Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O 113/08 Kart.
Tenor
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Verfügungskläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Verfügungskläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Verfügungsbe-klagten abzuwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht zuvor der Verfügungskläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Verfügungskläger ist Profispringreiter und aktuell Nummer # der Weltrangliste. Er verdient seinen Lebensunterhalt durch die Teilnahme an nationalen und internationalen Springreitturnieren, bei denen er die Möglichkeit hat, Preisgelder und Sachwerte zu gewinnen, durch gute Resultate den Marktwert der von ihm gerittenen Pferde zu steigern, potentielle Käufer für die von ihm gerittenen Pferde zu finden und Werbung für seine Sponsoren zu machen. Er erzielt bei den Turnieren Wettkampfpunkte, die seine Platzierung in der Weltrangliste beeinflussen, da er durch eine gute Platzierung automatisch für die bedeutendsten internationalen Turniere qualifiziert wird.
3Der Verfügungsbeklagte – ein Verein nach schweizerischem Recht mit Sitz in Lausanne – ist der Weltdachverband aller olympischen Pferdesportarten. Seine Mitglieder, die nationalen Verbände, sind an seine Statuten, die General Regulations, die Sportrules und sämtliche Entscheidungen seiner Instanzen gebunden und haben diese umzusetzen. An Turnieren des Verfügungsbeklagten oder Turnieren der Nationalverbände dürfen nur Athleten teilnehmen, die sich einem Nationalverband anschließen, welcher an die Reglements und Entscheidungen des Verfügungsbeklagten gebunden sind. Zum Inhalt der Statuten des Verfügungsbeklagten, seiner General Regulations (GR), seiner Veterinary Rules (Vet-R), seiner Anti-Doping and Medikation Control-Rules (EADMCR) und seiner Olympic-Rules wird auf Blatt 62 – 288 d.A. Bezug genommen.
4Der Verfügungskläger wurde in den Championatskader des Deutschen Olympiade-Komitees für Reiter e.V. berufen und als Repräsentant der Bundesrepublik Deutschland zu den olympischen Spielen 2008 in Peking entsandt. Er unterzeichnete Rahmenvereinbarung zur Kaderberufung und Aktivenerklärung, zu deren Inhalt auf Blatt 56 – 59 d.A. verwiesen wird.
5Das vom Verfügungskläger bei den Olympischen Spielen 2008 zu reitende Pferd D wurde unmittelbar nach seiner Ankunft in China vor dem Zusammentreffen mit anderen Pferden einem umfassenden Veterinärcheck unterzogen. Es zeigten sich keine Auffälligkeiten, auch nicht beim zweiten während des Turniers durchgeführten Veterinärcheck und bei den jeweils bei Verlassen des Parcours durchgeführten Bandagen- bzw. Gamaschenkontrollen.
6Am 17.08.2001 wurde bei dem Pferd D eine Dopingkontrolle durchgeführt. Das im Auftrag des Verfügungsbeklagten tätig werdende Analyselabor des Hong Kong Jockey Clubs stellte am 18.08.2008 fest, dass die dem Pferd zugeordnete Blut- und Urinprobe den pflanzlichen Wirkstoff Capsaicin enthielt. Zum Inhalt des Testreports vom 20.08.2008 und der Medication Control Form vom 18.08.2008 wird auf Blatt 574 – 588 d.A. verwiesen.
7In der Nacht vom 20.08.2008 informierte der Verfügungsbeklagte über den Nationalverband den Verfügungskläger über den Befund der A-Probe und das gemäß Artikel 7.2 EADMCR eine vorläufige Sperre für die Wettkämpfe des Verfügungsbeklagten und aller Mitgliedsverbände verhängt sei. Dem Schreiben beigefügt waren u.a. eine Stellungnahme eines Mitglieds des Veterinary Commission Office des Verfügungsbeklagten. Auf Blatt 293- 298 d.A. wird insoweit Bezug genommen.
8Der Verfügungskläger wurde am folgenden Tag um 10.00 Uhr vorläufig angehört vor dem Preliminary Panel des Verfügungsbeklagten besetzt mit einem Mitglied des Tribunals des Verfügungsbeklagten. Er gab an, die positive Probe des Pferdes D nicht erklären zu können und beantragte eine Analyse der B-Probe. Auf Blatt 305 der Akten wird verwiesen.
