Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O 2/09 Kart.
Tenor
Der Verfügungsbeklagte wird verurteilt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die Berechtigung der Verweigerung einer Jahresturnierlizenz wegen eines Verstoßes des Verfügungsklägers bei der X -Show vom 28.02. bis 04.03.2007 von dem Verfügungskläger beantragte Startgenehmigungen nicht mit der Begründung zu verweigern, er besitze keine Jahresturnierlizenz für das Jahr 2009.
Dem Verfügungsbeklagten wird bei Meidung eines Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten untersagt, den Verfügungskläger durch Versagung beantragter Startgenehmigungen an der Teilnahme an nationalen oder internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Beschluss vom 08.01.2009 gestützt wird.
Der Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d:
2Der Verfügungskläger, ein in den Niederlanden wohnhafter Deutscher, ist Berufsspringreiter und seit 2006 Angestellter eines in den Niederlanden ansässigen Handels- und Turnierstalles. Er reitet teils eigene, teils Pferde fremder Eigentümer und ist aktuell Nr. 13 der Weltrangliste und Mitglied des Y-Kader "Springen" des Deutschen Olympiakomitees für Reiter (DOKR).
3Der Verfügungsbeklagte ist der deutsche Fachverband für Reit-Fahr-Voltigiersport und gehört als solcher dem Weltdachverband der Internationalen reiterlichen Vereinigung (Fédération Equestre Internationale FEI) an. Zu seinen satzungsmäßigen Aufgaben gehört die Lenkung des Leistungssports in allen Disziplinen, insbesondere durch die Verfassung einer einheitlichen Leistungsprüfungsordnung (LPO). Er entscheidet durch seine Disziplinarkommission über die Ausstellung von Jahresturnierlizenzen, was nach § 20 Abs. 1 LPO und Artikel 122.3 des Generalreglements der FEI für die Teilnahme an nationalen und internationalen Wettkämpfen Voraussetzung ist. Zum Inhalt der Satzung und der Leistungsprüfungsordnung des Beklagten und des Generalreglements der FEI wird auf Blatt 273 – 309 d.A. Bezug genommen.
4Der Verfügungskläger nahm in der Zeit vom 28.02. bis 04.03.2007 an der X–Show, einem nationalen Springreitturnier in den USA teil. Bei dem von ihm gerittenen Pferd "Q" wurde bei einer Medikationskontrolle eine Blutprobe entnommen und der im Reitsport als Dopingsubstanz verbotene Wirkstoff Reserpine festgestellt. Reserpine ist ein in der Europäischen Union veterinärmedizinisch nicht zugelassenes Arzneimittel mit sedierender Wirkung, das zur Behandlung von Geisteskrankheiten und Bluthochdruck bei Menschen eingesetzt wird. Der Verfügungskläger wurde wegen der Verwendung des Wirkstoffs von der Nationalen Vereinigung der USA (USEF) nach mündlicher Verhandlung vom 13.11.2007 wegen Verletzung von Verbandsregeln für die Dauer von 3 Monaten, beginnend am 01.01.2008 von der Teilnahme an allen Wettkämpfen in den USA ausgeschlossen und mit einer Geldbuße von 2.000 US Dollar belegt. Der Verfügungskläger nahm die Entscheidung vom 27.11.2007, zu deren Inhalt auf Blatt 82 – 91 d.A. Bezug genommen wird, hin. Er zahlte das Bußgeld und nahm in der Folge nur an Turnieren außerhalb der USA teil.
5Der Verfügungsbeklagte, der Ende November 2007 von der Verhängung der Sperre erfahren hatte, teilte dem Verfügungskläger Anfang März 2008 schriftlich mit, seine Disziplinarkommission erwäge, die Ausstellung einer Jahresturnierlizenz sei das Jahr 2008 zu verweigern. Der Verfügungskläger ließ dem mit Anwaltsschreiben vom 02.04.2008 widersprechen. Die Verweigerung der Jahresturnierlizenz sei eine 1jährige international wirkende Sperre, und weder mit dem Verhältnismäßigkeitsprinzip noch den Bestimmungen der LPO oder der FEI-Statuten vereinbar und eine mit rechtstaatlichen Grundsätzen unzulängliche Doppelbestrafung. Zum Inhalt der Schreiben wird auf Blatt 92 – 100 d.A. Bezug genommen.
