Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O 123/08 Kart.
Tenor
Die Anträge auf Erlass einer einstweiligen Verfügung werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Verfügungskläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Verfügungskläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch den Verfügungsbeklagten abzuwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht zuvor der Verfügungskläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Verfügungskläger ist Profispringreiter und aktuell Nr. # der Weltrangliste. Er wurde in J geboren und hat seinen Wohnsitz seit mehreren Jahren in Deutschland. Dort betreibt er seit 2003 eine Reitsportanlage, auf der fünf Angestellte mit der Pflege der Berittpferde beschäftigt sind. Er verdient seinen eigenen Unterhalt und den seiner Familie durch die Teilnahme an nationalen und internationalen Springreitturnieren, bei denen er die Möglichkeit hat, Preisgelder und Sachwerte zu gewinnen, durch gute Resultate den Marktwert der von ihm gerittenen Pferde zu steigern, potientielle Käufer für die von ihm gerittenen Pferde zu finden und Werbung für seine Sponsoren zu machen. Neben diesen Verdienstmöglichkeiten erzielt er bei den Turnieren Wettkampfpunkte, die seine Platzierung in der Weltrangliste beeinflussen. Bei einer Platzierung in der Weltrangliste unter den Top 25 ist er automatisch für die bedeutendsten internationalen Turniere qualifiziert. Nimmt er an den Turnieren nicht teil, sinkt er automatisch in der Weltrangliste und kann sich nur durch eine Teilnahme an kleineren Turnieren für größere Turniere qualifizieren.
3Der Verfügungsbeklagte ist ein Verein nach schweizerischem Recht mit Sitz in Lausanne und der Weltdachverband aller olympischen Pferdesportarten. Seine Mitglieder, die nationalen Verbände, sind an seine Statuten, die General Regulations, die Sport-Rules und sämtliche Entscheidungen seiner Instanzen gebunden und habe diese umzusetzen. An Turnieren des Verfügungsbeklagten oder Turnieren der Nationalverbände dürfen nur Athleten teilnehmen, die sich einem Nationalverband anschließen, welcher an die Reglements und Entscheidungen des Verfügungsbeklagten gebunden ist. Zum Inhalt der Statuten des Verfügungsbeklagten, seiner General Regulations (GR), seiner Veterinary Rules (Vet-R), seiner Anti-Doping and Medications Control Rules (EADMCR) und seiner Olympic Rules wird auf Blatt 55 bis 304 d. A.) Bezug genommen.
4Der Verfügungskläger wurde von seiner J Heimatföderation zu den Olympischen Spielen in Peking nominiert und nahm am Springturnier in Hongkong teil. Sein Pferd M wurde unmittelbar nach der Ankunft in Hongkong und vor dem Zusammentreffen mit anderen Pferden am 14. August 2008 einem umfassenden Veterinär-Check unterzogen. Es zeigten sich keine Auffälligkeiten, auch nicht beim zweiten Veterinär-Check und den jeweils bei Verlassen des Parcours durchgeführten Bandagen und Gamaschenkontrollen.
5Am 18.08.2008 wurde bei dem Pferd M im Rahmen einer Dopingkontrolle eine Urin- und Blutprobe entnommen. Das im Auftrage des Verfügungsbeklagten tätig werdende Analyselabor des Hongkong Jockey Clubs stellte am 19.08.2008 fest, dass die dem Pferd zugeordnete Blut- und Urinprobe den pflanzlichen Wirkstoff Capsaicin beinhaltete. Zum Inhalt des Testreports vom 19.08.2008 und der Medication Controlform wird auf Blatt 478 bis 493 d. A. verwiesen.
6In den Mittagsstunden des 21.08.2008 informierte der Verfügungsbeklagte über den Nationalverband den Verfügungskläger über den Befund der A-Probe und dass gemäß Art. 7.2 EADMCR eine vorläufige Sperre für die Wettkämpfe des Verfügungsbeklagten und aller Mitgliedsverbände verhängt sei. Dem Schreiben beigefügt war u. a. eine Stellungnahme des Veterinary Commission Office des Verfügungsbeklagten. Zum Inhalt der Mitteilung wird auf Blatt 305 bis 312 d. A. Bezug genommen.
