Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 S 24/08
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 21.11.2007 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe
2I.
3Die Parteien streiten über restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 16.09.2006. Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach ist zwischen den Parteien unstreitig.
4Die Beklagte hat vorprozessual auf den Fahrzeugschaden 1.800 € und auf die Mietwagenkosten 740,00 € gezahlt. Der Kläger hat mit der Klage einen restlichen Fahrzeugschaden in Höhe von 1.700,00 € und weitere Mietwagenkosten in Höhe von 530,20 € sowie anteilige vorprozessuale Anwaltskosten geltend gemacht. Das Amtsgericht hat der Klage nach Beweisaufnahme stattgegeben. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung.
5Die Beklagte beantragt,
6unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Dortmund vom 21.11.2007 die Klage vollständig abzuweisen.
7Der Kläger beantragt,
8die Berufung zurückzuweisen.
9Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes kann auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils sowie die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen werden.
10II.
11Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Amtsgericht hat dem Kläger im Ergebnis zutreffend einen restlichen Schadensersatz in Höhe von 2.320,00 € zugesprochen.
121. Dem Kläger stehen noch weitere Mietwagenkosten in Höhe von 530,20 € zu, nachdem die Beklagte vorprozessual bereits 740,00 € gezahlt hat. Der Kläger hat einen Mietwagen für die Dauer von 19 Tagen genommen. Für diesen Zeitraum ist ihm ein Betrag in Höhe von 1.095,00 € netto und damit ein Betrag in Höhe von 1.270,20 € brutto in Rechnung gestellt worden. Auf die vorgelegte Kopie der Abrechnung (Bl. 6 d.A.) kann verwiesen werden. Soweit die Beklagten die Höhe der Kosten angreift, kann die Kammer nicht feststellen, dass es sich um einen Unfallersatztarif im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt. Ein Unfallersatztarif liegt danach nur dann vor, wenn ein Tarif abgerechnet wird, der einen üblichen Normaltarif erheblich übersteigt. Die Kammer geht dabei von einem Normaltarif aus, wie er sich aus den jeweiligen Schwackelisten ergibt. Der Kläger hat hier für ein Fahrzeug der Gruppe 4 täglich ca. 67 € brutto gezahlt. Dieser Betrag liegt unter den dort angegeben Normaltarifen. Auf dieser Grundlage kann bereits nicht festgestellt werden, dass es sich überhaupt um einen (erheblich) überhöhten Tarif handelt, so dass es auf die Rechtsprechung zum Unfallersatztarif nicht ankommt und der Kläger den gesamten Betrag, der ihm berechnet worden ist, verlangen kann.
132. Der Kläger hat auch Anspruch auf Erstattung von weiteren 1.700 € Reparaturkosten. Dem Kläger sind zur Überzeugung der Kammer Reparaturkosten in Höhe von insgesamt 3.500 € entstanden, die insgesamt erstattungsfähig sind, obwohl es sich um einen Totalschaden handelt. Die Reparaturkosten liegen zwar über dem Wiederbeschaffungswert, verbleiben aber gerade noch unterhalb der 130 % - Grenze.
14Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Geschädigte wegen seines Integritätsinteresses dann einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten bis zu 130 % des Wiederbeschaffungswertes, wenn die tatsächlich vorgenommene Reparatur zu einer fachgerechten und vollständigen Wiederherstellung des vor dem Unfall bestehenden Zustands geführt hat. Davon geht die Kammer aber nach dem in erster Instanz eingeholten Gutachten des Sachverständigen S aus.
15Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass durch die durchgeführten Arbeiten die Funktionstüchtigkeit und der visuelle Zustand des Fahrzeugs vollständig wiederhergestellt worden ist. Unter Berücksichtigung von Alter und Laufleistung des Fahrzeugs sowie dem geringeren Eingriff in die Fahrzeugstruktur kann die durchgeführte Reparatur aus sachverständiger Sicht als gleichwertig mit der in dem vom Kläger vorgelegten Gutachten F angesehen werden. Der Sachverständige hat dabei den großen wirtschaftlichen Unterschied zwischen den beiden Reparaturwegen darin gesehen, dass hier kein Austausch von Teilen vorgenommen worden ist. Vielmehr sind die beschädigten Teile fachgerecht instandgesetzt worden.
16Die Kammer hat keine Bedenken, den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S zu folgen. Der Sachverständige geht von den richtigen Tatsachen aus und hat seine Schlussfolgerungen detailliert und nachvollziehbar begründet. Der Sachverständige verfügt persönlich über eine umfassende Sachkompetenz, die keinerlei Anlass zu Zweifeln bietet.
17Bedenken an diesem Ergebnis ergeben sich für die Kammer auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofes vom 10.07.2007. Der Bundesgerichts hat dort ausgeführt:
18"Stellt der Geschädigte lediglich die Fahrbereitschaft, nicht aber den früheren Zustand des Fahrzeugs wieder her, so beweist er dadurch zwar ein Interesse an der Mobilität durch sein Fahrzeug, das jedoch in vergleichbarer Weise auch durch eine Ersatzbeschaffung befriedigt werden könnte. Der für die Zubilligung der "Integritätsspitze" von 30% ausschlaggebende weitere Gesichtspunkt, dass der Geschädigte besonderen Wert auf das ihm vertraute Fahrzeug legt, verliert bei einer unvollständigen und nicht fachgerechten Reparatur eines total beschädigten Fahrzeugs in entscheidendem Maß an Bedeutung. Dass der Geschädigte Schadensersatz erhält, der den Wiederbeschaffungswert übersteigt, ist deshalb mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und Bereicherungsverbot nur zu vereinbaren, wenn er den Zustand des ihm vertrauten Fahrzeugs wie vor dem Unfall wieder herstellt."