9Die vorläufige Sperre wurde aufrechterhalten bis zur endgültigen Entscheidung durch das Tribunal des Verfügungsbeklagten. Auf Blatt 306 f der Akten wird Bezug genommen. Der Verfügungsbeklagte machte die Entscheidung im Newsletter weltweit bekannt.
10Am 24.08.2008 erklärte der Verfügungskläger im Rahmen einer Presseerklärung, das Pferd C habe wegen eines bei einem vorausgegangenen Turnier erlittenen Hexenschusses tierärztlich behandelt werden müssen. Seitdem werde der Rücken täglich mit der Salbe Equi-Block massiert. Zum Inhalt der Presseerklärung wird auf Blatt 310 f d.A. Bezug genommen.
11Die B-Probenanalyse des Analyselabors des Hong Kong Jockey Clubs vom 24.08.2008 ergab für Urin und Blut die Feststellung der Substanz Capsaicin. Auf Blatt 589 – 604 d.A. wird verwiesen. Der Verfügungskläger wurde hiervon unter dem 28.08.2008 in Kenntnis gesetzt und zur Anhörung für den 06.09.2008 geladen. Er verlangte mit Anwaltsschreiben vom 01.09.2008 Übersendung von Unterlagen und Verlegung des Anhörungstermins auf einen Termin nicht vor dem 26.09.2008. Der Verfügungsbeklagte verlegte den Anhörungstermin auf den 26.09.2008 und stellte klar, dass die vorläufige Sperre in Kraft bleibe. Auf Blatt 289 – 292 und Blatt 333 d.A. wird insoweit Bezug genommen.
12Mit Antrag vom 10.09.2008 begehrte der Verfügungskläger einstweiligen Rechtsschutz. Er verlangte, dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, seinen Beschluss vom 21.08.2008 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen und ihn nicht mit der Begründung, ihm sei ein Doping- oder Medications-A-Verstoß während der Olympischen Spiele 2008 anzulasten, die Startgenehmigung für internationale und nationale Reitsportturniere zu versagen, den deutschen Mitgliedsverband, die deutsche reiterliche Vereinigung e.V., über die vorläufige Aufhebung der Sperre zu informieren und diesen anzuweisen, ihm die Startgenehmigung zu internationalen und nationalen Reitsportturnieren nicht mit gleicher Begründung zu versagen. Außerdem sollte dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes untersagt werden, ihn an der Teilnahme an nationalen und internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Beschluss vom 21.08.2008 gestützt wird.
13Am 26.09.2008 wurde der Verfügungskläger vom Tribunal des Verfügungsbeklagten angehört. Dieses entschied am 03.10.2008, die vorläufige Sperre nicht auszusetzen bis zur endgültigen Entscheidung, die für den 31.10.2008 in Aussicht gestellt wurde. Zum Inhalt der Entscheidung wird auf Blatt 533 – 536 = Blatt 645 – 648 d.A. verwiesen.
14Der Verfügungskläger hält den beschrittenen Rechtsweg für zulässig und die Zuständigkeit des Gerichts für gegeben. Eine wirksame, sich ausdrücklich auch auf den Bereich des einstweiligen Rechtsschutz erstreckende Schiedsvereinbarung liege nicht vor. Der Beschluss des Verfügungsbeklagten vom 21.08.2008 sei auch offensichtlich rechtswidrig. Bis heute sei nicht ausreichend nachgewiesen, dass ein Verstoß gegen Regularien vorliege, welche zu einer vorläufigen Sperre ermächtigten. Ein Verstoß gegen das Anti-Dopingregelwerk des Verfügungsbeklagten sei weder erwiesen noch indiziert. Ein Doping-Verstoß sei auszuschließen. Ein solcher setze voraus, dass Beine oder Gamaschen des Pferdes mit der Substanz sensibilisiert wurden, was nicht geschehen sei, wie die negativen Veterinärchecks und Bein- und Gamaschenkontrollen sowie zwischenzeitlich erfolgte tierärztliche Untersuchung des Tieres nach seiner Rückkehr nach Deutschland belegten. Auch eine Einordnung unter die in den Listen der Medication Class A und B genannten oder diesen vergleichbare Substanzen sei nicht vorzunehmen. Es sei bis heute nicht klar, welche Analysemethode bei der Durchführung der Analyse der A-Probe eingesetzt wurde und ob diese Analysemethode den verbandsinternen Vorgaben an ein Analyseverfahren entspreche. Da auch andere Proben in