6Am 24.04.2008 entschied die Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten nach mündlicher Verhandlung und Anhörung des Verfügungsklägers, dass diesem "aus wichtigem Grund für die Dauer von 5 Monaten ab heute" keine Turnierlizenz für 2008 erteilt, der Verfügungskläger für diesen Zeitraum keine Startgenehmigungen für internationale Leistungsprüfungen im In- und Ausland sowie für nationale Leistungsprüfungen im Ausland erhalte und für diesen Zeitraum bereits erteilte Startgenehmigungen zurückgenommen werden. Der Verfügungskläger erhielt den Tenor dieses Beschlusses, zu dessen Wortlaut auf Blatt 102 d.A. verwiesen wird, mit Schreiben des Verfügungsbeklagten vom 28.04.2008. Er legte hiergegen Beschwerde ein und beantragte einstweiligen Rechtsschutz im Zivilrechtsweg. Auf Antrag des Verfügungsklägers vom 30.04.2008 gab das Landgericht Münster im Verfahren 11 O 139/08 dem Verfügungsbeklagten in Kenntnis einer von diesem unter dem 25.04.2008 vorgelegten Schutzschrift auf, den Beschluss vom 24.04.2008 bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen und die Jahresturnierlizenz für 2008 nicht mit der Begründung zu versagen, es liege ein wichtiger Grund im Sinne von § 20 Ziff. 1 LPO wegen des Dopingvergehens im Zusammenhang mit dem Pferd Q vor. Dem Verfügungsbeklagten wurde zudem bei Meidung eines Ordnungsgeldes untersagt, den Verfügungskläger an der Teilnahme an nationalen und internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Beschluss vom 24.04.2008 gestützt wird. Zum Inhalt der Entscheidung, die dem Verfügungsbeklagten am 30.04.2008 zugestellt wurde, wird auf Blatt 131 – 133 d. A. Bezug genommen.
7Mit Faxschreiben vom 30.04.2008 erklärte das DOKR des Verfügungsbeklagten, dass ein Verbleib des Verfügungsklägers im Y-Kader wegen Entzugs der Turnierlizenz nicht möglich sei. Der Verfügungskläger verlangte mit Anwaltsschreiben vom 08.05.2008 vom Verfügungsbeklagten und vom DOKR, von der Vollziehung des Kaderausschlusses Abstand zu nehmen. Der Verfügungsbeklagte und das DOKR waren hierzu bereit. Sie teilten dies dem Verfügungskläger mit, ebenso dass sie den Verfügungskläger nicht an der Teilnahme an nationalen und internationalen Reitturnieren hindern werden, soweit dies auf den Beschluss vom 24.04.2008 gestützt werde. Der Verfügungskläger konnte in der Folgezeit an nationalen und internationalen Reitturnieren teilnehmen.
8Auf Antrag des Verfügungsbeklagten vom 08.05.2008 wurde dem Verfügungskläger aufgegeben, Klage zur Hauptsache zu erheben. Der Verfügungskläger erhob deswegen im Mai 2008 auf Feststellung der Unwirksamkeit des Beschlusses vom 24.04.2008 gerichtete Feststellungsklage im Verfahren 11 O 158/08 Landgericht Münster.
9Im Juni 2008 erhielt der Verfügungskläger die schriftliche Begründung des Beschlusses vom 24.04.2008. Die Disziplinarkommission wertete das Verhalten des Verfügungsklägers, zu dessen Gunsten es von Fahrlässigkeit ausging, als eklatanten Verstoß gegen die sportlich-faire Haltung und die reiterliche Disziplin und als wichtigen Grund im Sinne von § 20 Ziff. 1 LPO. Zum vollständigen Inhalt der Entscheidung wird auf Blatt 157 – 165 d.A. Bezug genommen.
