorteil der von der N entwickelten neuen Konstruktion wird auf Seite 8 betont: "Das Hydrauliksystem ist vollständig geschützt. Es gibt keinerlei wie auch immer geartete Gefahr der Beschädigung der Hydraulik des Hauptmasts. Auch die Dichtungen befinden sich in den Mastrohren und können daher nicht durch feinen Wüstensand beschädigt werden. Dies ist ein Problem bei dem alten System." Hinsichtlich der weiteren Zylinder, die zum Abstützen des einen Lkw und Aufrichten des Mastes benötigt würden, weist der Entwurf auf Folgendes hin: "Bei vertikalen Auslegerzylindern und Einziehzylindern kann ein dunkler Überzug als Option vorgesehen werden, um das System vor Entdeckung zu schützen."
374Die Firma F2 – so heißt es in dem Memorandum weiter – werde den Zusammenbau des Radarsystems übernehmen; die N7, die das Konzept für den Mast entworfen habe, werde die technische und organisatorische Planung beisteuern.
375Unter dem 5.9.1997 sandte der Angeklagte zu 1), wie von S3 gewünscht, ein von diesem vorformuliertes Schreiben (BH 23, 6) an S, in welchem er – der Angeklagte zu 1) – namens der N unter Bezugnahme auf den Mast für das geplante Gemeinschaftsprojekt warb. Das Schreiben lautet wie folgt:
376" Sehr geehrte Damen und Herren,
377während meines letzten Besuches in ihrem Unternehmen im Juni haben wir uns bereit erklärt, S bei der Entwicklung und Herstellung einer Spezialanlage mit Hydraulikzylindern zu unterstützen. Wir hatten auch unseren Entwurf für die Zylinder für Ihr 18,8 m Mast-Projekt vorgelegt, das auf Grundlage der Vorgaben von Montan (Indien) entwickelt wurde. Wir wollen gern zusammen mit N7 (Indien) und F2 unsere Stärken einbringen und Ihnen die kompletten Anlagen anbieten, wobei N Deutschland die Zylinder sowie alle erforderlichen technischen Daten und Bemessungsdaten für das Hydrauliksystem liefert. N7 (Indien) ist, aufgrund seiner Erfahrungen in diesem Projekt, für die gesamten technischen Leistungen und die Koordinierung zuständig, und F2 stellt seine Anlagen und Einrichtungen und die erforderlichen Arbeitskräfte für die Herstellung, Bearbeitung und Montage bereit.
378An dieser Stelle möchten wir darauf hinweisen, dass wir auch bereit sind, langfristige Vereinbarungen mit Ihnen dahingehend zu treffen, Ihnen unsere Waren und Leistungen für andere Projekte von Ihnen oder andere Märkte auf der Grundlage eines von Ihnen vorgelegten Vertragsentwurfes, der beidseitig abgestimmt wird, zu liefern....."
379Mit Schreiben vom 25.10.1997 (BH 30, 18 ff) berichtete S3 dem Angeklagten zu 1) von seinem Besuch im September 1997 bei S in Pune. Zu dem Mast-Projekt teilte er mit, dass der Direktor und die übrigen Mitglieder der Projektgruppe von der eingereichten technischen Dokumentation der N7 und der N sehr angetan gewesen seien. Sie – die beiden Unternehmen – würden sicherlich die Gelegenheit erhalten, ein förmliches Angebot abzugeben. Bei der Besprechung hätten die Ingenieure von S allerdings festgestellt, dass der von dem Angeklagten zu 1) vorgeschlagene Kran der Q5 für die vorgesehene Lufttransporttauglichkeit des Systems zu hoch sei. S3 bat den Angeklagten zu 1), bei dem Unternehmen nachzufragen, ob der Kran auch niedriger konstruiert werden könne. Der Angeklagte zu 1) nahm umgehend Kontakt mit der Q5 auf und leitete die von dort erhaltenen Informationen an S3 weiter.
380In einem an den Angeklagten zu 1) gerichteten Telefax vom 1.12.1997 (BH 13, 1) berichtete S3 ausführlich über seinen weiteren Besuch am 25. und 26.11.1997 bei S in Pune. Zu dem Mast-Projekt teilte er mit, dass S frühestens Ende Dezember 1997 um die Abgabe eines formalen Preisangebotes bitten werde.
3812. Entwicklung des Auftrages bis zur Auslieferung der Zylinder im Sommer 2000
382Das Projekt wurde anschließend aus in der Hauptverhandlung nicht mehr aufklärbaren Gründen von indischer Seite ein Jahr lang nicht weiter betrieben.
383Mit Telefax vom 28.1.1999 (Ordner 5, 398) rief S3 das Mast-Projekt bei dem Angeklagten zu 1) wieder in Erinnerung und legte eine vorläufige Kalkulation der Gesamtkosten vor. Er bat den Angeklagten zu 1) um Überprüfung der Zahlen und zusätzlich um Mitteilung des aktuellen Preises für den für das System benötigten Kran.
384Unter dem 24.3.1999 schickte der Angeklagte zu 1) namens der N ein von S3 vorformuliertes Schreiben (BH 14, 12) an die S, das wie folgt lautete:
385"An den
386Direktor
387S
388Pune 411015
389Ihr Mobilmast Programm – 18.6 M.
390Sehr geehrter Herr,
391wir erfuhren von N7, dass Sie gewisse Vorbehalte in Bezug auf die langfristige Möglichkeit des Imports von Zylindern für dieses Programm und auch in Bezug auf die Übernahme der Gesamtverantwortung von N7 für das Projekt geäußert haben.
392Wir möchten folgende Bestätigung abgegeben:
3931. In dem unwahrscheinlichen Fall, dass wir aus welchem Grund auch immer in Zukunft nicht mehr in der Lage sind, die Zylinder für dieses Programm zu liefern, werden wir anstandslos sämtliche Produktionszeichnungen mit den Teillisten an N7 oder Sie selbst schicken, wenn diese für die ununterbrochene Durchführung des Programms erforderlich sein sollten. Wir bestätigen weiterhin, dass Ersatzteile für sämtliche von uns gelieferten Zylinder für einen Zeitraum von 10 Jahren nach Liefertermin zur Verfügung stehen werden.
3942. Nach unserer Kenntnis dieses Projektes sind wir davon überzeugt, dass N7 die wesentlichen Stärken aufweist, um diese Aufgabe der Herstellung des gesamten Systems zu übernehmen. Die Zylinder, welche die wesentliche Voraussetzung für dieses Projekt darstellen, können leicht von uns zur Verfügung gestellt werden und bei der Montage dieser Zylinder mit dem Hydrauliksystem und der Konstruktion haben wir keinerlei Zweifel an der Leistungsfähigkeit von N7 in dieser Beziehung (da wir zusammen mit N7 derartige Aufträge der Montage unserer Zylinder mit in Indien entwickelten Hydrauliksystemen durchgeführt haben). Die zusätzlichen für das Projekt benötigten Arbeiter können kurzfristig mit Leichtigkeit beschafft werden. Angesichts des Vertrauens, das wir in N7 bezüglich der erfolgreichen Durchführung des Projektes haben, und angesichts des Personals, Geldes und der Technologie, das/die wir zur Verfügung haben, könnten wir eine Bankgarantie in Bezug auf die Erfüllung des Vertrages durch N7 geben. Die Vertragserfüllungsgarantie wird (wenn Sie dies für notwendig halten) von unserer Bank ausgestellt. Ungeachtet der Tatsache, ob Sie auf der Bankgarantie bestehen oder nicht, werden wir jegliche technische und finanzielle Unterstützung leisten, um die Erfüllung des Projektes sicher zu stellen. Sie sollten daher keine Vorbehalte hinsichtlich des erfolgreichen Abschlusses Ihres Projekts durch N7 haben.
395Wir empfehlen N7 als Lieferanten für das komplette System für Ihr Programm.
396Für N
397Mit besten Grüßen."
398Mit Telefax vom 1.4.1999 (Ordner 5, 393) erinnerte S3 den Angeklagten zu 1) an die Erledigung des Telefaxes vom 28.1.1999.
399Mit Schreiben vom 11.6.1999 (Ordner 5, 391) teilte S3 dem Angeklagten zu 1) unter Bezugnahme auf ein zwischen beiden am Vortag geführtes Telefongespräch mit, dass die Angebote für das Mast-Projekt bis zum 4.7.1999 bei S eingereicht werden müssten. Sie würden zunächst nur in technischer Hinsicht überprüft und am 7.7.1999 förmlich präsentiert. Anschließend werde sich das Bewertungskomitee bei den Angeboten, die technisch überzeugt hätten, mit dem kaufmännischen Teil befassen. Die Bestellungen würden dann bis zum 15.7.1999 aufgegeben werden. S3 erklärte, dass die kleineren Zylinder für das Mastprojekt nunmehr bei der N7 produziert werden müssten, da S nicht wünsche, dass alle Zylinder für das Mastprojekt importiert würden. S3 wies ferner darauf hin, dass er sich gute Chancen ausrechne, den Auftrag zu erhalten. Er bat daher zwecks Fertigstellung seines Angebotes den Angeklagten zu 1) um Überprüfung der im Telefax vom 28.1.1999 vorgeschlagenen Preise, der Lieferzeit, und der Möglichkeit, die Höhe des Kranes zu reduzieren. Auf der von S3 seinem Schreiben beigefügten Zeichnung eines aufklappbaren Kranes finden sich mehrere handschriftliche Anmerkungen des Angeklagten zu 1).
400Mit Schreiben vom 23.6.1999 (Ordner 5, 389) teilte S3 dem Angeklagten zu 1) wiederum unter Bezugnahme auf ein zwischen beiden geführtes Telefongespräch mit, dass F2 ihre Bereitschaft signalisiert habe, sich an dem Joint Venture zu beteiligen. Der erste zu erwartende Auftrag werde zwei Sätze, das heißt, zwei Mastzylinder und zwei Kräne, umfassen; anschließend seien sieben bis acht weitere Sätze geplant. Er bat den Angeklagten zu 1) um eine Zeichnung des Mastes, auf der die Ölrohrleitungen zu sehen seien, um eine Zeichnung der Klemmvorrichtung, um Mitteilung technischer Details zum Kran sowie um die Bestätigung bestimmter technischer Konfigurationen, wenn der Mast vollständig ausgefahren sei.
401Am 29.6.1999 (Ordner 5, 382) erhielt der Angeklagte zu 1) seitens der Q5 ein von ihm erbetenes Angebot für einen Kran über 44.250,- DM und leitete es an S3 weiter. Einen Tag später rief S3 den Angeklagten zu 1) an und bat um Beantwortung seines Telefaxes vom 23.6.1999. Mit Telefax vom 12.7.1999 (Ordner 5, 385) übersandte S3 dem Angeklagten zu 1) unter Bezugnahme auf ein am 9.7.1999 zwischen ihnen geführtes Telefongespräch ein Schreiben von S, in welchem das technische Bewertungskomitee Fragen zur Knickbelastung, zur Steifigkeit und zur Durchbiegung des Mastes stellte. S3 wies ergänzend darauf hin, dass von sieben Bewerbern noch drei, darunter die N7 mit ihrem Konzept, übrig seien. Hauptkonkurrent sei das indische Unternehmen U2 (im Folgenden U2), das mit der I zusammenarbeite und deren Zylinder anbiete. Er bat um schnelle Beantwortung der von ihm übermittelten Fragen. Am 19.7.1999 erinnerte S3 den Angeklagten zu 1) telefonisch an die Erledigung. Mit Telefax vom 26.7.1999 (Ordner 5, 372) leitete S3 ein von ihm verfasstes Schreiben an S mit technischen Einzelheiten zum Mast zusammen mit Zeichnungen und Berechnungen dem Angeklagten zu 1) zur Kenntnisnahme zu.
402Per Telefax vom 20.8.1999 (BH 28, 48) schickte S3 dem Angeklagten zu 1) einen Entwurf für einen Vertrag zwischen der N7 und F2 bezüglich der Zusammenarbeit bei dem 18,6 m Mast-Projekt. Er bat den Angeklagten zu 1) um Prüfung, ob der Entwurf in Ordnung sei; dieser erklärte sein Einverständnis. Mit Schreiben vom 30.8.1999 (Ordner 5, 366) übersandte S3 dem Angeklagten zu 1) das am 24.8.1999 von ihm – S3 – für die N7 und dem Geschäftsführer von F2 unterzeichnete "Memorandum of Understanding", das dem zuvor seitens des Angeklagten zu 1) akzeptierten Vertragsentwurf entsprach.
403Einen Monat darauf teilte S3 dem Angeklagten zu 1) telefonisch mit, dass sie beim Mast-Projekt der günstigste Anbieter seien. Mit Schreiben vom 5.10.1999 (BH 28, 51) berichtete S3 dem Angeklagten zu 1), dass sie von S aufgefordert worden seien, ein "letztes günstigstes" Angebot abzugeben. S3 äußerte die Vermutung, dass dies dazu diene, dem zweitgünstigsten Anbieter, dem aus U2 und der I bestehenden Konsortium, eine zweite Chance zu geben, den Auftrag zu erhalten.
404Die Geschehnisse der darauf folgenden zweieinhalb Monate hat die Kammer nur ansatzweise aufzuklären vermocht. Zwischenzeitlich war – wie oben unter B. I. 1. bereits ausgeführt – der Neffe des Angeklagten zu 1), M6, zum Prokuristen der N berufen worden. Der Angeklagte zu 1) übertrug ihm die weitere Bearbeitung des Mast-Projektes und wies ihn in die Gegebenheiten ein; er – der Angeklagte zu 1) – bestand allerdings darauf, über die weitere Entwicklung des Projektes auf dem Laufenden gehalten zu werden. Irgendwann im Herbst 1999 schied F2 aus dem mit der N7 vereinbarten Joint Venture aus; stattdessen verabredete S3 – in Absprache mit dem Angeklagten zu 1) – mit der Firma U2, die ihre Zusammenarbeit mit der I beendete, das Mast-Projekt in einem gemeinsamen Konsortium bestehend aus der N, der N7 und U2 zu verwirklichen. Die genauen Hintergründe dieses Wechsels hat die Kammer nicht feststellen können; es existiert lediglich ein Schreiben der U2 an die I vom 28.12.1999 (BH 24, 9), in dem jene darauf hinweist, eine weitere Kooperation sei nicht möglich, da die I nicht bereit sei, ihre Preise für die bei dem Mast-Projekt benötigten Zylinder zu reduzieren.
405In einem an M6 gerichteten Telefax vom 17.12.1999 (Ordner 5, 360) nahm S3 Bezug auf ein mit diesem geführtes Telefongespräch und auf den dem Telefax anliegenden Schriftwechsel mit U2. Danach war nunmehr vorgesehen, dass die N zwei Stück des für das Mastprojekt vorgesehenen ausfahrbaren Zylinders an U2 liefert. Unter dem 20.12.1999 (Ordner 5, 358) sandte M6 an U2 ein förmliches Angebot für zwei Mastzylinder, das einen Stückpreis in Höhe von 105.000,- DM vorsah.
406Mit Schreiben vom 23.12.1999 (Ordner 5, 353) berichtete S3 M6 von einem Treffen mit der "technischen Gruppe" bei U2 am 22.12.1999. S wünsche, dass die Außenfläche des Mastes nicht reflektierend sei. Dass sich die Wege von U2 und der I getrennt hätten, habe nichts mit einem Exportverfahren zu tun; vielmehr sei der Präsident von U2 der Ansicht, dass die I kein dauerhafter Partner für U2 sei. Über die N und die N7 habe U2 hingegen positive Berichte erhalten. U2 hoffe, dass die N die Mastzylinder mit einem Stückpreis von 90.000,- DM anbieten könne. Falls die N für die Lieferung des Mastzylinders eine Exportgenehmigung einholen wolle, werde U2 eine Zeichnung erstellen, welche die Verwendung des Mastes in einem Grove S 830 Kran zeige. Dem Telefax hatte S3 ein Protokoll seines Treffens mit den Verantwortlichen der U2 beigefügt. Das Teleskoprohr sollte nunmehr eine geschlossene Länge von 5.725 mm und eine ausgefahrene Länge von 14.460 mm haben. Der Zylinder sollte bei einer Temperatur von –20°C bis +55°C arbeiten und bei Temperaturen von –40°C bis +70°C gelagert werden können. Diese Temperaturunterschiede müssten bei der Auswahl der Dichtungen berücksichtigt werden. Ferner müssten die Zylinder im Werk der N in I2 vor der Auslieferung nach einem von S festgelegten Verfahren geprüft werden.
407Mit Telefax vom 26.12.1999 (BH 28, 53) übersandte S3 der N den Entwurf eines "Memorandum of Understanding" zwischen TIL, der N sowie der N7 und bat um Überprüfung der darin vorgesehenen Regelungen. In dem Vertragstext heißt es unter anderem, U2 habe einen Auftrag über den Bau von zwei "Mobile Aerial Lifters" (was wohl mit "mobile Luftbrücken" zu übersetzen ist) erhalten, die auf ein Lkw Fahrgestell montiert werden sollten; dass es sich um einen Auftrag der indischen Verteidigungsorganisationen für ein mobiles Radarsystem handelte, wurde bewusst nicht erwähnt, um dem Joint Venture einen zivilen Anstrich zu geben. Weiter heißt es, man gehe davon aus, dass derartige Artikel in Zukunft in großer Menge benötigt würden. Die Unternehmen würden eine exklusive Zusammenarbeit bei diesem Programm vereinbaren; die N solle den Hauptzylinder und möglicherweise weitere Artikel liefern.
408Mit Telefax vom 29.12.1999 (BH 14, 17) an M6 stellte S3 noch einige technische Fragen zu dem Mastzylinder und wies darauf hin, dass in Hyderabad am 5.1.2000 technische und kommerzielle Verhandlungen zu dem Mast-Projekt stattfänden.
409Mit Telefax vom 3.1.2000 (Ordner 5, 346) übersandte S3 dem Angeklagten zu 1) und M6 das von ihm – S3 – für die N7 sowie von U2 unterzeichnete "Memorandum of Understanding" und bat nunmehr den Angeklagten zu 1) um seine Unterschrift. Darüber hinaus informierte S3 den Angeklagten zu 1) und M6 darüber, dass U2 beabsichtige, zwei Mastzylinder bei der N zu bestellen. Mit Telefax vom selben Tage (BH 15, 15) an S3 warf M6 die Frage auf, ob der Kunde wisse, dass die zwischenzeitlich seitens der N vorgeschlagene Kunststoffbeschichtung für das Außenrohr nicht nur weniger glänze, sondern auch besser schütze als die übliche Chrombeschichtung.
410Der Angeklagte zu 1) beschloss, für die Lieferung der Zylinder – falls es zu einer verbindlichen Auftragserteilung kommen sollte – keine Ausfuhrgenehmigung zu beantragen, obwohl er wusste, dass die Zylinder für ein Radarsystem der indischen Streitkräfte bestimmt waren und ihm von daher klar war, dass die N die Zylinder als Bestandteile eines Rüstungsgutes nicht ohne Genehmigung der Exportbehörden ausführen dürfte. Um vor dem Hintergrund der von ihm erwarteten Folgeaufträge für die Mastzylinder bei den Auslieferungen keine Probleme mit den Zollbehörden zu bekommen, fasste der Angeklagte zu 1) den Entschluss, das BAFA unter Vorspiegelung falscher Tatsachen um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die geplanten Exporte zu bitten. Er wandte sich deshalb im Namen der N mit einem Schreiben vom 5.1.2000 (Ordner 5, 223) an das BAFA, das wie folgt lautete:
411"...Export nach Indien
412Sehr geehrte Damen und Herren,
413Sehr geehrter Herr G3,
414die Firma N hat sich in den letzten Jahren als Marktführer bei der Herstellung und Lieferung von Hydraulikzylindern und hydraulischen Spezialelementen für die deutsche und europäische Mobilkranindustrie entwickelt. Zum Lieferumfang gehören dabei insbesondere Teleskopzylinder, Wippzylinder, Abstützzylinder, Achsblockierungs- und Lenkzylinder sowie Drehdurchführungen. Zum Kundenkreis gehören u.a. Firmen wie M12, E7, Q6, 14 (alle genannten Firmen in Deutschland ansässig) sowie Q7 (Frankreich).
415Über unsere Verkaufsniederlassung in Indien, N7, bemühen wir uns seit einiger Zeit, in geschäftliche Beziehungen zu dem führenden Kranhersteller in Indien, der Firma U2, Calcutta, zu treten. Neben Autokranen stellt die Firma U2 Baumaschinen und diverse Erdbewegungsmaschinen her, die in nicht unerheblichem Maße hydraulische Zylinder, Drehdurchführungen und Spezialventile beinhalten.
416Zur Festigung der eigenen Marktposition ist es Wunsch von U2, mit der Firma N eine Exklusivvereinbarung zur Belieferung von Elementen abzuschließen, bei denen Montanhydraulik-Produkte den neuesten Stand der technischen Entwicklung darstellen. In der Anlage fügen wir ein vom Kunden verfasstes "Memorandum of Understanding" bei. Bei den darin angesprochenen Teleskopierzylindern handelt es sich um ein Teleskopsystem für Geräte, die üblicherweise als "Men-Lift" bzw. "Teleskop-Arbeitsbühnen" bezeichnet werden.
417Da die Firma N sehr zuversichtlich ist, den Lieferumfang an die Firma U2 für Kräne und Baumaschinen etc. in den nächsten Jahren erheblich auszuweiten, bitten wir um Überprüfung, ob uns eine grundsätzliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für die anstehenden Exporte ausgestellt werden kann......."
418In dem Schreiben verschwieg der Angeklagte zu 1) bewusst, dass die in Rede stehenden Zylinder für ein Radarsystem der indischen Streitkräfte bestimmt waren; auch das von ihm dem Schreiben beigefügte "Memorandum of Understanding" enthielt wie oben ausgeführt lediglich den – nichtssagenden – Hinweis auf "Mobile Aerial Lifters" und erwähnte mit keinem Wort, für welche Art von Gerät die Zylinder tatsächlich bestimmt waren.
419Mit Schreiben vom 11.1.2000 (BH 15, 13) übersandte der Angeklagte zu 1) dem BAFA in Ergänzung zu seinem Schreiben vom 5.1.2000 ein Telefax der U2 vom 8.1.2000 (BH 15, 12), das wie folgt lautet:
420"....Sehr geehrter Herr M,
421wir freuen uns, dass wir mit Ihnen in dem renommierten Mobilmastprojekt zusammen arbeiten. Wir sehen dies als den Beginn einer langfristigen Beziehung zwischen den beiden Unternehmen zum gemeinsamen Nutzen. Ich ergreife die Gelegenheit, Sie herzlich einzuladen, unser Werk in Calcutta so bald wie möglich zu besuchen. Wir sind die führenden Hersteller von Mobilkränen in Indien und arbeiten mit H5, USA zusammen. Außer Mobilkränen produzieren wir noch Gabelstapler in Zusammenarbeit mit der C5, Vereinigtes Königreich und Schubgabelstapler in Zusammenarbeit mit M13, Spanien. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören, und senden beste Grüße......."
422Mit Telefax vom 13.1.2000 (Ordner 5, 206) übersandte der Angeklagte zu 1) der U2 – unter Bezugnahme auf ein mit dem Geschäftsführer geführtes Telefonat – ein Exemplar des nunmehr auch von ihm für die N unterschriebenen "Memorandum of Understanding". Er teilte ferner mit, dass die beiden Zylindersätze Ende März 2000 geliefert werden könnten und die Außenrohre eine besondere, vielschichtige Verchromung mit hoher Korrosionsbeständigkeit erhalten würden.
423Unter dem 15.1.2000 sandte U2 der N – zu Händen des Angeklagten zu 1) – den förmlichen Kaufauftrag (BH 14, 18) über zwei Mastzylinder für insgesamt 190.000,- DM. Wie es zu dem geringeren Preis – verglichen mit dem Angebot vom 20.12.1999 – kam, hat die Kammer nicht feststellen können. Hinsichtlich der Beschichtung teilte U2 mit, dass der Kunde – gemeint war die S – zwar weiterhin die Kunststoffbeschichtung bevorzuge, U2 jedoch versuchen werde, sich die billigere Chrombeschichtung genehmigen zu lassen. Mit Schreiben vom 24.1.2000 (Ordner 5, 202) stellte M6 U2 in Aussicht, dass die Auftragsbestätigung in Kürze übersandt werde. Er wies ferner darauf hin, dass der zweite Zylinder erst Ende Mai geliefert werden könne und dass eine Kunststoffbeschichtung zu Mehrkosten in Höhe von 5.000,- DM pro Zylinder sowie einer Lieferverzögerung von zwei Wochen führen würde.
424Mit Schreiben vom 25.1.2000 (Ordner 5, 220) antwortete das BAFA der N, dass die in der Anfrage vom 5.1.2000 beschriebene Ware weder von der Ausfuhrliste (Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung) noch von der EG-dual-use-Verordnung erfasst werde; für die Ausfuhr dieser Ware bestünden keine Genehmigungspflichten.
425Hätte das BAFA den wahren Bestimmungszweck der Zylinder gekannt, hätte es die N zur Stellung eines formalen Ausfuhrantrages aufgefordert. Eine Exportgenehmigung wäre nicht erteilt worden, da die Bundesregierung seinerzeit nach den von Indien und Pakistan im Mai 1998 durchgeführten Atomtests (vgl. B. I. 6. a) ihre Rüstungsexportpolitik hinsichtlich dieser beiden Länder verschärft hatte. Erlaubt wurden seitdem nur noch Ausfuhren für drei konventionelle Rüstungsprojekte, die seitens des Bundessicherheitsrates abgesegnet worden waren und bereits seit vielen Jahren liefen.
426M6, der das Schreiben des BAFA als erster zur Kenntnis genommen hatte, informierte umgehend den Angeklagten zu 1) über dieses Ergebnis.
427Mit Telefax vom 27.1.2000 (Ordner 5, 199) übersandte S3 dem Angeklagten zu 1) ein Schreiben der U2, in welchem das Unternehmen auf ein Treffen mit S am 31.1.2000 hinwies. Er – S3 – bat darum, die Abmessungen des Zylinders noch einmal zu überprüfen, da es diesbezüglich Abweichungen zwischen dem Angebot der N und einer übersandten Zeichnung gebe. M6 beantwortete das Telefax noch am selben Tage und stellte das Missverständnis gerade. Am 31.1.2000 (Ordner 5, 196), 7.2.2000 (Ordner 5, 195) und 8.2.2000 (Ordner 5, 194) sandte S3 jeweils ein Telefax an M6, in denen es um technische Details und Nachfragen bezüglich der Zylinder ging. M6 beantwortete die Faxe jeweils umgehend per E-Mail, deren Inhalt in der Hauptverhandlung nicht mehr festgestellt werden konnte. Mit Telefax vom 18.2.2000 (BH 20, 13) fragte die N bei der N16 mit Sitz in T10 nach den Kosten von Kunststoffbeschichtungen für die beiden Außenrohre des Mastzylinders. Es stellte sich heraus, dass diese tatsächlich bei mehreren tausend DM pro Zylinder lagen.
428Mit Telefax vom 23.2.2000 (BH 14, 22) übersandte M6 der U2 die Auftragsbestätigung, die entsprechend der Bestellung vom 15.1.2000 als Beschichtung eine Verchromung vorsah. Mit Telefax vom 24.2.2000 (Ordner 5, 187) an M6 teilte U2 mit, dass nach einer Rücksprache mit S diese keine Kunststoffbeschichtung, sondern vielmehr eine Verchromung mit einer Oberfläche wünsche, die so matt wie möglich gehalten sei. Mit Telefax vom 2.3.2000 (Ordner 5, 183) und 3.3.2000 (Ordner 5, 182) klärten U2 und M6 weitere technische Details. Letzterer wies unter anderem darauf hin, dass eine matt polierte Chrombeschichtung technisch nicht möglich sei.
429Mit Telefax vom 8.3.2000 (Ordner 5, 176) teilte M6 der U2 mit, dass nicht mehr alle in den vorangegangenen Telefaxen geäußerten technischen Änderungswünsche berücksichtigt werden könnten, da sich der erste Zylinder bereits in der Produktion befinde. Die N werde die wichtigsten Bitten umsetzen; dies führe aber zu einer Verschiebung der Lieferzeit für den ersten Mastzylinder um vier Wochen. Mit Telefax vom 10.3.2000 (Ordner 5, 165) wies M6 die U2 unter Bezugnahme auf eine E-Mail dieses Unternehmens vom 9.3.2000 mit erneuten Änderungswünschen darauf hin, dass die N aufgrund der zahlreichen Änderungswünsche entschieden habe, den Zylinder aus der Produktion zu nehmen. Die Anfertigung neuer Zeichnungen, deren Überprüfung, die Erstellung einer neuen Teileliste und die Bestellung sämtlicher Teile werde mindestens weitere vier Wochen in Anspruch nehmen. Um den Endkunden S nicht zu verärgern, biete die N an, auf eigene Kosten die Rohre mit einer Kunststoffbeschichtung zu versehen. M6 setzte den Angeklagten zu 1) über dieses großzügige Angebot in Kenntnis, der sich damit einverstanden erklärte. U2 antwortete am nächsten Tag per E-Mail (Ordner 5, 164) und zeigte sich besorgt hinsichtlich der angekündigten Lieferverzögerung. Das Unternehmen bat darum, die Zylinder, um den Zeitverlust zu kompensieren, per Luftfracht zu schicken, obwohl dies ihre ohnehin schon sehr dünne Gewinnmarge weiter verringern werde.
430Mit einer E-Mail vom 12.3.2000 (Ordner 5, 162) an M6 stellte U2 eine Vielzahl von Fragen hinsichtlich der Kunststoffbeschichtung, welche die N an die N16 weitergab (BH 20, 2); mit einer E-Mail vom 15.3.2000 (Ordner 5, 160) übermittelte die N die von der N16 erhaltenen Antworten an U2. Zwischen dem 19. und dem 22.3.2000 wurden zahlreiche E-Mails zwischen dem technischen Büro der N und U2 über die Kunststoffbeschichtung und über die in die Zylinder einzubauenden Ventile ausgetauscht (Ordner 5, 157 und 152 – 155). U2 drängte jeweils auf schnelle Beantwortung ihrer Fragen unter Hinweis darauf, dass am 24.3.2000 der Leiter des Mastprojektes von S zu einer diesbezüglichen Besprechung zu U2 komme.
431Mit E-Mail vom 25.3.2000 (Ordner 5, 150) teilte U2 M6 mit, dass S mit der Kunststoffbeschichtung einverstanden sei, jedoch aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Reparaturfähigkeit der Beschichtung um die Übersendung eines zusätzlichen Reparatursatzes bitte. U2 habe eine Vertragsstrafenklausel für den Fall, dass die Lieferung sich weiter verzögere, akzeptieren müssen. U2 bat M6 um persönliche Unterstützung, dass der erste Zylindersatz bis zum 15.4.2000 und der zweite bis zum 30.4.2000 fertig gestellt sei. Mit Schreiben von demselben Tag übersandte U2 an M6 einen drei Seiten umfassenden Testplan für die Zylinder (Ordner 5, 144). Mit E-Mail vom 10.5.2000 (Ordner 5, 136) erläuterte U2 M6 auf eine Nachfrage von seiner Seite hin die Anforderungen in dem Testplan; mit einer E-Mail vom nächsten Tag (Ordner 5, 134) beschwerte sich M6 bei U2 über die sehr umfangreichen Anforderungen an das Prüfverfahren.
432Mit einer E-Mail vom 14.5.2000 (Ordner 5, 129) fragte U2 bei S3 nach, warum man von der N nichts mehr gehört habe, und bat um Informationen. S3 antwortete U2 umgehend per E-Mail, dass das Unternehmen, welches mit der Kunststoffbeschichtung beauftragt sei, die Verzögerung zu verantworten habe. S3 sandte die beiden E-Mails zur Kenntnisnahme an M6 und an den Angeklagten zu 1). Mit einer zweiten E-Mail (Ordner 5, 126) von demselben Tag wies U2 M6 darauf hin, dass die umfangreichen Abnahmetests erforderlich seien, da es sich um einen einzigartigen Zylinder handele, den die N in der Weise vorher noch nicht hergestellt habe. Mit Telefax vom 18.5.2000 (Ordner 5, 125) präzisierte S3 einzelne Testanforderungen unter Hinweis darauf, dass er sich diesbezüglich bei S erkundigt habe. Entscheidend sei vor allem eine Prüfung der Zylinder dahin, dass sich das gesamte System nicht durchbiege.