der gleichen Zeit mit gleichen Messgeräten analysiert wurden und bei mindestens vier Proben angeblich Rückstände von Capsaicin gefunden wurden, sei es naheliegend, zumindest aber nicht auszuschließen, dass es zu Verwechselungen und / oder Verunreinigungen gekommen sei. Wenn tatsächlich in einem ordnungsgemäßen Analyseverfahren Restspuren von Capsaicin nachgewiesen wurden, könne sich dies damit erklären, dass der Rücken des Pferdes zur Behandlung von Verspannungen im sogenannten Kruppenbereich mit einem Pflegemittel namens Equi-Block massiert worden sei. Es handele sich dabei um eine weit verbreitete und auf allen großen Turnierplätzen käuflich zu erwerbende, leicht capsaicinhaltige Salbe, die angesichts der nur geringen Capsaicin-Konzentration nicht geeignet sei, eine medizinisch-therapeutische Wirkung zu erzielen. Der Verfügungsbeklagte habe von der Existenz dieses Mittels und seiner Verwendung im Reitsport jahrelang Kenntnis gehabt und zu keinem Zeitpunkt eine Warnung vor seinem Gebrauch ausgesprochen. Die Verhängung einer Sperre für die Verwendung verstoße deswegen gegen Treu und Glauben. Außerdem sei das Regelwerk des Verfügungsbeklagten nichtig wegen Verstoßes gegen europäisches und nationales Kartellrecht, ungerechtfertigten Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit und eine unangemessene und gegen Treu und Glauben verstoßende Benachteiligung des Sportlers. Die Regelung in Art. 7.2. EADMCR führte zu einer automatischen vorläufigen Sperre allein auf Grund einer positiven A-Probe, damit auf Grund eines schlichten, nicht weiter verifizierten Verdachtes, bei dem Verdachtsmomente mangels Positiv-Liste und klarer Grenzwertfestlegung viel zu unbestimmt seien. Das Ende der vorläufigen Sperre sei mangels zeitlicher Fixierung und mangels aufschiebender Wirkung eines Rechtsmittels nicht absehbar. All dies sei zur wirksamen Dopingbekämpfung weder notwendig noch verhältnismäßig.
15Durch die Startsperre wegen angeblichen Dopings oder unerlaubter Medikation drohe ihm als Berufssportler der persönliche und finanzielle Ruin. Ihm werde durch die sofortige und auf nicht absehbare Zeit andauernde Startsperre nicht nur eine wesentliche Einnahmequelle entzogen, auf die er zur Finanzierung seines Lebensunterhaltes und seines Turnierstalles angewiesen sei. Ihm werde auch versagt, seinen vertraglichen Werbeverpflichtungen gegenüber den Sponsoren nachzukommen. Der Verlust von Wettkampfpunkten habe Auswirkungen nicht nur auf die unmittelbar folgenden Turniere, sondern auch auf das nächste Wettkampfjahr und seine gesamte Karriere als Berufssportler.
16Der Verfügungskläger beantragt unter teilweiser Antragsrücknahme nunmehr,
17dem Verfügungsbeklagten im Wege einstweiliger Verfügung
181. aufzugeben, seinen Beschluss vom 21.08.2008 in der Form des Zwischenbeschlusses vom 03.10.2008 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen,
19 202. den Verfügungsbeklagten zu verpflichten, dem deutschen Mitgliedsverband, die deutsche reiterliche Vereinigung e.V., über die Aussetzung der Sperre zu informieren,
213. dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 250.000,00 € zu untersagen, ihn durch einen neuen vorläufigen Beschluss an der Teilnahme an nationalen oder internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Tatbestand des Beschlusses vom 21.08.2008 gestützt wird.
22Der Verfügungsbeklagte beantragt,
23die Anträge abzuweisen.
24Der Verfügungsbeklagte erhebt die Einrede des Schiedsvertrages, der nach seiner Auffassung durch wirksame Unterwerfung unter seine Regeln durch Unterzeichnung der Rahmenvereinbarung zur Kaderberufung wirksam zustande gekommen ist und den einstweiligen Rechtsschutz durch staatliche Gerichte ausschließt. Für den Antrag auf Aussetzung des Beschlusses vom 21.08.2008 fehle zudem das Rechtsschutzbedürfnis. Neue Grundlage der vorläufigen Sperre sei der Beschluss vom 03.10.2008.