10Anfang September 2008 legte der Verfügungsbeklagte Widerspruch gegen die einstweilige Verfügung des Landgerichts Münster vom 30.04.2008 ein. Am 16.09.2008 verhandelte das große Schiedsgericht des Verfügungsbeklagten über den Einspruch des Verfügungsklägers gegen den Beschluss der Disziplinarkommission vom 24.04.2008. Die Parteien schlossen einen Vergleich, der vom Verfügungsbeklagten in der Folge widerrufen wurde. Das große Schiedsgericht des Verfügungsbeklagten beschloss am 22.09.2008 Aufhebung des Beschlusses der Disziplinarkommission vom 24.04.2008, soweit die Erteilung von Startgenehmigungen verweigert und bereits erteilte Startgenehmigung zurückgenommen wurden. Im Übrigen wurde der Einspruch zurückgewiesen. Das Schiedsgericht hielt die Zuständigkeit der Disziplinarkommission für die Verweigerung und Rücknahme von Startgenehmigungen nicht für gegeben, die Verweigerung der Jahresturnierlizenz aber für rechtmäßig. § 20 Abs. 1 LPO ermögliche Sanktionen bei einem Verstoß gegen die sportlich-faire Haltung. Die sich faktisch ergebende Sperre schöpfe den für Dopingvergehen maßgeblichen Zeitrahmen von im Regelfall 6 Monate nicht aus. Zum genauen Inhalt der Entscheidung wird auf Blatt 165 – 169 d.A. verwiesen.
11Am 14. Oktober 2008 verhandelte das Landgericht Münster in den Verfahren 11 O 139/08 und 11 O 158/08. Es hob die einstweilige Verfügung vom 30.04.2008 auf und wies die Feststellungsklage des Verfügungsklägers ab. Das Gericht hielt bei der von ihm als allein möglich angesehenen eingeschränkten richterlichen Kontrolle die von der Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten verhängten Maßnahmen für rechtmäßig. Zum genauen Inhalt der vorgenannten Entscheidungen wird auf Blatt 170 – 176 und 177 – 183 d.A. Bezug genommen.
12Mit Schreiben vom 14.10.2008 teilte das DOKR für sich und im Auftrag des Verfügungsbeklagten dem Verfügungskläger mit, dass wegen Fehlens einer Jahresturnierlizenz erteilte Startgenehmigungen für Turniere in Sao Paulo und Hannover im Oktober 2008 und beantragte Startgenehmigungen für weitere sieben Turniere im In- und Ausland bis Ende Dezember 2008 widerrufen bzw. nicht erteilt werden. Auf Blatt 184 d.A. wird Bezug genommen. Der Verfügungskläger erwirkte hiergegen einstweilige Verfügung des Landgerichts Münster vom 15.10.2008 im Verfahren 2 O 419/08, auf Grund derer er an den Turnieren in Sao Paulo und Hannover starten konnte. Der Verfügungsbeklagte und das DOKR legten gegen die
13einstweilige Verfügung, zu deren Inhalt auf Blatt 185 f. d.A. verwiesen wird, unter dem 16.10.2008 Widerspruch ein.
14Der Verfügungskläger beantragte am 20.10.2008 beim Verfügungsbeklagten Erteilung der Jahresturnierlizenz 2008, außerdem zivilrechtlichen einstweiligen Rechtsschutz gegen die Versagung der weiteren sieben Startgenehmigungen. Mit Urteil vom 29.10.2008 im Verfahren 2 O 450/08 LG Münster wurde dem Verfügungsbeklagten und dem DOKR aufgegeben, die beantragten Startgenehmigungen für vier in der Zeit vom 19. November bis 28.12.2008 stattfindende Turniere solange nicht zu verweigern, bis über den Antrag auf Erteilung der Jahresturnierlizenz 2008 von der zuständigen Stelle entschieden worden ist. Im Übrigen wurde der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Mit Urteil vom selben Tag stellte das Landgericht Münster fest, dass das einstweilige Verfügungsverfahren 2 O 419/08 in der Hauptsache erledigt ist. Nach Auffassung des Gerichts war beim Widerruf bereits erteilter Genehmigungen das vom Regelwerk des Verfügungsbeklagten vorgeschriebene Verbandsverfahren nicht beachtet worden. Die Versagung beantragter Startgenehmigungen wegen Fehlens einer Jahresturnierlizenz hielt das Gericht jedoch für zulässig, wenn dem Verfügungskläger zu Recht eine Turnierlizenz nach § 20 LPO wegen eines Dopingverstoßes verweigert werden dürfe, worüber der Verfügungsbeklagte bis zum 19.11.2008 entschieden könne. Zum genauen Inhalt der vorgenannten Urteile wird auf Blatt 208 – 217 und 218 – 226 d.A. verwiesen.