7Der Verfügungskläger wurde noch am 21.08.2008 gegen 15.00 Uhr vor dem Preliminary Panel des Verfügungsbeklagten, besetzt mit einem Mitglied des Tribunals des Verfügungsbeklagten, vorläufig angehört. Er erklärte dabei, seit Jahren das Mittel "EquiBlock" auf den Rücken seines Pferdes einmassiert zu haben. Das Mittel trägt die Bezeichnung "Topical Pain Reliever". Zum Erscheinungsbild des Mittels und seiner Verpackung wird auf Blatt 527 d. A. Bezug genommen.
8Die vorläufige Sperre wurde aufrechterhalten, was der Verfügungsbeklagte per Newsletter öffentlich bekannt machte.
9Die vom Verfügungskläger beantragte B-Proben-Analyse vom 25.08.2008 ergab für Urin- und Blut des Pferdes die Feststellung der Substanz Capsaicin. Auf Blatt 493 bis 508 d. A. wird insoweit verwiesen.
10Der Verfügungskläger wurde vor dem Tribunal des Verfügungsbeklagten angehört am 06.09.2008. Das Tribunal des Verfügungsbeklagten lehnte am 08.09.2008 ab, die vorläufige Sperre aufzuheben. Es setzte eine endgültige Entscheidung für den 30.09.2008 in Aussicht. Auf Blatt 324 bis 328 d. A. wird insoweit Bezug genommen.
11Der Verfügungskläger beantragte mit Antragsschrift vom 19.09.2008, dem Verfügungsbeklagten im Wege einstweiliger Verfügung aufzugeben, seinen Beschluss vom 21.08.2008 und dessen Bestätigung vom 06.09.2008 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen und ihm Startgenehmigungen für internationale und nationale Reitsportturniere nicht zu versagen mit der Begründung, ihm seien Doping- oder Medication A-Verstoß während der Olympischen Spiele 2008 anzulasten, ferner dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes zu untersagen, ihn an der Teilnahme an nationalen oder internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Beschluss vom 21.08.2008 oder die Entscheidung vom 06.09.2008 gestützt wird. Er beantragte zudem am 23.08.2008 einstweiligen Rechtsschutz beim internationalen Sportschiedsgerichtshof in Lausanne und erhob dort Klage gegen die Entscheidungen vom 21.08.2008 und 08.09.2008. Der Schiedsgerichtshof wies den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit Beschluss vom 29. September 2008 zurück. Zum Inhalt der Entscheidung und zum Inhalt der Klageschrift wird auf Blatt 445 bis 475 d. A. Bezug genommen.
12Der Verfügungskläger hält das angerufene Gericht zuständig. Eine Schiedsvereinbarung, die sich auch auf den einstweiligen Rechtsschutz beziehe, liege nicht vor. Der Beschluss des Verfügungsbeklagten vom 21.08.2008 sei offensichtlich rechtswidrig. Es sei nicht in ausreichendem Maße nachgewiesen, dass ein Verstoß gegen Regularien vorliegen, welche zu einer vorläufigen Sperre ermächtigen. Ein Verstoß gegen das Anti-Doping-Reglements des Verfügungsbeklagten sei weder erwiesen noch indiziert. Ein Doping-Verstoß, der voraussetze, dass Beine oder Gamaschen des Pferdes mit einer verbotenen Substanz sensibilisiert wurden, liege, wie die negativen Veterinär-Checks und die Gamaschenkontrollen belegten, nicht vor. Auch eine Einordnung als eine in den Listen der Medication Class A und B genannte oder mit dieser vergleichbaren Substanz sei nicht vorzunehmen. Die Analyse der entnommenen Urin- und Blutproben leide an einer Vielzahl von Unzulänglichkeiten. Es werde nicht klar, welche Analysemethode bei der Durchführung der Analyse der A-Probe eingesetzt wurde und ob diese Anlayse-Methode internen Standards entsprächen. Da mehrere Proben in der gleichen Zeit vom gleichen Labor mit den gleichen Messgeräten analysiert wurden, sei es naheliegend, zumindest aber nicht auszuschließen, dass es zu Verwechselung oder Verunreinigung gekommen sei. Wenn tatsächlich in einem ordnungsgemäßen Analyseverfahren Restspuren von Capsaicin nachgewiesen seien, könne dies sich allenfalls damit erklären, dass die Muskulatur des Pferdes seit mehreren Jahren wie bei nahezu allen anderen Pferden im Turnier und teilweise auch im Hobbybereich zum Wohl des Tieres mit dem Mittel EquiBlock massiert worden sei. Es handele sich dabei um eine weit verbreitete Salbe, die in Reitsportgeschäften und auf praktisch allen Turnierplätzen Europas angeboten werde und leicht capsaicinhaltig sei. Sie fördere die Durchblutung und wirke gegen Muskelverspannungen und Verhärtungen und gehöre wie ähnliche Salben zur Standardausrüstung in Turnierställen. Angesichts einer nur geringen Wirkstoffkonzentration sei das Mittel nicht geeignet, eine medizinisch-therapeutische Wirkung zu erzielen. Er habe das Mittel auch ausschließlich als Pflegemittel gekannt und habe davon ausgehen müssen, dass der Verfügungsbeklagte nicht den Verkauf von verbotenen Substanzen dulden und auf den eigenen Turnieren unterstützen würde. Er habe nur zum Wohl und zur Pflege seines Pferdes gehandelt und sei nicht einmal auf die Idee gekommen, etwas eventuell Verbotenes zu tun.