25Die vorläufige Sperre sei nach seinem Regelwerk, das weder gegen europäisches noch nationales Wettbewerbsrecht noch gegen §§ 307 ff BGB und § 242 BGB und Art. 12 Grundgesetz verstoße, gerechtfertigt. Sie diene ausschließlich dem berechtigten Interesse, die Chancengleichheit im Rahmen der Wettkämpfe, den Schutz der Gesundheit der Pferde und die Ehrlichkeit und den Ruf des Reitsports zu wahren. Um diese Ziele zu erreichen, seien Regelungen über vorläufige Sperren notwendig und auch verhältnismäßig. Bei exogenen, von außen in den Organismus gelangenden Substanzen wie der streitgegenständlichen Substanz Capsaicin könne ein Missbrauch nur durch Verzicht auf Schwellenwerte ausgeschlossen werden. Es sei auch ausreichend, wenn in der Liste verbotener Wirkstoffe die Substanzen lediglich mit ihren möglichen Effekten charakterisiert werden. Auf Grund der Vielfalt von verfügbaren Arzneimitteln wäre es unmöglich, jedes Mittel oder jeden Wirkstoff in der Liste anzugeben. Die Zielsetzung des Anti-Dopingkampfes könnte sonst nicht erreicht werden. Angesichts der für den Athleten bestehenden Möglichkeiten, zeitnah eine B-Probenanalyse zu erreichen, komme es auch keinesfalls zu einer mehrmonatigen Sperre nur auf Grund eines schlichten Verdachts. Vielmehr biete ihr Regelwerk den Athleten zeitnah und umfassend Möglichkeiten, den durch eine positive A-Probe begründeten Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Regelverstoß zu widerlegen.
26Ein solcher Verstoß liege auch vor. Es sei sowohl ein Verstoß gegen die Anti-Dopingregeln als auch ein solcher gegen die Medizinkontrollregeln gegeben. Die Eignung der Substanz zur Hypersensibilisierung der Vorderbeine reiche für eine Einordnung als verbotene Dopingsubstanz. Ein Medication-A-Verstoß sei anzunehmen, weil Capsaicin eine Substanz sei, die zur Schmerzlinderung eingesetzt werde und bei der eine medizinische Wirkung indiziert sei.
27Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
29Die Anträge sind zulässig, aber nicht begründet.
30Einer Entscheidung des nach Art 5 Lugano-Übereinkommens, §§ 32 ZPO, 87 GWB international und national zuständigen angerufenen Gerichts steht eine den Rechtsweg wirksam ausschließende Schiedsvereinbarung nicht entgegen. Ob eine solche zwischen den Parteien dieses Verfahrens wirksam auch für den einstweiligen Rechtsschutz getroffen wurde, kann dahinstehen. Die Regelungen in Art. 12.2 der EADMCR und Art. 35 der Statuten des Verfügungsbeklagten stellten nicht ausreichend klar, dass durch die Schiedsvereinbarung auch die Möglichkeit kartellrechtlicher Überprüfung durch staatliche Gerichte ausgeschlossen werden soll.
31Das Rechtsschutzbedürfnis ist zu bejahen, auch für den Antrag zu 1.). Der Verfügungskläger hat der zwischenzeitlichen Entwicklung durch Antragsanpassung Rechnung getragen.
32Die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Dringlichkeit liegt ebenfalls vor. Die vorläufige Sperre beschränkt den Verfügungskläger in erheblichem Maße in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit. Er erleidet hierdurch persönliche und finanzielle Nachteile, die gravierend sind und nur eingeschränkt durch Schadensersatzansprüche kompensiert werden können.
33Die Anträge sind aber unbegründet. Ein Verfügungsanspruch nach §§ 940, 935 ZPO ist für alle Anträge zu bejahen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Anordnung der vorläufigen Sperre zu Unrecht erfolgte oder zu einem späteren Zeitpunkt aufgehoben werden muss. Beides ist zu verneinen.
34Die Anordnung der vorläufigen Sperre vom 21.08.2008 ist zu Recht erfolgt. Sie beruht auf Art. 7.2 EADMCR, einer Vorschrift, die rechtlich nicht zu beanstanden ist.