19In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war jedoch nur von einer Teilreparatur ausgegangen worden. Dazu ist ausgeführt worden:
20"Nach den rechtsfehlerfreien Feststellungen des BerGer. ist das Kraftfahrzeug des Kl. durch die bei der Firma W vorgenommene Reparatur nicht vollständig in einen Zustand wie vor dem Unfall versetzt worden. Vielmehr sind in Teilbereichen nicht unerhebliche Beanstandungen und Reparaturdefizite verblieben, die einer vollständigen und insoweit fachgerechten Instandsetzung und insbesondere einer Wiederherstellung eines mit dem unbeschädigten Fahrzeug vergleichbaren Zustands entgegenstehen. Der Sachverständige - so das BerGer. - habe insbesondere am Rahmenlängsträger hinten rechts, im Bereich des Kühlers, wo überhaupt kein Austausch stattgefunden habe, am vorderen Querträger sowie im Heckbereich insgesamt Restmängel in Form von Stauchungen und verbliebenen Verformungen festgestellt, die zumindest einer vollständigen Instandsetzung entgegenstünden."
21Vergleichbare Mängel, wie sie in der Entscheidung vom 10.07.2007 genannt sind, sind hier nicht ansatzweise festzustellen. Den Beklagten ist zuzubilligen, dass in kleinem Umfang Beanstandungen verblieben sind. Diese sind im Ergebnis jedoch unerheblich, so dass gleichwohl von einer vollständigen Wiederherstellung eines vergleichbaren Zustandes auszugehen ist, der dem Zustand vor dem Unfall entspricht.
22Der Sachverständige hat festgestellt, dass bei den Karosserieteilen grundsätzlich keine Verformungen mehr feststellbar sind, diese also ordnungsgemäß rückverformt worden ist. Auch am Heckabschlussblech waren keine Restunfallspuren erkennbar. Weiter ergab sich auch kein Hinweis auf einen Verzug der Karosserie. Im Bereich des Kofferraumbodens und des linken Rahmenlängsträgers waren keine Verwerfungen und Restunfallspuren gegeben. Schließlich hat der Sachverständige festgestellt, dass im gesamten Schadensbereich überwiegend Materialstärken vorlagen, wie sie sich nach einer ordnungsgemäßen Instandsetzung und einer Reparaturlackierung ergeben. Die Vermessung ergab Einstellwerte innerhalb der vorgegebenen Toleranzgrenzen.
23Auf die festgestellten Korrosionsspuren kommt es nach Auffassung der Kammer nicht an, da bereits nicht zweifelsfrei festzustellen ist, dass diese auf den Unfallschaden zurückzuführen sind. Es kann sich nach Angaben des Sachverständigen auch ohnehin um normale Rostschäden handeln.
24Ansonsten waren nur minimale Problemstellen feststellbar. Der Sachverständige hat an der Innenseite der Rückleuchtenaufnahme leichte Unebenheiten im Karosseriebleich sowie in geringem Umfang Restspuren von Arbeiten festgestellt. Weiter waren an dem vom Stoßfänger abgedeckten Heckabschlussblech und kleinflächig an der Radlaufkante hinten links größere Schichtstärken festgestellt. Dies beeinträchtigt nach Angaben des Sachverständigen weder die Funktion noch den visuellen Eindruck. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass es sich hier insgesamt nur um unerhebliche Mängel handeln, die eine ordnungsgemäße Reparatur im Sinne der 130 % - Grenze nicht in Frage stellen. Wie vorstehend ausgeführt, geht es letztlich um das Integritätsinteresse des Geschädigten. Anders als bei einer sonstigen Teilreparatur hat der Kläger hier selbst mehr getan, als nur die Fahrtüchtigkeit wiederhergestellt, die nur sein Moblitätsinteresse belegt hätte.
25Der Kläger hat vielmehr einen Zustand wiederherstellen lassen, der dem vergleichbar ist, wie er sich vor dem Unfall gezeigt hat. Damit ist sein Integritätsinteresse ausnahmsweise schützenswert und er kann die Reparaturkosten in Höhe von 3.500,00 € ersetzt verlangen.
26Die Kammer geht auch davon aus, dass der Kläger diesen Betrag für die Reparatur aufgewandt hat. Der Sachverständigen hat einen plausiblen Grund für die Differenz zu den Zahlen aus dem Gutachten Elblein genannt. Das Amtsgericht hat dem Kläger seinen Vortrag insoweit auch geglaubt, was nicht beanstandet werden kann. Der Kläger hat insoweit auch eine Rechnung vorgelegt. Der Beklagten hätte es erstinstanzlich freigestanden, den geladenen und vernommenen Zeugen H gegenbeweislich zur Höhe der Reparaturkosten zu befragen. Dies ist erstinstanzlich nicht geschehen und erfolgt in der Berufungsinstanz nicht mehr.
27Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 708 Nr.10 ZPO. Die Revision war nicht gem. § 543 Abs.2 ZPO zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordert.
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Referenzen
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