15Mit Anwaltsschreiben vom 05.11.2008 bot der Verfügungskläger eine gütliche Einigung an. Der Verfügungsbeklagte lehnte eine solche ab, da zunächst eine formelle Bearbeitung des Lizenzantrages abzuwarten sei. Am 18.11.2008 beschloss die Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten, dem Verfügungskläger die Jahresturnierlizenz für 2008 zu verweigern. Das DOKR teilte dem Verfügungskläger mit Schreiben vom 19.11.2008 mit, beantragte Startturniere und etwaige weitere Nennungen für das Jahr 2008 würden nicht erteilt. Auf Blatt 227 – 238 und 256 – 259 d.A. wird insoweit verwiesen.
16Der Verfügungskläger legte am 26.11.2008 Einspruch gegen die Entscheidung der Disziplinarkommission ein, außerdem Berufung gegen die Urteile des Landgerichts Münster. Er beantragte einstweiligen Rechtsschutz im Berufungsverfahren betreffend das Feststellungsklageverfahren 11 O 158/08. Der Antrag wurde wegen fehlender Zuständigkeit des Berufungsgerichts mit Beschluss vom 08.12.2008 als unzulässig zurückgewiesen. Auf Blatt 421 – 424 d.A. wird Bezug genommen.
17Unter dem 09.12.2008 beantragte der Verfügungskläger die Jahresturnierlizenz für 2009.
18Sein Einspruch gegen den Beschluss der Disziplinarkommission vom 18.11.2008 wurde mit Schiedsspruch des großen Schiedsgerichts des Verfügungsbeklagten vom 17.12.2008 zurückgewiesen. Das Schiedsgericht hielt die Anwendbarkeit des § 20 LPO bei erstmaliger Beantragung einer Jahresturnierlizenz und die Voraussetzungen der Vorschrift für gegeben. Auf Blatt 460 – 465 d.A. wird verwiesen.
19Am 08.01.2009 beschloss die Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten, dem Verfügungskläger aus wichtigem Grund die Jahresturnierlizenz für das Jahr 2009 bis zum 12.03.2009 zu verweigern. Es ordnete "zur effektiven Umsetzung der mit der Regelung beabsichtigten Turnierabstinenz des Reiters" an, diesem für einen Zeitraum von insgesamt 2 Monaten und 12 Tagen des Jahres 2009 keine Jahresturnierlizenz zu erteilen und dass für jeden Tag, an dem der Verfügungskläger innerhalb dieser Frist, aus welchen Gründen auch immer, als aktiver Reiter an Turnieren teilnimmt, sich der Endtermin um jeweils 1 Tag nach hinten verschiebt. Die Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten geht nach wie vor von einem Verstoß gegen die sportlich-faire Haltung im Sinne von § 20 Abs. 1 LPO aus. Darüber hinaus hält sie einen wichtigen Grund für gegeben, weil ein Dopingtatbestand verwirklicht sei. Zum genauen Inhalt der Entscheidung wird auf Blatt 260 – 271 d.A. Bezug genommen.
20Der Verfügungsbeklagte legte unter dem 09.01.2009 Schutzschrift beim erkennenden Gericht vor. Auf Blatt 315 – 424 wird verwiesen.
21Der Verfügungskläger begehrt mit seinem unter dem 15.01.2009 eingegangenen Antrageinstweiligen Rechtsschutz gegen die Versagung von Startgenehmigungen bis zum 12.03.2009. Die Verhängung einer Sperre, die ihn als Berufssportler weltweit an der Ausübung seines Berufes hindere, sei nach nationalem und europäischem Recht kartellrechtswidrig. Sie könne auch gar nicht auf § 20 LPO nicht gestützt werden, da die Vorschrift keine satzungsmäßige Grundlage habe und mangels zeitlicher Begrenzung und wegen Fehlens von Verschuldensabstufungen gegen §§ 307 ff. BGB oder § 242 BGB verstoße. Bei Verhängung von Sperren im Verwaltungsverfahren würden die nach § 22 der Satzung erfolgte konkrete Festlegung möglicher Ordnungsmaßnahmen und die das Ordnungsverfahren konkretisierenden Bestimmungen der §§ 920 ff. LPO in unzulässiger Weise umgangen. Die Tatbestandsmerkmale des § 20 LPO seien zudem nicht erfüllt. Der Verstoß gegen die sportlich-faire Haltung liege nicht vor, da er sich bei seinen Tierärzten mehrfach informiert und sich auf deren Urteil verlassen habe. Der Tatbestand eines Dopingvergehens nach § 922 Ziff. 4 a LPO sei nicht nachgewiesen. Die Gesamtsperre von 5 Monaten sei angesichts der für ihn sprechenden Umstände und im Hinblick auf die bereits in den USA verbüßte 3monatige Sperre völlig unangemessen und unverhältnismäßig. Die neuerliche Verweigerung der Jahresturnierlizenz sei eine unzulässige Doppelbestrafung.