35Vereinssanktionen, die wie hier wettbewerbsbeschränkende und in die Berufsausübungsfreiheit eingreifende Wirkung haben, sind zulässig, wenn die Anwendung der konkreten Vorschriften im Einzelfall durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt und die mit der Regelung einhergehende wettbewerbsbeschränkende Wirkung unter Berücksichtigung der mit der Regelung angestrebten Zielsetzung notwendig und verhältnismäßig ist. Die Voraussetzungen sind hier sämtlich erfüllt. Dopingbekämpfung ist ein legitimer Zweck. Er zielt, wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen, darauf ab, einen fairen Wettkampf unter Wahrung der Chancengleichheit der Beteiligten zu ermöglichen, die Gesundheit der Tiere zu erhalten, Ehrlichkeit und Objektivität des Wettkampfes zu gewährleisten und ethische Werte des Sportes zu betonen. Da die Zielsetzung nicht immer und von allen Sportlern beachtet wird, sind Kontrollen, Sanktionsandrohung und Sanktionsdurchführung unerlässlich. Dies gilt auch für eine vorläufige Sperre als Sanktion. Im Gleichbehandlungsinteresse der Mitbewerber, aus Tierschutzgesichtspunkten und zur Wahrung des Ansehens des Sportes ist eine solche geboten, sobald der dringende Verdacht eines Doping- oder Medikationsmissbrauchs vorliegt. Die Verhängung einer Sanktion erst nach Abschluss der möglicherweise auch langwierigen Ermittlungen läuft den vorgenannten Zielsetzungen entgegen und stellt eine wirksame Missbrauchsbekämpfung geradezu in Frage. Dass sich als Folge einer vorläufigen Sanktion für den Missbrauchsverdächtigten Einschränkungen seiner Betätigungsfreiheit ergeben, die im Falle einer Nichtbestätigung des Verdachts nicht rückgängig zu machen sind, ist zwangsläufig und hinzunehmen.
36Das Gebot der Erforderlichkeit wird durch das Regelwerk des Verfügungsbeklagten beachtet. Das Vorliegen eines dringenden Verdachts wird in Art. 7.2 EADMCR ausdrücklich ausgesetzt. Ein solcher ist stets gegeben, wenn eine positive Probe vorliegt.
37Die Regelung des Art. 7.2 EADMCR beachtet auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Sie ist zusammen mit Art. 2 EADMCR i.V.m. Annex III der VR inhaltlich ausreichend bestimmt. Dafür genügt, dass die Substanzen nur mit ihren möglichen Effekten charakterisiert werden. Auf Grund der Vielfalt von verfügbaren und noch zu entwickelnden Mitteln oder Wirkstoffen ist es nicht möglich, jedes Mittel oder jeden Wirkstoff namentlich in der Liste der verbotenen Substanzen zu bezeichnen. Eine solche Positivliste veraltet rasch. Eine Missbrauchsbekämpfung, die der aktuellen Entwicklung stets hinterherläuft, ist aber ineffizient und letztlich wirkungslos. Aus denselben Erwägungen ist die Generalklausel in der Liste nicht zu beanstanden. Auch das Fehlen der Angabe von Grenz- bzw. Schwellenwerten ist unschädlich. Bei körperfremden verbotenen Substanzen ist die Zufuhr per se und auch in geringsten Mengen unzulässig.
38Das Fehlen ausdrücklicher zeitlicher Begrenzung der vorläufigen Sperre macht die Regelung in Art. 7.2 EADMCR nicht unverhältnismäßig. Eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung ist, wie die vergleichbare Regelung zur vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis gemäß § 111 a StPO zeigt, aus Rechtsstaatsgründen nicht erforderlich. Dass bei Anwendung schweizerischen Rechts sich eine andere Beurteilung ergibt, ist nicht dargetan.
39Eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung ist auch nicht aus kartellrechtlichen Erwägungen oder nach Treu und Glauben erforderlich. Es ergibt sich nämlich nicht, wie vom Verfügungskläger behauptet, eine automatische unbefristete vorläufige Sperre nur aufgrund eines nicht verifizierten A-Proben-Anfangsverdachtes. Das gesamte Regelwerk mit der Anrechnungsklausel, der Angabe der Dauer der endgültigen Sanktion, die Regelungen zur Überprüfung der A-Probe durch die B-Probe und die zeitlichen Vorgaben zur Anhörung führt vielmehr dazu, dass eine vorläufige Sperre stets in engem zeitlichen Kontext steht zum Missbrauchsvorwurf und zur endgültigen Sanktion. Dass ein Rechtsmittel gegen die vorläufige Sperre ohne aufschiebende Wirkung ist, ist dabei nicht zu beanstanden. Die Regelungen in Art. 7.8 + 12 EADMCR geben dem Betroffenen ausreichende Möglichkeit, die sofortige Überprüfung der Sanktion durch das Tribunal des Verfügungsbeklagten und den Schiedsgerichtshof zu erreichen.