13Die Verhängung einer Sperre wegen Verwendung eines Mittels, von dessen Existenz und Verwendung im Reitsport der Verfügungsbeklagte jahrelang Kenntnis gehabt habe ohne jemals eine Warnung vor dem Gebrauch auszusprechen, verstoße gegen Treu und Glauben. Die Regelungen des Art. 7 EADMCR verstoße darüber hinaus mit Artikel 10.9 EADMCR und Annex III der VR gegen internationales und nationales Kartellrecht, gegen §§ 307 ff., 242 BGB und gegen Artikel 12 GG.
14Art. 7.2 EADMCR führe zu einer automatischen und unbefristeten vorläufigen Sperre allein aufgrund eines schlichten, nicht weiter verifizierten Verdachts, bei dem Verdachtsmomente mangels Positivliste und klarer Grenzwertfestlegung zu unbestimmt seien. Das Ende der vorläufigen Sperre sei wegen fehlender zeitlicher Fixierung und mangels aufschiebender Wirkung eines Rechtsmittels nicht absehbar. Eine vorläufige Sperre sei auch zur wirksamen Dopingbekämpfung weder notwendig noch verhältnismäßig.
15Durch die Startsperre drohe ihm als Berufssportler der persönliche und finanzielle Ruin. Ihm werde durch die sofortige und auf nicht absehbare Zeit andauernde Startsperre nicht nur eine wesentliche Einnahmequelle entzogen, sondern auch versagt, seine vertraglichen Werbeverpflichtungen gegenüber den Sponsoren nachzukommen. Der Verlust von Wettkampfpunkten habe Auswirkungen nicht nur auf die unmittelbar anstehenden Turniere, sondern auch auf das nächste Wettkampfjahr und seine gesamte Karriere als Berufssportler.
16Der Verfügungskläger beantragt unter teilweiser Antragsrücknahme nunmehr,
171. dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, seinen Beschluss
18vom 21.08.2008 und dessen Bestätigung vom 06.09.2008 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
192. dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungs-
20geldes zu untersagen, ihn durch einen neuen vorläufigen Beschluss an der Teilnahme an nationalen und internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Tatbestand des Beschlusses vom 21.08.2008 oder der Entscheidung vom 06.09.2008 gestützt wird.
21Der Verfügungsbeklagte beantragt,
22die Anträge zurückzuweisen.
23Der Verfügungsbeklagte beruft sich auf eine durch die Teilnahme an den Wettkämpfen erfolgte Anerkennung seiner Regeln geschlossene Schiedsvereinbarung zu Gunsten des Internationalen Schiedsgerichtshofs.