433Mit Telefax vom 26.5.2000 (Ordner 5, 121) teilte M6 U2 den 21.6.2000 als frühesten Liefertermin für den ersten Mastzylinder mit. Mit E-Mail vom 26.5.2000 (BH 15, 20) schrieb U2 an M6, dass ein Ingenieur von S zu der Abnahme nach I2 kommen wolle. M6 teilte in seiner Antwort vom 29.5.2000 (BH 15, 20) mit, dass die Prüfung der Zylinder für den 19. bis 21. Juni geplant sei und bat U2, die Flüge entsprechend zu buchen.
434Mit Schreiben vom 30.5.2000 (Ordner 5, 96) – adressiert an den Angeklagten zu 1) und M6 – übersandte die N7 dem Angeklagten zu 1) und M6 den offiziellen zweiundzwanzigseitigen Abnahmetestplan von S für den "mobilen Antennenmast". Die erste Seite beginnt mit einer "Einführung", in der das gesamte System beschrieben wird; dort heißt es wörtlich:
435"Das System ist auf dem TATRA 815 VVL zu montieren und besteht aus einem mehrstufigen, teleskopischen Hydraulikzylinder mit Verriegelungsvorrichtung, um die zwischen den Rohren stattfindende Rotation im Zylinder auf jeder beliebigen Höhe abzustoppen. Vier hydraulisch betätigte Ausleger mit Stabilisatoren heben das Fahrzeug vom Boden ab. Der mehrstufige Zylinder wird in vollständig geschlossenem Zustand in horizontaler Position während des Transportes befördert. Vier mit Schrauben versehene mehrstufige teleskopische Verstrebungen, die an dem Teleskopzylinder angebracht sind, werden während des Transportes ebenfalls in geschlossenem Zustand gehalten. Ein heb- und senkbarer Zylinder ist vorgesehen, um den Mast in die Vertikale zu bekommen. Das System ist so konstruiert, dass es eine Windgeschwindigkeit von 160 km/h übersteht. Ein Notstromgerät ist vorgesehen, um den vollständigen Betrieb des Masts zu gewährleisten, sollte der Zapfwellenantrieb des Fahrzeugs ausfallen.
436Ein separates System, das als "Device for Antenna Transfer (DAT)" (Gerät für Antennenübertragung) bekannt ist, montiert man auf einem ähnlichen Fahrzeugchassis, das die Antenne, den zusammenlegbaren Kran und weiteres Zubehör trägt, ist neben dem Mastfahrzeug anzuordnen. Eine Rundplattform, die ordnungsgemäß an einem Verstrebungsträger angebracht wird, ist im DAT Fahrzeug aufzubewahren und vor dem Heben/senken des Mastes zu befestigen. Dann ist die Antenne vom DAT Fahrzeug an den Mast zu übertragen, wobei die Reflektoren in horizontaler Position gehalten werden. Danach ist der eingebaute Antennenreflektor an das Hydrauliksystem des Mastes anzuschließen und so zu bedienen, dass die Reflektoren in vertikale Stellung gebracht werden. Alle vier Hebezeuge sind so ausgelegt, dass, wenn der Mast beim Herausfahren in vertikaler Position ist, die Hebezeuge die Lenkseile bei einer zuvor eingestellten Spannung von 1000 kg lösen. Sobald der Mast auf die erforderliche Höhe heraus gefahren ist, werden sämtliche Systeme durch Druckaufbau in den Lenkseilen verriegelt gehalten. Sämtliche Hydrauliksysteme sind durch eine geeignete Hydraulikpumpe zu bedienen, die am Zapfwellenantrieb des Fahrzeugmotors angebracht sind."
437Auf Seite 17 des Testplans heißt es unter "Antennenspezifikation" wie folgt: "5 m x 3 m eingeklappt, rotierender Typ, 16 UpM, ungefähres Gewicht 1800 kg".
438Unter Punkt 2.2 schreibt der Plan unter anderem vor, dass der Mastzylinder einer Funktionsprüfung mit einer fiktiven Belastung von zwei Tonnen zu unterziehen ist; dazu soll ein entsprechendes Gewicht auf dem Zylinder befestigt und dieser sodann fünfzehn Mal auf- und abgefahren werden.
439Mit Telefax vom 6.6.2000 (Ordner 5, 117) teilte S3 dem Angeklagten zu 1) und M6 – ohne dies weiter zu begründen – mit, dass nunmehr weder von U2 noch von S ein Ingenieur zur Abnahme nach Deutschland kommen werde. Mit Telefax vom 13.6.2000 (Ordner 5, 82) übersandte M6 U2 die Berichte über die Prüfungen, welche die N entsprechend dem Abnahmetestplan bei den Mastzylindern durchgeführt hatte.
440Ende Juni 2000 (BH 20, 5) stellte die N16 der N für die Beschichtung der beiden Außenrohre 14.651,- DM in Rechnung.
441Am 29.6.2000 (BH 14, 24) lieferte die N den ersten und am 26.7.2000 (BH 15, 4) auch den zweiten Mastzylinder an U2 aus und zwar jeweils – wie gewünscht – per Luftfracht. Eine Ausfuhrgenehmigung des BAFA hatte die N – wie seitens des Angeklagten zu 1) von Anfang an geplant – für die Exporte nicht eingeholt; diese erfolgten jeweils unter Vorlage einer einfachen Ausfuhranmeldung.
4423. Das weitere Geschehen nach der Auslieferung der Zylinder
443Mit E-Mail vom 20.8.2000 (Ordner 5, 36) an M6 bat U2 hinsichtlich der beiden Zylinder um einen Preisnachlass, da ihr durch die Luftfracht deutliche Mehrkosten entstanden seien. Die Luftfracht sei nur notwendig geworden, weil die N die Zylinder erst mit Verzögerung fertiggestellt habe. M6 lehnte per E-Mail (Ordner 5, 35) von demselben Tag eine Preisreduzierung ab. Er verwies darauf, dass die Zylinder vom technischen Standpunkt aus absolut einzigartig und besonders seien. Sie seien auch für die N Prototypen und man habe viel mehr Zeit als ursprünglich geplant in die Produktion stecken müssen. Die N werde diese Aufwendungen U2 nicht in Rechnung stellen, aber eine Preissenkung sei nicht möglich. Mit Telefax vom 22.8.2000 (Ordner 5, 25) an M6 bezifferte U2 seinen Gesamtverlust aus dem Auftrag mit ca. 85.000,- DM und bat nochmals um einen Nachlass. Nachdem die N einen solchen endgültig abgelehnt hatte, beglich U2 schließlich die Rechnungen für die beiden Zylinder.
444Mit Telefax vom 31.8.2000 (Ordner 5, 23) fragte U2 nach technischen Details bezüglich der Montage der Zylinder und erinnerte an die in der E-Mail vom 25.3.2000 angesprochene Übersendung des Reparatursatzes für die Kunststoffbeschichtung. Mit Telefax vom 11.9.2000 (Ordner 5, 24) berichtete U2 der N, dass sie einen der gelieferten Zylinder in das Gesamtsystem eingebaut und anschließend getestet hätten. Dabei habe man den Mastzylinder problemlos auf seine volle Länge ausfahren und ihn auch wieder einfahren können; über Nacht sei er acht Stunden lang in der geschlossenen, vertikalen Position geblieben. Morgens habe man feststellen müssen, dass mehrere Liter Öl aus dem Luftfilter ausgetreten seien; U2 bat um technische Ratschläge zur Lösung des Problems. Mit Telefax vom 30.9.2000 (Ordner 5, 14) teilte U2 der N mit, dass die Schwierigkeiten mit dem auslaufenden Öl inzwischen behoben seien; dafür vibriere der Zylinder jetzt allerdings. Mit Telefax vom 11.10.2000 (Ordner 5, 12) bat U2 um eine Ersatzteilliste für den Mastzylinder und erneut um den Reparatursatz. Ferner teilte das Unternehmen mit, dass das erste Komplettsystem fertiggestellt und an S ausgeliefert worden sei. Am 18.1.2001 (Ordner 5, 1) übersandte die N der U2 schließlich den gewünschten Reparatursatz für die Kunststoffbeschichtung.
445Mit Telefax vom 24.11.2000 (BH 24, 4) berichtete der bereits mehrfach erwähnte T6 – Leiter des Verbindungsbüros der I in Kalkutta – dem Leiter der Exportabteilung der I über verschiedene Informationen bezüglich des Radarsystems, die er bei S in Erfahrung gebracht hatte. Er teilte mit, dass U2 das erste der beiden zunächst bestellten Systeme, für die die N die Mastzylinder geliefert habe, der S zwecks Durchführung von Belastungstests übergeben habe; das zweite System befinde sich derzeit noch bei U2 in der Produktion. Die beiden Einheiten seien für die indische Luftwaffe bestimmt. Bei S habe man bei dem Mastzylinder zunächst eine Lastprüfung vorgenommen, indem man ihn 72 Stunden lang mit einer 2300 kg schweren Dummy-Antenne im ausgefahrenen Zustand gehalten und ausschließlich einer Bauteilprüfung unterzogen habe; dieser Test sei zufriedenstellend verlaufen. Bei einem weiteren Belastungstest in Gegenwart eines Ingenieurs der Qualitätssicherungsabteilung der E5 und von Angehörigen der Luftwaffe habe der Mast wegen eines Ventilausfalls nicht aufgerichtet werden können; möglicherweise seien auch noch einige weitere Probleme in dem System aufgetreten. Techniker der U2 hätten inzwischen das Ventil ausgetauscht und die notwendigen Instandsetzungsarbeiten beendet; daher seien die Ingenieure der S zuversichtlich, dass der Mast die Lastprüfung bestehen werde. Einige Techniker von S seien zunächst skeptisch gewesen, ob der dünne Zylinder der N in der Lage sei, eine Last von 2300 kg aufzunehmen; nunmehr seien sie aber in Bezug auf dessen Leistungsfähigkeit zuversichtlich.
446Ende Januar 2002 bat der Angeklagte zu 1) auf Veranlassung von U2 die N16 um Hilfe, da die Kunststoffbeschichtung am Außenrohr des Mastes teilweise abgeplatzt war. Die N16 beschrieb ihm in einer E-Mail vom 1.2.2002 (Band 4 der Hauptakten, 161), wie die Schäden zu beheben seien. Der Angeklagte zu 1) leitete diese Informationen an U2 weiter. Das Unternehmen testete die Reparaturmöglichkeiten zunächst erfolgreich an kleineren abgeplatzten Stellen; daher wollte U2 auch größere Flächen reparieren und bat die N um die Übersendung eines weiteren Reparatursets. Infolgedessen bestellte die N unter dem 22.11. 2002 (BH 21, 1) bei der N16 einen Reparatursatz für 124,82 € und schickte ihn an U2.
447Letztlich wurde das Projekt von S nicht zu Ende geführt; das hier in Rede stehende Radarsystem mit dem von der N entwickelten Teleskopzylinder wurde nicht bei den indischen Streitkräften eingeführt. Es spricht alles dafür, dass der ausgefahrene Mast unter realistischen Einsatzbedingungen aufgrund der von der rotierenden Radarantenne ausgehenden Drehkräfte – insbesondere bei starkem Wind – nicht die für eine Funktionsfähigkeit des Systems erforderliche Stabilität aufwies.
448Die Kammer hat nicht sicher festzustellen vermocht, inwieweit M6 in alle Gegebenheiten eingeweiht war und ob er bei der gegen das Außenwirtschaftsgesetz verstoßenden Lieferung der Mastzylinder bewusst und willentlich mit dem Angeklagten zu 1) zusammengewirkt hat; er war nie Beschuldigter des vorliegenden Strafverfahrens.
449Hinsichtlich des Angeklagten zu 2), dem in der Anklageschrift vom 27.4.2004 die beiden hier in Rede stehenden Zylinderlieferungen als Mittäter des Angeklagten zu 1) zur Last gelegt worden sind, hat die Kammer insoweit das Verfahren gemäß § 154 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StPO vor dem Hintergrund eingestellt, dass sich der Angeklagte zu 2) vom 1.7.1999 bis Ende 2002 praktisch ausschließlich um die Belange der neu erworbenen H und nicht mehr um die Geschäfte der N gekümmert hat.
450C. Grundlagen der Feststellungen und Beweiswürdigung
451I. Allgemeines
452Die Feststellungen beruhen auf den Einlassungen der Angeklagten, soweit ihnen gefolgt werden konnte, den durchgeführten Augenscheinseinnahmen, den Angaben der vernommenen Zeugen und Sachverständigen sowie insbesondere auf den ausweislich des Protokolls durch Verlesung beziehungsweise im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführten Urkunden. Um diesbezüglich eine Überprüfung zu ermöglichen, sind die für die Feststellungen relevanten Schriftstücke dort mit der jeweiligen Fundstelle (und zwar jeweils mit der ersten Seite) versehen worden. Der Inhalt vieler Urkunden – insbesondere derjenigen, die unmittelbar mit der N zusammenhängen – ist zusätzlich mit beiden Angeklagten im Rahmen ihrer Äußerungen zur Sache erörtert worden. Zahlreiche Schriftstücke, die die I bzw. die N2 betreffen, sind den Zeugen I10 und Q4 (früher bei der I beschäftigt) bzw. T8 und C4 (von der N2) vorgehalten worden. Soweit Urkunden ausschließlich für die Beweiswürdigung von Bedeutung sind und deshalb nur hier erwähnt werden, finden sich auch hier die jeweiligen Fundstellen.
453II. Komplex "Vorgeschichte und Rahmengeschehen" (Punkt B. I. der Feststellungen)
454Die Feststellungen zu den Unterpunkten 1. bis einschließlich 5. dieses Komplexes beruhen auf den Angaben der Angeklagten, bei Unterpunkt 5. ("Außenwirtschaftsprüfung") ergänzt durch die glaubhaften Angaben der Zeugen I8 und C3 sowie durch die erwähnten – im Wege des Selbstleseverfahrens in die Hauptverhandlung eingeführten – Schriftstücke aus dem Sonderheft "Außenwirtschaftsprüfung bei der N". Die Feststellungen zu Unterpunkt 6. ("Entwicklung des indischen Raketenprogramms") basieren auf Internetrecherchen, die der ZAM T12 des Zollkriminalamtes (ZKA) Köln in dem Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der I (156 Js 579/01 StA Würzburg) durchgeführt und deren Ergebnisse er in dem BMO 12 dieses Verfahrens abgeheftet hat; die für die Feststellungen relevanten Internetausdrucke sind gemäß § 249 StPO in die Hauptverhandlung eingeführt worden. Die Kammer hat zusätzlich den ZAM T12 als sachverständigen Zeugen vernommen, der nach seinen Angaben beim ZKA im Bereich Außenwirtschaftsrecht tätig ist und sich dort speziell mit der Exportkontrolle im Zusammenhang mit Raketen und sonstiger Trägertechnologie beschäftigt. Er hat glaubhaft bekundet, dass er bei den von ihm vorgenommenen Internetauswertungen darauf geachtet habe, nur solche Erkenntnisse auszudrucken und in dem BMO 12 abzuheften, die er aufgrund ihrer Übereinstimmung mit ihm aus anderen Quellen (wie beispielsweise Nachrichtendiensten) zur Verfügung stehenden Informationen als zutreffend bewertet habe. Angesichts dieser überzeugenden Ausführungen hat die Kammer an der Zuverlässigkeit dieser Interneterkenntnisse keine Zweifel.
455III. Komplex "Agni" (Punkte B. II. bis einschließlich VII. der Feststellungen)
4561.
457Der Angeklagte M6, der die zu diesem Komplex gehörenden Anklagepunkte bestritten hat, hat sich diesbezüglich – abweichend von den tatsächlichen Feststellungen – zusammengefasst wie folgt eingelassen:
458Er könne sich bis heute nicht vorstellen, dass die im Rahmen dieses Komplexes von der N produzierten und bis auf die zwei großen Teleskopzylinder der Kommission 3566 auch ausgelieferten Zylinder und -rohre für die Entwicklung eines Prototypen einer mobilen Raketenstartrampe bestimmt gewesen seien. Er sei aufgrund der ihm bekannt gewordenen Fakten immer davon ausgegangen, dass die verschiedenen als Besteller aufgetretenen indischen Regierungsstellen die fraglichen Zylinder bzw. -rohre für die Entwicklung eines Brückenlegefahrzeuges hätten verwenden wollen.
459Bezüglich der ersten unter den Kommissionsnummern 7572 und 7955 exportierten Zylinder habe er bis Anfang Mai 1996 überhaupt nicht gewusst, wofür diese gedacht gewesen seien. Erst als die beiden indischen Ingenieure am 3.5.1996 die N aufgesucht hätten, habe er erfahren, dass das indische Verteidigungsministerium die Zylinder für ein Brückenlegerprojekt benötige. Die zwei Inder hätten ihm von sich aus die in den Feststellungen näher beschriebene Brückenlegerzeichnung vorgelegt und anhand dieser erklärt, an welchen Stellen der Horizontal-, der Teleskop- und die beiden Neigezylinder eingebaut werden sollten. Da das Gespräch einen technischen Verlauf genommen habe, habe er seinen Projektleiter M9 hinzugeholt, für den er – da dieser kein englisch spreche – übersetzt habe. An und für sich sei es für den Hersteller von Zylindern gleichgültig, in welche Art von Gerät diese letztlich eingebaut würden; wichtig seien nur die vom Besteller vorzugebenden technischen Spezifikationen für den oder die gewünschten Zylinder. Von daher habe es ihn auch eigentlich gar nicht interessiert, dass die Inder die Zylinder für die Entwicklung eines Brückenlegerfahrzeuges hätten verwenden wollen.
460Bei den Verhandlungen in London am 7.5.1996 sei über die geplante Verwendung der Zylinder nicht mehr gesprochen worden; dort sei es nur um Preise und Liefertermine gegangen. Als er dort I11 getroffen habe, sei ihm endgültig klar geworden, dass sich die N und die I als Konkurrenten um die erhofften indischen Aufträge bemühten; schon bei dem Treffen mit den zwei indischen Ingenieuren am 3.5.1996 habe er gewusst, dass diese auch die I aufsuchen würden.
461Nachdem die N zunächst im Mai 1996 den Auftrag für die beiden Neigezylinder und sodann im August 1996 auch die Bestellung über den Horizontal- sowie den Teleskopzylinder erhalten und mit sehr knapp bemessenen Lieferfristzusagen bestätigt habe, sei sofort mit der Erstellung der Zeichnungen und der Produktion begonnen worden. Obwohl ihm klar gewesen sei, dass die Aufträge seitens der indischen Regierung erteilt worden waren und die Lieferung von Rüstungsgüterbestandteilen zum Gegenstand hatten, habe er sich zunächst keine Gedanken über die Frage der Einholung einer Ausfuhrgenehmigung gemacht. Ihm habe das Fachwissen und die sensibilität gefehlt, dass beim Export von für ein militärisches Endprodukt bestimmten Zylindern nach Indien eine Genehmigung erforderlich sei; dies sei möglicherweise darauf zurückzuführen, dass die N seinerzeit bereits seit 15 Jahren Geschäfte mit Indien gemacht und zumindest an deutsche Abnehmer auch Zylinder für militärische Geräte geliefert habe. Irgendwann im Laufe des Jahres 1996 habe er aus Indien die Information erhalten, die I könne die bei ihr bestellten Zylinder nicht liefern, weil sie Probleme mit der Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung habe. Wer ihm diese Mitteilung gemacht habe, wisse er nicht mehr; vermutlich sei es Ashok S3 gewesen. Er – der Angeklagte – habe daraufhin sofort den in der Verkaufsabteilung der N für den Export zuständigen Sachbearbeiter I8 gebeten, sich um die Frage der Notwendigkeit einer Genehmigung zu kümmern, was dieser auch umgehend mit der am 7.11.1996 erfolgten Nachfrage bei der OFD Münster getan habe. Warum trotz des extremen Zeitdrucks das BAFA erst am 5.2.1997 wegen der Frage einer Genehmigungsbedürftigkeit des geplanten Exports angeschrieben worden sei, wisse er nicht. Bezüglich der beiden Sätze bestehend aus je zwei kleinen Zylindern mit Zylinderverbindung (Kommission 9284) sei er aufgrund des Schreibens des. H3 an S3 vom 28.8.1997, das dieser an ihn weitergeleitet habe, davon ausgegangen, dass die Ingenieure der S auch diese Zylinder für ihre Entwicklung eines Brückenlegerprototypen verwenden wollten. Denn in diesem Schreiben heiße es unter Bezugnahme auf die im Mai 1997 ausgelieferten Kommissionen 7572 und 7955, die nunmehr angefragten Zylinder würden für "dasselbe Projekt" benötigt. Er könne sich allerdings technisch nicht erklären, welche Funktion diese Zylinder bei einem Brückenleger haben könnten; auch auf der ihm am 3.5.1996 vorgelegten Brückenlegerzeichnung könne er keine Verwendungsmöglichkeit erkennen. Dass die N für die Ausfuhr dieser Zylinder keine Genehmigung beantragt habe, beruhe nicht auf einer gezielten und bewussten Entscheidung. Er habe wohl angesichts des geringen Auftragswertes und aufgrund des Umstandes, dass es um eine Nachlieferung für den vorherigen genehmigten Export gegangen sei, über die Frage der eventuellen Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung gar nicht nachgedacht; er habe diesbezüglich kein Problembewusstsein gehabt.
462Auch bei den Zylindersätzen der Kommissionen 1547 und 2265 habe er angenommen, dass diese für das Brückenlegerprojekt bestimmt seien, da die indische Regierung die Bestellung dieser Zylinder, die nach ihren technischen Konfigurationen mit denen der Kommission 9284 nahezu identisch sind, jeweils unter Bezugnahme auf diese Lieferung als Wiederholungsauftrag bezeichnet habe. Auch bei der Ausfuhr dieser beiden Kommissionen habe er gar nicht darüber nachgedacht, ob die N eventuell eine Exportgenehmigung einholen müsse. Bei den beiden Zylinderrohren der Kommission 2745 sei für ihn schon aufgrund der Begleitumstände der Bestellung der Zusammenhang mit dem Brückenlegerprojekt klar gewesen, da die Inder ausdrücklich Rohre bestellt hätten, die denen der im Mai 1997 exportierten Neigezylinder (Kommission 7572) entsprechen sollten. Er habe seinerzeit angenommen, die Ingenieure der S hätten die Rohre der ursprünglich ausgeführten Zylinder irgendwie beschädigt. Da es sich um eine Ersatzlieferung gehandelt habe, habe er eine Genehmigung des BAFA nicht für erforderlich gehalten.
463Bei den großen Teleskopzylindern der Kommission 3566 sei er aufgrund der Vorgeschichte und der Gesamtumstände dieses Auftrages davon ausgegangen, dass auch diese Zylinder für die Entwicklung des Brückenlegerprototypen verwendet werden sollten. Die Ingenieure der S hätten sich schon relativ kurze Zeit nach der Auslieferung der ersten Kommissionen 7572 und 7955 – dies würden auch die Schreiben des S3 vom 25.10. und 1.12.1997 zeigen – nach den ungefähren Preisen für solche Teleskopzylinder als Alternative zu der Kombination aus Neige-, Horizontal- und Teleskopzylindern erkundigt; an die Einzelheiten könne er sich allerdings nicht mehr erinnern. Als die Inder dann in der zweiten Hälfte des Jahres 1999 konkrete Angebote für solche Teleskopzylinder eingeholt hätten, sei ihm klar gewesen, dass sie nunmehr endlich die einzig sinnvolle zylindertechnische Lösung für ihren Brückenlegerprototypen verfolgen würden; er habe schon beim ersten Blick auf die Brückenlegerzeichnung im Mai 1996 nicht verstanden, warum die indischen Ingenieure für das Verlegen der Brücke ein Sammelsurium von Zylindern verwenden wollten anstatt – was in Deutschland schon seit langer Zeit Stand der Technik sei – zwei große Teleskopneigezylinder einzusetzen. Warum die N bezüglich dieses Auftrages beim BAFA angefragt habe, ob eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich ist, wisse er nicht mehr genau. Möglicherweise sei dies auf das relativ hohe Auftragsvolumen zurückzuführen; es könne auch sein, dass er im Zusammenhang mit dieser Kommission die alte Ausfuhrgenehmigung aus dem Jahre 1997 gelesen, dabei festgestellt habe, dass sie nur für die damalige Lieferung gegolten und er deshalb dafür gesorgt habe, dass eine neue Anfrage gestellt worden sei. Die Versagung der beantragten Genehmigung durch das BAFA habe er nicht nachvollziehen können, aber letztlich hinnehmen müssen. Als er in dem Widerspruchsbescheid vom 11.12.2000 gelesen habe, dass die Teleskopzylinder auch in eine Raketenstartrampe passen könnten, habe er die Mitarbeiter des Amtes für "Spinner" gehalten. Weder durch die Ausführungen in diesem Bescheid noch durch die Durchsuchung bei der N am 17.7.2001, bei der er mit dem konkreten Verdacht der Ermittlungsbehörden konfrontiert wurde, schon die im Mai 1997 nach Indien gelieferten Zylinder seien für die Entwicklung einer mobilen Raketenabschussrampe bestimmt gewesen, seien in ihm Zweifel daran hochgekommen, dass alle im vorliegenden Komplex in Rede stehenden seitens der indischen Regierung bei der N bestellten Zylinder bzw. -rohre entsprechend den indischen Angaben tatsächlich für die Entwicklung eines Brückenlegerprototypen vorgesehen gewesen seien. Deshalb sei er auch kurz nach der Durchsuchung – und zwar im November 2001 – nach Indien geflogen und habe sich bei S eine Kopie der ihm im Mai1996 vorgelegten Brückenlegerzeichnung aushändigen lassen, um in dem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Dortmund seine Unschuld belegen zu können. Letztlich sei er bis heute davon überzeugt, dass die Zylinder bzw. -rohre für ein Brückenlegerprojekt bestimmt gewesen seien.
464Auf weitere Einzelheiten der Einlassung des Angeklagten zu 1) wird – soweit erforderlich – im Rahmen der eigentlichen Beweiswürdigung einzugehen sein.
4652.
466Der Angeklagte M2, der ebenfalls die dem vorliegenden Komplex zugrunde liegenden Tatvorwürfe von sich gewiesen hat, hat sich der Einlassung seines Onkels im Wesentlichen angeschlossen. Ergänzend hat er auf Folgendes hingewiesen: Seine Kenntnis davon, dass die im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Zylinder bzw. -rohre für ein Brückenlegerprojekt bestimmt gewesen seien, beruhe in erster Linie auf den Informationen, die ihm sein Onkel habe zukommen lassen. An der Besprechung vom 3.5.1996, bei der die zwei indischen Ingenieure die Brückenlegerzeichnung präsentiert hätten, habe er nicht teilgenommen. Auch ansonsten habe er persönlich keine Gespräche mit den indischen Bestellern geführt, bei denen ausdrücklich über den Verwendungszweck der Zylinder bzw. -rohre gesprochen worden sei. Ab dem 1.7.1999, als er zum Geschäftsführer der neu erworbenen Maschinenfabrik "H" berufen worden sei, habe er sich in erster Linie dort um die Integration dieses Betriebes in die N gekümmert; von daher sei er ab diesem Zeitpunkt nicht mehr mit den hier interessierenden Zylindergeschäften befasst gewesen und habe gewissermaßen nur am Rande davon etwas mitbekommen. Auch er habe nie – eigentlich bis heute nicht – daran gezweifelt, dass die zum vorliegenden Komplex gehörenden Zylinder bzw. -rohre entsprechend den seitens der indischen Besteller der N erteilten Informationen für die Entwicklung eines Brückenlegers bestimmt gewesen seien.
467Auch bezüglich dieses Angeklagten soll – soweit nötig – auf weitere Einzelheiten seiner Einlassung im Zusammenhang mit der eigentlichen Beweiswürdigung eingegangen werden.
4683.
469Die Kammer hält die Einlassungen der Angeklagten, soweit sie von den tatsächlichen Feststellungen abweichen, für widerlegt.