40Die Anordnung der vorläufigen Sperre erfolgte unter Beachtung der Vorgaben von Art. 7.2 EADMCR. Bei dem vom Verfügungskläger gerittenen Pferd wurde mit dem Wirkstoff Capsaicin eine verbotene Substanz gefunden. Nach Annex III der VR sind verbotene Substanzen für eine Medication Class A-Wirkstoffe, die die Leistungsfähigkeit durch Linderung von Schmerzen beeinflussen können. Capsaicin ist eine solche Substanz. Dies wird nicht nur durch die vom Verfügungsbeklagten vorgelegten Stellungnahmen bestätigt, sondern auch durch den Verfügungskläger selbst, wenn er den Einsatz der capsaicinhaltigen Salbe Equi-Block zum Zwecke der Lösung von Verspannungen im Rückenbereich des Tieres und damit zur Schmerzlinderung behauptet. Dass dabei die Salbe nicht als Schmerzlinderungsmittel, sondern als Pflegemittel angewandt worden sein soll, ist unbeachtlich. Wenn eine Substanz zur Schmerzlinderung beigebracht wird, kann von einer bloßen Pflegebehandlung nicht die Rede sein.
41Dass die verbotene Substanz Capsaicin beim Pferd D tatsächlich gefunden wurde, ist anzunehmen aufgrund der für die A- und B-Probe vorgelegten Analyseberichte. Von der Richtigkeit der Probenanalyse ist auszugehen. Die vom Verfügungskläger geäußerten allgemeinen Zweifel an der Beachtung internationaler Analysestandards durch das Analyselabor wird durch die ausführliche Stellungnahme des Labors entkräftet.
42Es ist auch davon auszugehen, dass die Substanz durch den Verfügungskläger oder durch für ihn tätige Mitarbeiter mit seinem Wissen und Wollen zugeführt wurde. Der Verfügungskläger selbst behauptet eine Behandlung mit einer capsaicinhaltigen Salbe. Diese Möglichkeit der Substanzzufuhr ist wahrscheinlicher als die vom Verfügungskläger nur allgemein aufgezeigte Möglichkeit einer Zufuhr durch capsaicinhaltige Nahrung.
43Der Verstoß ist schuldhaft begangen worden. Nach eigenem Vorbringen des Verfügungsklägers wurde die Salbe zum Zwecke der Schmerzlinderung und damit vorsätzlich verabreicht.
44Ob die Substanz Capsaicin auch als Dopingsubstanz einzuordnen ist, kann dahinstehen. Dies steht der Annahme eines Verstoßes gegen die Medication Class A-Vorschrift, der nach dem zuvor Ausgeführten auf jeden Fall vorliegt, nicht entgegen. Ein Verstoß nur gegen die Medication Class B-Vorschrift ist dagegen ausgeschlossen.
45Der Verstoß gegen die Medication Class A-Vorschrift rechtfertigt nach Art. 10 EADMCR die Verhängung einer endgültigen Sperre von bis zu einem Jahr. Zum Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Sperre und der Entscheidung über ihre Aufrechterhaltung und auch heute noch ist davon auszugehen, dass eine endgültige Sperre nach dieser Vorschrift verhängt wird. Der Verfügungskläger steht hat stets ein gegen die Medizinkontrollregel verstoßenden Verhalten eingeräumt. Dass das Mittel Equi-Block frei verkäuflich ist und nach Behauptung des Verfügungsklägers als Pflegemittel gehandelt wird, steht der Anordnung der Sperre nicht entgegen. Die Salbe Equi-Block ist, wie ausgeführt, kein Pflegemittel, sondern ein Schmerzlinderungsmittel. Dass der Verfügungsbeklagte ihren Einsatz als solches geduldet haben soll, trägt der Verfügungskläger selbst nicht vor und ist auch nicht ersichtlich.
46Die vorläufige Sperre ist auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht aufzuheben. Es steht zu erwarten, dass zulässigerweise eine endgültige Sperre von mehr als der Dauer der bislang verstrichenen Zeit der vorläufigen Sperre verhängt wird und dies alsbald. Erst wenn die Entscheidung verzögert wird über einen Zeitraum, der die Dauer einer angemessenen endgültigen Sperre überschreitet, kann dies anders zu beurteilen sein.
47Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 269 ZPO.
48Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziff. 6, 711 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.