24Er hält die vorläufige Sperre nach seinem rechtmäßigen Regelwerk für gerechtfertigt. Sie diene wie seine Dopingregeln überhaupt dem berechtigten Interesse, die Chancengleichheit im Rahmen der Wettkämpfe, den Schutz der Gesundheit der Pferde und die Ehrlichkeit und den Ruf des Reitsports zu wahren. Die Sperre sei notwendig, diese Ziele zu erreichen. Im Hinblick auf diese Ziele sei sie auch verhältnismäßig. Bei exogenen, nur von außen in den Organismus gelangenden Substanzen wie dem streitgegenständlichen Capsaicin könne ein Missbrauch nur durch Verzicht auf Schwellenwerte ausgeschlossen werden. Es sei auch ausreichend, die Substanzen lediglich mit den erzielten Effekten zu charakterisieren. Aufgrund der Vielfalt verfügbarer Mittel sei es unmöglich, jedes Mittel und jeden Wirkstoff in die Verbotsliste aufzunehmen. Andernfalls könne das Dopingkontrollziel nicht erreicht werden. Angesichts der für den Athleten bestehenden Möglichkeit, zeitnah die B-Proben-Analyse zu erreichen, käme es auch keineswegs zu einer mehrmonatigen Sperre aufgrund eines schlichten Verdachts lediglich aufgrund einer positiven A-Probe. Ihr Regelwerk biete vielmehr dem Athleten zeitnahe und umfassende Möglichkeiten, den durch eine positive A-Probe begründeten Anscheinsbeweis für einen schuldhaften Dopingregelverstoß zu widerlegen. Es liege auch sowohl ein Verstoß gegen die Anti-Doping-Regelung als auch ein Verstoß gegen die Medikamentenkontrollregelung vor. Die Eignung zur Hypersensibilisierung der Vorderbeine reiche für eine Einordnung als verbotene Dopingsubstanz. Ein Medical Class A-Verstoß sei anzunehmen, weil Capsaicin eine Substanz sei, die für Schmerzlinderung eingesetzt werde und bei der eine medizinische Wirkung indiziert sei.
25Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
26E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
27Die Anträge sind zulässig, aber nicht begründet.
28Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist eröffnet. Ob eine staatlichen einstweiligen Rechtsschutz abbedingende Schiedsabrede auch ohne ausdrückliche schriftliche Vereinbarung zustande gekommen ist, kann dahinstehen. Die Regelungen in Art. 12.2 EADMCR und Art. 35 der Statuten des Verfügungsbeklagten stellen nicht ausreichend klar, dass auch eine kartellrechtliche Überprüfung durch staatliche Gerichte abbedungen sein soll.
29Die internationale und nationale Zuständigkeit des angerufenen Gerichts ist gegeben nach Art. 5 Lugano-Übereinkommen, § 32 ZPO, § 87 GWB.
30Auch die besondere Zulässigkeitsvoraussetzung der Dringlichkeit liegt vor. Die vorläufige Sperre beschränkt den Verfügungskläger in erheblichem Maße in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit. Er erleidet gravierende, möglicherweise sogar existenzbedrohende Nachteile, die nur eingeschränkt durch Schadensersatzansprüche kompensiert werden können.
31Die Anträge sind aber unbegründet. Ein Verfügungsanspruch nach §§ 940, 935 ZPO ist für beide Anträge zu bejahen, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die vorläufige Sperre nicht angeordnet werden durfte oder zu einem späteren Zeitpunkt aufzuheben oder auszusetzen war. Beides ist zu verneinen.
32Die Anordnung der vorläufigen Sperre vom 21.08.2008 ist zu Recht erfolgt. Sie beruht auf Art. 7.2 EADMCR, einer Vorschrift, die rechtlich nicht zu beanstanden ist.
33Vereinssanktionen, die eine wettbewerbsbeschränkende Wirkung haben und in die Berufsausübungsfreiheit eingreifen, sind nur zulässig, wenn die Anwendung der konkreten Vorschriften im Einzelfall durch einen legitimen Zweck gerechtfertigt und die mit der Regelung einhergehende die Handlungsfreiheit beschränkende Wirkung unter Berücksichtigung der mit der Regelung erstrebten Zielsetzung notwendig und verhältnismäßig ist. Diese Voraussetzungen sind sämtlich erfüllt. Dopingbekämpfung ist ein legitimer Zweck. Er zielt, wovon auch die Parteien übereinstimmend ausgehen, darauf ab, einen freien Wettkamp unter Wahrung der Chancengleichheit der Beteiligten zu ermöglichen, Gesundheit der Tiere zu schützen, Ehrlichkeit und Objektivität des Wettkampfes zu gewährleisten und ethische Werte des Sportes zu betonen. Da diese Zielsetzung nicht immer und nicht von allen Sportlern beachtet wird, sind Kontrollen, Sanktionsandrohung und Sanktionsverkündungen unerlässlich. Dies gilt auch für vorläufige Sanktionen wie eine vorläufige Sperre. Im Gleichbehandlungsinteresse der Mitbewerber, aus Tierschutzgesichtspunkten und zur Wahrung des Ansehens des Sportes sind Sanktionen zu verlängern, sobald sich der dringende Verdacht eines Doping- und oder Medikationsmissbrauchs ergibt. Die Verhängung einer Sanktion erst nach Abschluss von möglicherweise auch langwierigen Ermittlungen läuft den vorgenannten Zielsetzungen entgegen und stellt eine wirksame Missbrauchsbekämpfung geradezu in Frage. Dass sich als Folge einer vorläufigen Sanktion für den Missbrauchsverdächtigten Einschränkungen seiner Betätigungsfreiheit ergeben, die im Falle einer Nichtbestätigung des Verdachts nicht rückgängig zu machen sind, ist zwangsläufig und hinzunehmen.