470a)
471Dass die indischen Besteller die im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Zylinder bzw. -rohre bei der N in Auftrag gegeben haben, um sie im Rahmen eines Projektes zur Entwicklung einer mobilen Abschussrampe für die Mittelstreckenrakete Agni einzusetzen (also gewissermaßen der objektive Sachverhalt), ergibt sich aus folgenden Überlegungen: Als Ausgangspunkt ist von zentraler Bedeutung, dass die verschiedenen zu diesem Komplex gehörenden Zylinderbestellungen bei der N nicht isoliert betrachtet werden dürfen. Vielmehr haben die indischen Regierungsstellen zunächst im Jahre 1996 gewissermaßen parallel sowohl die N als auch deren Hauptkonkurrenten, die I in M8, um die Abgabe von Angeboten für zwei Neigezylinder, einen Horizontalzylinder und einen Teleskopzylinder mit jeweils identischen technischen Vorgaben gebeten; sowohl der Angeklagte zu 1) als auch I11 haben sich am 7.5.1996 zu (getrennten) abschließenden Verhandlungen mit den indischen Auftraggebern in der indischen Botschaft in London getroffen. Die indische Regierung hat noch im Jahre 1996 beiden Unternehmen – teilweise zeitlich versetzt – Aufträge zur Produktion und Lieferung dieser Zylinder erteilt. Im zweiten Halbjahr 1999 forderten die indischen Verteidigungsinstitutionen erneut sowohl die I als auch das indische Tochterunternehmen der N – die N7 – auf, Angebote für zwei große Teleskopzylinder mit übereinstimmenden technischen Daten einzureichen. An den Ausschreibungsverhandlungen am 28.1.2000 in der "Agni Conference Hall" in der indischen Stadt Hyderabad haben sowohl I11 als auch S3 teilgenommen; unmittelbar darauf hat S diese Teleskopzylinder bei beiden Unternehmen in Auftrag gegeben. Dass die Inder sowohl die bei der I als auch die bei der N georderten Zylinder für dasselbe Projekt der Entwicklung eines Prototypen bestellt haben, ergibt sich bereits eindeutig aus zahlreichen Schreiben des indischen Leiters des I Liaison Office in Kalkutta, T6, an die Exportabteilung der I in M8 (Schreiben vom 5.5.1996, vom 14.6.1997, vom 16.6.1997, vom 12.1.1999 (BMO 7, 987), vom 15.1.1999 (BMO 7, 1004), vom 26.6.1999, vom 9.7.1999, vom 22.7.1999 und vom 3.9.1999 (BMO 7, 1034)). In diesen Schriftstücken wird nämlich immer wieder betont, dass die Inder die Zylinder der beiden Konkurrenten im Rahmen ihres "Entwicklungsprojekts" testen und miteinander vergleichen wollen, um erst dann zu entscheiden, welches Unternehmen letztlich den Auftrag für eine eventuelle spätere Serienfertigung erhalten soll. Den Schreiben des S3 vom 16.12.1999, 31.1.2000 und 24.8.2000 an die N lässt sich ebenfalls klar entnehmen, dass die Inder die in den Jahren 1996 und 2000 bei der I und der N georderten Zylinder im Rahmen ein und desselben "Projektes" verwenden wollten. Schließlich hat auch der Angeklagte zu 1) im Rahmen seiner Einlassung angegeben, er habe so gut wie von Anfang an gewusst, dass die seitens der indischen Regierung 1996 bei der I einerseits und bei der N andererseits bestellten Zylinder für dasselbe "Projekt" bestimmt gewesen seien; hinsichtlich der im Jahre 2000 georderten Zylinder sei ihm dies ebenfalls klar gewesen. Aus den im Rahmen des Strafverfahrens gegen die Verantwortlichen der I (156 Js 579/01 StA Würzburg) dort beschlagnahmten Geschäftsunterlagen ergibt sich bei verständiger Würdigung zweifelsfrei, dass die bei diesem Unternehmen am 10.5.1996 bestellten Zylinder (insgesamt zwei Sätze, jeweils bestehend aus zwei Neigezylindern, einem Horizontalzylinder und einem Teleskopzylinder) für die Entwicklung eines Prototypen einer mobilen Abschussrampe der Mittelstreckenrakete Agni II – und nicht für ein Brückenlegerprojekt – bestimmt waren. So hat – wie mehrere Schriftstücke belegen (Schreiben der indischen Botschaft in London an die I vom 12.4.1996, Schreiben des T6 an die I vom 18./19.4.1996 und vom 5.5.1996) – am 6.5.1996 und damit im unmittelbaren Vorfeld der Auftragserteilung eine Delegation des indischen Verteidigungsministeriums die I in M8 aufgesucht. Der Leiter dieser Abordnung, B4, war ausweislich der oben erwähnten Interneterkenntnisse des ZKA als "Programm Direktor Agni" unter anderem auch für die Konstruktion, die Entwicklung, die Integration und die Phasenchecks der Flug- und Bodensysteme (einschließlich einer "mobilen Transporter-Aufrichter-Plattform") der Agni II verantwortlich. Zu der Delegation gehörte ferner H3; dieser war nach den Internetrecherchen des ZKA innerhalb des indischen Verteidigungsapparates als Projekt-Direktor unter anderem für die Entwicklung sowie Herstellung mobiler Abschussrampen für die Agni-Rakete zuständig und ist im August 1999 vom indischen Ministerpräsidenten für den erfolgreichen Start einer Agni II von einer mobilen schienengestützten Startrampe mit einer Medaille ausgezeichnet worden. T6 hat im Vorfeld der Auftragserteilung mehrere an das für das indische Verteidigungsministerium als Beschaffungsstelle auftretende Unternehmen I9 gerichtete Schreiben in Kopie übersandt an "S4, Scientist B, AGNI Section, S (Engineers), E5, Ministry of Defence"; dieser S4 hat auch nach der Auftragserteilung ausweislich eines Schreibens des T6 vom 24.5.1996 (BMO 4, 223) eine Kopie des Auftrags und die ersten bei der I angefertigten Zeichnungen der Zylinder erhalten. Im Mai 1997 haben – wie sich ebenfalls mehreren bei der I beschlagnahmten Schriftstücken entnehmen lässt (Telefax des SEN vom 24./25.4.1997 (BMO 4, 147), Schreiben der indischen Botschaft in Bonn an die I vom 25.4.1997 (BMO 5, 433), Aktennotiz vom 20.5.1997 (BMO 5, 478)) – zwei indische Ingenieure der S die I zwecks "Betrachtung des Fortschritts bei der Ausführung des Auftrags" aufgesucht; einer von ihnen mit Namen N12 ist ausweislich der durch das Zollkriminalamt gewonnenen Interneterkenntnisse ebenfalls im August 1999 (zusammen mit H3) durch den indischen Ministerpräsidenten für den erfolgreichen Start einer Agni II - Rakete von einer mobilen Startrampe ausgezeichnet worden. Am 11.8.1997 hat – auch dies belegen die Geschäftsunterlagen der I (Schreiben der indischen Botschaft in Bonn an die I vom 25.7.1997 (BMO 5, 590), Schreiben des H3 an die I vom 28.7.1997 (BMO 5, 594)) – der bereits erwähnte in der Agni-Abteilung der S beschäftigte Wissenschaftler S4 die I besucht, um über den Fertigungsstand und technische Einzelheiten zu sprechen. Aus zahlreichen Schreiben des T6 an die I (Schreiben vom 24.5.1996 (BMO 4, 223), vom 22.7.1996 (BMO 4, 263), vom 10.9.1996, vom 25.3.1997 (BMO 5, 344), vom 24./25.4.1997 (BMO 4, 147) sowie vom 16.6.1997 (BMO 5, 538)) ergibt sich, dass das Projekt, für das die Zylinder bestimmt waren, federführend von dem innerhalb der indischen Verteidigungseinrichtungen für die Entwicklung einer mobilen Agni - Abschussrampe zuständigen H3 betreut wurde; dieser hat auch mehrfach unmittelbar die I schriftlich – und zwar mit Schreiben vom 5.6.1996 (BMO 4, 242), vom 9.7.1997 (BMO 5, 551), vom 28.7.1997 (BMO 5, 594) sowie vom 26.9.1997 (BMO 6, 756) – kontaktiert, um technische Details zu klären. Die Ende 1997 ausgelieferten Zylinder sind ausweislich verschiedener Schreiben des T6 an die I seitens der indischen Verteidigungsexperten im Laufe des Jahres 1998 sowie Anfang des Jahres 1999 umfangreichen Tests unterzogen worden. Mehrere dieser Versuche fanden – wie sich dem Schreiben des T6 vom 12.1.1999 an die I entnehmen lässt – unter Leitung von H3 sowie S4 auf dem "ITR-Site" im indischen Bundesstaat Orissa statt; hierbei handelt es sich ausweislich der durch das Zollkriminalamt durchgeführten Internetrecherchen um das Raketentestgelände des indischen Verteidigungsministeriums. In zwei Schreiben des SEN an die I (vom 16. und 22.7.1999) heißt es, die gelieferten Zylinder seien für das "A II - Projekt" bestellt worden und auch in "A II" getestet worden. Mit (als "vertraulich" gekennzeichnetem) Schreiben vom 1.9.1999 übersendet T6 der I zudem eine indische Briefmarke, auf der mehrere indische Rüstungsprojekte, unter anderem die Mittelstreckenrakete Agni II, abgebildet sind; dazu schreibt T6, dass links unten die "A II" gezeigt werde, in deren Abschussfahrzeug S Spezialzylinder der I eingebaut habe. Aus den Geschäftsunterlagen der I ergibt sich ebenfalls eindeutig, dass auch die am 3.3.2000 von S bestellten großen Teleskopneigezylinder für die Entwicklung eines Prototypen einer mobilen Agni-Startrampe bestimmt waren. So hat T6 mit Schreiben vom 26.6.1999 der I unter Bezugnahme auf die Zylinderlieferungen aus dem Jahre 1997 mitgeteilt, die Ingenieure der S würden nach dem erfolgreichen Testabschuss nunmehr eine neue Startrampe in verbesserter Version entwerfen und dazu die Basisspezifikationen für zwei Teleskopneigezylinder übermittelt, die denen der später tatsächlich in Auftrag gegebenen Zylinder genau entsprechen. Mit einem weiteren Schreiben vom 16.7.1999 hat T6 die I wiederum unter Hinweis auf die frühere Lieferung, die für das "A II - Projekt" bestimmt gewesen sei, darüber informiert, dass das Unternehmen in Kürze eine Anfrage für Spezialzylinder erhalten werde, die für das gleiche unter H3 und S4 geführte Projekt bestimmt seien. Bezeichnenderweise fand die am 28.1.2000 in der indischen Stadt Hyderabad abgehaltene maßgebliche Ausschreibungsverhandlung bezüglich der von S gewünschten Teleskopneigezylinder in der "Agni Conference Hall" statt; ausweislich des Schreibens des T6 an die I vom 2.2.2000 (BMO 8, 1173) nahmen an dieser Sitzung für die indische Regierung die Herren B4, H3, S4 und N12 teil, die wie oben bereits dargelegt für die Entwicklung der mobilen Agni-Startrampe zuständig waren. Auch nach der Auftragserteilung am 3.3.2000 (BMO 8, 1180) kümmerten sich auf der indischen Seite ausschließlich die innerhalb der indischen Verteidigungsorganisationen für die Agni - Abschussrampe verantwortlichen Ingenieure H3, S4 und N12 um die im Rahmen der Produktion der Zylinder auftretenden Fragen; letzterer hat im November 2000 die I in M8 aufgesucht, um die fertiggestellten Zylinder abzunehmen. Mit Schreiben vom 18.1. und 1.6.2001 übersendet T6 der I jeweils unter Bezugnahme auf die im November 1997 ausgelieferten Zylinder sowie den aktuellen Auftrag über die Teleskopneigezylinder indische Presseartikel, die sich mit den erfolgreichen Testabschüssen der Agni II befassen; im Schreiben vom 1.6.2001 weist er ergänzend ausdrücklich darauf hin, auf dem Agni - Testgelände würden I Teleskopzylinder zum Abschuss benutzt.
472Bei zusammenfassender Würdigung dieser Umstände besteht für die Kammer kein Zweifel, dass die indischen Verteidigungsorganisationen die bei der I am 10.5.1996 und 3.3.2000 bestellten Zylinder in einen Prototypen einer mobilen Abschussrampe der Mittelstreckenrakete Agni einbauen wollten und dies hinsichtlich der im November 1997 ausgelieferten Zylinder auch tatsächlich getan haben. Dass der Inhalt der Schreiben des T6 an die Exportabteilung der I der Wahrheit entspricht, steht außer Frage. Zum einen haben die in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen I13 (Tochter des I11 und Geschäftsführerin mehrerer Unternehmen der I-Gruppe), I10 (als Exportleiter für die Indiengeschäfte der I zuständig bis Ende 1999) und Q4 (ab Anfang 2000 für Exporte nach Indien zuständig) übereinstimmend und glaubhaft den Leiter des Verbindungsbüros der I in Kalkutta als absolut zuverlässig und glaubwürdig geschildert. Zum anderen ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, aus welchem Grunde T6 bezüglich derart bedeutsamer Fakten dem ihn bezahlenden Unternehmen unzutreffende Mitteilungen gemacht haben sollte. Im Übrigen wird die Richtigkeit seiner Angaben nicht nur durch die bereits erwähnten sonstigen Indizien, sondern auch noch durch weitere Gesichtspunkte bestätigt. So haben I11, der Zeuge Q4 und ein weiterer Mitarbeiter der I vom 19.1. bis zum 23.1.2001 mehrere indische Unternehmen besucht, unter anderem die M11 in Madras, die neben anderen Produkten auch Rüstungsgüter für die indischen Streitkräfte herstellt. In dem über diese Reise erstellten ausführlichen Bericht (BMO 10, 1689), der bei den Geschäftsunterlagen der I sichergestellt worden ist und den der Zeuge Q4 bei seiner Vernehmung glaubhaft als korrekt bestätigt hat, wird unter anderem Folgendes hervorgehoben: "Derzeit sind noch folgende Projekte offen: Transporter und Abschussrampe. Schienenversion (Agni). Agni Rampe wird mit I- zylinder ausgestattet (Lieferung über S). Die Rampen gibt es in zwei Versionen, als Straßenversion und eine Schienenversion." Darüber hinaus haben die Zeugen I13, I10 und Q4 bei ihren Vernehmungen bestätigt, dass allen Verantwortlichen der I zumindest im Nachhinein klar gewesen sei, dass die indischen Verteidigungsstellen von Anfang an beabsichtigten hatten, die im Mai 1996 bestellten und im November 1997 ausgelieferten Zylinder für die Konstruktion eines Prototypen einer mobilen Abschussrampe der Agni-Rakete zu verwenden und dies auch tatsächlich getan haben. Hinsichtlich der am 3.3.2000 bestellten Teleskopneigezylinder haben alle drei Zeugen übereinstimmend bekundet, spätestens mit der Auftragserteilung sei bekannt gewesen, dass diese Zylinder für die Konstruktion einer Raketenstartrampe bestimmt gewesen seien. Passend dazu sind in mehreren bei der I beschlagnahmten Protokollen über Verkaufssitzungen (und zwar denen vom 9.5., 24.5., 6.6. und 11.7.2000), an denen I11, der Zeuge Q4 und teilweise die Zeugin I13 teilgenommen haben, die die Produktion der Teleskopneigezylinder betreffenden Tagesordnungspunkte mit dem Stichwort "Teleskopzylinder für Raketenabschussrampen" überschrieben. I11, der ebenso wie der Zeuge I10 wegen der im November 1997 erfolgten Zylinderlieferung durch das Amtsgericht Würzburg wegen Verstoßes gegen § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG zu einer Freiheitsstrafe mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt worden ist, konnte wegen einer fortschreitenden Demenzerkrankung nicht mehr als Zeuge gehört werden. Aus dem vorstehend dargelegten eindeutigen Beweis(zwischen)ergebnis folgt wiederum zwangsläufig, dass die von der indischen Botschaft in London unter dem 5.6.1996 ausgestellte und der I am selben Tage zwecks Einholung einer Ausfuhrgenehmigung übersandte Endverwenderbescheinigung, in der es heißt, die bestellten Zylinder seien für den Einbau in Brückenlegefahrzeuge bestimmt, nicht der Wahrheit entspricht. Offensichtlich wollten die indischen Regierungsstellen mit dieser unzutreffenden Bescheinigung den deutschen Exportkontrollbehörden, für die sie erstellt worden war, einen unzutreffenden Verwendungszweck vorspiegeln; sie gingen ersichtlich und richtigerweise davon aus, dass auf diese Weise die I problemloser eine Genehmigung für die Ausfuhr der Zylinder erhalten würde als bei Angabe der wahren Pläne. Im weiteren Verlauf des Ausfuhrgenehmigungsverfahrens haben die indischen Regierungsstellen diese – im Ergebnis erfolgreiche – Täuschung der deutschen Exportkontrollbehörden noch vertieft: So hat S im September 1996 der I Prospektmaterial über verschiedene indische Brückenlegepanzer zwecks Weiterleitung an die deutschen Ausfuhrbehörden zur Verfügung gestellt; mit Schreiben vom 8.1.1997 hat die indische Botschaft in Deutschland dem Bundeswirtschaftsministerium die in den Feststellungen näher beschriebene technische Skizze eines Brückenlegefahrzeuges, in der die bei der I bestellten Zylinder eingezeichnet sind, übersandt und darauf hingewiesen, dass sich aus dieser Zeichnung eindeutig ergebe, dass die Zylinder für ein Brückenlegerprojekt bestimmt seien. Das Gleiche gilt für das von S unter dem 24.4.2000 ausgestellte und der I mit Telefax vom 15.5.2000 übersandte Enduser Certificate, das bezüglich der im März 2000 bestellten Teleskopneigezylinder eine beabsichtigte Verwendung in Brückenlegefahrzeugen attestiert. Auch diese nach den obigen Ausführungen inhaltlich unzutreffende Bescheinigung sollte der I ermöglichen, eine Ausfuhrgenehmigung mittels Angabe falscher Tatsachen zu erschleichen. Angesichts des eingangs bereits dargelegten Ausgangspunktes, wonach feststeht, dass die in den Jahren 1996 und 2000 seitens der indischen Verteidigungsorganisationen bei der I einerseits und der N andererseits bestellten – baugleichen – Zylinder für dasselbe "Projekt" bestimmt waren, steht für die Kammer damit auch außer Zweifel, dass S sowohl das im Mai bzw. im August 1996 bei der N in I2 bestellte Zylinderkonglomerat als auch die Anfang 2000 bei der Tochtergesellschaft N7 in Auftrag gegebenen Teleskopneigezylinder ebenfalls im Rahmen der Entwicklung des Prototypen einer mobilen Startrampe für die Mittelstreckenrakete Agni verwenden wollte. Diese Schlussfolgerung wird durch weitere Indizien untermauert. So hat der bei S für die Entwicklung sowie Herstellung mobiler Abschussrampen für die Agni-Rakete federführend zuständige H3 im Zusammenhang mit der geplanten Bestellung der ersten Zylinder am 3.5.1996 zusammen mit einem weiteren bei S beschäftigten Ingenieur die N in I2 aufgesucht, um sich über die fertigungstechnischen Kompetenzen dieses Unternehmens zu informieren. Nach der Erteilung der Aufträge im Mai bzw. August 1996 war – dies belegen zahlreiche in den Feststellungen wiedergegebene Schreiben der N sowie der S – auf Seiten der indischen Besteller fast ausschließlich dieser H3 der maßgebliche Ansprechpartner für alle im Rahmen der Auftragsdurchführung zu klärenden Fragen. Die Abnahme der fertigen Zylinder in I2 im Mai 1997 hat der bereits mehrfach erwähnte N12 (zusammen mit einem weiteren Ingenieur von S) durchgeführt, der wie oben ausgeführt für seine erfolgreiche Mitarbeit bei der Entwicklung der mobilen Agni-Startrampe ausgezeichnet worden ist. Bezüglich der Anfang des Jahres 2000 bestellten großen Teleskopneigezylinder fanden die Ausschreibungsverhandlungen bezeichnenderweise in der "Agni Conference Hall" in Hyderabad statt und wurden von den für die Entwicklung der mobilen Agni-Startrampe verantwortlichen Herren B4, H3, S4 sowie N12 geleitet. Diese Umstände bestätigen eindeutig, dass die Zylinder der Kommissionen 7572, 7955 und 3566 nicht für ein Brückenlegerprojekt, sondern für die Entwicklung eines Prototypen einer mobilen Agni-Startrampe bestimmt waren.
473Dass dies gleichfalls bezüglich der Zylinder der Kommissionen 9284, 1547 und 2265 (jeweils zwei Sätze bestehend aus je zwei kleineren Zylindern mit Zylinderverbindung) gilt, die die indischen Verteidigungseinrichtungen nur bei der N bestellt haben, ergibt sich eindeutig aus dem von H3 unterzeichneten Schreiben der S an S3 vom 28.8.1997, nach dem die Zylinder der Kommission 9284 für dasselbe Projekt benötigt würden wie die kurz zuvor ausgelieferten Zylinder der Kommissionen 7572 und 7955, sowie der Tatsache, dass die Zylinderpärchen der Kommissionen 1547 und 2265, die mit denen der Kommission 9284 baugleich sind, seitens der Inder ausdrücklich unter Bezugnahme auf letztgenannte Kommission geordert wurden. Nach den überzeugenden Ausführungen des in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen L6 (als Technischer Regierungsamtsrat bei der Wehrtechnischen Dienststelle für Pionier- und Truppengerät der Bundeswehr im Fachbereich Hydraulik beschäftigt) spricht viel dafür, dass diese Zylinderpärchen nach ihren technischen Konfigurationen (Druck, Hub, Last) bei der mobilen Agni-Startrampe dazu dienen könnten, den Kopf der Rakete auf dem Trägerarm der Rampe zu fixieren. Dazu passt, dass auf mehreren in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Internetfotos von mobilen Agni-Startrampen derartige Stützzylinder deutlich zu erkennen sind. Der Sachverständige hat zwar darauf hingewiesen, dass die Abmessungen der auf den Lichtbildern zu sehenden Zylindersätze nicht exakt mit denen der von der N gelieferten übereinstimmen. Diese Einschränkung ist aber im vorliegenden Zusammenhang unerheblich, da schon allein das Schreiben des H3 vom 28.8.1997 eindeutig belegt, dass sie in irgendeiner Form im Rahmen der Entwicklung des Startrampenprototyps eingesetzt werden sollten. Dieses Beweisergebnis wird aber noch zusätzlich dadurch bestätigt, dass nach den Angaben des Sachverständigen für die Zylinderpärchen durchaus eine plausible Einsatzmöglichkeit bei der mobilen Agni - Startrampe besteht; dass die auf den Fotos der später in Serie hergestellten Startrampen zu erkennenden Stützzylinder andere Abmessungen besitzen als die von der N mit den Kommissionen 9284, 1547 und 2265 gelieferten, ist im Übrigen schon deshalb irrelevant, weil diese noch für den Bau des Prototypen bestimmt waren.
474Dass schließlich auch die Zylinderrohre der Kommission 2745 für das Raketenstartrampenprojekt bestimmt waren, ergibt sich zwanglos aus dem Umstand, dass S diese Rohre explizit als Ersatz für die Rohre der unter der Kommission 7572 ausgelieferten Neigezylinder bestellt hat.
475Aus diesem Beweisergebnis folgt wiederum zwangsläufig, dass die von S der N für deren Exportanträge zur Verfügung gestellten Endverwenderbescheinigungen vom 17.2. und 25.2.1997 inhaltlich ebenso falsch sind wie die bereits erwähnten für die I bestimmten Enduser Certificates vom 5.6.1996 und 24.4.2000. Des Weiteren steht damit auch fest, dass die dem Angeklagten zu 1) am 3.5.1996 von H3 vorgelegte technische Skizze eines Brückenlegefahrzeuges von den Ingenieuren des S nur zwecks Täuschung der deutschen Exportkontrollbehörden angefertigt worden ist; mit dieser Zeichnung, in der das im Frühjahr bzw. Sommer 1996 jeweils bei der I und der N bestellte Zylinderkonglomerat eingezeichnet ist, wollten die indischen Besteller ersichtlich bei eventuell auftretenden Exportproblemen den in den Endverwenderbescheinigungen wahrheitswidrig attestierten Bestimmungszweck besonders plausibel und glaubhaft erscheinen lassen. Genau aus diesem Grunde hat die indische Botschaft in Bonn die gleiche Zeichnung mit Schreiben vom 8.1.1997 dem Bundeswirtschaftsministerium zugeleitet, um deren Zweifel an dem angegebenen Verwendungszweck endgültig zu zerstreuen. Diesem Beweisergebnis stehen die seitens der Verteidiger beider Angeklagter in mehreren Beweisanträgen, verschiedenen in der Hauptverhandlung abgegebenen Erklärungen sowie den Plädoyers vorgebrachten – insbesondere technischen – Überlegungen nicht entgegen. Zunächst einmal ist zwar aufgrund der insoweit übereinstimmenden und nachvollziehbar begründeten Ausführungen der Sachverständigen TRAR L6und X6 (Diplom-Ingenieur und freiberuflicher Gutachter für Hydraulikkräne) davon auszugehen, dass ein kombinierter Einbau der von der N im Mai 1997 nach Indien gelieferten Zylinder (ein kurzer Teleskopzylinder, ein langer Horizontalzylinder und zwei parallel angeordnete Neigezylinder) in eine mobile Startrampe für eine Rakete vom Typ Agni II aus technischer Sicht nicht sinnvoll wäre. Beide Sachverständige haben insoweit überzeugend dargelegt, dass diese verschiedenen Zylinder bei kombinierter Verwendung angesichts der von ihnen erzeugten Kraft für das Aufrichten einer Rakete mit dem Gewicht und den Abmessungen der Agni II (diese Parameter sind – anders als die technischen Spezifikationen der beim Testabschuss am 11.4.1999 eingesetzten Startrampe – aus allgemein zugänglichen Quellen genau bekannt) vollkommen überdimensioniert wären; von daher mache, da man bei einer mobilen Startrampe auch darauf bedacht sein müsse, Gewicht und Platz zu sparen, der kombinierte Einbau aller vier Zylinder unter technischen Aspekten keinen Sinn. Dieser – für sich gesehen zweifellos zutreffende – Gesichtspunkt spricht jedoch nicht gegen das oben dargelegte Beweisergebnis. Denn es darf hierbei nicht unberücksichtigt bleiben, dass die indischen Verteidigungsorganisationen dieses Zylinderkonglomerat bei der N einerseits und der I andererseits zu einer Zeit bestellt haben, als sie gerade mit der Entwicklung eines Prototypen für eine mobile Startrampe der Agni II begannen. Die indischen Ingenieure hatten seinerzeit ersichtlich noch keine konkreten Vorstellungen davon, wie sie die Startrampe zylindertechnisch letztendlich konstruieren würden; sie wollten ganz offensichtlich mit verschiedenen technischen Möglichkeiten experimentieren, um die aus ihrer Sicht optimale Lösung zu finden. Dies zeigt zum einen bereits der Umstand, dass S nach der Ankunft der Zylinder im Mai 1997 (Lieferung der N) bzw. November 1997 (Lieferung der I) ausweislich zahlreicher Schreiben des T6 an die I fast 14 Monate lang umfangreiche Tests mit den Zylindern (und zwar in erster Linie mit denen der I) durchführte bis im April 1999 endlich zum ersten Mal eine Agni II vom ersten fertiggestellten Startrampenprototypen aus abgefeuert wurde. Zum anderen muss hier vor allem die zeitgleiche Bestellung der Kugelgewindetriebe bei der N2 in die Überlegungen einbezogen werden. Denn diese Gewindespindeln sind aufgrund ihrer technischen Parameter – wie der Sachverständige L6 in der Hauptverhandlung überzeugend dargelegt hat – mit dem Neigezylinderpaar vergleichbar und können im Prinzip (wenn auch auf technisch anderem Wege) dieselbe Aufgabe erledigen wie dieses. Bezeichnenderweise hat die I9 im Rahmen der Auftragserteilung der N2 mitgeteilt, es sei beabsichtigt, die Spindeln zusammen mit zwei Hydraulikzylindern einzusetzen; damit waren ersichtlich der Teleskop- und der Horizontalzylinder aus den Anfragen bei der I und der N gemeint. Dieser Vorgang belegt besonders deutlich, dass die indischen Ingenieure im Jahre 1996 noch gar nicht genau wussten, mit welcher Kombination aus verschiedenen Hydraulikzylindern und eventuell Kugelgewindetrieben sie die von ihnen geplante Startrampe letztlich konstruieren wollten; dies sollte sich offensichtlich erst im weiteren Verlauf der Prototypenentwicklung durch Versuche herauskristallisieren. Bei dem schließlich im April 1999 im Rahmen des Testabschusses zum Einsatz gekommenen Startrampenprototypen haben die Ingenieure dann ersichtlich aus dem seitens der I gelieferten Zylinderkonglomerat nur das Neigezylinderpaar zusammen mit dem Teleskopzylinder eingebaut. Dies hat der Sachverständige L6 anschaulich und überzeugend anhand des im Internet veröffentlichten Fotos von diesem Probeabschuss dargelegt. Er hat ausgeführt, dass man auf dem Lichtbild deutlich die beiden Neigezylinder in ausgefahrenem Zustand und an der Rampe hängend den Teleskopzylinder erkennen könne; die Kammer hat sich bei der in der Hauptverhandlung durchgeführten Inaugenscheinnahme des Fotos (Bd. VIII der Hauptakten, Bl. 791) davon überzeugt, dass dies zutrifft. Dazu hat der Sachverständige erläutert, dass der Teleskopzylinder, der zwar nur über einen relativ kurzen Hub von 1200 mm verfüge, aber eine sehr schwere Last von über 100 t heben könne, beim Startvorgang lediglich dazu diene, die während des Transports horizontal liegende Rampe mit der darauf befestigten Rakete etwa einen Meter anzuheben – dieser erste Teil des Aufrichtens erfordere den größten Kraftaufwand. Anschließend seien die beiden paarweise angeordneten Neigezylinder aufgrund ihrer Druckkraft und ihres Hubes problemlos in der Lage, die Rampe, die ein Gewicht von etwa 7 t habe, zusammen mit der Rakete, die etwa 16 t wiege, senkrecht aufzurichten. Dabei löse sich der nun nicht mehr erforderliche voll ausgefahrene Teleskopzylinder, der nur mit der Rampe fest verbunden sei, aus der auf dem Chassis des Waggons für die am unteren Ende seiner Kolbenstange befindliche Kugelkalotte vorgesehenen Vertiefung und sei deshalb auf dem Foto an der aufgerichteten Rampe hängend zu erkennen. Werde die Rampe nach dem Start der Rakete mittels der über eine entsprechende Zugkraft verfügenden Neigezylinder wieder in die Horizontale zurückgebracht, gleite der Teleskopzylinder mit der Kugelkalotte wieder in die Vertiefung und werde durch den auf ihm lastenden Druck der Rampe automatisch wieder eingefahren.
476Aufgrund dieser Darlegungen des Sachverständigen L6 steht damit auch fest, dass von den seitens der I und der N im Jahre 1997 nach Indien gelieferten Zylindern zumindest die beiden paarweise angeordneten Neigezylinder kombiniert mit dem Teleskopzylinder technisch-physikalisch in der Lage sind, eine mit einer Agni II-Rakete bestückte Startrampe senkrecht aufzurichten; dieses Resultat rundet das oben dargelegte Beweisergebnis ab. Die Kammer hat keinerlei Zweifel, dass die Ausführungen des TRAR L6 zutreffen. Der Sachverständige, der seit fast zehn Jahren als Spezialist für Hydraulikzylinder bei der Bundeswehr beschäftigt ist, verfügt – was für die Kammer bei seiner Befragung deutlich zu Tage trat – über eine exzellente Sachkunde für die Beurteilung der hier interessierenden Fragen. Seine von ihm in der Hauptverhandlung detailliert dargelegten fundierten Berechnungen und Schlussfolgerungen waren auch für technische Laien gut nachzuvollziehen und sehr überzeugend. Sie sind von dem auf Wunsch der Verteidiger beider Angeklagter zusätzlich angehörten Sachverständigen X6 bestätigt worden; dieser hat bekundet, die Berechnungen des TRAR L6 seien plausibel und würden mit seinen eigenen Kalkulationen übereinstimmen. Die Ausführungen des Sachverständigen L6 waren auch frei von Widersprüchen; die seitens der Verteidiger des Angeklagten zu 1) in einer Erklärung gemäß § 257 Abs. 2 StPO behauptete Diskrepanz zwischen den von ihm – L6 – in der Hauptverhandlung dargelegten Resultaten einerseits und seiner von ihm eingangs seiner Anhörung mündlich wiedergegebenen schriftlichen Stellungnahme vom 18.10.2007 (Bd. VIII der Hauptakten, Bl. 757 ff.) andererseits vermag die Kammer nicht zu erkennen. In diesem Schreiben hat der TRAR L6 zunächst die von der N im Jahre 1997 nach Indien gelieferten Zylinder (die beiden Neigezylinder, den Teleskopzylinder sowie den Horizontalzylinder) hinsichtlich ihrer physikalischen Beschaffenheit beschrieben und ist zu dem vorläufigen Ergebnis gekommen, dass er die Verwendung dieser Zylinder in einer Raketenabschussrampe für sehr wahrscheinlich halte. Dazu hat er erläuternd ausgeführt, dass alle drei Zylinder in erster Linie für (sehr große) Druckbelastungen ausgelegt seien und von daher schon jeder einzeln zum Aufrichten einer schweren Last eingesetzt werden könne; insbesondere eine Kombination des Teleskopzylinders, der die Rampe aus der untersten Position anhebe, mit dem über eine Druckkraft von etwa 150 t verfügenden Horizontalzylinder, der anschließend (sobald die aufzuwendende Kraft geringer werde) die Rampe vollständig aufrichte, sei für die Verwendung in einer Raketenabschussrampe gut vorstellbar. Anknüpfend an diese – noch sehr allgemein gehaltenen – Überlegungen hat der Sachverständige L6 im Rahmen seiner weiteren Gutachtenerstattung in der Hauptverhandlung auf Bitten der Kammer seinen Berechnungen (erstmals) die konkreten technischen Parameter der Agni II - Rakete zugrunde gelegt und die Fragestellung der Kammer, ob die beiden Neigezylinder (deren gemeinsame Druckkraft mit der des Horizontalzylinders nahezu identisch ist) zusammen mit dem Teleskopzylinder physikalisch in der Lage seien, eine Startrampe für die Agni II aufzurichten, wie oben ausgeführt bejaht. Von daher sind die Darlegungen des Sachverständigen Kraemer entgegen der Auffassung der Verteidiger widerspruchsfrei. Auch die Ausführungen des Sachverständigen X6 in seinem schriftlichen Gutachten vom 29.11.2007, das die Verteidiger des Angeklagten zu 1) ihrem im Fortsetzungstermin vom 4.12.2007 gestellten Beweisantrag – den die Kammer im Fortsetzungstermin vom 22.1.2008 abgelehnt hat – als Anlage beigefügt haben und das in der Hauptverhandlung gemäß § 251 Abs. 3 StPO zur Vorbereitung der Entscheidung über diesen Antrag verlesen worden ist, stehen mit den Bewertungen des TRAR L6 nicht in Widerspruch. Letzterer hat nämlich nicht ausgeschlossen, dass die beiden Neigezylinder allein in der Lage sein könnten, eine Startrampe für die Agni II aufzurichten. Er hat vielmehr dargelegt, dass es dafür darauf ankomme, wie die mobile Startvorrichtung insgesamt konstruiert sei. Beispielsweise sei von großer Bedeutung, wo sich der Drehpunkt der Rampe befinde, weil sich in Abhängigkeit von dessen Lage der Hebelarm vergrößere oder verkleinere. Aufgrund des ihm seitens der Kammer vorgegebenen Ausgangspunktes, dass die exakte Konstruktion der Startrampe nicht bekannt sei, ist er zu dem Ergebnis gelangt, dass bei Zugrundelegung eines kräftemäßig ungünstigsten Modells zumindest die Kombination der Neigezylinder mit dem Teleskopzylinder physikalisch in der Lage ist, eine Startrampe für die Agni II aufzurichten.
