Urteil vom Landgericht Dortmund - 21 S 9/08
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.401,89 € (in Worten: eintausendvierhunderteins 89/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2007 zu zahlen.
Die Beklagte wird darüber hinaus verurteilt, den Kläger von der Zahlungspflicht gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 181,54 € an vorgerichtlichen Kosten freizustellen.
Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits sowie die durch die Nebenintervention entstandenen Kosten trägt die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Die Beklagte ist unstreitig verpflichtet, dem Kläger sämtlichen Schaden zu ersetzen, der diesem aus einem Verkehrsunfall entstanden ist, der sich am 17.11.2006 in M ereignet hat. Bei dem Unfall erlitt der Pkw des Klägers, ein Fahrzeug VW Golf, erstzugelassen im Juli 1990, mit einer Fahrleistung von ca. 245.000 km und einem Wiederbeschaffungswert von 1.150,00 €, einen Totalschaden.
4Der Kläger mietete noch am Unfalltag von der Streithelferin einen Mietwagen Golf TDI, den er bis zum 02.12.2006 in Anspruch nahm.
5Auf die Rechnung der Streithelferin über insgesamt 2.450,04 € hat die Beklagte vorgerichtlich einen Betrag in Höhe von 1.048,15 € gezahlt, im Übrigen steht die Rechnung noch offen.
6Das Amtsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe nicht vorgetragen, welche Bemühungen er unmittelbar nach dem Unfall unternommen habe, um einen preisgünstigeren Pkw anmieten zu können. Der Kläger habe die Pflicht gehabt, jedenfalls in den folgenden Tagen weitere Bemühungen zu unternehmen, um den zunächst erhaltenen Mietwagen gegen einen preisgünstigeren auszuwechseln. Angesichts des hohen Alters und geringen Zeitwertes seines beschädigten Fahrzeuges habe eine erhöhte Pflicht zur Minderung des Schadens und Suche nach einem günstigeren Ersatzangebot bestanden.
7Mit seiner fristgerecht eingelegten und auch im Übrigen zulässigen Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, mit der er in erster Linie geltend macht, ein günstigerer Normaltarif sei ihm am Unfalltag bzw. Folgetag weder bekannt noch ohne weiteres zugänglich gewesen.
8Insoweit wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen.
9Im Übrigen behauptet er, der von der Streithelferin berechnete Tarif sei auch betriebswirtschaftlich gerechtfertigt.
10Die Streithelferin unterstützt den Vortrag des Klägers und vertritt hilfsweise die Auffassung, soweit es auf die Festlegung der "erforderlichen" Mietwagenkosten ankomme, müsse die Schwacke-Liste 2006 zugrunde gelegt werden. Danach sei der in Ansatz gebrachte Tarif betriebswirtschaftlich gerechtfertigt.
11Der Kläger beantragt,
12unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen,
131.
14an ihn 1.401,89 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2007 zu zahlen,
152.
16an ihn 181,54 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 13.03.2007 zu zahlen,
173.
18hilfsweise bei Ablehnung des Antrages zu 2) die Beklagte zu verurteilen, ihn von seiner Zahlungspflicht gegenüber seinen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 181,54 € freizustellen.
19Die Streithelferin schließt sich den Anträgen des Klägers an.
20Die Beklagte beantragt,
21die Berufung zurückzuweisen.
22Sie verteidigt das angefochtene Urteil und wendet sich gegen die Anwendbarkeit der Schwacke-Liste 2006 als Maßstab zur Ermittlung der "erforderlichen" Mietwagenkosten.
23Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen ergänzend Bezug genommen.
24Die Kammer hat im Termin am 04.06.2008 den Kläger, der schon in 1. Instanz persönlich hatte angehört werden sollen, zu dem Termin aber nicht hatte erscheinen können, persönlich angehört.
25Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll des Termins vom 04.06.2008 Bezug genommen.
26II.
27Die Berufung ist begründet.
28Dem Kläger steht ein Anspruch auf Zahlung des bisher noch nicht gedeckten Betrages der Mietwagenrechnung zu.
29Dabei geht die Kammer mit dem Amtsgericht davon aus, dass der von der Streithelferin in Rechnung gestellte Betrag über das hinaus geht, was normalerweise für einen Unfallgeschädigten im November 2006 in M erforderlich war, um für einen entsprechenden Zeitraum einen Mietwagen in Anspruch zu nehmen.
30Jedoch kann ein Geschädigter auch höhere, objektiv nicht erforderliche Mietwagenkosten dann verlangen, wenn er darlegt und beweist, dass ihm unter Berücksichtigung seiner individuellen Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten sowie der gerade für ihn bestehenden Schwierigkeiten unter zumutbaren Anstrengungen auf dem in seiner Lage zeitlich und örtlich relevanten Markt kein wesentlich günstigerer Tarif zugänglich war (BGH NZV 2009, 23 m. w. N.). Dies ergibt sich daraus, dass die Schadensbetrachtung grundsätzlich subjektbezogen sein muss und die konkrete Lage des Geschädigten zu berücksichtigen hat.