34Das Gebot der Erforderlichkeit wird vom Regelwerk des Verfügungsbeklagten beachtet. Das Vorliegen eines dringenden Verdachts setzt Art. 7.2 EADMCR ausdrücklich voraus. Ein dringender Verdacht ist stets gegeben, wenn eine positive Probe vorliegt.
35Die Regelung in Art. 7.2 EADMCR berücksichtigt auch das Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Regelung ist nach Art. 2 EADMCR in Verbindung mit Annex III der VR inhaltlich ausreichend bestimmt. Dafür genügt, dass die Sustanzen nur mit ihren möglichen Effekten charakterisiert werden. Aufgrund der Vielfalt bereits vorhandener und noch zu entwickelnder Mittel und Wirkstoffe ist es nicht möglich, jedes Mittel und jeden Wirkstoff namentlich in der Liste der verbotenen Substanzen zu bezeichnen. Eine solche Positivliste veraltet rasch. Eine Missbrauchsbekämpfung, die der aktuellen Entwicklung stets hinterher läuft, ist aber ineffizient und letztlich wirkungslos. Aus denselben Erwägungen ist die Generalklausel in den Verbotslisten nicht zu beanstanden.
36Auch das Fehlen von Grenz- und/oder Schwellwerten ist unschädlich. Bei körperfremden verbotenen Substanzen ist die Zufuhr per se und auch in geringsten Mengen unzulässig.
37Das Fehlen ausdrücklicher zeitlicher Begrenzung der Sperre macht die Regelung in Art. 7.2 EADMCR nicht unverhältnismäßig. Wie die vergleichbare Regelung zur vorläufigen Entziehung einer Fahrerlaubnis nach § 111 a StPO zeigt, ist eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung bei vorläufigen Sanktionierungen aus Rechtsstaatsgründen nicht erforderlich. Dass sich bei Anwendung schweizerischen Rechts eine andere Beurteilung ergibt, ist nicht dargetan. Eine ausdrückliche zeitliche Begrenzung ist auch nicht aus kartellrechtlichen Erwägungen oder nach Treu und Glauben erforderlich. Die Regelung führt nämlich nicht, wie vom Verfügungsbeklagten behauptet, zu einer automatischen unbefristeten Sperre aufgrund eines nicht verifizierten A-Proben-Anfangsverdachtes. Zusammen mit anderen Regelungen des Regelwerks, etwa der Anrechnungsklausel, der Angabe der Dauer der endgültigen Sanktion, der Regelung zur Überprüfung der A-Probe durch die B-Probe und der zeitlichen Vorgaben zur Anhörung ergibt sich viel mehr, dass eine vorläufige Sperre stets im engen zeitlichen Kontext steht zum Missbrauchsvorwurf und zur endgültigen Sanktion. Dass ein Rechtsmittel gegen die vorläufige Sanktion ohne aufschiebende Wirkung ist, ist dabei nicht zu beanstanden. Die Regelungen in Art. 7.8 + 12 EADMCR geben dem von einer Sanktion Betroffenen ausreichende Möglichkeit, eine sofortige Überprüfung der Sanktion durch das Tribunal des Verfügungsbeklagten und dem Schiedsgerichtshof zu erreichen.
38Die Anordnung der vorläufigen Sperre erfolgte unter Beachtung der Vorgaben von Art. 7.2 EADMCR. Bei dem Pferd des Verfügungsklägers wurde mit dem Wirkstoff Capsaicin eine nach der Liste Annex III VR verbotene Substanz für eine Medication Class A gefunden. Hiernach verboten sind Wirkstoffe, die die Leistungsfähigkeit durch die Linderung von Schmerzen beeinflussen können. Capsaicin ist eine solche Substanz. Dies wird nicht nur durch die vom Verfügungsbeklagten vorgelegten Stellungsnahmen bestätigt, sondern auch durch die Beschreibung auf dem Mittel selbst und seiner Verpackung, wo die schmerzlindernde Wirkung herausgestellt wird.