477Auch die übrigen seitens der Verteidiger in den Raum gestellten technischen Gesichtspunkte vermögen die oben begründete Überzeugung der Kammer, dass die von der I und der N im Jahre 1997 nach Indien exportierten Zylinder für die Entwicklung einer mobilen Raketenstartrampe der Agni II bestimmt waren, nicht zu erschüttern.
478So ist vorgebracht worden, die Zylinder selbst und / oder die Dichtungen sowie das verwendete Öl würden beim Start der Rakete dem Abgasstrahl nicht standhalten. Der zu diesem Punkt auf Antrag der Verteidiger gehörte Sachverständige T12, bei dem es sich um einen über langjährige Erfahrung verfügenden Fachmann für Raketentechnik handelt, hat diese Behauptung allerdings nicht bestätigen können. Nach seinen fundierten und überzeugenden Ausführungen, denen sich die Kammer anschließt, bildet sich beim Start einer Agni II - Rakete zwar ein Feuerball mit einer Temperatur von ca. 2000 ° Kelvin, der zu etwa 20% aus Aluminiumoxydpartikeln und zu etwa 20% aus Salzsäure besteht. Dieser für sich gesehen extrem heiße und aggressive Abgasstrahl sei jedoch für Zylinder wie die hier in Rede stehenden dann unschädlich, wenn man sie beim Start – was absolut üblich sei – mit einem aus Leder gefertigten sogenannten Faltenbalg ummantele. Dieser schütze in ausreichendem Maße sowohl die – schon allein aufgrund der zweifachen Hartverchromung sehr widerstandsfähigen – Kolbenstangen als auch das bei den vorliegenden Zylindern verwendete Standardöl und die dazu passenden Normaldichtungen (NBR) vor dem heißen und aggressiven Gasgemisch. Nicht Hitze, sondern allenfalls eine sehr niedrige Temperatur könne für das Öl und die Dichtungen problematisch werden, so dass man bei einem Einsatz in den Bergregionen des Himalaja oder Kaschmirs ein kältegeeignetes Öl benutzen und entsprechende Spezialdichtungen einbauen müsse. Das bei den von der I und der N im Jahre 1997 nach Indien exportierten Zylindern eingesetzte Öl (und damit korrespondierend auch die Dichtungen) war – entsprechend den Vorgaben der indischen Auftraggeber – für einen Temperaturbereich von - 5 bis + 55 ° Celsius vorgesehen; damit sind die Zylinder nach den Ausführungen des Sachverständigen T12 für eine Verwendung in den Bergregionen Indiens nicht geeignet. Diese Tatsache ist allerdings im vorliegenden Zusammenhang irrelevant. Denn nach der oben dargelegten Überzeugung der Kammer waren die Zylinder für die Entwicklung eines Prototypen einer mobilen Startrampe bestimmt. Da sich das indische Raketentestgelände – wie auch der Sachverständige bestätigt hat – auf Wheeler Island im indischen Bundesstaat Orissa und damit am warmen indischen Ozean befindet (dort fanden auch am 11.4.1999 und am 17.1.2001 die Probeabschüsse der Agni II statt), reichte es den Indern offensichtlich (wahrscheinlich auch aus Kostengründen) aus, dass die nur für Versuchszwecke vorgesehenen Zylinder mit Normaldichtungen und Standardöl ausgerüstet wurden.
479Auch das weitere seitens der Verteidiger vorgetragene Argument, die auf Wheeler Island vorherrschende salzhaltige Luft würde den hier in Rede stehenden Hydraulikzylindern schaden, verfängt nicht. Dazu hat der Sachverständige T12 ausgeführt, dass chrombeschichtete Kolbenstangen zwar relativ schnell verschleißen würden, wenn sie über einen längeren Zeitraum salzhaltiger Luft ausgesetzt seien. Da sie sich aber normalerweise im eingefahrenen Zustand im ölgefüllten Zylinderrohr befänden und nur bei Bedarf ausgefahren würden, wobei der Ölfilm einen gewissen Schutz biete, stehe die Korrosionsgefahr einem Einsatz der Zylinder auf dem indischen Raketentestgelände nicht im Wege. Die Kammer sieht keine Veranlassung, auch zu diesem Punkt den überzeugenden Darlegungen des ausgewiesenen Raketenspezialisten nicht zu folgen.
480Schließlich ändert auch die Behauptung der Verteidiger, bei den auf dem im Internet veröffentlichten Foto des Probeabschusses der Agni II vom 11.4.1999 zu sehenden Zylindern könne es sich schon aufgrund ihrer Abmessungen nicht um die von der N gelieferten Neigezylinder handeln, an dem oben dargelegten Beweisergebnis nichts. Vordergründig gilt dies schon deshalb, weil feststeht, dass die indischen Ingenieure nicht die Montanhydraulikzylinder, sondern die von der I produzierten Zylinder in den beim Testabschuss eingesetzten Startrampenprototypen eingebaut haben. Angesichts des Umstandes, dass das Neigezylinderpaar der I fast die gleichen Maße aufweist wie das der N (nur der Hub der I-zylinder ist 100 mm länger), hat die Kammer jedoch schon aus Gründen der Aufklärungspflicht überprüft, ob dieses Vorbringen der Verteidiger dagegen sprechen kann, dass die von der I gelieferten Neigezylinder für die Agni-Startrampe bestimmt waren und auch verwendet worden sind. Der auch zu diesem Punkt auf Antrag der Verteidiger befragte Sachverständige T12 hat zwar ausgeführt, er sei aufgrund einer Auswertung des erwähnten Internetfotos zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gesamtlänge der auf dem Lichtbild zu erkennenden Neigezylinder zwischen 13,8 und 15,2 m betrage; da die von der N gelieferten Neigezylinder im ausgefahrenen Zustand nur 12,46 m (7100 mm Rohr + 5260 mm Hub) lang seien, könnten sie nicht die auf dem Foto zu sehenden Zylinder sein. Abgesehen von der Tatsache, dass die I-zylinder 100 mm länger sind, erweisen sich die diesbezüglichen Berechnungen des Gutachters bei genauer Betrachtung als in hohem Maße unpräzise und fußen darüber hinaus auf unsicheren Ausgangspunkten. So hat der Sachverständige zum einen einräumen müssen, dass seine von ihm selbst als "Schätzung" bezeichnete Ermittlung der Abmessungen der auf dem Lichtbild zu erkennenden Zylinder dadurch erschwert worden sei, dass die schräge Kameraposition und die perspektivischen Verkürzungen zu nicht unerheblichen Verzerrungen geführt hätten. Dies wird nach Auffassung der Kammer besonders deutlich, wenn man das von T12 für seine Berechnungen verwendete Foto auf S. 24 seines schriftlichen Gutachtens (abgeheftet im Sonderheft "Gutachten T12") mit dem vom Sachverständigen L6 zu den Akten gereichten Internetlichtbild (Bd. VIII der Hauptakten, Bl. 791) vergleicht – beide sind in der Hauptverhandlung in Augenschein genommen worden. Denn obwohl es sich nach den Angaben des Sachverständigen T12 um dasselbe Foto handeln soll (wofür auch die jeweils exakt übereinstimmenden Positionen der Fahrzeuge und Personen sprechen), ist die Agni-Rakete auf dem Foto im Gutachten T12 nur 6,8 cm lang und auf dem vom Sachverständigen L6 zur Verfügung gestellten Lichtbild 11,2 cm; der Eisenbahnwaggon und der am linken Bildrand zu sehende weiße Bus sind hingegen auf beiden Bildern gleich lang. Wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die beiden Fotos verwiesen. Hinzu kommt, dass die von T12 vorgenommene Maßermittlung mit einer weiteren nicht zu unterschätzenden Unsicherheit belastet ist. Auf den Fotos kann man nämlich den unteren Teil der Zylinder nicht erkennen, da er von der Seitenverkleidung des Waggons verdeckt wird. Der Sachverständige hat dazu erklärt, er sei zwar kein Fachmann für Hydraulikzylinder, sei aber bei seiner Berechnung davon ausgegangen, dass die untere Abstützung der Zylinder aus Kraftaufnahmegründen am Chassis des Eisenbahnwagens erfolgt sei. Abgesehen davon, dass der Gutachter auf Nachfrage einräumen musste, dass weder die genaue Konstruktion des von den Indern speziell entwickelten Waggons noch dessen exakte innere Abmessungen bekannt seien, hat er bei seinen Überlegungen einen wichtigen Gesichtspunkt übersehen. Wie bereits oben ausgeführt wird die Abschussrampe zunächst durch den Teleskopzylinder ein Stück weit angehoben und erst dann durch die Neigezylinder vollständig aufgerichtet. Dieser Teleskopzylinder ruht mit der am unteren Ende seiner Kolbenstange befindlichen Kugelkalotte in einer Vertiefung, die wiederum in eine – nicht näher bekannte – Metallkonstruktion eingelassen sein muss. Da diese zwangsläufig ebenfalls am Boden des Waggons befestigt sein wird, ist überhaupt nicht klar, wie und vor allem wo genau das untere Ende der Neigezylinder angebracht ist. Angesichts dieser zahlreichen Bedenken sind die "Berechnungen" des Sachverständigen jedenfalls nicht geeignet, die oben dargelegten – nach Auffassung der Kammer ansonsten zwingenden – Schlussfolgerungen zu erschüttern.
481Auch die seitens der Verteidiger beider Angeklagter vorgetragene Argumentation, es habe in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre – was insbesondere der Ausfuhrantrag der A vom 4.2.1997 für eine zum Einbau in ein Brückenlegefahrzeug bestimmte Flügelpumpe zeige – beim indischen Militär ein Projekt zur Entwicklung eines Brückenlegerprototypen gegeben, für das offensichtlich die bei der N im Jahre 1996 bestellten Zylinder bestimmt gewesen seien, vermag das dargelegte Beweisergebnis nicht zu beeinflussen.
482Es trifft zwar zu, dass – wie der im Selbstleseverfahren in die Hauptverhandlung eingeführte Vorgang DE 2552547 des BAFA belegt – die A unter dem genannten Datum eine Genehmigung für die Ausfuhr einer Flügelpumpe an die Firma A2 in Großbritannien beantragt hat, die – nach den Angaben im Antrag – für die britische Firma V2 bestimmt war, die die Pumpe in einen für die indische Armee bestimmten Brückenlegefahrzeugprototypen einbauen und das komplette Fahrzeug sodann nach Indien exportieren würde; das BAFA hat die Ausfuhr Mitte April 1997 bewilligt. Dem Antrag hatte die A eine ausweislich eines Stempelaufdrucks von der Firma V2 stammende – in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene – Zeichnung beigefügt, die ein mit zwölf Rädern sowie einer Führerkabine versehenes Fahrzeugchassis zeigt; dieses sieht dem ebenfalls über zwölf Räder verfügenden Fahrzeug auf der Brückenleger - Skizze, die H3 und sein Begleiter am 3.5.1996 dem Angeklagten zu 1) vorgelegt haben, durchaus ähnlich. Die Kammer hat darüber hinaus im Rahmen der Ablehnung eines Beweisantrages der Verteidigung beider Angeklagter als wahr unterstellt, dass die auf der Konstruktionszeichnung vom 3.5.1996 abgebildete Brücke nach ihren Einbaumaßen exakt auf das Fahrzeugchassis der Unipowerzeichnung passt. Die Kammer hat schließlich im vorliegenden Zusammenhang auch berücksichtigt, dass der Sachverständige X6 in der Hauptverhandlung zum einen dargelegt hat, ein gemeinsamer Einbau aller von der N im Mai 1997 an S gelieferten Zylinder (also des Teleskop-, des Horizontal- und der zwei Neigezylinder) mache technisch nur in einem wie auf der Zeichnung vom 3.5.1996 konstruierten Brückenleger Sinn und zum anderen ausgeführt hat, die von ihm – X6 – bei einer Inspektion der (wie oben in den Feststellungen ausgeführt seitens der N während der Hauptverhandlung nach Deutschland zurückgeholten) Zylinder festgestellten Gebrauchsspuren würden zu einer Einbausituation wie auf der Zeichnung dargestellt passen.
483Diese Gesichtpunkte sind jedoch nicht geeignet, das auf zahlreichen ineinander greifenden Überlegungen beruhende Beweisergebnis der Kammer zu erschüttern, da sie – was die Verteidiger übersehen – nicht zwingend dagegen sprechen, dass die im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Zylinder der N für die Entwicklung einer Agni - Startrampe bestimmt waren. Auch die Kammer geht aufgrund der Antragsunterlagen der Firma A davon aus, dass das indische Militär in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre unter anderem auch an der Entwicklung eines Brückenlegefahrzeuges mit zwölf Rädern gearbeitet hat; dies wird im übrigen zusätzlich durch das seitens der Verteidiger im Fortsetzungstermin vom 10.6.2008 überreichte Schreiben des indischen Unternehmens U2, das allerdings kein Datum trägt, bestätigt. In diesem in der Hauptverhandlung verlesenen Schriftstück heißt es nämlich, dass U2 in den Jahren 1995 und 1996 zusammen mit der britischen Firma V3 ein Brückenlegefahrzeug für eine 23 Meter lange hydraulisch betriebene Brücke entwickelt habe; der Kunde sei die W2 in Ahmednagar gewesen. Bei der W2 handelt es sich – genau wie bei der S in Pune – um eine selbständige Unterabteilung der unter Punkt B. I. 6. a) der Feststellungen erwähnten "E5" des indischen Verteidigungsministeriums. Dass die W2 tatsächlich an einem Brückenlegerprojekt gearbeitet hat, bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass die seitens der N an die S gelieferten Zylinder dafür bestimmt waren. Dies gilt auch dann, wenn man die übrigen eingangs erwähnten Gesichtspunkte in die Bewertung einbezieht. Denn dass die auf der am 3.5.1996 vorgelegten Zeichnung abgebildete Brücke hinsichtlich ihrer Abmessungen exakt auf das Fahrzeugchassis der V3 - Zeichnung passt, lässt sich unschwer damit erklären, dass sich die Ingenieure der indischen Verteidigungsinstitutionen bei der Erstellung der nach der Überzeugung der Kammer zur Täuschung der deutschen Exportkontrollbehörden bestimmten Brückenlegerzeichnung vom 3.5.1996 offensichtlich an dem tatsächlich existierenden Brückenlegerprojekt der W2 orientiert haben; sie werden – schon um die Skizze möglichst plausibel erscheinen zu lassen – bei deren Anfertigung das von den Firmen V3 und U2 entwickelte Fahrzeugchassis zugrunde gelegt und anschließend eine von den Abmessungen her darauf genau passende Brücke zusammen mit den bei der N und der I angefragten Zylindern eingezeichnet haben. Auch die zitierten Ausführungen des Sachverständigen X6 sind im vorliegenden Zusammenhang letztlich irrelevant. Der Umstand, dass ein gemeinsamer Einbau aller von der N im Mai 1997 ausgelieferten Zylinder (ein Horizontal-, ein Teleskop- und zwei Neigezylinder) in eine Startrampe für die Agni II aus technischer Sicht nicht sinnvoll erscheint, ist oben bereits ausgiebig gewürdigt worden; er spricht – da sich die Ingenieure der S anfangs offensichtlich noch nicht im Klaren waren, wie sie ihren Startrampenprototypen letztlich konstruieren wollten – nicht zwingend dagegen, dass die Zylinder für diese Abschussrampenentwicklung bestimmt waren. Dass – gewissermaßen umgekehrt – die gleichzeitige Verwendung der Zylinder in einem Brückenleger wie auf der am 3.5.1996 vorgelegten Zeichnung technisch plausibel wäre, bedeutet wiederum nicht zwingend, dass die Zylinder auch für ein solches Fahrzeug verwendet werden sollten. Denn wenn die Ingenieure der indischen Verteidigungsorganisationen – so die Überzeugung der Kammer – zwecks Täuschung der deutschen Exportkontrollbehörden eine Zeichnung angefertigt haben, die überzeugend belegen sollte, dass die von ihnen bestellten Zylinder für die Entwicklung eines Brückenlegers eingesetzt werden sollten, liegt es doch mehr als nahe, dass sie dabei darauf geachtet haben, dass die Skizze auch unter technischen Gesichtspunkten in sich stimmig ist; ansonsten wären sie das Risiko eingegangen, dass die Techniker der Ausfuhrbehörden die Zeichnung schnell als Fälschung entlarvt hätten. Die seitens des Sachverständigen X6 erwähnte Tatsache schließlich, dass die von ihm festgestellten Gebrauchsspuren theoretisch zu einem Einbau der Zylinder wie auf der Brückenlegerzeichnung dargestellt pasSEN würden, ist im Grunde genommen ohne Bedeutung. Er hat nämlich gleichzeitig darauf hingewiesen, dass dies nur eine von mehreren Möglichkeiten sei; die Spuren könnten auch bei irgendwelchen Standversuchen entstanden sein. Letztlich ließe sich aus ihnen nicht zweifelsfrei darauf schließen, was genau mit den Zylindern gemacht worden sei.
484b)
485Die Überzeugung der Kammer, dass beide Angeklagte bezüglich aller im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Zylinder bzw. -rohre jeweils bei der Bestellung (der Angeklagte M6) oder zumindest in einem engen zeitlichen Zusammenhang damit (der Angeklagte M2) positiv wussten, dass diese für die Entwicklung eines Prototypen einer mobilen Raketenstartrampe bestimmt waren (also gewissermaßen der subjektive Sachverhalt) fußt auf den folgenden Überlegungen:
486Der ganz entscheidende Ausgangspunkt für die Kammer ist der Umstand, dass die oben wiedergegebene Einlassung des Angeklagten zu 1) in ihrer Gesamtheit mit Sicherheit nicht der Wahrheit entspricht, weil sie größtenteils in sich unschlüssig und nicht nachvollziehbar ist, weil sie in mehrfacher Hinsicht jeglicher Lebenswirklichkeit sowie Lebenserfahrung widerspricht und weil sie sich in zahlreichen Punkten mit bestimmten Urkunden, feststehenden Vorgängen sowie zwingenden logischen Zusammenhängen nicht in Einklang bringen lässt. Bei dieser Bewertung der Einlassung ist von einem – wie in der Hauptverhandlung deutlich zu Tage getreten ist – überdurchschnittlich intelligenten Angeklagten auszugehen, der spätestens seit Mitte der achtziger Jahre praktisch alleinverantwortlich mit hohem Erfolg ein mittelständisches Industrieunternehmen führt, über ein hervorragendes Gedächtnis verfügt, sehr ehrgeizig ist und fließend englisch spricht.
487Es ist zunächst einmal schlechterdings ausgeschlossen, dass dem Angeklagten zu 1) bis weit über das Jahr 2001 hinaus – eigentlich bis heute – noch nicht einmal Bedenken gekommen sein sollen, ob die vielen verschiedenen von den Indern bestellten Zylinder nicht für ein anderes – und zwar bedeutsameres – Gerät als einen Brückenleger bestimmt sein könnten. Denn es gab im Laufe der Jahre zahlreiche Gesichtspunkte und Geschehnisse, die bei jedem normalen Menschen zumindest Zweifel an dem nach der Einlassung des Angeklagten von den indischen Regierungsstellen behaupteten Verwendungszweck wecken mussten.
488Seltsam mutet zunächst nämlich schon an, dass eine – ersichtlich mit hochqualifizierten Ingenieuren besetzte – Forschungsabteilung des indischen Verteidigungsministeriums offensichtlich mehr als 4 Jahre (!) an einem Prototypen für ein Brückenlegefahrzeug "herumbastelt", obwohl es sich dabei zum einen nicht um extreme Hochtechnologie handelt und zum anderen die indische Armee (wie alle namhaften Armeen der Welt) schon über verschiedene Brückenleger verfügt. Letzteres weiß auch der Angeklagte spätestens ab seinem Besuch bei S im Juni 1997; denn er hat selbst geschildert, dass er bei dieser Gelegenheit verschiedene Brückenlegefahrzeuge besichtigt habe und bezüglich eines sogar um Hilfe bei der Lösung eines technischen Problems mit einer Seilumlenkrolle gebeten worden sei. Dieses jahrelange "Herumexperimentieren" mit verschiedensten Zylindertypen und mehreren Versionen des Prototypen sprach vielmehr dafür, dass die Inder ein technisch anspruchsvolles und offensichtlich nur mit Schwierigkeiten zu verwirklichendes Militärgerät zu entwickeln versuchten – und eben nicht nur einen simplen Brückenleger. Auch die Tatsache, dass die indischen Ingenieure höchste Ansprüche an die Qualität der zu fertigenden Zylinder stellten und extremen Wert darauf legten, dass die Produkte exakt ihren Vorstellungen entsprachen (ein – wie dem Angeklagten aus dem Schreiben der N9 vom 19.4.1996 bekannt war – wichtiger Entscheidungsträger – H3 – besichtigte im Mai 1996 eigens die N, um deren Fähigkeiten zu überprüfen; die Zylinderzeichnungen wurden mehrmals hin und her geschickt, weil die Mitarbeiter der S immer wieder Änderungswünsche in Detailfragen hatten; zwei indische Ingenieure prüften die Zylinder im Mai 1997 mehrere Tage lang) sprach gegen die Entwicklung eines relativ gängigen Militärgerätes und mehr für irgendetwas Neues und Besonderes. Dasselbe gilt für den Umstand, dass S von 1997 bis 2000 insgesamt dreimal "für dasselbe Projekt" kleinere Zylindersätze (mit ständigen technischen Verbesserungen und Sonderwünschen) bestellte, von denen der Angeklagte zu 1) selbst sagt, dass er nicht weiß, wo und wie diese in einem Brückenleger Verwendung finden können.
489Hinzu kommt ein interessanter sprachlicher Gesichtspunkt. Auffällig ist nämlich, dass in fast keinem der an den Angeklagten zu 1) gerichteten (im vorliegenden Komplex relevanten) Schriftstücke – die meisten stammen von S3 – das Projekt, an dem die Inder arbeiten und für das sie die ganzen Zylinder brauchen, konkret benannt wird, schon gar nicht als "bridge layer", dem – wie der als Sachverständiger vernommene erfahrene Übersetzer L7 überzeugend dargelegt hat – üblichen englischen Wort für Brückenleger. Meistens ist nur von "Mr. H3s Projekt" oder "dem Projekt" die Rede. S3 schreibt jedoch bemerkenswerterweise ansonsten, wenn es unzweifelhaft um irgendwelche Brückenlegepanzer geht – wie in den Telefaxen vom 27.6.1997 (BH 29, 1), 1.12.1997 (BH 13, 1), 23.6.1998, 26.7.1998 (BH 28, 36) und 3.8.1998 (BH 28, 38) – von "bridge layern". Im Gegensatz dazu bezeichnet er das vorliegend in Rede stehende Projekt in den Faxen vom 3.9.1997 (das im Mast-Komplex eine zentrale Rolle spielt), 25.10.1997, 1.12.1997 und 24.8.2000 ausdrücklich als "launcher"; diese englische Vokabel kann nach den überzeugenden Ausführungen des über eine langjährige Erfahrung in der englischen Sprache verfügenden Sachverständigen L7 je nach dem zugrunde liegenden Kontext zwar für jedes Gerät verwendet werden, das Dinge startet und befördert, umschreibt aber in erster Linie und im allgemein gängigen Sprachgebrauch eine Raketenstartrampe. Da es sich bei diesen Schriftstücken um Schreiben mit wichtigem Inhalt handelt, steht außer Zweifel, dass der Angeklagte zu 1) sie auch gelesen hat; er hat dies auch nicht in Abrede gestellt.
490Bereits diese Ungereimtheiten und Auffälligkeiten wären jedem Menschen mit der Intelligenz und den Fähigkeiten des Angeklagten zu 1) zumindest mehr als seltsam vorgekommen und hätten zu Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben der Inder – dass die Zylinder für Brückenleger bestimmt seien – geführt. Vollends unglaubwürdig wird die gegenteilige Behauptung des Angeklagten aber, wenn man den Widerspruchsbescheid des BAFA vom 11.12.2000 hinzunimmt. Dort wird sogar explizit ausgeführt, dass die großen Teleskopneigezylinder prinzipiell auch für die Verwendung in einer mobilen Raketenabschussrampe geeignet seien. Dass der Angeklagte zu 1) – obwohl ein politisch interessierter Mensch wie er seinerzeit den Nachrichten entnommen haben muss, dass die Inder Raketen und Atomwaffen bauen – nicht einmal durch diesen direkten Hinweis zumindest ins Grübeln gekommen sein will (er will nur gedacht haben, die Sachbearbeiter des BAFA seien "Spinner"), ist so abwegig, dass man es ausschließen kann. Jeder normale Mensch hätte zumindest S3 auf diesen Punkt angesprochen und mit ihm diskutiert, ob die indischen Verteidigungsstellen hinsichtlich des von ihnen angegebenen Verwendungszwecks möglicherweise gelogen haben. Der Angeklagte will jedoch selbst durch die Durchsuchung am 17.7.2001, bei der er mit dem konkreten Verdacht der Strafverfolgungsorgane konfrontiert wurde, die im Mai 1997 nach Indien gelieferten Zylinder seien für eine Raketenstartrampe bestimmt gewesen, nicht verunsichert worden sein; stattdessen – so der Angeklagte – sei er im November 2001 voller Vertrauen in die Richtigkeit der indischen Angaben zu S nach Pune gereist, um sich die ihm im Mai 1996 vorgelegte Brückenlegerzeichnung zu besorgen. Eine derartige Gutgläubigkeit widerspräche jeglicher Lebenserfahrung und -wirklichkeit; sie kann nur als Schutzbehauptung qualifiziert werden.
491Gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten zu 1) spricht des Weiteren, dass sie sich mit seinem eigenen Verhalten und dem Inhalt einzelner Urkunden nicht in Einklang bringen lässt.
492In diesem Zusammenhang ist wichtig, dass der Angeklagte von Anfang an (und zwar bereits ab Mai 1996) wusste, dass sein Unternehmen bei den von den indischen Verteidigungsorganisationen für ihr "Projekt" benötigten Zylindern in Konkurrenz zu der von ihm als "Erzrivale" betrachteten I stand, die zu seinem – des Angeklagten – Leidwesen bei den begehrten Stahlwasserbauaufträgen immer "die Nase vorn hatte". Auch im Mai 1996 hatte wieder die I den eigentlichen Auftrag an Land gezogen – bei ihr hatte die indische Regierung zwei komplette Sätze des gewünschten Zylinderkonglomerats bestellt. Die N hatte allerdings zumindest einen Auftrag über zwei Neigezylinder mit der speziellen nur von ihr angebotenen Zylinderverbindung bekommen, da die Ingenieure von S offensichtlich deren besondere Wirkungsweise testen wollten. Im August 1996 erhielt die N dann auch den Auftrag über den Horizontal- und den Teleskopzylinder, wobei die Kammer den Grund für diese nachträgliche Bestellung nicht mit letzter Sicherheit feststellen konnte. Aller Wahrscheinlichkeit nach war es so, wie es T6 in seinem Fax an die I vom 14.6.1997 schildert: Der Angeklagte zu 1) wusste (was er auch eingeräumt hat), dass die I Schwierigkeiten mit dem Erhalt einer Ausfuhrgenehmigung hatte, und ließ bei S (vermutlich über S3) verbreiten, die N habe keine Probleme mit dem Export; es spricht nämlich alles dafür, dass der Angeklagte – worauf noch einzugehen sein wird – zunächst geplant hatte, "seine" Zylinder ohne Einholung einer Genehmigung auszuführen. Jedenfalls wusste der Angeklagte, dass die N bei dem von S geplanten Prototypen zumindest "einen Fuß in der Tür hatte", zumal das Unternehmen alle Zylinder bereits im Mai 1997 auslieferte und die I zu diesem Zeitpunkt überhaupt erst mit der Produktion begann.
493Vor diesem Hintergrund widerspricht es jeglicher Lebenserfahrung und Lebenswirklichkeit, dass der Angeklagte – wie er im Rahmen seiner Einlassung behauptet hat – bei seinen Besuchen bei S in Pune im Juni 1997 und vor allem im Februar 1998 nicht darüber gesprochen haben will, ob die Inder mit den Zylindern der N zufrieden sind und wie der Vergleich mit den seitens der I im November 1997 gelieferten Zylindern ausfällt. Die Angaben des Angeklagten zu diesen beiden Besuchen sind bezeichnenderweise insgesamt widersprüchlich und nicht nachvollziehbar. So gibt er einerseits an, diese hätten einen rein repräsentativen Charakter gehabt; es sei weder über Aufträge noch über technische Details gesprochen worden, sondern man habe sich in "small talk" erschöpft. Andererseits und im Widerspruch dazu ist jedoch – daran konnte sich der Angeklagte erinnern und es ist auch durch die Schreiben S3s vom 27.6.1997 (BH 29, 1) sowie 1.12.1997 belegt – bei dem Besuch im Juni 1997 das technische Problem mit der Seilumlenkrolle bei einem Brückenlegepanzer sowie der Preis für Teleskopneigezylinder als Ersatz für das im Mai 1997 gelieferte Zylinderkonglomerat erörtert worden; im Februar 1998 hat der Angeklagte – auch dies war ihm noch erinnerlich und wird durch sein eigenes aus Indien an das technische Büro der N gesendetes Fax vom 22.2.1998 bestätigt – mit den indischen Ingenieuren über eine zu geringe Absenkgeschwindigkeit der von der N gelieferten Neigezylinder diskutiert. Bezüglich des Besuches im Juni 1997 ist jedenfalls aufgrund des Telefaxes des Angeklagten vom 23.5.1997 (Ordner 1, 19) erwiesen, dass er dabei auch mit H3 sprechen wollte; hinsichtlich des Besuches im Februar 1998 steht ausweislich des aus dem Telefax des S3 vom 19.2.1998 (BH 28, 13) ersichtlichen Terminplans fest, dass der Angeklagte sich mit dem Direktor von S und mit "H3s Gruppe" treffen wollte. Dass der Angeklagte bei diesen Treffen mit seinen Gesprächspartnern nicht über Einzelheiten ihres Brückenlegerprojektes sowie darüber gesprochen haben will, wie sie mit den von der N gelieferten Zylindern vorankommen beziehungsweise was man vielleicht technisch verbessern kann, macht schlechterdings keinen Sinn. Es ging immerhin – auf lange Sicht gesehen – um lukrative Folgeaufträge, wenn es zur Serienproduktion des (angeblichen) Brückenlegers kommen würde, und vor allem war der Angeklagte mit Sicherheit interessiert daran, die I – seinen Erzkonkurrenten – bei diesen Staatsaufträgen auszustechen. Die gegenteiligen Behauptungen des Angeklagten, der darzulegen versucht hat, die hier in Rede stehenden Zylinderbestellungen seien nach seiner Einschätzung für die N wirtschaftlich uninteressant gewesen, sind schon für sich gesehen wenig überzeugend und werden vor allem durch sein eigenes Verhalten widerlegt: So ist der Angeklagte immerhin am 7.5.1996 eigens nach London gereist, um an den Ausschreibungsverhandlungen teilzunehmen; auch die Besuche bei S im Juni 1997 und im Februar 1998 zeigen, dass ihm diese Geschäftsbeziehung mit der indischen Regierung eben nicht gleichgültig war. Eine vernünftige Erklärung dafür, warum er bei seinen Gesprächen mit den Leuten von S diese nicht auf die oben genannten Punkte angesprochen hat, hat der Angeklagte auch auf Nachfrage nicht vorgebracht, also nicht etwa behauptet, er sei davon ausgegangen, die Inder hätten nicht darüber sprechen wollen oder er habe entsprechende Nachfragen für unschicklich gehalten. Im Übrigen hat er nach seinen eigenen Angaben noch nicht einmal mit S3 über diese Fragen gesprochen. Dies hätte sich aber insbesondere ab Mitte 1999 mehr als aufgedrängt. Inzwischen waren nämlich zwei Jahre seit der ersten Lieferung vergangen und die Ingenieure von S waren scheinbar – so musste es für den Angeklagten aussehen – mit der Entwicklung ihres Brückenlegerprototypen noch nicht sonderlich weit gediehen. Denn zum einen wollten sie offensichtlich die ursprünglich angedachte Kombination aus Neigezylinderpaar, Horizontalzylinder und einem kleinen Teleskopzylinder durch zwei große Teleskopneigezylinder ersetzen; andererseits wollten sie aber – wie sich dem Telefax des S3 vom 4.5.1999 entnehmen lässt – nochmals einen Satz Neigezylinder wie beim ersten Auftrag (allerdings mit 100 mm längerem Hub) bestellen, was dann aber letztlich nur in die Bestellung von zwei Ersatzrohren mündete. Dass auch vor diesem seltsam anmutenden Verhalten der indischen Seite der Angeklagte angeblich keine Veranlassung gesehen haben will, seinen Vertrauten S3 zumindest aus technischem Interesse zu fragen, was die Ingenieure von S eigentlich "treiben" (und stattdessen nur geglaubt haben will, die Inder hätten die alten Rohre beschädigt), ist so lebensfremd, dass man es ausschließen kann. Das angebliche Desinteresse des Angeklagten insbesondere in diesem späten Zeitraum ist auch vor allem vor dem Hintergrund extrem abwegig, dass die N für den Export der großen Teleskopzylinder einen Ausfuhrantrag beim BAFA stellt und dabei gegenüber dieser Behörde angibt, die Zylinder seien für dasselbe Brückenlegerprojekt bestimmt wie die im Mai 1997 exportierten Zylinder. Der Angeklagte weiß aus den Formularen des ersten Antragsverfahrens, dass falsche Angaben in diesem Zusammenhang ernste Konsequenzen haben können. Von daher hätte es schon zur eigenen Absicherung besonders nahe gelegen, bei S3 nochmals nachzufragen, ob die indischen Ingenieure wirklich immer noch an dem Brückenlegerprototypen "herumbasteln".