22Auf Grund der faktischen Startsperre drohe ihm als Berufssportler, der nur ein geringes Grundgehalt erhalte und seine wesentlichen Einnahmen durch einen festen Anteil an den errittenen Geldprämien und als Werbepartner der Sponsoren die Auftritte in der Öffentlichkeit zahlten, erziele, der persönliche und finanzielle Ruin. Er sehe sich erheblichem Druck seitens seines Arbeitgebers ausgesetzt. Es drohe der Verlust seines Arbeitsplatzes. Er verliere wegen der Sperre die Möglichkeit, auf internationalen Turnieren wertvolle Wettkampfpunkte zu sammeln, die seine Stellung in der Weltrangliste beeinflussen und für die weitere Einladung zur internationalen Springprüfung von maßgeblicher Bedeutung seien. Dies könne sich nicht nur auf die unmittelbar folgenden Turniere sondern auf das nächste Wettkampfjahr und seine gesamte Karriere als Berufssportler auswirken.
23Der Verfügungskläger beantragt,
241. dem Verfügungsbeklagten aufzugeben, bis zur Entscheidung in der Hauptsache über die Berechtigung der Verweigerung einer Jahresturnierlizenz wegen eines Verstoßes des Verfügungsklägers bei der X Show vom 28.02. – 04.03.2007 von ihm beantragte Startgenehmigungen nicht mit der Begründung zu verweigern, er besitze keine Jahresturnierlizenz für das Jahr 2009,
252. dem Verfügungsbeklagten bei Meidung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100.000,00 € zu untersagen, ihn durch Versagung beantragter Startgenehmigungen an der Teilnahme an nationalen oder internationalen Reitturnieren zu hindern, soweit dies auf den Beschluss vom 08.01.2009 gestützt wird.
26Der Verfügungsbeklagte beantragt,
27den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
28Der Verfügungsbeklagte hält eine Kartellrechtssache mangels Unternehmereigenschaft des Verfügungsklägers nicht für gegeben. Die zeitweise Lizenzverweigerung sei auch ansonsten nicht zu beanstanden. Der Gesamtzeitraum, für den der Verfügungskläger lizenzlos gestellt wurde, liege deutlich unter der für Dopingvergehen geltenden Mindestsperre von 6 Monaten. Der Verfügungskläger habe durch die Verabreichung des nicht zugelassenen Wirkstoff in vorwerfbarer Weise einen Dopingverstoß begangen. Er hätte nicht blind auf die Unbedenklichkeit eines Medikaments vertrauen dürfen, das ihm ohne Inhaltsangabe und ohne Beipackzettel übergeben wurde. Sein Sportreglement und das der internationalen Dachorganisation sei nicht zu beanstanden, wie alle Gerichte, so auch in Bezug auf den Verfügungskläger das Landgericht Münster, bestätigt hätten. Ein Dopingverstoß eines mit einer Jahresturnierlizenz ausgestatteten Sportlers werde über die §§ 920 ff. LPO, eine solche eines lizenzlosen Sportlers über die Nichterteilung einer Lizenz aus wichtigem Grund im Sinne von § 20 LPO geahndet. Eine Doppel- oder gar Dreifachbestrafung des Verfügungsklägers liege nicht vor. Für Lizenzerteilung und Ahndung sei grundsätzlich der nationale Sportverband, dem der Reitsportler angehört, zuständig, bei Verstößen auf internationalen Pferdeleistungsshows auch die nationale Dachorganisation. Die von einer nationalen Förderation wegen der Teilnahme an einer nationalen Pferdeleistungsshow getroffene Ordnungsmaßnahme gelte nur in dem jeweiligen Staat und binde nicht die nationale Förderation, der der Reitsportler angehört, auch nicht die internationale Förderation. Mit der Entscheidung vom 08.01.2009 sei auch nicht gegen den Grundsatz des "ne bis in idem" verstoßen worden, da unterschiedliche klägerische Anträge auf Lizenzerteilung beschieden worden seien. In das Recht der Berufsfreiheit werde nicht eingegriffen, da dem Verfügungskläger die weitere Berufsausübung als Bereiter selbstverständlich frei stehe. Außerdem gelte das Sportreglement für jeden Reitsportler. Gerade der Berufssportler kenne das Reglement besser als jeder andere. Ihm sei deswegen auch am ehesten Regeltreue zuzumuten.
29Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlage Bezug genommen.
30E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
31Die Anträge sind zulässig und begründet.
32Das angerufene Gericht ist sachlich und örtlich zuständig gemäß §§ 87 Abs. 1 Satz 1 und 2, 89 GWB. Es liegt eine Kartellrechtssache vor. Der Verfügungskläger begehrt die Prüfung kartellrechtlicher Vorfragen und macht kartellrechtliche Ansprüche geltend. Ob solche Ansprüche bestehen, ist keine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.
33Auch die besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen der Dringlichkeit im Sinne von § 940 ZPO ist gegeben. Eine einstweilige Verfügung hiernach ist nur zulässig, wenn die einstweilige Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei darf der mit der Regelung erstrebte Vorteil für den Gläubiger nicht außer Verhältnis zum Nachteil des Schuldners stehen. Wenn wie hier mit der vorläufigen Regelung eine teilweise Befriedigung eines Anspruchs begehrt wird, ist sie nur zulässig, wenn der
34Anspruchsgläubiger auf die sofortige Erfüllung so dringend angewiesen ist, dass er ein ordentliches Verfahren nicht abwarten kann, ohne unverhältnismäßig großen, gar irreparablen Schaden zu erleiden. Sämtliche dieser Voraussetzungen sind gegeben. Da die Teilnahme an nationalen und internationalen Turnieren nur mit Startgenehmigungen des Verfügungsbeklagten oder der FEI möglich und für die Erteilung der Startgenehmigungen die Erteilung einer Jahresturnierlizenz erforderlich ist, wird der Verfügungskläger durch die Entscheidung der Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten von der Teilnahme an sämtlichen internationalen und nationalen Leistungsveranstaltungen ausgeschlossen. Dies beschwert ihn in erheblichem Maße in seiner wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit. Es ergeben sich für ihn hierdurch gravierende finanzielle und persönliche Nachteile, die nur eingeschränkt oder gar nicht durch Schadensersatzansprüche kompensiert werden können. Der Verfügungskläger verliert durch die Nichtteilnahme an Leistungsturnieren die Möglichkeit, Geldprämien zu erreichen, an denen er nach seiner nachvollziehbaren Darstellung finanziell beteiligt wird. Ihm entgeht zudem die Möglichkeit, Wettkampfpunkte zu sammeln, die maßgeblich seine Einstufung in der Weltrangliste beeinflussen, und Auswirkung auf weitere Turniereinladungen und damit letztlich auf seinen weiteren Karriereverlauf haben.
35Der Vorteil des Verfügungsklägers steht nicht außer Verhältnis zum Nachteil des Verfügungsbeklagten. Durch eine weitere Zulassung des Verfügungsklägers zu Turnieren für den Zeitraum von noch etwa 6 Wochen wird das Ansehen des Verfügungsbeklagten und des von diesem vertretenen Reitsports nicht ernstlich beeinträchtigt. Die Entscheidung der Disziplinarkommission und des Schiedsgerichts des Verfügungsbeklagten zeigen in ausreichendem Maße dessen Bemühen um ernsthafte und konsequente Dopingbekämpfung.
36Die Anträge sind auch begründet. Ein Verfügungsanspruch nach § 940 ZPO ist zu bejahen, wenn anzunehmen ist, dass die Versagung von Startgenehmigungen wegen Nichterteilung einer Jahresturnierlizenz für das Jahr 2009 zu Unrecht erfolgt. Dies ist der Fall. Die Verweigerung der Jahresturnierlizenz für das Jahr 2009 ist bei der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage ein Verstoß gegen Artikel 82 EGV und § 20 Abs. 1 GWB. Der Verfügungskläger hat gemäß § 33 GWB einen Anspruch auf Unterlassung des kartellrechtswidrigen Verhaltens.