31Grundsätzlich kommt es für die Frage, ob für den Geschädigten erkennbar war, dass der ihm abverlangte Mietpreis zu hoch ist, darauf an, ob ein vernünftiger und wirtschaftlich denkender Geschädigter unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots zu einer Nachfrage gehalten gewesen wäre.
32Im Falle des Klägers sind, obwohl er keine konkreten Alternativangebote eingeholt hat, besondere Bedingungen gegeben, aufgrund derer die Bewertung seiner Situation zu dem Ergebnis führt, dass ein wesentlich günstigerer Normaltarif ihm nicht zugänglich war.
33Der Kläger hat bei seiner persönlichen Anhörung in für die Kammer glaubhafter Weise geschildert, dass er die kurze Zeitspanne vor der endgültigen Anmietung des Ersatzfahrzeuges dazu genutzt hatte, sich hinsichtlich der Regulierung der Unfallfolgen anwaltlich beraten zu lassen. Ihm war – grundsätzlich auch zutreffend – mitgeteilt worden, er müsse darauf achten, einen Normaltarif zu nehmen, ohne dass dem Kläger damit die inhaltlichen Kriterien dafür, was unter einem "Normaltarif" zu verstehen sei, klar waren.
34Im anschließenden Gespräch der Anmietung hat der Kläger diese Empfehlung umgesetzt und nach seiner Schilderung ausdrücklich erklärt, er wünsche einen Normaltarif. Dass genau diesem Wunsch auch entsprochen werden sollte, ist in dem Mietvertrag mit eben diesem Stichwort dokumentiert worden (Anlage des Schriftsatzes vom 17.08.2007, Bl. 93 d. A.).
35Auch die Preisliste, die bei der Streithelferin Verwendung findet, benennt die entsprechenden Preise als Normaltarife.
36In dieser Situation hatte der Kläger damit das erreicht, was nach seinem damaligen Kenntnisstand unter Berücksichtigung der erfahrenen anwaltlichen Beratung erforderlich war, um die Kosten nicht unnötig hoch werden zu lassen. Vor diesem Hintergrund bestand auch für einen vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Geschädigten keine Veranlassung mehr, unter dem Aspekt des Wirtschaftlichkeitsgebots weitere Nachfragen nach einem günstigeren Tarif zu halten. Für den Kläger mussten sich bei dieser Sachlage nicht mehr Bedenken gegen die Angemessenheit des ihm angebotenen Tarifs aufdrängen.
37Sein Vertrauen darauf, das Mietfahrzeug zu angemessenen Bedingungen angeboten bekommen zu haben, verdient hier auch deshalb Schutz, weil der Kläger die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen bei dem anwaltlichen Beratungsgespräch vor dem Hintergrund eingeholt hatte, dass er kurzfristig auf eine Anmietung angewiesen war. Dabei kann dahin stehen, ob er tatsächlich noch am gleichen Tag oder am Folgetag zu seinem Standort in F wieder abfahren wollte. Jedenfalls bestand für den Kläger kaum die Möglichkeit und in dieser Situation auch nicht die Veranlassung, die für ihn sofort mögliche Anmietung noch hinauszuzögern, um andere Konditionen abzufragen.
38Da der Kläger während der Folgewoche sich in F aufhalten musste und an dem folgenden Wochenende sowohl das in Aussicht genommene Ersatzfahrzeug besichtigen und prüfen, als auch die Finanzierung klären musste, kann ihm auch nicht vorgeworfen werden, dass er während der gesamten Mietzeit bei diesem Mietwagen geblieben ist, ohne sich zwischenzeitlich nach wirtschaftlicheren Möglichkeiten gesondert zu erkundigen.
39Abgesehen davon, dass der Kläger nach den vorstehenden Ausführungen aus seiner Sicht keine Veranlassung mehr hatte, günstigere Mietmöglichkeiten aktiv zu suchen, sind hier darüber hinaus konkrete Anhaltspunkte gegeben, dass konkret für den Kläger auch Schwierigkeiten bestanden hätten, solche günstigeren Möglichkeiten zu nutzen. Er verfügte nicht über eine Kreditkarte und konnte auch nicht zusagen, den Mietpreis bei Rückgabe des Mietwagens selbst zu bezahlen. Der Kläger hat glaubhaft angegeben, dass er schon, um das Ersatzfahrzeug bei einem Preis von 1.200,00 € zu erwerben, bei seiner Bank eine Ausdehnung der Überziehungsmöglichkeit für sein Konto erwirken musste. Die vorgelegten Kontoauszüge belegen dies.
40Da die für die vorgerichtliche Geltendmachung der Klageforderung angefallenen Anwaltskosten bisher vom Kläger noch nicht bezahlt sind, war auf seinen insoweit Hilfsantrag hin die Beklagte zu verurteilen, ihn davon freizustellen.
41Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 101 ZPO.
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