494Gegen die Richtigkeit der Einlassung des Angeklagten zu 1) spricht schließlich vor allem sein Verhalten im Zusammenhang mit der Einholung bzw. Nichteinholung von Ausfuhrgenehmigungen. Vorauszuschicken ist, dass sich der Zeuge I8, der im hier interessierenden Zeitraum bei der N als alleiniger Exportsachbearbeiter beschäftigt und unmittelbar dem Angeklagten unterstellt war, nach seinen Bekundungen in der Hauptverhandlung ab Anfang der neunziger Jahre bestens mit dem Außenwirtschaftsrecht auskannte. Bevor die indische Regierung die ersten Zylinder für ihr angebliches Brückenlegerprojekt bestellte, hatte die N bereits im Jahre 1991 zweimal Zylinder für Panzer exportiert, und zwar nach Singapur und in die Niederlande; in beiden Fällen hatte die Firma Ausfuhrgenehmigungen beim BAFA beantragt und auch erhalten. Darüber hinaus wird bei dem Unternehmen etwa alle vier Jahre eine Außenwirtschaftsprüfung durchgeführt, bei der unter anderem genau kontrolliert wird, ob bei allen Exportgeschäften sämtliche Formalitäten eingehalten worden sind (also auch etwa erforderliche Genehmigungen vorliegen). Eine solche Prüfung hatte auch Ende 1995 bei der N stattgefunden. Mit einem an die Geschäftsleitung gerichteten Schreiben der OFD Münster vom 13.5.1996 wurde das Unternehmen besonders auf die notwendige Einhaltung der Vorschriften des AWG hingewiesen; dass der Angeklagte dieses Schreiben nicht zur Kenntnis genommen haben könnte, ist abwegig und von ihm auch nicht behauptet worden. Angesichts dieser Vorgeschichte war damit sowohl dem Zeugen I8 als auch dem Angeklagten zu dem Zeitpunkt, als die indische Regierung die Aufträge für das Neigezylinderpaar (Mai 1996) beziehungsweise den Horizontal- und den Teleskopzylinder (August 1996) erteilte, bestens bekannt, dass man für den Export von Zylindern, die für ein militärisches Gerät wie einen Brückenleger bestimmt sind, eine Genehmigung des BAFA benötigt. Und obwohl die N bezüglich beider Bestellungen sehr knapp bemessene Liefertermine zugesagt hatte (Ende September 1996 für die Neigezylinder und Januar 1997 für den Horizontal- sowie den Teleskopzylinder), kümmern sich zunächst weder der Angeklagte noch der Zeuge I8 in irgendeiner Form um die Einholung einer Ausfuhrgenehmigung. Es findet sich lediglich in den Geschäftsunterlagen der N der für den Angeklagten bestimmte – ominöse – Vermerk des Zeugen I8 vom 7.11.1996, wonach er sich telefonisch bei der OFD Münster erkundigt hat, was man in außenwirtschaftsrechtlicher Hinsicht wegen einer eventuell erforderlichen Genehmigung zu unternehmen hat. Diese Nachfrage mutet mehr als merkwürdig an, da sowohl I8 als auch der Angeklagte zumindest aufgrund der erwähnten früheren Exportgeschäfte die nach dem AWG notwendigen Schritte genau kennen; möglicherweise ist der Vermerk später angefertigt worden, um für eine Außenwirtschaftsprüfung aktenkundig zu machen, wie man auf die Idee kam, die indischen Besteller nach einem Enduser Certificate zu fragen. Selbst nachdem die indischen Regierungsstellen Ende November 1996 die seitens der N angeforderte Endverwenderbescheinigung übersandt hatten, wartete das Unternehmen mit der Stellung des Ausfuhrantrages noch bis Anfang Februar 1997, und das, obwohl die Inder auf Lieferung drängten und der Angeklagte M2 mit Fax vom 23.1.1997 auf eine entsprechende Nachfrage des H3 wahrheitswidrig mitgeteilt hatte, die Exportgenehmigung "sei okay". Für dieses zögerliche Vorgehen im Hinblick auf die Einholung einer Genehmigung gibt es – wenn man unterstellt, der Angeklagte zu 1) hätte tatsächlich geglaubt, das Zylinderkonglomerat sei für einen Brückenlegerprototypen bestimmt gewesen – keine plausible Erklärung; auch er selbst hat keine präsentiert. Er hat hierzu lediglich behauptet, er habe sich mit diesen Dingen nicht ausgekannt, ihm habe die Sensibilität gefehlt, dass bei einer Ausfuhr nach Indien für ein militärisches Endprodukt eine Ausfuhrgenehmigung erforderlich sei; erst als er aus Indien (wohl von S3) gehört habe, die I könne wegen einer fehlenden Genehmigung nicht liefern, sei es ihm "wie Schuppen von den Augen gefallen", dass auch sein Unternehmen eine solche benötigen könnte. Dieses Vorbringen ist vor dem Hintergrund der Intelligenz und Geschäftserfahrenheit des Angeklagten zu 1) sowie der früheren mit Ausfuhrgenehmigungen des BAFA durchgeführten Rüstungsexporte nach Singapur und Holland derart abwegig, dass es nur als Schutzbehauptung qualifiziert werden kann. Bezeichnenderweise hat auch der Zeuge I8 zu diesem Punkt bei seiner Vernehmung keine Erklärung beizusteuern vermocht; er hat im Wesentlichen bekundet, sich nicht mehr erinnern zu können, dass und warum die Ausfuhrgenehmigung erst so spät beantragt worden sei. Hinzu kommt noch eine weitere Auffälligkeit: Wäre der Angeklagte zu 1) wirklich gutgläubig gewesen, macht vor allem auch sein Schreiben an H3 vom 7.11.1996 keinen Sinn. Nachdem er (angeblich) mühsam durch seinen Exportsachbearbeiter I8 hat herausfinden lassen, dass man für Exportlieferungen nach Indien, wenn der exakte Verwendungszweck der Zylinder nicht bekannt ist, eine Endverwenderbescheinigung braucht, die man dem BAFA vorlegen muss, erbittet er bei H3 "irgendeine Art von Information (Arbeitsplattform oder ähnliches ?)" hinsichtlich der beabsichtigten Verwendung der Zylinder. Diese Anfrage ist schlechterdings nicht nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass dem Angeklagten nach seiner Einlassung im Mai des gleichen Jahres von H3 anhand einer Zeichnung eines Brückenlegefahrzeuges der geplante Einbau der Zylinder genau erklärt worden ist. Angesichts dessen hätte jedermann, wenn er gutgläubig gewesen wäre, H3 gebeten, eine amtliche Bescheinigung zu übersenden, die die bereits dargelegte Absicht der Verwendung in einem Brückenlegefahrzeug bestätigt. Bezeichnenderweise hat auch der Angeklagte für dieses Schreiben auf Vorhalt keine Erklärung bieten können.
495Sein – vor dem Hintergrund seiner Einlassung – nicht nachvollziehbares und widersprüchliches Verhalten im Zusammenhang mit dem BAFA setzt sich bei den weiteren Zylinderlieferungen fort, bei denen er – ungeachtet der Tatsache, dass ihm aus den Formularen des ersten Genehmigungsverfahrens die mit Verstößen gegen das AWG verbundenen negativen Folgen bekannt sind – gar keine Ausfuhranträge stellt, obwohl es bei diesen – da es um Zylinder für das aus seiner (angeblichen) Sicht identische Brückenlegerprojekt geht – kaum Probleme geben dürfte. Eine vernünftige Erklärung hierfür gibt es nicht und ist von dem Angeklagten trotz entsprechender Nachfrage auch nicht vorgebracht worden. Seine diesbezüglichen Angaben, er habe wohl wegen des geringen Auftragsvolumens und des Umstandes, dass es um Nachlieferungen für den ersten genehmigten Export gegangen sei, über die Frage der eventuellen Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung gar nicht nachgedacht, sind angesichts der ihm präsenten Brisanz einer ungenehmigten Ausfuhr schlechterdings abwegig und nicht nachvollziehbar. Im Jahr 2000 wiederum, als es um die großen Teleskopneigezylinder geht, wendet sich die N wieder an das BAFA und fragt nach, ob für den beabsichtigten Export eine Genehmigungspflicht besteht; auch dieses widersprüchliche Verhalten hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung nicht sinnvoll begründen können. Die Vorgehensweise der N gegenüber dem BAFA im Zusammenhang mit diesem Zylinderauftrag ist zudem für sich gesehen auch wieder mehr als seltsam, wenn man unterstellt, der Angeklagte sei gutgläubig gewesen. Denn es wird zunächst nur vorsichtig mit Schreiben vom 14.2.2000 angefragt, ob man überhaupt eine Genehmigung brauche. Als dies vom BAFA bejaht wird, unternimmt der Angeklagte zunächst nichts, obwohl die N bereits im März 2000 die verbindliche Bestellung erhält; erst am 7.7.2000 stellt er einen förmlichen Ausfuhrantrag. Auch dieses nicht nachvollziehbare Vorgehen hat der Angeklagte trotz Nachfrage nicht zu erklären vermocht.
496Nach alledem steht als Zwischenergebnis unzweifelhaft fest, dass die Einlassung des Angeklagten zu 1) falsch ist. Er hat nicht wie von ihm behauptet geglaubt, dass die im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Zylinder bzw. -rohre seitens der indischen Verteidigungsorganisationen für die Entwicklung eines Brückenlegers verwendet werden sollten.
497Es steht vielmehr fest, dass der Angeklagte zu 1) bezüglich aller Zylinder bzw. -rohre jeweils bei der Auftragserteilung positiv wusste, dass sie für die Entwicklung einer mobilen Raketenstartrampe bestimmt waren. Es lässt sich zwar nicht sicher klären, wann genau und auf welche Art und Weise er von der indischen Seite entsprechend informiert worden ist; das ist aber auch für die Erfüllung des der vorliegenden Verurteilung zugrunde liegenden Straftatbestandes unerheblich. Dass der Angeklagte diese positive Kenntnis (und nicht etwa nur bedingten Vorsatz) hatte, ergibt sich aus folgenden Überlegungen:
498Zunächst einmal hält es die Kammer für ausgeschlossen, dass die indischen Verteidigungsorganisationen, für die die Entwicklung der mobilen Startrampe sehr wichtig, aber offensichtlich nicht sehr einfach ist und die deshalb extrem hohe Anforderungen an die Qualität und die Funktionsfähigkeit der von ihnen gewünschten Zylinder stellen, im Frühjahr 1996 einem von ihnen ins Auge gefassten Anbieter ungefragt und ohne Notwendigkeit (weil er die geplante Verwendung für die Produktion nicht zu kennen braucht) unter Vorlage einer sehr präzisen – falschen – Zeichnung unzutreffende Informationen über den beabsichtigten Verwendungszweck und die angebliche exakte Einbausituation der drei verschiedenen Zylinder zukommen lassen. Denn zumindest aus Sicht der Ingenieure von S ließe sich doch nicht ausschließen, dass, wenn der Hersteller vollkommen falsche Vorstellungen von der Einbausituation hätte, bei der Konfiguration und / oder Produktion der Zylinder nicht das für den wirklichen Verwendungszweck erforderliche Optimum herauskäme. Selbst wenn man aber einmal unterstellt (was die Verteidigung beider Angeklagter mehrfach als Möglichkeit in den Raum gestellt hat), die indischen Besteller hätten die N – anders als die I – hinsichtlich des wahren Verwendungszwecks bewusst im Unklaren lassen wollen, würde ihr Vorgehen keinen Sinn machen. Denn dann hätten sie sinnvollerweise entweder gar keinen Verwendungszweck angegeben oder – wenn man davon ausgeht, dass sie sich schon frühzeitig wegen zu erwartender Exportprobleme überlegt hätten, die Brückenlegerlegende aufzubauen – es dabei belassen, der N schlicht mitzuteilen, die Zylinder seien für ein Brückenlegerprojekt bestimmt – so wie es auch später in den Endverwenderbescheinigungen heißt. Die Vorlage der präzisen – falschen – Zeichnung bereits Anfang Mai 1996, zu einem Zeitpunkt, als H3 die N zunächst nur besichtigt, um ihre fachliche Kompetenz zu prüfen, und das Unternehmen noch nicht einmal ein endgültiges Angebot abgegeben hat, wäre nicht nur unsinnig, sondern sogar eher gefährlich. Denn die Inder wären mit der – wie schon gesagt unnötigen – Vorlage der Zeichnung das Risiko eingegangen, dass der Angeklagte zu 1) eventuell erkennen würde, dass die Zeichnung beispielsweise aus technischen Gründen unstimmig ist und sie – die Inder – ein falsches Spiel treiben; dies hätte ihren Plan, die N gutgläubig zu lassen, geradezu konterkariert. Das Präsentieren der Zeichnung lässt sich hingegen sinnvoll erklären, wenn die indische Seite dem Angeklagten entweder von Anfang an oder zumindest in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Auftragserteilung "reinen Wein eingeschenkt" und ihm dargelegt hat, man werde offiziell (also insbesondere für die Exportbehörden) behaupten, die bestellten Zylinder seien für einen Brückenlegerprototypen gedacht, und man könne anhand der Zeichnung den Einbau der drei Zylindertypen plausibel darstellen; dazu passt, dass – wie oben ausgeführt – die indische Botschaft in Bonn die gleiche Zeichnung im Januar 1997 dem Bundeswirtschaftsministerium zugeleitet hat, um die Erteilung der Exportgenehmigung zu beschleunigen.
499Auch die bereits erwähnte sprachliche Komponente spricht in starkem Maße dafür, dass der Angeklagte zu 1) von Anfang an seitens der indischen Besteller über den wahren Verwendungszweck informiert worden war. Denn wenn die Inder die N gezielt in dem Glauben hätten lassen wollen, die Zylinder seien wirklich für einen Brückenlegerprototypen bestimmt, hätten sie mit Sicherheit peinlich darauf geachtet, das Gerät gegenüber dem Unternehmen auch als "bridge layer" – der nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen L7 üblichen englischen Vokabel für Brückenleger – zu bezeichnen. Ausweislich vieler Schreiben des S3 an die N haben die indischen Verteidigungsorganisationen aber offensichtlich nur von "dem Projekt" oder "launcher" gesprochen; die letztgenannte Vokabel wird in zahlreichen offiziellen und halboffiziellen indischen Internetveröffentlichungen und Zeitungsartikeln, die die Kammer in der Hauptverhandlung durch den Sachverständigen L7 hat übersetzen lassen, aufgrund des jeweiligen Kontextes unzweifelhaft für Raketenstartrampen verwendet.
500Des Weiteren lässt sich auch das seltsame und vor allem zögerliche Vorgehen des Angeklagten im Zusammenhang mit der Einholung einer Exportgenehmigung nur sinnvoll erklären, wenn er von Anfang an seitens der indischen Verteidigungsstellen über die wahren Hintergründe in Kenntnis gesetzt war. Er hatte nämlich ersichtlich zunächst die Absicht, die Zylinder ohne Einholung einer Genehmigung auszuliefern, was, wenn er von Anfang an den tatsächlichen Verwendungszweck kannte, mehr als verständlich ist. Erst als er irgendwann im Laufe des Jahres 1996 erfuhr, dass die I bezüglich der bei ihr bestellten Zylinder einen Ausfuhrantrag gestellt hatte, dessen Bescheidung sich in die Länge zog, erschien ihm offensichtlich ein heimlicher Export zu riskant, so dass er sich entschloss, ebenfalls eine Ausfuhrgenehmigung zu beantragen. Diese Schlussfolgerungen werden nahtlos abgerundet durch das oben zitierte Schreiben des Angeklagten an H3 vom 7.11.1996. Denn dieses lässt sich schlechterdings nur erklären, wenn die indischen Besteller den Angeklagten darüber informiert hatten, dass die Zylinder für eine problematische Raketenstartrampe bestimmt sind und der auf der Zeichnung dargestellte Brückenleger eine Legende darstellt. Der Angeklagte will nämlich ersichtlich nunmehr, nachdem er sich entschlossen hat, doch einen Ausfuhrantrag zu stellen, mit der indischen Seite abstimmen, welchen Verwendungszweck man gegenüber den deutschen Exportbehörden angeben soll – ein anschaulicher Beleg für kollusives Zusammenwirken.
501Wenn der Angeklagte zu 1) bei dem ersten im Jahre 1996 bestellten Zylinderkonglomerat seitens der indischen Verteidigungsorganisationen von Anfang an über den wahren Verwendungszweck informiert worden war, wusste er naturgemäß auch bei den weiteren im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Zylindern bzw. -rohren jeweils genau, dass auch diese für die Entwicklung der mobilen Raketenstartrampe bestimmt waren. Dazu passt, dass er bei den Kommissionen 9284, 1547, 2265 und 2745 erst gar keinen Ausfuhrantrag gestellt hat. Dass er bei den großen Teleskopneigezylindern der Kommission 3566 wiederum eine Genehmigung beantragt hat, hängt ersichtlich damit zusammen, dass S – wie der Angeklagte wusste – die gleichen Zylinder auch bei der I bestellt hatte – was bei den Kommissionen 9284, 1547, 2265 und 2745 nicht der Fall gewesen war. Von daher erschien es ihm wie schon bei dem ersten Zylinderkonglomerat auch hier zu riskant, die Zylinder heimlich auszuführen, da er davon ausgehen musste, dass die I genau wie im Jahre 1996 eine Genehmigung beantragen würde.
502Die Kammer hat auch keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Angeklagte zu 2) ebenfalls von Anfang an (also in engem zeitlichen Zusammenhang mit den ersten Bestellungen im Mai und August 1996) positiv wusste, dass das Zylinderkonglomerat seitens der indischen Besteller für die Entwicklung einer mobilen Raketenstartrampe und nicht für ein Brückenlegerprojekt eingesetzt werden sollte. Es lässt sich zwar nicht sicher klären, wann genau und vor allem auf welchem Wege er diese Kenntnis erlangt hat; dies ist aber auch für die Erfüllung des der vorliegenden Verurteilung zugrunde liegenden Straftatbestandes irrelevant. Entweder ist er unmittelbar durch die indischen Verteidigungsorganisationen informiert worden oder – wofür mehr spricht – sein Onkel hat ihn ins Bild gesetzt. Die positive Kenntnis des Angeklagten zu 2) ergibt sich aus folgenden Schlussfolgerungen:
503Zunächst einmal steht fest, dass auch seine Einlassung, er sei immer davon ausgegangen, die im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Zylinder bzw. -rohre seien für die Entwicklung eines Brückenlegerprototypen bestimmt gewesen, falsch ist. Im Prinzip – wenn auch mit gewissen Einschränkungen – gelten hier die gleichen Erwägungen wie bei dem Angeklagten zu 1). Dabei ist wichtig, dass es sich auch bei dem Angeklagten zu 2) – wie die Hauptverhandlung deutlich gezeigt hat – um einen überdurchschnittlich intelligenten und geschäftlich versierten Menschen handelt, der ebenfalls fließend englisch spricht. Von Bedeutung ist zudem, dass er in seiner Funktion als (untergeordneter) Mitgeschäftsführer bis zu seinem Wechsel nach H2 zum 1.7.1999 – dies belegen zahllose in den Feststellungen wiedergegebene Schriftstücke – nahtlos in die Abwicklung der Kommissionen 7572, 7955, 9284, 1547 und (zumindest zu Anfang) auch 2265 eingebunden war; beide Angeklagte haben insoweit arbeitsteilig zusammengewirkt. Vor diesem Hintergrund kann – wie schon bei dem Angeklagten zu 1) – auch bei dem Angeklagten zu 2) die Behauptung, ihm seien eigentlich bis heute nie auch nur ansatzweise Zweifel an der Richtigkeit des von den Indern genannten Verwendungszwecks (Brückenleger) gekommen, nur als vollkommen lebensfremd, abwegig und damit eindeutig falsch qualifiziert werden. Denn auch ihm waren die oben im Zusammenhang mit der Einlassung des Angeklagten zu 1) aufgezählten Umstände (allenfalls mit Ausnahme des sprachlichen Gesichtspunktes, weil er im Gegensatz zu seinem Onkel nicht alle Schreiben zu Gesicht bekommen hat), die bei jedem halbwegs denkenden Menschen Zweifel geweckt hätten, bekannt. Dass der intelligente und geschäftserfahrene Angeklagte nicht einmal aufgrund des auch ihm zur Kenntnis gelangten Widerspruchsbescheides des BAFA vom 11.12.2000 sowie der Durchsuchung vom 17.7.2001 nachdenklich geworden sein will, kann schlechterdings ausgeschlossen werden. Wäre der Angeklagte tatsächlich gutgläubig gewesen, hätte er mit Sicherheit irgendwann seinen Onkel darauf angesprochen, ob es mit der Information der indischen Besteller, die Zylinder seien für ein Brückenlegerprojekt bestimmt, eigentlich seine Richtigkeit habe; eine derartige Nachfrage hat es aber nach den Angaben beider Angeklagter nicht gegeben. Hinzu kommt folgende Überlegung: Hätte der Angeklagte zu 2) nicht gewusst, dass das im Mai und August 1996 bestellte Zylinderkonglomerat in Wirklichkeit für die Entwicklung einer mobilen Raketenstartrampe bestimmt war, hätte er bei den darauf folgenden Kommissionen mit Sicherheit zumindest zur Diskussion gestellt, ob die N nicht auch für diese Exporte besser eine Ausfuhrgenehmigung beantragen sollte. Auf Vorhalt hat er dazu – ähnlich wie der Angeklagte zu 1) – angegeben, diese Frage sei innerhalb des Unternehmens gar nicht thematisiert worden; es sei schließlich nur um Nachlieferungen für einen genehmigten Export gegangen sei und man habe keine Lust gehabt, wieder monatelang auf eine Genehmigung zu warten. Diese Einlassung ist schlechterdings nicht nachvollziehbar. Denn im Rahmen des bei der ersten Lieferung gestellten Ausfuhrantrages hatte der Angeklagte zu 2) in seiner Funktion als Ausfuhrverantwortlicher den von ihm unterschriebenen Formularen genau entnehmen können, wie brisant eine ungenehmigte Ausfuhr von Rüstungsgütern und deren Bestandteilen werden kann. Dass der Angeklagte vor diesem Hintergrund derart "locker" über die Frage der Einholung einer Exportgenehmigung hinweggegangen sein will, widerspricht jeder Lebenserfahrung und -wirklichkeit und kann damit als abwegig ausgeschlossen werden.
504Gegen die Annahme, dass der – nach den obigen Ausführungen unzweifelhaft – bösgläubige Angeklagte zu 1) seinen Neffen bewusst im Unklaren gelassen haben sollte, spricht darüber hinaus auch die folgende Überlegung: Der Angeklagte zu 1), der bei der Abwicklung der Kommissionen (zumindest bis zum 1.7.1999) zahlreiche Detaildinge – vor allem auch im Außenverhältnis zu den indischen Bestellern – seinem Neffen überlassen hat, wäre in diesem Falle Gefahr gelaufen, dass dieser möglicherweise den Indern gegenüber unpassende Fragen gestellt oder – beispielsweise gegenüber dem BAFA – ein Verhalten an den Tag gelegt hätte, das nicht ins Konzept gepasst hätte. Von daher wäre es für den Angeklagten zu 1) viel zu riskant gewesen, seinen Neffen nicht zu informieren, da er die Auswirkungen nicht hätte abschätzen können. Im Übrigen ist ein spezieller Grund, seinen nahen Verwandten nicht über die wahren Zusammenhänge zu informieren, auch nicht ersichtlich.
5054.
506Dass die deutschen Exportkontrollbehörden bei allen im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Kommissionen die Erteilung einer Ausfuhrgenehmigung bei Kenntnis der wahren Gegebenheiten versagt hätten, beruht auf folgenden Erkenntnissen:
507Die Kammer hat hierzu in erster Linie den im Bundeswirtschaftsministerium beschäftigten Regierungsdirektor X5 – heute Leiter des Referates für konventionelle Rüstungsexporte – als Zeugen gehört. Dieser war nach seinen Angaben in dem gesamten im vorliegenden Komplex maßgeblichen Zeitraum – also in den Jahren 1996 bis 2000 – im Bundeswirtschaftsministerium für die – möglichst im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt – zu treffende Entscheidung über Ausfuhranträge, die unter Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste fallende Rüstungsgüter zum Gegenstand hatten, zuständig. Bezüglich der in den Jahren 1996 bzw. 1997 gestellten Exportanträge der I und der N hat der Zeuge bekundet, dass das Bundeswirtschaftsministerium eine Ausfuhr dieser Zylinder niemals genehmigt hätte, wenn klar gewesen wäre, dass sie für die Entwicklung einer Raketenabschussrampe bestimmt waren. Seinerzeit habe der tatsächliche Verwendungszweck aus seiner Sicht zunächst gerade nicht zweifelsfrei festgestanden. Erst nachdem in dem Antragsverfahren der I die indische Botschaft in Bonn im Januar 1997 die großformatige Brückenlegerzeichnung eingereicht habe, die zu den bereits vorliegenden Endverwenderbescheinigungen der indischen Regierungsstellen gepasst habe, sei er zusammen mit seiner Sachbearbeiterin Martin zu dem Schluss gekommen, dass der seitens der I im Laufe des Antragsverfahrens behauptete Einsatz der Zylinder – Einbau in einen Brückenleger – der Wahrheit entspreche; ein ausgeklügeltes Täuschungsmanöver des indischen Staates hätten er und Frau N14 nicht für möglich gehalten. Daraufhin hätten sie, weil sie den Export von Hydraulikzylindern für Brückenlegefahrzeuge als unbedenklich eingestuft hätten, beschlossen, dem Ausfuhrantrag der I stattzugeben und sich dementsprechend um die Zustimmung des Auswärtigen Amtes bemüht. Die erst im Februar 1997 gestellten Anträge der N, denen der gleiche Sachverhalt zugrunde gelegen habe, hätten er und Frau N14 gewissermaßen als Anhängsel des Antrages der I genauso wie diesen behandelt. Hätte festgestanden, dass die indischen Verteidigungsinstitutionen die bei den beiden Unternehmen bestellten Zylinder für die Entwicklung der Agni - Startrampe benötigten, hätte das Bundeswirtschaftsministerium – wie sich auch dem (in den Feststellungen unter Punkt B. II. 3. zitierten) Schreiben des seinerzeitigen Ministers Dr. Rexrodt an den Bundestagsabgeordneten N13 vom 24.10.1996 entnehmen lasse – die Ausfuhren nicht genehmigt. Eine Lieferung von mit Trägertechnologie zusammenhängenden Waren, wozu auch Zylinder für eine Raketenabschussrampe zu zählen seien, nach Indien wäre von der seinerzeit amtierenden Bundesregierung unter keinen Umständen gestattet worden.
508Gleiches gelte für die übrigen im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Zylinderlieferungen der N, für die das Unternehmen keine Ausfuhrgenehmigungen beantragt habe. Wären entsprechende Anträge gestellt worden, hätte das Bundeswirtschaftsministerium diese, weil die entsprechenden Zylinder ebenfalls für eine indische Raketenabschussrampe bestimmt waren, abgelehnt.
509An der Glaubhaftigkeit dieser Bekundungen des kompetenten Zeugen X5 bestehen keinerlei Zweifel. Seine Angaben zu den Vorgängen um die 1996 bzw. 1997 gestellten Exportanträge der I und der N sind von der ebenfalls vernommenen Zeugin N14 (heute X4) in vollem Umfang bestätigt worden. Auch der seit 1997 im BAFA als stellvertretender Leiter des Genehmigungsreferates für Rüstungsgüter tätige Zeuge K3 hat überzeugend dargelegt, nach seiner langjährigen Erfahrung sei es undenkbar, dass in dem hier interessierenden Zeitraum von 1996 bis 2000 ein Export von Zylindern, die für eine Raketenabschussrampe des indischen Militärs bestimmt seien, seitens der an solchen Entscheidungen beteiligten Bundesministerien genehmigt worden wäre.
510Irgendwelche Bedenken bezüglich der Glaubwürdigkeit dieser Zeugen, die alle bei ihren Vernehmungen ersichtlich um eine wohl abgewogene, sorgfältige und wahrheitsgemäße Aussage bemüht waren, sind nicht ersichtlich.
511In Ergänzung dazu hat der Leiter des Referates "Exportkontrolle" im Auswärtigen Amt – O2 – in einer für dieses Ministerium abgegebenen schriftlichen Zeugenerklärung vom 22.1.2008, die die Kammer gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 1 a) StPO in der Hauptverhandlung verlesen hat, unmissverständlich darauf hingewiesen, dass das Auswärtige Amt in dem hier maßgeblichen Zeitraum von 1996 bis 2000 bei Ausfuhranträgen für Zylinder, die für die Entwicklung einer Abschussrampe der indischen Mittelstreckenrakete Agni verwendet werden sollten, niemals einer Genehmigungserteilung zugestimmt hätte. Zur Begründung hat O2 darauf hingewiesen, dass das Auswärtige Amt wegen der Spannungen zwischen Indien und Pakistan sowie wegen der indischen Atomtests 1998 in der Vergangenheit schon generell Lieferungen für das militärische Trägertechnologieprogramm Indiens als kritisch bewertet habe; dies gelte erst Recht für Zulieferungen im Zusammenhang mit den Raketen des Typs Agni und Prithvi, die beide zur Ausbringung von Kernwaffen geeignet seien.
512IV. Komplex Prithvi (Punkt B. VIII. der Feststellungen)
5131.