37Es kann dahinstehen, ob die von der Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten als Rechtsgrundlage für die Verweigerung der Jahresturnierlizenz 2009 herangezogene Vorschrift des § 20 LPO wegen Verstoßes gegen Artikel 82 EGV, §§ 19, 20 GWB, 134 BGB oder nach §§ 307, 242 BGB nichtig ist oder, verneinendenfalls, die Verweigerung der Jahresturnierlizenz wegen Vorrangs der Ordnungsregeln des Verfügungsbeklagten gar nicht auf die Vorschrift des § 20 LPO gestützt werden kann. Geprüft werden muss auch nicht, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 20 LPO im vorliegenden Fall erfüllt sind. Die Entscheidung der Disziplinarkommission des Verfügungsbeklagten vom 08.01.2009 ist in kartellrechtlicher Sicht schon deswegen zu beanstanden, weil die Verweigerung einer Jahresturnierlizenz wegen eines fast 2 Jahre zurückliegenden Dopingverstoßes sich als Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung im Sinne von Artikel 82 EGV und § 20 Abs. 1 GWB darstellt.
38Der Verfügungsbeklagte ist auf Grund eigener wirtschaftlicher Tätigkeit und als Dachverband wirtschaftlich eigenständiger Landesverbände Adressat der vorgenannten Vorschriften. Er ist Monopolist auf dem sachlich und räumlich relevanten Markt der Erteilung von Lizenzen zur Teilnahme an nationalen und internationalen Profireitveranstaltungen in Deutschland und im europäischen Wirtschaftsraum.
39Der Verfügungskläger gehört zum durch Artikel 82 EGV und § 20 Abs. 1, Abs. 2 GWB geschützten Personenkreis. Es gilt insoweit ein weiter Unternehmensbegriff, der jede selbständige und nicht dem privaten Verbrauch dienende Tätigkeit im geschäftlichen Verkehr umfasst. Auch Arbeitnehmer sind Unternehmer in diesem Sinne, soweit sie im Nebenerwerb auf eigene Rechnung und damit selbständig tätig werden. Dies ist beim Verfügungskläger der Fall. Zumindest die nicht bestrittene Erzielung von Einkünften aus von Sponsoren honorierten Werbeauftritten erfolgt im Rahmen selbständiger Tätigkeit.
40Die Versagung der Jahresturnierlizenz 2009 führt zu einer tatsächlichen Beeinträchtigung der Betätigungsmöglichkeit des Verfügungsklägers im Wettbewerb, da die Lizenz Voraussetzung für die Erteilung von Startgenehmigungen, diese wiederum Voraussetzung für die Teilnahme an Leistungsprüfungen sind. Nur durch die Teilnahme an solchen Leistungsprüfungen kann ein Berufsleistungssportler Einkünfte aus Prämien oder Werbeverträgen erzielen.
41Die Versagung der Lizenz für 2009 ist ein Missbrauch nach Artikel 82 EGV und eine unbillige Behinderung nach § 20 Abs. 1 Abs. 2 GWB, da bei Abwägung der Interessen der Beteiligten unter Berücksichtigung der auf die Freiheit des Wettbewerbs gerichteten Zielsetzung des GWB dem Interesse des Verfügungsklägers an behinderungsfreier Betätigung und dem Allgemeininteresse an möglichst beschränkungsfreiem Wettbewerb größeres Gewicht zukommt als dem Interesse des Verfügungsbeklagten an weiterer Sanktionierung eines Dopingvergehens. Dass ein solches vorliegt, ist nach den Feststellungen der Untersuchungskommission des US-amerikanischen Verbandes anzunehmen. Sanktionierung von Dopingvergehen ist auch, da unverzichtbares Mittel einer effektiven Dopingbekämpfung ein legitimer Zweck zur Erreichung der satzungsmäßigen Aufgabe des Verfügungsbeklagten. Angesichts der wettbewerbsbeschränkenden und in die Berufsausübungsfreiheit eingreifenden Wirkung ist eine solche Maßnahme aber nur zulässig, wenn sie notwendig und verhältnismäßig ist. Beides wird bei der Entscheidung vom 08.01.2009 nicht ausreichend beachtet. Die Zielsetzungen der Dopingbekämpfung, Ermöglichung eines freien Wettkampfs unter Wahrung der Chancengleichheit