39Dass die Substanz Capsaicin auch tatsächlich gefunden wurde beim Pferd des Verfügungsbeklagten, ist anzunehmen aufgrund der vorgelegten Analyseberichte für die A- und B-Probe. Von der Richtigkeit der Probenanalyse ist auszugehen. Die vom Verfügungskläger geäußerten allgemeinen Zweifel an der Beachtung internationaler Analysestandards durch das Analyselabor werden durch die ausführliche Stellungnahme des Labors entkräftet.
40Es ist auch davon auszugehen, dass die verbotene Substanz dem Pferd des Verfügungsklägers durch diesen oder durch für ihn mit seinem Wissen und Wollen tätige Mitarbeiter zugeführt wurde. Der Verfügungskläger selbst trägt vor, eine capsaicinhaltige Salbe aufgetragen zu haben. Diese Möglichkeit der Substanzzufuhr ist wahrscheinlicher als die vom Verfügungskläger nur allgemein aufgezeigte Möglichkeit einer Substanzzufuhr durch capsaicinhaltige Nahrung.
41Der Medication Class A-Verstoß ist auch schuldhaft begangen worden. Dass der Verfügungskläger die Salbe nicht als Schmerzmittel, sondern als Pflegemittel gewertet und nur als solche zum Einsatz gebracht hat, ist ihm nicht abzunehmen und auch ohne rechtliche Relevanz. Die Kennzeichnung des Mittels als Schmerzmittel ist so deutlich und klar, dass sie vom Anwender weder übersehen noch missverstanden werden kann. Wenn der Anwender eines Schmerzmittels sich der Erkenntnis verschließt, ein solches zu verabreichen, führt dies nicht dazu, dass das Mittel seine schmerzlindernde Wirkung verliert und als bloßes Pflegemittel einzuordnen ist.
42Ob die Substanz Capsaicin auch eine verbotene Dopingsubstanz ist, kann dahinstehen. Dies steht der Annahme eines Verstoßes gegen die Medication Class A-Vorschrift, der nach den bisherigen Ausführungen auf jeden Fall gegeben ist, nicht entgegen. Ein Verstoß nur gegen die Medication Class B Vorschrift ist dagegen ausgeschlossen.
43Der Verstoß gegen die Medication Class A-Vorschrift rechtfertigt nach Art. 10 EADMCR die Verhängung einer endgültigen Sperre von bis zu einem Jahr. Zum Zeitpunkt der Anordnung der vorläufigen Sperre und der Entscheidung über ihre Aufrechterhaltung bis zu endgültigen Entscheidung und auch noch heute ist davon auszugehen, dass eine endgültige Sperre nach der vorgenannten Vorschrift verhängt wird. Die Verwendung des schmerzlindernden Mittels durch den Verfügungskläger wurde und wird von diesem eingeräumt. Für die Annahme einer Fehlvorstellung im Hinblick auf die schmerzlindernde Wirkung bestand angesichts der unübersehbaren und unmissverständlichen Kennzeichnung des Mittels keine Veranlassung. Dass die Salbe EquiBlock frei verkäuflich ist und nach Behauptung des Verfügungsklägers als Pflegemittel gehandelt wird, steht der Anordnung einer Sperre nicht entgegen. Die Salbe ist, wie ausgeführt, ein Schmerzlinderungsmittel und kein Pflegemittel. Dass die Verwendung der Salbe als Schmerzlinderungsmittel vom Verfügungsbeklagten geduldet wird, hat der Verfügungskläger nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
44Die vorläufige Sperre ist auch nicht aufzuheben, weil trotz Ankündigung eine endgültige Sperre bislang nicht angeordnet wurde. Die Höchstdauer der zu verhängenden Sperre ist erheblich länger, als die bisher verstrichene Zeit der vorläufigen Sperre. Es ist auch zu erwarten, dass eine endgültige Entscheidung demnächst ergehen wird. Sollte das Tribunal des Verfügungsbeklagten eine solche aber verzögern über einen Zeitraum, der über die Dauer einer angemessenen endgültigen Sperre hinaus geht, wird dies anders zu beurteilen sein.
45Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 269 ZPO.
46Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 6, 711 ZPO.
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Referenzen
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