514Die Angeklagten, die auch bezüglich dieses Komplexes jede Schuld von sich weisen, haben sich nahezu übereinstimmend – abweichend von den obigen Feststellungen – zusammengefasst wie folgt eingelassen: Bis heute sei ihnen nicht bekannt, für welchen Zweck die als Besteller aufgetretene Fa. M11 die in diesem Komplex in Rede stehenden Zylinder habe verwenden wollen. Sie hätten nur so ziemlich von Anfang an – zumindest aufgrund des Telefaxes von S3 vom 22.4.1998 – gewusst, dass der eigentliche Endkunde für das Gerät, in das die M11 die Zylinder habe einbauen wollen, die indische Verteidigungseinrichtung S gewesen sei; es sei also klar gewesen, dass die Zylinder letztlich für ein militärisches Gerät bestimmt gewesen seien. Sie hätten bezüglich des Verwendungszwecks auch nicht nachgefragt, da er sie nicht interessiert habe. Der ganze Auftrag sei angesichts seines Volumens von knapp 27.000,- DM in finanzieller Hinsicht für die N nicht lukrativ gewesen; außerdem hätten die sehr kleinen Zylinder nicht zu der Produktpalette des Unternehmens gepasst, so dass sie – die Angeklagten – nach der endgültigen Bestellung entschieden hätten, die Zylinder nicht im Stammwerk in I2, sondern in ihrem Reparaturwerk in X produzieren zu lassen. Insgesamt sei der Auftrag – nicht zuletzt auch wegen der ständigen Sonder- und Änderungswünsche der Inder – eher lästig und ärgerlich gewesen; die N habe ihn eigentlich nur angenommen, um S3, der ihn akquiriert habe, einen Gefallen zu tun. Dass die N die fertigen Zylinder schließlich ohne Beantragung einer Ausfuhrgenehmigung nach Indien geliefert habe, sei nicht auf eine bewusste Entscheidung zurückzuführen. Sie – die Angeklagten – hätten sich wegen des geringfügigen Auftragsvolumens gar keine Gedanken über eine Exportgenehmigung gemacht; sie hätten insofern gar kein Problembewusstsein gehabt.
515Auf weitere Einzelheiten der Einlassung der Angeklagten wird im Rahmen der eigentlichen Beweiswürdigung einzugehen sein.
5162.
517Die Kammer hält diese Einlassungen, soweit sie von den tatsächlichen Feststellungen abweichen, für widerlegt.
518a)
519Dass die indischen Besteller die im vorliegenden Komplex in Rede stehenden Zylinder für den Bau einer mobilen Abschussrampe der Kurzstreckenrakete Prithvi II verwenden wollten (also der objektive Sachverhalt), steht aufgrund der folgenden Erkenntnisse fest: In den in dem Verfahren der Staatsanwaltschaft Würzburg beschlagnahmten Geschäftsunterlagen der I findet sich ein Bericht des T6 vom 30.10.1999 (BMO 11, 141) über die "defexpo 99", die vom 12. bis 15. Oktober 1999 in New Delhi stattfand. Hierbei handelt es sich ausweislich dieses Berichts um eine seitens des indischen Verteidigungsministeriums veranstaltete Ausstellung, auf der neben den verschiedenen indischen Verteidigungsorganisationen auch zahlreiche indische und ausländische Unternehmen Rüstungsgüter präsentierten.
520In diesem ausführlichen Bericht, in dem T6 die I über die verschiedenen Rüstungsprojekte des indischen Militärs informiert, referiert er unter anderem auch über die Abschussvorrichtung für das Projekt "P", womit nur die Kurzstreckenrakete Prithvi gemeint sein kann. T6 legt dar, dass es sich bei der Abschussrampe um ein mit Rädern versehenes Fahrzeug handelt, dessen erste Version mit Zylindern der indischen Fa. V ausgestattet gewesen sei. S sei nunmehr mit der Entwicklung einer verbesserten Abschussrampenversion befasst und habe die Fa. M11 in Chennai mit dem Bau eines ersten Prototypen beauftragt; dieses Unternehmen wiederum habe einen kompletten Satz der dafür benötigten Zylinder bei der N bestellt. Die Kammer hat keinerlei Zweifel daran, dass diese Mitteilung der Wahrheit entspricht. Wie oben bereits ausgeführt haben die Zeugen I10, Q4 und I13 glaubhaft T6 als absolut zuverlässig und glaubwürdig geschildert; zudem ist auch nicht ansatzweise ersichtlich, warum er seinem "Brötchengeber" falsche Informationen liefern sollte. Die von T6 gelieferte Information wird im Übrigen durch weitere Umstände verifiziert:
521In dem bei der N für diesen Auftrag angelegten Ordner mit der Bezeichnung "Erledigte Akkreditive 9891/98 M11" findet sich ein Fax der S an die Fa. M11 vom 14.5.1998, das diese offensichtlich an die N weitergeleitet hat und das sich mit technischen Details der bei den Zylindern zu verwendenden Dichtungen befasst. Dieses Schriftstück ist mit der Überschrift "Dichtungen für Zylinder (P II Abschussrampe)" versehen. Der Ordner enthält ferner eine von M11 angefertigte Zeichnung des Zylinders C 1, in deren Legende es heißt: "Zylinder C 1 - P II Raketenabschussrampe". Die fertig gestellten Zylinder wurden bei der N in der Zeit vom 3.9. bis 10.9.1998 durch zwei Ingenieure der S abgenommen; der eine – W – war ausweislich der durch das Zollkriminalamt Köln durchgeführten – wie oben dargelegt zuverlässigen – Internetrecherchen der verantwortliche Leiter des Projekts zur Entwicklung der mobilen Prithvi - Abschussrampe.
522Schließlich hat der bereits erwähnte Sachverständige TRAR L6 bei seinem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten die verschiedenen seitens der N gelieferten Zylinder auf im Internet veröffentlichten und in Augenschein genommenen Fotos der Prithvi II - Abschussrampe identifizieren und anhand dieser Lichtbilder ihre Funktionen genau erklären können. So hat er gezeigt und ausgeführt, dass der Zylinder C 1 dazu diene, die Startrampe mit der Rakete aufzurichten. Bei den beiden Zylindern C 2 handele es sich um Schwenkzylinder für die Start- bzw. Leitvorrichtung des Raketenstrahls. Die vier Zylinder C 3 hätten die Funktion, die Rakete auf dem Startgestell zu fixieren und abzusichern. Die beiden spiegelbildlich konstruierten Zylinder C 4 und C 5 schließlich seien dafür bestimmt, als rechter bzw. linker Abstützzylinder das Heck des Fahrzeuges beim Start der Rakete zu stabilisieren. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass die auf den Lichtbildern zu erkennenden Zylinder in zahlreichen technischen Details (eingefahrene Länge, Manteldurchmesser, Kolbenstangendurchmesser, Ventilanordnungen und Rohrleitungen) exakt mit den Zylindern der N übereinstimmen. Die Kammer hat keinerlei Anlass, diesen fundierten, in sich schlüssigen und gut nachzuvollziehenden Ausführungen des Gutachters nicht zu folgen. Wie oben bereits dargelegt, verfügt er auf dem Gebiet der Hydraulikzylinder – was bei seiner Befragung deutlich zu Tage trat – über eine herausragende Sachkunde.
523Angesichts dieser zahlreichen Fakten besteht für die Kammer kein Zweifel, dass die hier in Rede stehenden neun Zylinder für den Bau einer Abschussrampe der Kurzstreckenrakete Prithvi II bestimmt waren.
524b)
525Die Überzeugung der Kammer, dass beide Angeklagte positiv wussten, dass die neun Zylinder für eine mobile Startrampe der Kurzstreckenrakete Prithvi bestimmt waren (also gewissermaßen der subjektive Sachverhalt) fußt auf den folgenden Überlegungen: Der entscheidende Ausgangspunkt für die Kammer ist auch in diesem Komplex der Umstand, dass die oben wiedergegebene Einlassung der Angeklagten, die bei diesem Auftrag beide in etwa gleichem Maße tätig geworden sind, in ihrer Gesamtheit mit Sicherheit falsch ist. Denn sie ist in vielen Punkten in sich unschlüssig und nicht nachvollziehbar, widerspricht in mehrfacher Hinsicht jeglicher Lebenswirklichkeit sowie Lebenserfahrung und lässt sich an zahlreichen Stellen mit bestimmten Urkunden, feststehenden Vorgängen und zwingenden logischen Zusammenhängen nicht in Einklang bringen.
526Zunächst einmal ist schon für sich gesehen kaum vorstellbar, dass sich die Angeklagten, die so ziemlich von Anfang an wussten, dass der eigentliche Endkunde die S ist und denen damit klar war, dass es um eine militärische Verwendung ging, so gar nicht (nicht einmal aus Neugier) dafür interessiert haben wollen, in was für ein Gerät diese vier verschiedenen Zylindertypen eingebaut werden sollten. Denn anders als bei den Kommissionen aus dem AGNI – Komplex, bei denen den Angeklagten angeblich von den Indern gesagt worden war, die dort bestellten Zylinder seien für einen Brückenlegerprototypen bestimmt, war ihnen bei dem Auftrag von M11 – so ihre Einlassung – gar kein Verwendungszweck genannt worden. Nahezu absurd wird die Behauptung dieses Desinteresses, wenn man die Gesamtumstände in die Betrachtung einbezieht.
527Denn zum einen ist der seitens der Angeklagten zur Begründung ihres mangelnden Interesses vorgebrachte Hinweis auf das angeblich "lächerlich geringe" Auftragsvolumen von knapp 27.000,- DM schon in sich widersprüchlich. Es lässt sich dann nämlich nicht erklären, warum das Unternehmen den Auftrag über diese kleinen, nicht zur Produktpalette der N passenden Zylinder, dessen Ausführung angesichts der den Angeklagten aus den Kommissionen 7572 und 7955 bekannten "Pingeligkeit" der Ingenieure von S mit Sicherheit lästig werden würde, überhaupt angenommen hat. Der Verweis auf den geringen Auftragswert passt aber auch nicht zu dem grundsätzlichen Telefax von S3 an den Angeklagten zu 1) vom 22.4.1998, in dem jener darlegt, dass nach dem ersten Prototypensatz die Bestellung weiterer 40 Zylindersätze mit je neun Zylindern über einen Zeitraum von 2 Jahren zu erwarten sei. Unter diesem Aspekt erscheint der Auftrag für ein mittelständisches Unternehmen wie die N schon lukrativer, vor allem wenn man bedenkt, dass die Angeklagten mit Sicherheit auch deshalb auf jeden indischen Auftrag (vor allem seitens der Regierung) erpicht waren, weil sich damit die Chancen verbesserten, auch die begehrten Aufträge im Stahlwasserbau zu erlangen.
528Zum anderen spricht gegen die Richtigkeit der Behauptung der Angeklagten, ihnen sei nicht bekannt gewesen, wofür die Zylinder bestimmt gewesen seien und es habe sie auch nicht interessiert, des Weiteren der Umstand, dass sich in mehreren ihnen (zumindest jeweils einem von ihnen) bekannt gewordenen Schriftstücken aus Indien Hinweise auf bemerkenswerterweise völlig verschiedenartige Verwendungszwecke finden. Im ersten grundlegenden Fax von S3 an den Angeklagten zu 1) vom 22.4.1998 lautet der unterstrichene Betreff "Zylinder für Neigeplattform", was so gut wie nichts über das militärische Gerät, in das die Zylinder eingebaut werden sollen, aussagt und deshalb dann, wenn man wirklich den Verwendungszweck nicht kennen würde, erst recht zu Nachfragen Anlass gäbe. Während der Angeklagte zu 2) einräumt, sich an das Fax zu erinnern, hat der Angeklagte zu 1) mehr als schwammig angegeben, er habe das Fax "nicht so genau gelesen". Dass ihm allerdings der deutlich hervorgehobene Betreff entgangen sein soll, hält die Kammer bei diesem peniblen Angeklagten, der sich von frühmorgens bis spätabends um nahezu jede Kleinigkeit in "seinem" Unternehmen gekümmert hat, für ausgeschlossen. Die mit Fax vom 12.5.1998 an den Angeklagten zu 1) persönlich geschickte Bestellung der M11 vom 9.5.1998 und die unter dem 2.7.1998 an die N gefaxte Auftragserweiterung weisen demgegenüber jeweils in der Überschrift aus, dass es um Komponenten für eine Reifenvulkanisierpresse gehe. Die Angeklagten haben auf den Vorhalt der Kammer, ob ihnen dieser Widerspruch bezüglich der beabsichtigten Verwendung – Neigeplattform einerseits, Vulkanisierpresse andererseits – nicht merkwürdig vorgekommen sei, lediglich vorgebracht, den Hinweis auf eine Presse gar nicht bemerkt zu haben. Diese Einlassung ist allerdings derart abwegig, dass sie nur als Schutzbehauptung qualifiziert werden kann. Denn die erste Bestellung wurde unmittelbar an den Angeklagten zu 1) persönlich gefaxt, so dass er sie gesehen haben muss. Und der Angeklagte zu 2) hat die Auftragsbestätigung vom 3.7.1998 unterzeichnet und dabei mit Sicherheit die Bestellung vorliegen gehabt.
529In einem Fax von S3 an den Angeklagten zu 1) vom 10.6.1998, in dem dieser zahlreiche Änderungswünsche seitens S auflistet, schreibt jener, dass die beiden – in zwei anderen Schriftstücken bereits als "Stützzylinder" bezeichneten – Zylinder C 4 spiegelbildlich angeordnet sein müssten, damit einer auf der linken und einer auf der rechten Seite des LKW benutzt werden könne; dieser Hinweis wiederum passt weder zu einer Neigeplattform noch zu einer Reifenpresse.
530In dem für den Auftrag der M11 bei der N angelegten Ordner mit der Aufschrift "Erledigte Akkreditive 9891/98 M11", in dem der gesamte Schriftverkehr des vorliegenden Auftrages abgeheftet ist, findet sich die in den tatsächlichen Feststellungen näher beschriebene technische Zeichnung der M11 für den Zylinder C 1, die in der Legende deutlich sichtbar auf den tatsächlichen Verwendungszweck " P II Raketenabschussrampe" hinweist. Zwar haben beide Angeklagte bestritten, diese Skizze gesehen zu haben. Abgesehen davon, dass diese Behauptung schon für sich gesehen angesichts des Umstandes, dass nahezu alle den vorliegenden Auftrag betreffenden Schriftstücke entweder dem einen oder dem anderen Angeklagten vorgelegt worden sind, kaum vorstellbar erscheint, steht zumindest bei dem Angeklagten zu 1) zweifelsfrei fest, dass er die Skizze zu Gesicht bekommen haben muss. Denn er hat auf Vorhalt der Zeichnung zumindest eingeräumt, dass der Zeuge M9 ihm mitgeteilt habe, die Maßangaben in der Zylinderzeichnung des Auftraggebers würden mit den seitens der M11 vorgegebenen Spezifikationen des Zylinders nicht übereinstimmen. M9 habe ihn darauf hingewiesen, dass nach der seitlich auf der Zeichnung aufgelisteten Spezifikation der Innendurchmesser des Zylinderrohres – Punkt d) – 220 mm und der Kolbenstangendurchmesser – Punkt e) – 140 mm betragen solle; die Zeichnung selbst sehe aber einen Außendurchmesser des Rohres von nur 216 mm vor. Entweder dürfe der Innendurchmesser des Rohres nur 180 mm und der Kolbenstangendurchmesser nur 125 mm betragen oder der Außendurchmesser müsse auf 254 mm vergrößert werden. Die Zeichnung habe er – der Angeklagte zu 1) – mit ziemlicher Sicherheit nicht gesehen; M9 werde ihm diese Diskrepanzen wohl telefonisch mitgeteilt haben. Abgesehen davon, dass schon die Lebenserfahrung dafür spricht, dass M9 diesen produktionstechnisch wichtigen Punkt, der sich nur aus dieser Zeichnung ergibt und den der Angeklagte zu 1) mit dem Auftraggeber klären soll, auch unter Vorlage der Zeichnung veranschaulicht haben wird, belegt der von dem Angeklagten zu 1) im Anschluss an das Gespräch mit M9 gefertigte handschriftliche Entwurf eines für S3 bestimmten Schreibens vom 29.5.98, mit dem der Angeklagte unter anderem diese Abmessungsfrage klären will, dass ihm die Zeichnung vorgelegen haben muss. Denn dort heißt es bezüglich des Zylinders C 1, dass "die Abmessungsänderung gemäß Zeichnung erforderlich" ist, "um Abmessung d) und e) zu ermöglichen"; so formuliert man ein solches Schreiben nur dann, wenn man die entsprechende Zeichnung auch tatsächlich vorliegen hat und zusammen mit dem Schreiben übersenden will. Nur am Rande sei erwähnt, dass die Aussage des zu diesem Punkt vernommenen Zeugen M9 unergiebig war. Er konnte sich – was angesichts eines zehn Jahre zurückliegenden unspektakulären Vorgangs nachvollziehbar erscheint – nicht mehr erinnern, ob er die Zeichnung mit den von ihm darin eingetragenen Maßangaben dem Angeklagten zu 1) vorgelegt hat; er wollte dies aber auch nicht ausschließen.
531In einem Fax von S3 an den Angeklagten zu 1) vom 17.7.1998, in dem es um ein Ventil für den Zylinder C 2 geht, weist jener darauf hin, dass die Experten von S bei einem früheren Modell des "launchers" mit einem ähnlichen Zylinderventil schlechte Erfahrungen mit einem lauten Knall beim Öffnen des Ventils gemacht hätten.
532Angesichts dieser zahlreichen sich widersprechenden Hinweise auf das Gerät, in das die bei der N bestellten Zylinder eingebaut werden sollen, ist es vollkommen abwegig und widerspricht jeglicher Lebenserfahrung und Lebenswirklichkeit, dass sich die Angeklagten nicht für den wahren Verwendungszweck interessiert haben wollen. Dabei muss man vor allem auch berücksichtigen, dass – obwohl es sich um einen wertmäßig geringfügigen Auftrag handelte – jedes noch so geringfügige Detail über den Schreibtisch eines der beiden Angeklagten lief. Die Abwicklung des Auftrages verlief zudem alles andere als problemlos (zahlreiche Schreiben wurden gewechselt, die Inder hatten ständig irgendwelche Sonder- und Änderungswünsche, die Abnahme der Zylinder mit vielen Tests erstreckte sich über mehrere Tage) und ist auch von beiden Angeklagten als hochgradig lästig und nervig bezeichnet worden; auch deshalb hätte jeder normale Mensch bei M11 oder zumindest bei S3 nachgefragt, für was für ein Gerät die Zylinder bestimmt sind. Dies hätte im Übrigen auch noch aus einem weiteren Grund besonders nahe gelegen: Im Sommer 1998 beteiligte sich die N nämlich an einer Ausschreibung von M11 für Zylinder, die für (seitens S in Auftrag gegebene) Brückenlegepanzer bestimmt waren; die Sache zerschlug sich letztlich, weil das Angebot der N zu hohe Preise vorsah. Vor diesem Hintergrund drängte es sich doch förmlich auf, nachzufragen, ob die neun Zylinder auch für Brückenleger bestimmt seien. Dass sich die Angeklagten vor dem Hintergrund aller dieser Gesichtspunkte nicht dafür interessiert haben wollen, was die Inder mit den Zylindern vorhatten, hält die Kammer für ausgeschlossen. Bezeichnenderweise haben beide Angeklagte auf den entsprechenden Vorhalt der Kammer nur ausweichend geantwortet; jedenfalls haben sie keine plausible Erklärung für ihr – vor dem Hintergrund ihrer Einlassung – nicht nachvollziehbares Verhalten geliefert.
533Das gesamte Vorgehen der Angeklagten im vorliegenden Komplex lässt sich nur dann widerspruchsfrei erklären, wenn man davon ausgeht, dass sie so ziemlich von Anfang an – spätestens mit der Auftragserteilung Mitte Mai 1998 – genau wussten, dass die Zylinder für die mobile Abschussrampe der Rakete Prithvi bestimmt waren. Interessanterweise hat sich der Angeklagte zu 1) bei seinem Indienbesuch im Februar 1998 ausweislich des Telefaxes von S3 vom 10.6.1998 mit dem Chef der M11 (L5) getroffen; dabei ist mit Sicherheit über den zu jenem Zeitpunkt bereits in der Entstehung begriffenen Auftrag – die N hatte unter dem 31.1.1998 bereits ein zweites preisreduziertes Angebot abgegeben – gesprochen worden. Es ist bezeichnend, dass der Angeklagte zu 1) auf Vorhalt dieses Besuches behauptet hat, sich an das Treffen nicht zu erinnern. Dies ist angesichts seines in der Hauptverhandlung deutlich zu Tage getretenen hervorragenden Gedächtnisses – er konnte sich selbst bei lange zurückliegenden Vorgängen an nahezu jedes Detail erinnern – sowie vor dem Hintergrund, dass die Abwicklung des Auftrages die Arbeitskraft und die Leidensfähigkeit beider Angeklagter massiv beansprucht hat, vollkommen unglaubwürdig. Offensichtlich will der Angeklagte zu 1) von diesem Treffen nichts mehr wissen, weil dabei offen über den wahren Verwendungszweck der Zylinder gesprochen worden ist. Dafür, dass die indischen Auftraggeber entweder beiden Angeklagten oder zumindest dem Angeklagten zu 1) von Anfang an "reinen Wein eingeschenkt" haben, spricht auch in starkem Maße die in den Geschäftsunterlagen der N gefundene offizielle Zylinderzeichnung der M11 mit dem eindeutigen Hinweis "P II Raketenstartrampe". Wenn die Inder den tatsächlichen Bestimmungszweck hätten verheimlichen oder der N einen falschen Verwendungszweck (z. B. Einbau in eine Neigeplattform oder eine Reifenpresse) hätten vorspiegeln wollen, hätten sie mit Sicherheit dem Unternehmen nicht eine Zeichnung mit einem derart entlarvenden Hinweis zur Verfügung gestellt. Die Bezeichnung "Bestandteile für eine Reifenvulkanisierpresse" in den beiden Auftragsschreiben ist naturgemäß darauf zurückzuführen, dass M11 in derartige offizielle Urkunden keinen Hinweis auf eine Raketenstartrampe aufnehmen konnte und wollte. Die indische Seite musste mit der Möglichkeit rechnen, dass die N für den Export der Zylinder wie bei den Lieferungen im Mai 1997 eine Ausfuhrgenehmigung beantragen würde; dabei hätte dann als Verwendungszweck sehr gut der in den Kaufaufträgen genannte Einbau in eine Reifenpresse angegeben werden können.
534Sollten die indischen Auftraggeber nur den Angeklagten zu 1) unmittelbar über die wahre Bestimmung der Zylinder informiert haben, so steht für die Kammer zweifelsfrei fest, dass dieser seinen Neffen in Kenntnis gesetzt hat. Denn angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte zu 1) die Abwicklung des Auftrages größtenteils auf den Angeklagten zu 2) delegiert hat, wäre es unsinnig gewesen, diesen nicht über die tatsächlichen Gegebenheiten zu informieren; er hätte dann sowieso entsprechende Nachfragen gestellt. Hinzu kommt, dass auch kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich ist, warum der Angeklagte zu 1) seinem Neffen die geplante Verwendung der Zylinder hätte verheimlichen sollen.
535In diesem Zusammenhang darf auch das Beweisergebnis im AGNI – Komplex nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn die Angeklagten dort die wahren Hintergründe kannten, kann es auch bei dem vorliegenden Komplex nicht anders gewesen sein. Denn wenn die Angeklagten wußten, dass die im Mai 1997 gelieferten Zylinder für eine Raketenstartrampe bestimmt waren, hätten sie mit Sicherheit bei den hier in Rede stehenden Zylindern nachgefragt, ob die auch für etwas Ähnliches verwendet werden sollen.
536Dieses Beweisergebnis wird endgültig bestätigt und abgerundet, wenn man das Verhalten und die Einlassung der Angeklagten im Hinblick auf die Einholung bzw. Nichteinholung einer Ausfuhrgenehmigung hinzunimmt. Beide Angeklagte wussten nach ihren Angaben genau, dass sie neun Zylinder an eine Fa. M11 lieferten, die diese in einen im Auftrag von S zu produzierenden Prototyp eines – ihnen unbekannten – militärischen Gerätes (ein ziviles Endprodukt schied angesichts des Endkunden aus) einbauen wollte. Gleichwohl haben sie sich – so ihre Einlassung – über die Frage der eventuellen Notwendigkeit einer Ausfuhrgenehmigung nicht einmal Gedanken gemacht, obwohl ihnen aufgrund der Vorgänge mit dem Export des Zylinderkonglomerats im Mai 1997 genau bekannt war, dass das BAFA selbst bei einem harmlosen Brückenleger eine Genehmigungspflicht angenommen hatte und eine Ausfuhr ohne Einholung einer Genehmigung ernste Konsequenzen nach sich ziehen würde. Dieses Verhalten lässt sich schlechterdings nicht erklären, wenn die Angeklagten ein gutes Gewissen gehabt hätten; es macht nur Sinn, wenn sie genau wussten, dass die Zylinder für ein Gerät bestimmt waren, bei dem eine Exportgenehmigung für die Zylinder nicht in Betracht kam – wie eine Raketenstartrampe. Auch die Angeklagten haben trotz mehrfacher Nachfrage für ihr Vorgehen keine plausible Erklärung geben können. Dass sie die sich aufdrängende Frage, ob man möglicherweise einen Ausfuhrantrag stellen muss, weder einzeln für sich noch untereinander thematisiert haben wollen, ist vollkommen abwegig, da beiden die Problematik bewusst gewesen sein muss. Ihr diesbezüglicher Hinweis auf das geringfügige Auftragsvolumen stellt keine nachvollziehbare Begründung dar. Dass dieser Gesichtspunkt keine Rechtfertigung für eine Ausfuhr ohne Einholung der grundsätzlich erforderlichen Genehmigung darstellt, wissen auch die beiden intelligenten und geschäftlich versierten Angeklagten.
5373.
538Die Überzeugung der Kammer, dass die deutschen Exportkontrollbehörden im Falle der Stellung eines Ausfuhrantrages bezüglich der hier in Rede stehenden neun Zylinder eine Genehmigung versagt hätten, beruht in erster Linie auf den Angaben des unter Punkt C. III. 4. bereits erwähnten Zeugen X5. Dieser hat wie oben wiedergegeben ausgesagt, dass das Bundeswirtschaftsministerium den Export von Zylindern, die in indische Raketenabschussrampen – gleich welcher Art – eingebaut werden sollten, in der Vergangenheit niemals genehmigt hätte; dies gelte damit auch für Zylinder, die wie hier für eine mobile Startrampe der Kurzstreckenrakete Prithvi bestimmt gewesen seien. Auch bezüglich dieser Bekundung sind die Angaben des unzweifelhaft glaubwürdigen Zeugen als absolut glaubwürdig zu qualifizieren.
539Auch der unter Punkt C. III. 4. schon zitierte O2 hat in seiner für das Auswärtige Amt zu den Akten gereichten schriftlichen Aussage vom 22.1.2008 glaubhaft dargelegt, dass dieses Ministerium einer Genehmigung zur Ausfuhr von Zylindern für die Prithvi - Abschussrampe aus den gleichen Gründen wie bei der Agni - Startrampe widersprochen hätte.
540V. Komplex Mast (Punkt B. IX der Feststellungen)
5411.
542Der Angeklagte zu 1), der auch in diesem Komplex die Tatvorwürfe bestreitet, hat sich – abweichend von den Feststellungen – zusammengefasst wie folgt eingelassen: An die mit dem 18 m - Mast zusammenhängenden ersten Geschehnisse des Jahres 1997 könne er sich nur in groben Zügen erinnern. Er habe zwar von Anfang an gewusst, dass es sich dabei um ein Projekt der S und damit um ein militärisches Gerät gehandelt habe; ihm sei aber nicht bekannt gewesen, dass es um die Entwicklung eines Radarsystems gegangen sei. Da die ersten Anfragen von Seiten der N gekommen seien und dieses Unternehmen in der Vergangenheit hydraulische Arbeitsplattformen hergestellt habe, sei er zunächst davon ausgegangen, dass auch der Mast irgendetwas mit solchen Hebebühnen zu tun gehabt habe. Es sei allerdings auch die Rede davon gewesen, dass auf dem Mast eine Antenne befestigt sei, wobei er mehr an eine Funk- als an eine Radarantenne gedacht habe. Die genauen Hintergründe hätten ihn nicht interessiert; S3 habe nach der Gründung der N7 das Projekt von der N übernommen und weitgehend eigenständig weiter betrieben. Richtig sei, dass er – der Angeklagte – auf Bitten von S3 Mitte 1997 bei verschiedenen Kranherstellern, unter anderem bei der Fa. Q5, Kataloge angefordert und an S3 geschickt habe, weil S im Zusammenhang mit dem Mastprojekt auch einen Kran benötigt habe, der am Ende eines Lastkraftwagens aufgesetzt werden sollte. Wozu dieser Kran dienen sollte, habe ihn allerdings nicht interessiert. Die Frage der Kammer, ob anlässlich des Besuches des Angeklagten bei S in Pune im Juni 1997 über das Mastprojekt gesprochen worden sei, hat dieser zunächst verneint. Auf Vorhalt des von ihm unterzeichneten Schreibens an S vom 5.9.1997, aus dem sich das Gegenteil ergibt, hat der Angeklagte angegeben, er wolle nicht ausschließen, dass die von der N für den Mast entwickelte spezielle Konstruktion eines Teleskopzylinders bei dem Besuch in Pune vorgestellt worden ist; an Einzelheiten bzw. die dabei geführten Gespräche könne er sich aber nicht erinnern. Der im Herbst 1997 angedachte Plan eines aus der N7, der N und der indischen Fa. F2 bestehenden Joint Ventures sei ihm bekannt. Es habe sich um eine Idee von S3 gehandelt; er – der Angeklagte – habe aber nicht geglaubt, dass sich der Vorschlag realisieren lassen werde und der Sache deshalb keine große Bedeutung zugemessen. Auf Vorhalt des umfangreichen Faxes von S3 an ihn vom 3.9.1997, das eine Fülle von Details zu dem ins Auge gefassten Gemeinschaftsunternehmen und dem Mastprojekt enthält, hat der Angeklagte angegeben, dass er den Einzelheiten dieses Schreibens keine Aufmerksamkeit gewidmet habe. An die mit dem Mast zusammenhängenden Vorgänge der Jahre 1999 und 2000 könne er sich zwar grundsätzlich besser erinnern, er persönlich habe sich aber nur bruchstückhaft mit der Angelegenheit, die in erster Linie von seinem Neffen M6 bearbeitet worden sei, beschäftigt. Es sei richtig, dass die Planungen für das Mastprojekt Ende 1997 abgebrochen und erst Anfang 1999 wieder aufgenommen worden seien; die Gründe hierfür seien ihm nicht bekannt und hätten ihn auch nicht interessiert. An das von ihm basierend auf einer Vorlage von S3 verfasste und an S geschickte Garantieschreiben der N vom 24.3.1999 könne er sich selbstverständlich erinnern; in diesem Zusammenhang seien aber keine erwähnenswerten Gespräche mit S3 oder der Fa. F2 geführt worden. Er sei auch bezüglich der 1999 erneut aufgegriffenen Idee eines Joint Ventures für das Mastprojekt (diesmal bestehend aus der N7 und der Fa. F2) an keinen Verhandlungen beteiligt gewesen. Er habe sich – wie das an ihn gerichtete Schreiben der Fa. Q5 vom 29.6.1999 zeige – eigentlich nur um die Anfragen bei diesem Unternehmen wegen des Kranes gekümmert; allerdings sei ihm auch zu dieser Zeit nicht klar geworden, welche Funktion der Kran im Zusammenhang mit dem Mast gehabt habe. Warum sich das geplante Joint Venture mit F2 zerschlagen habe und stattdessen Ende 1999 die N und die N7 bezüglich des Mastprojektes eine Zusammenarbeit mit der indischen Fa. U2 vereinbart hätten, wisse er nicht; die diesbezüglichen Gespräche müsse M6 geführt haben. Auf Nachfrage der Kammer hat der Angeklagte angegeben, er habe sich auch nicht über diese Vorgänge informieren lassen, weil sie ihn nicht interessiert hätten. Er habe sich erst wieder mit der Angelegenheit befasst, als er zum Jahreswechsel 1999 / 2000 den Entwurf eines "memorandum of understanding" zwischen der N7, der N und der U2 zu Gesicht bekommen und diese Vereinbarung am 13.1.2000 mit seiner Unterschrift versehen an U2 gesandt habe; auch dabei habe er sich aber nicht nach den Hintergründen für den Wechsel von F2 zu U2 erkundigt. Ihm sei lediglich klar gewesen, dass U2 im Zusammenhang mit dem von S seit Anfang 1997 betriebenen Antennenmast - Projekt seitens dieser Organisation den Auftrag zur Produktion eines Komplettsystems erhalten habe, für das die N den von ihr bereits im Jahre 1997 entwickelten Spezialteleskopzylinder liefern sollte. Um was für eine Art von System es sich gehandelt habe, sei ihm nicht bekannt gewesen und habe ihn auch nicht interessiert; er habe insbesondere nicht gewusst, dass es um die Entwicklung eines Radarsystems gegangen sei. Den von der N7 Ende Mai 2000 der N übersandten Testplan der S für das Radarsystem, aus dem sich detailliert dessen Zusammensetzung und Funktionsweise ergibt, habe er nie zu Gesicht bekommen. Das "memorandum of understanding" mit U2 sei auch der Anstoß für sein Schreiben an das BAFA vom 5.1.2000 gewesen. Es habe sich dabei nicht um einen förmlichen Ausfuhrantrag bezüglich der zwei von U2 verbindlich erst unter dem 15.1.2000 bestellten Teleskopzylinder gehandelt, denn ihm sei aufgrund der Erfahrungen mit der Lieferung der vier Zylinder im Mai 1997 bekannt gewesen, dass man für einen solchen Antrag detailliert ausgefüllte Formulare einzureichen hat. Für ihn sei maßgeblich gewesen, dass das "memorandum" die Grundlage für eine langfristige Zusammenarbeit mit U2 habe bilden sollen. Er habe mit seinem Schreiben vom 5.1.2000 eine Art Unbedenklichkeitsbescheinigung des BAFA für die zukünftig vorgesehenen Lieferungen von Mastzylindern an U2 erhalten wollen. Dass er in dem Schreiben dargelegt habe, die in dem "memorandum" angesprochenen Teleskopierzylinder seien für Geräte bestimmt, die üblicherweise als "Men-Lift" bzw. "Teleskoparbeitsbühnen" bezeichnet würden, sei auf die Formulierung "Mobile Aerial Lifters" in dem Memorandum zurückzuführen. Dieser Begriff tauche in den Prospekten vieler Unternehmen für Hubgeräte auf und werde in der Regel für Arbeitsbühnen verwendet; da es allerdings auch andere Übersetzungen gebe, habe er in seinem Schreiben vom 5.1.2000 das Wort "üblicherweise" hinzugesetzt. Auf Vorhalt hat der Angeklagte weiter ausgeführt, es sei zwar richtig, dass das "memorandum of understanding" mit U2 eigentlich nur die Zusammenarbeit bei dem Antennenmast - Projekt der S zum Gegenstand gehabt habe. Er sei aber davon ausgegangen, dass U2 – ein namhaftes Unternehmen mit einem breit gefächerten Produktprogramm, zu dem auch Hebebühnen gehören – eine breitere Einsatzmöglichkeit für den von der N entwickelten Mastzylinder erschließen würde. Im Übrigen habe er bewusst mit Schreiben vom 11.1.2000 dem BAFA das Schreiben der U2 vom 8.1.2000 zugeleitet, in dem von dem "mobilen Mast Projekt" die Rede sei; er habe es für notwendig erachtet, dem BAFA alle maßgeblichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die förmliche Beantragung einer Ausfuhrgenehmigung bezüglich der konkreten Lieferung der beiden Teleskopzylinder im Juni und Juli 2000 an die U2 habe er nicht für erforderlich gehalten, da das BAFA mit Schreiben vom 25.1.2000 als Antwort auf die Anfrage vom 5.1.2000 mitgeteilt gehabt habe, der Export der dort beschriebenen Waren sei nicht erlaubnispflichtig. Auf weitere Einzelheiten der Einlassung des Angeklagten wird im Rahmen der eigentlichen Beweiswürdigung einzugehen sein.