der Beteiligten und Schutz der Gesundheit der Tiere, verlangen, da nicht immer und von allen Sportlern beachtet, Kontrollen, Sanktionsandrohung und Sanktionsverhängung, letzteres aber im Gleichbehandlungsinteresse der Mitbewerber, aus Tierschutzgesichtspunkten und zur Wahrung des Ansehens des Sportes schon im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem zu sanktionierenden Verhalten. Die Verhängung von Sanktionen erst lange Zeit nach Aufdeckung eines Dopingmissbrauchs läuft den Zielsetzungen einer Dopingbekämpfung entgegen und stellt eine wirksame Missbrauchsbekämpfung geradezu in Frage. Es ergeben sich auch Zweifel an der Ernsthaftigkeit des mit der Sanktion verfolgten Anliegens, wenn die Sanktion ohne anerkennenswerten Grund erst längere Zeit nach Kenntnisnahme vom zu sanktionierenden Verhalten verhängt wird, so wie dies im vorliegenden Fall war. Der Verfügungsbeklagte wusste spätestens seit Ende November 2007 vom Dopingverstoß des Verfügungsklägers. Er sah bis Ende 2008 keine Veranlassung, als nationaler Vorstand gegen den Verfügungskläger einzuschreiten und ließ es sogar zu, dass der Verfügungskläger an nationalen und internationalen Turnieren außerhalb der USA teilnahm. Der Verfügungsbeklagte hat es auch zunächst hingenommen, dass der Verfügungskläger auf Grund einstweiligen Rechtsschutzes des staatlichen Gerichts im Sommer des Jahres 2008 an verschiedenen nationalen und internationalen Turnieren teilnehmen konnte. Er hat von der Möglichkeit, durch ein Widerspruchsverfahren kurzfristig eine Änderung der gerichtlichen Entscheidung zu erlangen, keinen Gebrauch gemacht. Angesichts dessen vermag die jetzige Argumentation des Verfügungsbeklagten, eine wirkungsvolle Dopingbekämpfung erfordere noch zum jetzigen Zeitpunkt weitere Turnierabstinenz des Verfügungsklägers, nicht zu überzeugen. Auch Gründe der Zuverlässigkeit bzw. Unzuverlässigkeit können für die Entscheidung nicht herangezogen werden. Der Verfügungsbeklagte hatte keine Bedenken, den Verfügungskläger bis zur Entscheidung seiner Disziplinarkommission vom 24.04.2008 an Turnieren teilnehmen zu lassen. Er hat keine Gründe dafür vorgetragen und es ist auch nicht ersichtlich, dass die Frage der Zuverlässigkeit heute anders zu beurteilen ist. Der Verfügungskläger hat im vergangenen Jahr an vielen Turnieren erkennbar beanstandungsfrei teilgenommen. Die vom Verfügungsbeklagten aufgenommenen Ermittlungen im Hinblick auf einen vom Weltverband FEI bereits eingestellten weiteren Dopingfall im Jahr 2007 wird vom Verfügungsbeklagten selbst nicht zum Anlass genommen, die Zuverlässigkeit des Verfügungsklägers zu verneinen.
42Die Verhängung einer über das Gebiet der USA hinausgehenden faktischen Sperre von 5 Monaten ist auch nicht aus Gleichbehandlungsgründen erforderlich. Das Regelwerk des Verfügungsbeklagten sieht für Dopingverstöße keineswegs eine Mindestsperre von 6 Monaten vor, sondern nur eine Regelsperre von solcher Dauer. Der Verfügungskläger hat wegen seines Verhaltens eine nicht unbeachtliche Sanktion erfahren. Er war bis zum heutigen Tag faktisch weltweit gesperrt für die Dauer von 3 Monaten und 10 Tagen. Hinzu kommt die dreimonatige Sperre für Turniere in den USA. Der Verfügungskläger war zudem belastet durch die Ungewissheit, wie sich seine berufliche Situation auf Grund der verschiedenen Verfahren gestalten wird. Angesichts dessen kann die gegen ihn verhängte Sanktion nicht als völlig unzureichend angesehen werden.
43Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die einstweilige Verfügung ist von Gesetzes wegen vorläufig vollstreckbar.
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