5432.
544Die Kammer hält die Einlassung des Angeklagten zu 1), soweit sie von den tatsächlichen Feststellungen abweicht, für widerlegt.
545a)
546Dass die beiden von der N im Juni und Juli 2000 an U2 gelieferten Teleskopzylinder für ein von S auf Wunsch der indischen Streitkräfte betriebenes Projekt eines lufttransportfähigen Radarsystems bestimmt waren, steht aufgrund der folgenden Erkenntnisse fest:
547Aus zahlreichen Telefaxen des bereits mehrfach erwähnten T6 an die I in M8 ergibt sich, dass sich bis Ende des Jahres 1999 auch dieses Unternehmen – und zwar interessanterweise in Zusammenarbeit mit U2 – an der von S im Rahmen des Mastprojektes durchgeführten Ausschreibung mit einem Angebot über einen Teleskopzylinder beteiligt hat; zu dieser Zeit wollte die N7 noch mit F2 ein Joint Venture bilden. Es handelt sich um die Telefaxe vom 6.7.1999 (BH 24, 34), 12.7.1999 (BH 24, 36), 16.7.1999 (BH 24, 37), 19.7.1999 (BH 24, 38), 19.7.1999 (BH 24, 39), 2.8.1999 (BH 24, 47), 14.8.1999 (BH 24, 49), 1.9.1999 (BH 24, 51), 7.10.1999 (BH 24, 56), 23.10.1999 (BH 24, 58), 23.10.1999 (BH 24, 59), 27.10.1999 (BH 24, 60) und 17.12.1999 (BH 24, 8). Dem bereits im Komplex "Agni" zitierten Telefax des T6 an die I vom 1.9.1999 (BH 24, 52), mit dem er eine indische Briefmarke mit verschiedenen Rüstungsprojekten der indischen Streitkräfte übersendet, lässt sich wiederum unzweideutig entnehmen, dass das Mastprojekt die Entwicklung eines Radarsystems zum Gegenstand hatte. Denn sen verweist darauf, dass auf der linken Seite der Briefmarke der mobile Mast zu sehen sei, bei dem die I zusammen mit U2 mit der S über die Lieferung des Mastzylinders verhandele. Die – in der Hauptverhandlung in Augenschein genommene – Briefmarke zeigt gut erkennbar eine auf einem LKW montierte Radarantenne; wegen der Einzelheiten wird gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die im BH 24 Bl. 11 abgeheftete Ausschnittvergrößerung der Briefmarke verwiesen. Dazu passt, dass T6 in seinem Fax vom 19.7.1999 (BH 24, 39) der I mitteilt, die indische Armee plane eine umfangreiche Radarüberwachung entlang der 740 km langen Grenze zu Pakistan im Bereich Kargil, was notwendigerweise die Nutzung des Mobilmastes in großem Umfang nach sich ziehen werde. Auch in den Geschäftsunterlagen der N finden sich klare Belege dafür, dass der 18 m - Mast Bestandteil eines Radarsystems sein sollte. Schon in dem sehr frühen Telefax des Angeklagten zu 1) an den seinerzeit noch bei N9 beschäftigten S3 vom 5.3.1997 bittet jener um Bestätigung des zuvor angegebenen Drehmoments von 1500 kg/m, da dieser Wert als Reaktionsimpuls der Drehantenne extrem hoch erscheine. Vollkommen eindeutig ist dann der von S3 mit Telefax vom 30.5.2000 der N übersandte Testplan der S für den "Mobil Antennenmast 18,6 m". Dieser enthält in der oben bei den Feststellungen wörtlich wiedergegebenen Einführung eine ausführliche Beschreibung des aus zwei Einheiten bestehenden Gesamtsystems, aus der sich unzweifelhaft ergibt, dass der bei der Montanhydraulik bestellte Teleskopzylinder dazu dienen sollte, eine rotierende Radarantenne anzuheben; auf S. 18 des Testplans finden sich die technischen Spezifikationen der Antenne, wonach diese etwa 1.800 kg schwer sowie 5 m x 3 m groß ist und sich mit 16 Umdrehungen pro Minute dreht. Ergänzend ergibt sich aus dem Telefax des S3 an den Angeklagten zu 1) vom 25.10.1997, dass das Radarsystem lufttransportfähig sein sollte. Denn dort weist S3 darauf hin, dass man bei der Auswahl des für das System benötigten Krans darauf achten müsse, dass dieser eine bestimmte Höhe nicht überschreiten dürfe, da das System sonst nicht in den Lufttransporter passe.
548b)
549Die Überzeugung der Kammer, dass der Angeklagte zu 1) genau wusste, wofür die im Sommer 2000 an U2 gelieferten Zylinder bestimmt waren, fußt auf folgenden Überlegungen: Seine Einlassung, ihm sei lediglich klar gewesen, dass S die Zylinder für die Entwicklung eines ausfahrbaren 18 m - Mastes benötigt habe, er habe aber nicht genau gewusst, was mit diesem Mast angehoben werden sollte, kann aus mehreren Gründen nicht zutreffen.
550Angesichts des Umstandes, dass es sich – was dem Angeklagten nach seinen eigenen Angaben von Anfang an bekannt war – um ein Projekt der indischen Verteidigungsorganisation S handelte, stand zumindest fest, dass der Mast Bestandteil eines militärischen Gerätes sein musste; dies räumt der Angeklagte auch ein. Schon von daher kann er schlechterdings nicht davon ausgegangen sein, dass der Mast irgendetwas mit hydraulischen Hebearbeitsbühnen zu tun haben könnte. Verstärkt wird diese Überlegung noch, wenn man den Schriftverkehr zwischen dem Angeklagten und S3 gerade aus dem Anfangsstadium des Projektes hinzunimmt. So schreibt der Angeklagte selbst in seinem Fax an S3 vom 5.3.1997, das angegebene Drehmoment von 1500 kg/m erscheine als Reaktionsimpuls der Drehantenne extrem hoch. Das Telefax des S3 an den Angeklagten vom 2.9.1997, das zahlreiche technische Details und Fragen zu dem für den 18 m - Mast benötigten Zylinder enthält, behandelt unter Punkt 3. die bei der Konstruktion zu berücksichtigende Antennenlast. Das mehrseitige Fax S3s an den Angeklagten vom 3.9.1997, mit dem jener einen Vertragsentwurf für die geplante Zusammenarbeit mit F2 vorlegt, beinhaltet eine Fülle von Einzelheiten zu dem 18 m - Mast - Projekt der S. Auf S. 3 stellt S3 heraus, an welchen wichtigen indischen Rüstungsvorhaben er noch als Mitarbeiter der N9 mitgewirkt hat; dabei nennt er unter anderem das Projekt "Änderung des 28 m - Mastes für Indra Radar in ein 18,8 m - System", das für "das aktuelle 18,8 m - Mast - Programm direkt relevant" sei. Auf S. 6 listet er die besonderen technischen Anforderungen für den Mastzylinder auf. So weist er unter anderem darauf hin, dass der Mast in Umgebungen mit Wüstensand zum Einsatz kommen werde, weshalb die Kolbenstange besonders gegen feinen Sand geschützt werden müsse. Außerdem sei es ratsam, alle ungeschützten Kolbenstangen mit einer Beschichtung zu versehen, damit sie kein Sonnenlicht reflektieren und so ihre Anwesenheit dem Feind nicht mitteilen. Der Angeklagte hat zwar vorgebracht, er habe den Einzelheiten dieses Schreibens keine Aufmerksamkeit gewidmet. Diese Behauptung ist jedoch – abgesehen davon, dass sich der Angeklagte nicht festlegen wollte, welche Teile des Faxes er nicht zur Kenntnis genommen habe – hochgradig unglaubwürdig. Denn es handelt sich um ein bedeutsames Schreiben, in dem S3 die wichtigsten Grundzüge der beabsichtigten vertraglichen Zusammenarbeit mit dem indischen Unternehmen F2 für den Angeklagten zusammenstellt; deshalb bittet er diesen auf S. 1 auch darum, das Memorandum gründlich zu lesen. Angesichts dessen schließt die Kammer unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung deutlich zu Tage getretenen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten, der über alle die von ihm als "sein Unternehmen" betrachtete N betreffenden Vorgänge unterrichtet sein wollte, aus, dass der Angeklagte die zitierten Passagen des Schreibens vom 3.9.1997 nicht gelesen hat. Vor dem Hintergrund dieser zahlreichen Hinweise darauf, dass der Mast Bestandteil eines rein militärischen Antennensystems werden sollte, ist die Behauptung des Angeklagten, er habe an eine Verwendung des von der N entwickelten Teleskopzylinders in irgendwelchen Hebebühnen geglaubt, schlechterdings nicht nachvollziehbar und abwegig. Er hat allerdings zusätzlich (und bezeichnenderweise im Widerspruch dazu) vorgebracht, es sei seiner Erinnerung nach auch die Rede davon gewesen, dass der Mast eine Antenne habe anheben sollen, wobei er mehr an eine Funk- als an eine Radarantenne gedacht habe. Abgesehen davon, dass eine Funkantenne etwas vollkommen anderes ist als eine Arbeitsbühne, klingt auch diese Einlassungsvariante angesichts der Hinweise auf eine Drehantenne und das Indra Radar wenig überzeugend; dabei geht die Kammer zugunsten des Angeklagten davon aus, dass er – wie von ihm behauptet – den Testplan der S für das Radarsystem nie zu Gesicht bekommen hat, obwohl dieser seitens der N7 der N mit einem nicht nur an M6, sondern auch an ihn – den Angeklagten – adressierten Fax übersandt worden war.
551Dafür, dass der Angeklagte von Anfang an genau wusste, dass das Mastprojekt der S die Entwicklung eines Radarsystems zum Gegenstand hatte, spricht darüber hinaus in starkem Maße der Umstand, dass er ausweislich seines Schreibens an S vom 5.9.1997 die von der N für den Mast angedachte Teleskopzylinderkonstruktion zusammen mit S3 bei seinem Besuch in Pune im Juni 1997 den Ingenieuren von S vorgestellt hat. Dass bei diesen grundlegenden technischen Erörterungen nicht darüber gesprochen worden sein sollte, für welche Art von militärischem Gerät der Mast benötigt wird, kann als abwegig ausgeschlossen werden; denn gerade die von der rotierenden Radarantenne ausgehenden Drehmomentkräfte brachten es mit sich, dass an die Knicksicherheit des Zylinders besonders hohe Anforderungen zu stellen waren. Bezeichnenderweise hat der Angeklagte zunächst bestritten, bei S im Juni 1997 überhaupt über das Mastprojekt geredet zu haben. Erst auf Vorhalt seines eigenen Schreibens vom 5.9.1997 hat er das Gegenteil eingeräumt, dann allerdings vorgeschützt, er könne sich an die Einzelheiten der Gespräche nicht mehr erinnern. Diese Behauptung ist schon für sich gesehen angesichts des hervorragenden Gedächtnisses des Angeklagten, der sich im Verlauf der Hauptverhandlung an zahllose oft lange zurückliegende Details erinnern konnte, sehr unglaubwürdig; dies gilt aber umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass er sich – wie oben im Rahmen des "Agni - Komplexes" ausgeführt – im Zusammenhang mit dem Besuch in Pune sogar daran erinnern konnte, dass die indischen Ingenieure mit ihm beiläufig ein die N gar nicht tangierendes Problem mit einer Seilumlenkrolle bei einem Brückenlegepanzer erörtert hätten.
552Dass dem Angeklagten vollkommen klar war, welches militärische Gerät die Ingenieure von S planten, wird besonders deutlich, wenn man hinzunimmt, dass seine Einlassung zu den hier in Rede stehenden Vorgängen – genau wie bei den übrigen Komplexen – in weiten Teilen nicht nachvollziehbar ist, in mehrfacher Hinsicht jeglicher Lebenserfahrung sowie Lebenswirklichkeit widerspricht und sich in vielen Punkten mit zwingenden logischen Erwägungen nicht in Einklang bringen lässt.
553So mutet es bereits für sich gesehen mehr als seltsam an, dass sich der Angeklagte, der nach seinen Angaben nur vage Vorstellungen von dem 18 m - Mast - Projekt hatte (Hebearbeitsbühne und / oder Funkantenne) so gar nicht dafür interessiert haben will, für was für eine Art von Rüstungsgut genau der Mast und damit der von der N entwickelte Spezialteleskopzylinder bestimmt war. Immerhin ging es hier nicht nur um einen einzelnen schnell erledigten Auftrag, sondern um ein sich über insgesamt mehr als drei Jahre hinziehendes und für einen längeren Zeitraum geplantes Projekt, bei dem nach den Mitteilungen von S3 mit zahlreichen Folgebestellungen zu rechnen war. Das angebliche Desinteresse des Angeklagten macht noch weniger Sinn, wenn man zusätzlich berücksichtigt, dass für das Mastprogramm im Jahre 1999 zunächst eine bereits vertraglich bindend vereinbarte Zusammenarbeit der N7 (an der sich die N ab dem 30.12.1998 zu 50 % beteiligt hatte) mit der F2 – einem langjährigen Geschäftspartner der N – vorgesehen war, sodann Ende 1999 ein Konsortium aus der N, der N7 und der U2 – einem namhaften Maschinenhersteller – gebildet wurde und der Angeklagte ergänzend mit dem von ihm selbst als "Blankoscheck" bezeichneten Schreiben an S vom 24.3.1999 namens der N weit reichende Garantiezusagen hinsichtlich der beabsichtigten Zylinderlieferungen für das Mastprojekt abgegeben hat. Dass dem Angeklagten bei dieser weit über einen Einzelauftrag hinausgehenden Bedeutung des Mastprogramms für die N egal gewesen sein soll, was es genau mit dem von S entwickelten System auf sich hatte, kann angesichts der bereits geschilderten Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten als vollkommen abwegig ausgeschlossen werden.
554Die Einlassung des Angeklagten ist auch noch in mehreren weiteren Punkten nicht nachvollziehbar und lebensfremd:
555So hat er sich auf Bitten S3s zwar intensiv bei der Fa. Q5 um den für das System benötigten Kran bemüht, indem er Kataloge angefordert und sogar ein spezifiziertes Angebot für ein solches Gerät eingeholt hat; die Funktion dieses Krans innerhalb des Gesamtsystems hat ihn aber angeblich nicht interessiert. Dass sich der Angeklagte als der maßgebliche Geschäftsführer der N um ein relativ nebensächliches Detail kümmert, ohne die Gesamtzusammenhänge zu kennen, erscheint kaum vorstellbar.
556Obwohl das (in Zusammenarbeit mit F2) angedachte Projekt einer Lieferung des Mastsystems an S Ende 1997 zunächst ohne erkennbare Ursache ein jähes Ende findet und erst Anfang 1999 wieder aufgegriffen wird, will der Angeklagte den Grund für diese Unterbrechung nicht kennen. Dieser hat ihn angeblich nicht interessiert, was sich angesichts der bereits dargelegten Bedeutung dieses Projektes für die N nur schwer nachvollziehen lässt.
557Als vollkommen abwegig und jeder Lebenserfahrung widersprechend ist die Einlassung des Angeklagten zu den weiteren Ereignissen des Jahres 1999 zu qualifizieren. Nachdem Ende August das "memorandum of understanding" zwischen der N7 und F2 verbindlich vereinbart und der Angeklagte Ende September von S3 darüber informiert worden war, dass das Konsortium bei der seitens S durchgeführten Ausschreibung für das Mastprogramm der günstigste Anbieter sei, kommt es offensichtlich zu einer gravierenden Zäsur. Denn knapp drei Monate später vereinbaren die N und die N7 mit U2 ein "memorandum of understanding" für die Zusammenarbeit bei dem Mastprogramm der S. Auf die Frage der Kammer, wie und warum es zu einem Bruch mit F2 gekommen und auf welche Weise U2 "ins Boot gekommen" sei, hat der Angeklagte angegeben, er sei diesbezüglich an keinerlei Gesprächen beteiligt gewesen; die entsprechenden Verhandlungen müsse sein Neffe M6 geführt haben, dem er nach dessen Eintritt in das Unternehmen im Sommer 1999 die weitere Bearbeitung des Mastprojektes übertragen habe. Er – der Angeklagte – habe sich auch nicht nach den Hintergründen für den Wechsel von F2 zu U2 erkundigt, weil ihn diese nicht interessiert hätten. Zwar ist richtig, dass ab dem Herbst 1999 viele der für den vorliegenden Komplex relevanten Schriftstücke – insbesondere die mit konstruktionstechnischem Zusammenhang – an M6 adressiert sind bzw. von ihm stammen. Abgesehen davon, dass man sich angesichts der bereits erwähnten Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten kaum vorstellen kann, dass er sich bei einem seit mehr als zwei Jahren hinziehenden Projekt nicht über den weiteren Verlauf informieren lässt, hat er die Vereinbarung mit U2 persönlich für die N unterschrieben. Selbst wenn er an den Gesprächen, die dem zwingend notwendig vorausgegangen sein müssen, nicht beteiligt gewesen sein sollte, erscheint es undenkbar, dass er sich vor der Unterzeichnung eines auf eine langfristige Zusammenarbeit mit einem namhaften indischen Maschinenhersteller gerichteten Vertrages nicht darüber informieren lässt, was aus dem ursprünglich geplanten Joint Venture mit F2 geworden ist und wieso "seine" N für das Mastprogramm der S nunmehr mit U2 ein Konsortium bilden soll. Dies gilt umso mehr, als ihm aufgrund des Telefaxes des S3 vom 12.7.1999 bekannt war, dass sich U2 ursprünglich zusammen mit der I als Konkurrent an der von S für das Mastprojekt durchgeführten Ausschreibung beteiligt hatte. Insbesondere deshalb hätte sich jeder normale Mensch – wenn er nicht von Anfang an involviert war und damit Bescheid wusste – nach den Hintergründen dieser Entwicklung erkundigt. Dass ausgerechnet der Angeklagte, der ansonsten über alle wesentlichen Vorgänge bei der N auf dem Laufenden gehalten werden wollte, hieran nicht interessiert gewesen sein soll, hält die Kammer für ausgeschlossen. Aufgrund dieser Überlegungen ist vielmehr zwingend davon auszugehen, dass sich der Angeklagte, soweit er ab Mitte des Jahres 1999 nicht persönlich in die Ereignisse eingebunden war, von M6 über alle im vorliegenden Zusammenhang relevanten Geschehnisse hat informieren lassen. An dieser Stelle sei erwähnt, dass letzterer zur Aufklärung des Sachverhaltes nichts beitragen konnte; er hat bei dem Versuch der Kammer, ihn als Zeugen zu vernehmen, berechtigterweise von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO Gebrauch gemacht.
558Bereits die angeführten zahlreichen Gesichtspunkte belegen nach Auffassung der Kammer eindeutig, dass die Einlassung des Angeklagten, er habe nicht gewusst, dass die von der N an U2 gelieferten Teleskopzylinder für ein Radarsystem der indischen Streitkräfte bestimmt waren, falsch ist und er in Wirklichkeit über den tatsächlichen Verwendungszweck der Zylinder genau informiert war. Dieses Beweisergebnis wird zusätzlich verstärkt und bestätigt, wenn man das Verhalten des Angeklagten in Bezug auf die Frage der Einholung einer Ausfuhrgenehmigung hinzunimmt. Obwohl er – ausgehend von seiner Einlassung – zumindest wusste, dass die von U2 bei der N bestellten Zylinder letztlich für ein von der indischen Verteidigungsorganisation S in Auftrag gegebenes militärisches Gerät bestimmt waren, bei dem ein Mast mit einer Antenne 18 m hoch ausgefahren wird, hat er keinen förmlichen Ausfuhrantrag beim BAFA gestellt. Dies ist bereits für sich gesehen kaum nachvollziehbar, wenn man berücksichtigt, dass er aufgrund der Vorgänge um den Zylinderexport im Mai 1997 genau wusste, dass das BAFA bei einer vergleichbaren Sachlage – Lieferung von Zylindern für Brückenlegefahrzeuge – eine Genehmigungsbedürftigkeit angenommen hatte. Stattdessen ersucht er das BAFA mit seinem Schreiben vom 5.1.2000 um eine Unbedenklichkeitsbescheinigung für die geplanten Zylinderlieferungen an U2, ohne die ihm nach seiner Einlassung bekannten Fakten mitzuteilen; er verweist lediglich darauf, die in Rede stehenden Teleskopzylinder seien für Geräte bestimmt, die üblicherweise als "Men - Lift bzw. "Teleskop - Arbeitsbühnen" bezeichnet würden und fügt das – wenig aussagekräftige – "memorandum of understanding" mit U2 bei, das – offensichtlich mit Absicht – weder das indische Militär als den eigentlichen Endkunden nennt noch einen Hinweis darauf enthält, dass die Zylinder für ein Radarsystem bestimmt sind, sondern nur von "Mobile Aerial Lifters" spricht. Auf die nahe liegende Frage, warum er dem BAFA nicht alle ihm bekannten Tatsachen offenbart hat, hat der Angeklagte für sein Vorgehen keine plausible Erklärung geliefert, sondern bezeichnenderweise nur in sich widersprüchliche und insgesamt nicht nachvollziehbare Ausführungen gemacht. So hat er einerseits angegeben, der Hinweis auf "Men - Lift" und "Teleskop - Arbeitsbühnen" hänge mit dem Begriff "Mobile Aerial Lifter" zusammen, der in den Prospekten vieler Unternehmen für Hubarbeitsbühnen verwendet werde; er habe das "memorandum of understanding" mit U2 dahin verstanden, dass dieses Unternehmen, das auch Hebebühnen produziere, eine breitere Einsatzmöglichkeit für die Zylinder der N erschließen würde. Andererseits hat der Angeklagte jedoch auf Vorhalt eingeräumt, dass die Vereinbarung mit U2 nur die Zusammenarbeit bei dem Antennenmast - Projekt der S zum Gegenstand hatte; da die N die Teleskopzylinder, die U2 bei ihr beziehen wollte, speziell für dieses von S gewünschte Antennensystem konstruiert hatte, war für eine Verwendung in irgendwelchen Hebearbeitsbühnen gar kein Raum. Nachdem dann das BAFA mit Schreiben vom 25.1.2000 aufgrund der unvollständigen und dem wahren Sachverhalt nicht entsprechenden Angaben des Angeklagten mitgeteilt hatte, der Export der im Schreiben der N vom 5.1.2000 genannten Waren unterliege keiner Genehmigungspflicht, hat der Angeklagte nach seinen Angaben aufgrund dieser "Freigabe" – obwohl ihm selbst bei Zugrundelegung seiner Einlassung klar war, dass er dem BAFA nicht alle ihm bekannten und für die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit ersichtlich maßgeblichen Tatsachen offenbart hatte – auch bei der im Sommer 2000 erfolgten Auslieferung der zwei Mastzylinder an U2 keine Notwendigkeit gesehen, eine Exportgenehmigung einzuholen. Angesichts des Umstandes, dass der Angeklagte – selbst wenn man von seiner Einlassung ausgeht – zumindest bei dieser konkreten Ausfuhr genau wusste, dass U2 die Zylinder nicht in irgendwelche zivilen Teleskoparbeitsbühnen, sondern in ein vom indischen Militär in Auftrag gegebenes Antennenmastsystem einbauen wollte, macht sein Verhalten nur Sinn, wenn er von Anfang an den wahren Verwendungszweck der Zylinder – Einbau in ein für die indischen Streitkräfte bestimmtes mobiles Radarsystem – kannte und deshalb zu Recht davon ausging, dass die deutschen Behörden einen solchen Export nicht zulassen würden.
5593.
560Dass die deutschen Exportkontrollbehörden die Ausfuhr der Mastzylinder, wenn die N einen entsprechenden Antrag unter wahrheitsgemäßer Angabe aller Fakten gestellt hätte, nicht genehmigt hätte, ergibt sich in erster Linie aus der Aussage des Zeugen X5. Dieser hat bekundet, beim Export von Zylindern, die für die Entwicklung eines Radarsystems der indischen Streitkräfte bestimmt gewesen seien, sei die Frage der Genehmigungsfähigkeit zwar nicht derart eindeutig zu verneinen wie bei den in den übrigen Komplexen in Rede stehenden Zulieferungen für Raketenabschussrampen. Wichtig sei aber bei der vorliegenden Ausfuhr der Zeitpunkt, nämlich das Jahr 2000. Nach den indischen und pakistanischen Nuklearwaffentests im Jahre 1998 sowie den in dieser Zeit erneut aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen Indien und Pakistan um die Kaschmir - Region habe die Bundesregierung die Rüstungsexportpolitik gegenüber diesen Ländern drastisch verschärft. Die Lieferung von Gütern für neue Rüstungsprojekte in Indien – gleich welcher Art – sei nicht mehr genehmigt worden; man habe allenfalls einige wenige Erlaubnisse im Rahmen bereits bestehender Lieferverträge erteilt. Vor diesem Hintergrund hätte das Bundeswirtschaftsministerium jedenfalls im Jahre 2000 den Export der hier in Rede stehenden, für ein Radarsystem des indischen Militärs bestimmten Zylinder nicht bewilligt. Bezüglich der Glaubhaftigkeit auch dieser Angaben des glaubwürdigen Zeugen X5 bestehen keinerlei Bedenken.
561Ergänzend dazu hat O2 in seiner für das Auswärtige Amt abgegebenen schriftlichen Erklärung vom 22.1.2008 ausgeführt, dieses Ministerium hätte bei einem Ausfuhrantrag für Zylinder, die für ein Radarsystem der indischen Streitkräfte bestimmt gewesen seien, wegen der insbesondere nach der sogenannten Kargil – Krise 1999 ausgebrochenen kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Indien und Pakistan jedenfalls im Jahre 2000 einer Genehmigungserteilung widersprochen.
562D. Rechtliche Würdigung
563Der Angeklagte M hat sich danach wegen vorsätzlicher Ausfuhr von in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste (Anlage AL zu § 5 AWV) genannten Waren ohne Genehmigung gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG in fünf Fällen und der Angeklagte M2 in drei Fällen strafbar gemacht.
564Durch die seitens der N im Mai 1997 und im Dezember 1997 getätigten Lieferungen von Hydraulikzylindern für das indische Agni-Raketen-programm ohne Genehmigung der deutschen Exportkontrollbehörden (Punkte B. II. und III. der Feststellungen) haben die Angeklagten als Geschäftsführer (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) den Tatbestand des § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG in zwei Fällen erfüllt. Bei diesen Exporten haben beide Angeklagte in Kenntnis aller tatbestandsrelevanter Fakten aufgrund eines gemeinsamen Tatplans arbeitsteilig zusammengewirkt, so dass sie als Mittäter anzusehen sind. Soweit die N für den Export im Mai 1997 eine Genehmigung des BAFA erhalten hatte, hatten die Angeklagten als Geschäftsführer diese durch falsche Angaben hinsichtlich des Verwendungszwecks – angeblicher Einbau der Zylinder in Brückenlegefahrzeuge anstatt der tatsächlichen Verwendung in einer Raketenabschussrampe – erwirkt. Eine Ausfuhr mit einer erschlichenen Genehmigung steht gemäß § 34 Abs. 8 S. 1 AWG einer Ausfuhr ohne Genehmigung gleich.
565Durch den seitens der N im November 1999 getätigten Export von zwei Zylinderpaaren für die Startrampe der Agni II ohne Genehmigung (Punkt B. VI. der Feststellungen) hat sich der Angeklagte M als Geschäftsführer (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) wegen eines weiteren Verstoßes gegen § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG strafbar gemacht. Bezüglich des Angeklagten M2 hat die Kammer das Verfahren hinsichtlich dieses Tatvorwurfes gemäß § 154 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt.
566Durch die seitens der N im September 1998 getätigte Lieferung mehrerer Zylinder für die Startrampe der Kurzstreckenrakete Prithvi ohne Genehmigung (Punkt B. VIII. der Feststellungen) haben sich die Angeklagten als Geschäftsführer (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB) in einem weiteren Fall gemeinschaftlich (§ 25 Abs. 2 StGB) gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG strafbar gemacht. Auch bei diesem Export sind die Angeklagten als Mittäter anzusehen, da sie in Kenntnis aller tatbestandsrelevanten Fakten aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes arbeitsteilig zusammengewirkt haben.
567Alle für das Agni- und das Pritvi-Raketenprogramm exportierten Zylinder stellen besonders konstruierte Bestandteile für Raketenabschussrampen dar und unterfallen damit der Position 0006 des Abschnitts A Teil I der Ausfuhrliste. Dabei braucht zwischen den einzelnen Fassungen der Ausfuhrliste nicht differenziert zu werden, denn die hier einschlägige Position 0006 hat sich im Tatzeitraum von 1997 (Ausfuhrliste in der Fassung vom 18.12.1996) bis Mitte des Jahres 2000 (Ausfuhrliste in der Fassung vom 3.7.2000) nicht geändert. Nach dieser Position ist der Export von "Landfahrzeugen und Bestandteilen hierfür, besonders konstruiert oder geändert für militärische Zwecke" genehmigungspflichtig. In der Anmerkung Nr. 1 a) zu dieser Position heißt es erläuternd: "Nummer 0006 schließt ein: .....militärische Fahrzeuge.....zum Starten der von Nummer 0004 erfassten Waffen". Unter die Position 0004 fallen ausdrücklich "Raketen". Beide Positionen zusammen erfassen demnach unzweifelhaft die mobilen Startrampen für die Agni- und die Pritvi-Rakete. Die von der N gelieferten Zylinder stellten – zumindest nach den Konstruktionsvorstellungen der S – (wesentliche) Bestandteile dieser mobilen Abschussrampen dar, denn sie sollten nach den Plänen der indischen Ingenieure dazu dienen, die Rakete aufzurichten und an der Rampe zu fixieren. Die Zylinder sind auch besonders konstruiert, denn wie die unter Punkt B. I. 3. der Feststellungen geschilderten Produktionsabläufe bei der N zeigen, wird jeder Zylinder anhand der speziellen Kundenwünsche gewissermaßen als Unikat hergestellt. Für jeden bestellten Zylinder wird fußend auf den Angaben des Kunden zu den von ihm vorgegebenen Spezifikationen des Zylinders (Einbaumaße, Last, Hub, Öldruck) zunächst eine Zeichnung gefertigt, die dem Kunden zur Genehmigung und Äußerung eventueller Änderungswünsche übersandt wird; erst dann produziert die N den Zylinder. So verhielt es sich auch mit den hier in Rede stehenden Zylindern für die Entwicklung der Agni- und der Prithvi-Startrampe, bei denen – wie in den Feststellungen im Einzelnen geschildert – teilweise die Zeichnungen mehrfach wegen unterschiedlichster Sonderwünsche der indischen Besteller geändert und anschließend erneut genehmigt werden mussten.
568Als problematisch könnte im vorliegenden Zusammenhang allenfalls die sprachlich etwas ungenaue Fassung der Position 0006 insoweit anzusehen sein, als ihr nicht eindeutig zu entnehmen ist, ob es ausreicht, wenn das Landfahrzeug, für welches die Bestandteile vorgesehen sind, für militärische Zwecke besonders konstruiert ist (was bezüglich der Raketenstartrampe keinen Zweifeln unterliegt), oder ob auch jedes einzelne Bestandteil selbst für militärische Zwecke besonders konstruiert sein muss; letzteres dürfte aufgrund der allgemeinen Einsetzbarkeit von Hydraulikzylindern in Kränen, Baumaschinen, etc. zweifelhaft sein. Die Kammer hat diese Auslegungsfrage offen gelassen. Denn ausgehend von den getroffenen Feststellungen und der vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung vom 23.11.1995 (1 StR 296 / 95) entwickelten "subjektiven Theorie" unterfallen die hier in Rede stehenden Hydraulikzylinder in jedem Fall der Position 0006. Nach diesem subjektiven Ansatz, den der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 28.3.2007 (5 StR 225 / 06) nochmals bekräftigt hat, ist auf den Zweck abzustellen, den der Konstrukteur mit der Herstellung einer Ware verfolgt. Damit sind die Zylinder auch für sich gesehen für militärische Zwecke besonders konstruiert, denn nach den Feststellungen wussten die Angeklagten in den ihrer Verurteilung zugrunde liegenden Fällen genau, dass die Zylinder für Raketenabschussrampen verwendet würden und ließen sie gezielt dafür in dem von ihnen geleiteten Unternehmen herstellen.
569Durch die seitens der N im Juni und Juli 2000 getätigte Ausfuhr der beiden Mastzylinder für ein Radarsystem der indischen Streitkräfte ohne Genehmigung (Punkt B. IX. der Feststellungen) hat sich der Angeklagte M als Geschäftsführer wegen eines weiteren Verstoßes gegen § 34 Abs. 1 Nr. 1 AWG strafbar gemacht.
570Die Mastzylinder unterfallen der Position 0006 des Abschnitts A Teil I der Ausfuhrliste (i. d. Fassung vom 3.7.2000), denn sie stellen besonders konstruierte Bestandteile eines auf einem Lkw montierten Luftraumüberwachungsradars und damit eines militärischen Landfahrzeuges dar. Auch bei diesen Zylindern steht außer Frage, dass sie als "besonders konstruiert" im Sinne der Ausfuhrliste anzusehen sind. Die Techniker der N haben für den Mast des Radarsystems eine vollkommen neue Zylinderkonstruktion entwickelt, nämlich ein äußeres Teleskoprohr kombiniert mit zwei innen sitzenden gegenläufigen Differentialzylindern; M6 hat in seiner E-Mail vom 20.8.2000 an U2 selbst ausdrücklich darauf hingewiesen, dass diese Zylinder für die N absolut einzigartig gewesen seien. Sie sind auch für militärische Zwecke besonders konstruiert; diesbezüglich wird auf die obigen Ausführungen verwiesen. Da der Angeklagte zu 1) nach den Feststellungen der Kammer von Anfang an genau wusste, dass die Mastzylinder für ein Luftraumüberwachungsradar der indischen Streitkräfte bestimmt waren, unterfallen sie – ausgehend von der "subjektiven Theorie" des Bundesgerichtshofes – unzweifelhaft der Position 0006 der Ausfuhrliste. Die Kammer hat die seitens der Staatsanwaltschaft in der Anklageschrift vom 27.4.2004 als zwei selbständige Taten angeklagten Lieferungen als eine Tat qualifiziert, da beide Exporte als eine natürliche Handlungseinheit anzusehen sind.
571Bezüglich des Angeklagten M2 hat die Kammer das Verfahren hinsichtlich dieses Tatvorwurfes gemäß § 154 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StPO eingestellt.
572Abschließend ist der Vollständigkeit halber darauf hinzuweisen, dass die Kammer das Verfahren bezüglich beider Angeklagter hinsichtlich der Punkte 2., 5. und 6. der Anklageschrift vom 27.4.2004 gemäß § 154 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StPO und hinsichtlich des Anklagepunktes 10. gemäß § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt hat.
573Die Angeklagten sind in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen worden, dass die eingestellten Tatvorwürfe bei der Beweiswürdigung und der Strafzumessung zu ihrem Nachteil verwendet werden können, soweit die Kammer insoweit ausreichende Feststellungen zu treffen vermag.
574E. Strafzumessung
575Die hier einschlägige Strafvorschrift des § 34 AWG sieht in ihrem zur Zeit der Tatbegehungen geltenden Grundtatbestand (Absatz 1) – die bei der Urteilsverkündung maßgebliche Neufassung des AWG enthält diesbezüglich keine Änderung – Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vor. Der Qualifikationstatbestand (Absatz 6) in der zu den jeweiligen Tatzeiten gültigen Fassung des AWG schreibt für besonders schwere Fälle des Abs. 1 unter Aufzählung von Regelbeispielen eine Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren vor. Die zum Zeitpunkt der Urteilsverkündung geltende Fassung des Qualifikationstatbestandes des § 34 Abs. 6 AWG (in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.6.2006) stellt eine Verschärfung gegenüber der zur Tatzeit geltenden Version dar und war deshalb hier nicht anzuwenden.
576Nach Überzeugung der Kammer sind die der Verurteilung der beiden Angeklagten zugrunde liegenden Taten – entgegen der von der Staatsanwaltschaft in ihrem Schlussvortrag vertretenen Ansicht – jeweils nicht als besonders schwere Fälle im Sinne des § 34 Abs. 6 AWG a. F. zu qualifizieren. Bei einer Gesamtwürdigung und Abwägung aller vorliegend relevanten Strafzumessungsgesichtspunkte heben sich die Verstöße vom Durchschnitt der praktisch vorkommenden Fälle nicht so weit ab, dass die Anwendung des Ausnahmestrafrahmens geboten erscheint.
577Dabei ist zunächst von Bedeutung, dass entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft das unter Nr. 2 des § 34 Abs. 6 AWG a. F. genannte Regelbeispiel des "gewerbsmäßigen Handelns" hier nicht erfüllt ist. Gewerbsmäßig handelt, wer sich aus wiederholter Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang verschaffen möchte; hierbei muss sich die Wiederholungsabsicht auf dasjenige Delikt beziehen, dessen Tatbestand durch das Merkmal der Gewerbsmäßigkeit qualifiziert ist (vergl. Fischer, StGB, 55. Aufl., Vor § 52 R. 62 m. w. N.). Die Staatsanwaltschaft hat in ihrem Plädoyer diese Voraussetzungen für erfüllt angesehen, da die Angeklagten als Geschäftsführer der N die hier in Rede stehenden Zylinderlieferungen getätigt hätten, um in der Zukunft weitere Aufträge der S für "ihr" Unternehmen – mit den entsprechenden Gewinnerwartungen – akquirieren zu können. Die Verteidiger haben hierzu darauf hingewiesen, dies würde bedeuten, dass jeder Gewerbetreibende, der im Rahmen seiner unternehmerischen und damit naturgemäß gewinnorientierten Aktivitäten Gegenstände unter Verstoß gegen § 34 Abs. 1 AWG in der Hoffnung auf Folgebestellungen exportiert, nach dem eine hohe Mindeststrafe vorsehenden Qualifikationstatbestand zu bestrafen wäre; eine derartige Auslegung des § 34 Abs. 6 AWG würde gegen das Grundgesetz verstoßen. Die Kammer hat bewusst offen gelassen, ob unter diesem Gesichtspunkt der Begriff des "gewerbsmäßigen Handelns" in § 34 Abs. 6 AWG aus verfassungsrechtlichen Gründen eingeschränkter zu definieren ist als in anderen diesen Terminus verwendenden Strafvorschriften. Denn dieses Merkmal ist im vorliegenden Fall – ausgehend von den durch die Kammer getroffenen Feststellungen – auch unter Zugrundelegung des herkömmlichen Verständnisses nicht erfüllt. Die Staatsanwaltschaft verkennt, dass es nicht darauf ankommt, ob die Angeklagten bei den ihnen vorzuwerfenden Zylinderlieferungen der N die Erwartung hatten, zukünftig Folgeaufträge der S an Land zu ziehen, die entsprechende Gewinne abwerfen würden; Gewerbsmäßigkeit im strafrechtlichen Sinne ist nicht gleichbedeutend mit Gewerblichkeit (vergl. Fischer a. a. O.). Entscheidend ist vielmehr, ob die Angeklagten bei den hier abgeurteilten Ausfuhren jeweils beabsichtigten, auch bei eventuellen – von ihnen sicherlich erhofften – weiteren Bestellungen durch S diese Zylinder wiederum unter Verstoß gegen die Vorschriften des AWG zu exportieren und dadurch Gewinne zu erzielen. Eine derartige Absicht würde voraussetzen, dass die Angeklagten die Tatbestandsverwirklichung angestrebt hätten, also dass es ihnen regelrecht darauf angekommen wäre (vergl. Fischer, a. a. O., § 15 R. 6 m. w. N.). Einen solchen dolus directus 1. Grades hat die Kammer jedoch nicht mit der für eine entsprechende Verurteilung erforderlichen Sicherheit nachweisen können. Denn schon bei den unter Punkt B. geschilderten Ausfuhren bzw. der geplanten Lieferung haben die Angeklagten nach den Feststellungen der Kammer jeweils von Fall zu Fall neu entschieden, ob bzw. gegebenenfalls mit welchen Angaben sie für die N eine Exportgenehmigung beantragen wollen; von daher ließ sich erst recht nicht die sichere Überzeugung gewinnen, welche Überlegungen die Angeklagten bezüglich potentieller Folgeaufträge angestellt haben.
578Die übrigen Regelbeispiele des § 34 Abs. 6 AWG a. F. sind – selbst nach Ansicht der Staatsanwaltschaft – hier ersichtlich nicht gegeben, so dass keine Vermutung für das Vorliegen besonders schwerer Fälle spricht.
579Der Qualifikationstatbestand ist aber auch nicht aufgrund einer Würdigung und Abwägung der im vorliegenden Fall maßgeblichen Strafzumessungsfaktoren erfüllt.
580Hierbei hat sich die Kammer – ausgehend von den Grundsätzen des § 46 StGB – im Wesentlichen von folgenden Überlegungen leiten lassen:
581Für die Angeklagten sprach in erster Linie, dass sie bis zur Begehung der hier abgeurteilten Taten strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten waren, sondern ein in hohem Maße sozial angepasstes Leben geführt haben. Die Verurteilung ist für sie vor dem Hintergrund ihrer früheren herausgehobenen Stellung als Geschäftsführer eines äußerst erfolgreichen Industrieunternehmens mit einem nicht unerheblichen Verlust gesellschaftlichen Ansehens verbunden. Dies hat die Kammer ebenso strafmildernd berücksichtigt wie den Umstand, dass die Angeklagten aufgrund des vorliegenden Verfahrens ihre Positionen als Geschäftsführer der N aufgegeben haben; bei dem Angeklagten zu 1) muss diesbezüglich allerdings die Einschränkung gemacht werden, dass er eigentlich bis heute als faktischer Geschäftsführer weiterhin die Geschicke des Unternehmens bestimmt und leitet.
582Ganz erheblich strafermäßigend musste sich auswirken, dass sich beide Angeklagte in Untersuchungshaft befunden haben, und zwar der Angeklagte zu 1) etwas mehr als sieben Wochen lang und der Angeklagte zu 2) immerhin noch für knapp zwei Wochen. Angesichts des fortgeschrittenen Alters der Angeklagten – vor allem des Angeklagten zu 1) – und ihrer gesellschaftlichen Stellung stellte diese im Vergleich zu der bei Wirtschaftsstraftätern üblichen Form des Strafvollzugs verschärfte Form der Freiheitsentziehung naturgemäß eine gravierende Belastung dar. Nach der Haftentlassung im März bzw. April 2003 bestand der Haftbefehl über einen langen Zeitraum mit einschneidenden Auflagen fort; die Angeklagten mussten sich in relativ kurzen Abständen bei der Polizei melden und Kautionen in erheblicher Höhe – der Angeklagte zu 1) 3 Millionen Euro und der Angeklagte zu 2) 500.000,- Euro – stellen. Die Meldeauflage für beide Angeklagte entfiel erst Mitte des Jahres 2004 und die Sicherheitsleistung ist bei dem Angeklagten zu 1), nachdem sie Ende Juni 2004 auf 2 Millionen Euro reduziert worden war, erst im März 2007 auf 500.000,- Euro herabgesetzt worden; gleichzeitig wurde die von dem Angeklagten zu 2) zu stellende Kaution auf 125.000,- Euro ermäßigt. Neben diesen Belastungen war selbstverständlich auch strafmildernd zu berücksichtigen, dass die Angeklagten als Erstverbüßer und vor dem Hintergrund ihres fortgeschrittenen Alters als besonders haftempfindlich anzusehen sind.
583Zugunsten der Angeklagten war des Weiteren in die Waagschale zu werfen, dass zwischen den Taten und dem Urteil ein langer Zeitraum liegt; hierdurch nimmt das Strafbedürfnis des Staates automatisch ab. Hinzu kommt, dass das vorliegende Strafverfahren sehr lange gedauert hat; die erste Durchsuchung bei der N, bei der die Angeklagten erstmals von dem gegen sie laufenden – zu diesem Zeitpunkt noch auf die Zylinderlieferung vom Mai 1997 beschränkten – Ermittlungsverfahren Kenntnis erhielten, war am 17.7.2001. Dieses damit fast sieben Jahre andauernde Verfahren stellte für die Angeklagten – vor dem Hintergrund ihrer gesellschaftlichen Position und insbesondere angesichts des nur unter einschneidenden Auflagen außer Vollzug gesetzten Haftbefehls – eine erhebliche Belastung dar. Die diesem Gesichtspunkt unzweifelhaft zukommende strafmildernde Wirkung wird allerdings dadurch in gewissem Umfang relativiert, dass die lange Dauer des Ermittlungsverfahrens – die Anklageschrift datiert vom 27.4.2004 – ausschließlich darauf zurückzuführen ist, dass sich die Aufklärung der den Angeklagten zur Last gelegten und von ihnen von Anfang an bestrittenen Verstöße gegen das AWG angesichts der Komplexität des Sachverhalts äußerst schwierig und zeitaufwendig gestaltete. So mussten zunächst die bei der Durchsuchung am 17.7.2001 beschlagnahmten umfangreichen Geschäftsunterlagen der N ausgewertet und bezüglich der Frage, ob die im Mai 1997 nach Indien gelieferten Zylinder für eine Raketenstartrampe oder ein Brückenlegefahrzeug bestimmt waren, technische Stellungnahmen der Wehrtechnische Dienststelle für Pionier- und Truppengerät der Bundeswehr eingeholt werden. Nachdem die Verteidigung des Angeklagten zu 1) ihrerseits ein Sachverständigengutachten vorgelegt hatte, mit dem sie die angebliche Bestimmung der Zylinder für einen Brückenleger beweisen wollte, mussten die Ermittlungsbehörden dieses Vorbringen durch die Techniker der Bundeswehr überprüfen lassen. Darüber hinaus war es erforderlich, die am 17.7.2001 bei der I beschlagnahmten Beweismittel daraufhin zu sichten, welche Geschäftsunterlagen dieses Unternehmens für das vorliegende Verfahren von Relevanz sein könnten. Nachdem die Auswertung der bei der N sichergestellten Unterlagen den Verdacht begründete, dass dieses Unternehmen noch zahlreiche weitere illegale Exporte nach Indien getätigt hatte, wurden die Geschäftsräume am 6.3.2003 ein zweites Mal durchsucht und wiederum umfangreiches Beweismaterial beschlagnahmt. Auch dessen Sichtung erforderte naturgemäß einen nicht geringen Zeitaufwand, zumal erneut – diesmal bezüglich der für die Prithvi - Startrampe und das Radarsystem bestimmten Zylinder – technische Gutachten der Bundeswehr einzuholen waren. Schließlich musste auch noch das BAFA beteiligt und gebeten werden, zu der Frage der Genehmigungsfähigkeit der einzelnen hier in Rede stehenden Zylinderlieferungen Stellung zu nehmen. Das Ermittlungsverfahren ist seitens der Staatsanwaltschaft und des Zollfahndungsamtes mit der gebotenen Zügigkeit durchgeführt worden; es ist zu keinen nennenswerten in den Verantwortungsbereich dieser Behörden fallenden Verzögerungen gekommen. Auch die Dauer der Hauptverhandlung – fast 19 Monate – ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass die Kammer aufgrund des – selbstverständlich zulässigen – Prozessverhaltens der Angeklagten gezwungen war, zur Aufklärung des wahren Sachverhaltes eine äußerst umfangreiche und zeitaufwendige Beweisaufnahme durchzuführen. Unzweifelhaft ist aber der zwischen der Erhebung der Anklage und dem Beginn der Hauptverhandlung liegende lange Zeitraum von mehr als zweieinhalb Jahren zum größten Teil nicht den Angeklagten zuzurechnen, sondern auf Unzulänglichkeiten der Justizbehörden zurückzuführen; die mit dieser Verfahrensverzögerung für die Angeklagten verbundene besondere Belastung hat die Kammer – unabhängig von der noch gesondert abzuhandelnden Kompensation – in erheblichem Maße strafmildernd gewichtet.
584Bei dem Angeklagten zu 2) war zusätzlich strafermäßigend zu werten, dass er bei den Taten, an denen er beteiligt war, nicht als die treibende Kraft anzusehen ist. Der Angeklagte zu 1) als der bestimmende "Chef" der N war derjenige, der die maßgeblichen Verhandlungen mit den indischen Bestellern führte; er traf auch letztlich jeweils – davon geht die Kammer jedenfalls zugunsten des Angeklagten zu 2) aus – die Entscheidung, die Zylinder mit einer erschlichenen Exportgenehmigung oder ohne Erlaubnis nach Indien zu liefern. Gleichwohl hat der Angeklagte zu 2), mit dem sein Onkel die von beiden gemeinschaftlich zu verantwortenden verbotswidrigen Ausfuhren jeweils abgesprochen hat, dieses Vorgehen gebilligt und mit getragen; er hat auch bei der Ausführung der Aufträge mit dem Angeklagten zu 1) arbeitsteilig zusammengewirkt.
585Über diese allgemeinen Erwägungen hinaus waren bezogen auf die einzelnen Taten auch noch die folgenden Strafzumessungsgesichtspunkte zu berücksichtigen:
586Bei dem Export der für die Entwicklung der Agni - Startrampe bestimmten Zylinder im Mai 1997 hat die Kammer zugunsten beider Angeklagter gewichtet, dass diese Zylinder seitens der Ingenieure der S letztlich nicht in den Abschussrampenprototypen eingebaut worden sind. Diese Entwicklung war zwar bei der Ausfuhr der Zylinder für die Angeklagten nicht absehbar und ist auch nicht auf deren Verhalten zurückzuführen; damit steht aber fest, dass objektiv von den Zylindern keinerlei Gefährdung ausgegangen ist. Dieser Gesichtspunkt gilt auch für die im Dezember 1997 und November 1999 ausgeführten Stützzylinderpaare (die letztgenannte Lieferung hat nur beim Angeklagten M zur Verurteilung geführt), bei denen die Kammer zwar sicher festgestellt hat, dass diese für die Entwicklung der Agni - Rampe bestimmt waren, bei denen aber zugunsten der Angeklagten nicht davon auszugehen ist, dass sie auch tatsächlich für den Startrampenprototypen verwendet worden sind.
587Strafschärfend hat die Kammer bei den für die Agni - Startrampe bestimmten Zylinderexporten gewichtet, dass die Angeklagten bewusst und gewollt dem indischen Militär Bestandteile für eine von diesem geplante Abschussrampe geliefert haben, die zum Abfeuern ballistischer Mittelstreckenraketen und damit prinzipiell äußerst gefährlicher Waffen dienen sollte. Zwar ist nach den Ausführungen des bereits erwähnten Sachverständigen T12 zugunsten der Angeklagten davon auszugehen, dass es sich bei der Agni II (noch) nicht um ein operationell einsatzfähiges Waffensystem handelt; dies ändert aber nichts an dem Umstand, dass die Rakete – so auch der Sachverständige – flugtauglich ist und damit für potentielle Gegner Indiens eine erhebliche Gefahr darstellt. In diesem Zusammenhang darf auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass zumindest die im Mai 1997 ausgeführten Zylinder nicht als untergeordnete Bauteile, sondern als die für das Funktionieren der Startrampe wesentlichen Elemente zu qualifizieren sind.
588Straferschwerend musste sich bei dieser Ausfuhr zusätzlich auswirken, dass die Angeklagten eine Genehmigung des BAFA unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erschlichen haben und dabei mit einer nicht unerheblichen kriminellen Energie vorgegangen sind. Sie haben sich nicht darauf beschränkt, bezüglich der Zylinder einen unzutreffenden Verwendungszweck anzugeben, sondern – im Zusammenwirken mit den indischen Verteidigungsorganisationen – dem Amt zwei inhaltlich falsche offizielle Endverwenderbescheinigungen indischer Regierungsstellen zugeleitet. Zwar hat die Kammer in diesem Zusammenhang nicht übersehen, dass die deutschen Exportkontrollbehörden bei der Bearbeitung der seitens der I, der N2 und schließlich der N gestellten Ausfuhranträge nicht die notwendige Sorgfalt an den Tag gelegt haben, so dass insoweit auch ein gewisses Mitverschulden dieser Behörden zugunsten der Angeklagten in die Überlegungen einbezogen werden muss. Dabei darf aber nicht übersehen werden, dass die zuständigen Beamten des Bundeswirtschaftsministeriums, nachdem das BAFA in seiner Vorlage vom 3.9.1996 vorgeschlagen hatte, die Anträge der I und der N2 (die Anträge der N gingen erst im Februar 1997 ein) abzulehnen und das Auswärtige Amt Bedenken gegen die Ausfuhr angemeldet hatte, Ende des Jahres 1996 zunächst beschlossen, diese Anträge gerade im Hinblick auf den nicht eindeutig geklärten Verwendungszweck der Waren abzulehnen. Dass sie aufgrund der Anfang Januar 1997 seitens der indischen Botschaft in Bonn vorgelegten Brückenlegerzeichnung ihre Meinung änderten, weil sie sich ein derart massives Täuschungsmanöver der indischen Regierung schlechterdings nicht vorstellen konnten, erscheint der Kammer durchaus nachvollziehbar; das Mitverschulden kann von daher nur als geringfügig eingestuft werden.
589Bei der Ausfuhr der für die Entwicklung der Prithvi - Abschussrampe bestimmten und auch tatsächlich dafür verwendeten Zylinder im September 1998 hat die Kammer bei beiden Angeklagten strafschärfend berücksichtigt, dass sie bewusst und gewollt wesentliche Bestandteile für eine indische Abschussrampe exportiert haben, die zum Abfeuern von Kurzstreckenraketen und damit extrem gefährlicher Waffen dienen sollte. Zwar ist nach den Angaben des Sachverständigen T12 zugunsten der Angeklagten davon auszugehen, dass auch dieses Waffensystem (bislang) nur eingeschränkt operationell einsatzfähig ist; dies ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Rakete flugtauglich ist und damit von ihr potentiell eine erhebliche Gefahr ausgeht.
590Bei dem Export der für das Luftraumüberwachungsradar bestimmten Mastzylinder hat die Kammer zugunsten des Angeklagten zu 1) gewertet, dass es sich bei diesem Gerät, in das die Zylinder eingebaut werden sollten, nicht um ein gefährliches Waffensystem, sondern um ein eher harmloses Rüstungsgut handelt. Strafmildernd musste sich ferner auswirken, dass die S das Radarsystem letztlich nicht verwirklichen konnte, weil es aufgrund der Instabilität des Mastes nicht funktionsfähig war; die seitens der N gelieferten Zylinder sind also im Ergebnis keiner Verwendung zugeführt worden.
591Eine Abwägung und Gesamtwürdigung dieser und auch aller weiteren Strafzumessungsfaktoren führt nach Auffassung der Kammer zu dem Ergebnis, dass die einzelnen Taten nicht als besonders schwere Fälle im Sinne des § 34 Abs. 6 AWG a. F. anzusehen sind; die Einzelstrafen sind vielmehr dem Grundtatbestand des § 34 Abs. 1 zu entnehmen.
592Bei erneuter Gewichtung aller für und gegen die Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte hielt die Kammer folgende Einzelstrafen für tat- und schuldangemessen:
593- bezüglich der Lieferung im Mai 1997 (Agni - Komplex / Punkt B. II. der Feststellungen) bei dem Angeklagten zu 1) eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten sowie bei dem Angeklagten zu 2) eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten
- bezüglich der Lieferung im Dezember 1997 (Agni - Komplex / Punkt B. III. der Feststellungen) bei dem Angeklagten zu 1) eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten sowie bei dem Angeklagten zu 2) eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr
- bezüglich der Lieferung im September 1998 (Prithvi - Komplex / Punkt B. VIII. der Feststellungen) bei dem Angeklagten zu 1) eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten und bei dem Angeklagten zu 2) eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten
- bezüglich der Lieferung im November 1999 (Agni - Komplex / Punkt B. VI. der Feststellungen) bei dem Angeklagten zu 1) eine Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten
- bezüglich der Lieferungen im Sommer 2000 (Mast - Komplex / Punkt B. IX. der Feststellungen) bezüglich des Angeklagten zu 1) eine Einzelfreiheitsstrafe von zehn Monaten
Aus diesen Einzelstrafen hat die Kammer unter Abwägung aller zugunsten und zulasten der Angeklagten sprechenden Gesichtspunkte gemäß §§ 53, 54 StGB bei dem Angeklagten zu 1) eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten sowie bei dem Angeklagten zu 2) eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten gebildet.
599Dabei war bei dem Angeklagten zu 1) zusätzlich strafschärfend zu berücksichtigen, dass er als Geschäftsführer der N über einen langen Zeitraum die indischen Verteidigungseinrichtungen mit Zylindern für unterschiedlichste Rüstungsprojekte beliefert hat.
600F. Berücksichtigung rechtsstaatswidriger Verfahrensverzögerungen
601Wie bereits im Rahmen der Strafzumessungserwägungen ausgeführt, ist es im Ermittlungsverfahren zu keinen im Verantwortungsbereich der Strafverfolgungsorgane liegenden Verfahrensverzögerungen gekommen. Die Kammer hat diesbezüglich in der Hauptverhandlung (und zwar im Fortsetzungstermin vom 22.4.2008) einen ausführlichen Bericht über den Verfahrensablauf erstattet; im Fortsetzungstermin vom 6.5.2008 hat die Kammer den Hinweis erteilt, dass sie – bei vorläufiger Würdigung des seinerzeitigen Erkenntnisstandes – davon ausgehe, dass im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren keine rechtsstaatswidrigen Verzögerungen festzustellen seien. Die Verteidiger der Angeklagten sind dem nicht entgegengetreten. Sie haben lediglich zu bedenken gegeben, dass bereits die Staatsanwaltschaft Dortmund – so wie es die Kammer im Zwischenverfahren getan hat – die Akten des Strafverfahrens der Staatsanwaltschaft Würzburg gegen die Verantwortlichen der I hätte beiziehen können. Dieser Hinweis führt jedoch zu keiner anderweitigen Beurteilung. Die Staatsanwaltschaft hatte – was sie die Verteidigung frühzeitig mitgeteilt hat – die genannten Akten durch das Zollfahndungsamt Düsseldorf auswerten lassen, das darüber unter dem 2.9.2002 einen Bericht erstellte (Band II der Hauptakten, Bl. 369 ff.). Die Verteidigung hat erst nach Zustellung der Anklageschrift bei der Kammer den Antrag gestellt, die vollständigen Akten der Staatsanwaltschaft Würzburg beizuziehen; vor diesem Hintergrund bestand für die Staatsanwaltschaft keinerlei Veranlassung, bereits im Ermittlungsverfahren diese Akten anzufordern.
602Nach dem Eingang der Anklageschrift bei der Kammer Ende April 2004 bis zum Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 25.9.2006 ist das vorliegende Verfahren aufgrund der Überlastung der Kammer und des sachbearbeitenden Staatsanwalts nicht mit der nach Art. 6 Abs. 1 MRK sowie dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes zu fordernden Beschleunigung gefördert worden. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass das Zwischenverfahren aufgrund der tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der vorliegenden Materie, den von den Verteidigern, denen zunächst die Akten der Staatsanwaltschaft Würzburg zur Einsicht zur Verfügung gestellt wurden, gewünschten langen Stellungnahmefristen sowie der anschließend wiederum der Staatsanwaltschaft einzuräumenden Erwiderungsmöglichkeit auch bei sachgerechter Förderung etwa vierzehn Monate in Anspruch genommen hätte, hat die Kammer das Ausmaß der als konventions- und rechtsstaatswidrig zu qualifizierenden Verzögerung mit fünfzehn Monaten bemessen. Auch diese Einschätzung hat die Kammer nach einer ausführlichen Schilderung des Ablaufes des Zwischenverfahrens in ihrem im Fortsetzungstermin vom 6.5.2008 erteilten Hinweis den Prozeßbeteiligten bekannt gegeben. Weder der Vertreter der Staatsanwaltschaft noch die Verteidiger der Angeklagten sind dieser Bewertung entgegen getreten.
603Ausgehend von diesem Umfang der staatlich zu verantwortenden Verzögerung und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Belastungen, die die lange Verfahrensdauer für die Angeklagten insbesondere wegen des bestehenden Haftbefehls mit sich gebracht hat, bereits mildernd in die Strafbemessung eingeflossen sind, reicht es nach Auffassung der Kammer zum Zwecke der Entschädigung für die konventions- und rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung aus, wenn bei jedem der Angeklagten sechs Monate der verhängten Gesamtstrafe als vollstreckt gelten.
604G. Einziehung der Teleskopneigezylinder
605Die Anordnung der Einziehung der bei der Durchsuchung der Geschäftsräume der N am 17.7.2001 sichergestellten Teleskopzylinder (vergl. Punkt B. VII. der Feststellungen) beruht auf § 36 Abs. 1 Nr. 1 AWG; die Angeklagten haben sich in der Hauptverhandlung mit dieser Maßnahme ausdrücklich einverstanden erklärt.
606H. Kostenentscheidung
607Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 und 4 StPO.
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