Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 255/06
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert
von 21.474,40 € der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine Unfallversicherung unter Geltung der AUB 95, durch die eine Unfallinvalidität mit einer Invaliditätsgrundsumme von 53.686,00 € bei Vereinbarung der progressiven Invaliditätsstaffel 500% versichert ist.
3Der Kläger behauptet: Am frühen Nachmittag des 18.05.2005 habe er Arbeiten an einer schweren Eichentruhe durchgeführt und dabei den Truhendeckel aufgeklappt und mit einem Brett abgestützt. Bei den Arbeiten im Inneren der Truhe sei er gegen das den Deckel stützende Brett gestoßen, so dass der Deckel auf seinen Kopf gefallen sei.
4Danach mähte der Kläger noch den Rasen und ging mit seiner Enkelin spazieren. Am Abend wurde er bewusstlos aufgefunden und ins Krankenhaus eingeliefert, wo eine Gehirnblutung festgestellt wurde. Als deren Folge beklagt der Kläger dauerhafte Konzentrations- und Orientierungsprobleme und Beeinträchtigung der Auffassungs- und Merkfähigkeit sowie Beeinträchtigung des Sehvermögens. Darauf gestützt verlangt er eine Invaliditätsleistung.
5Der Kläger beantragt,
6die Beklagte zu verurteilen, an ihn 21.474,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
7Die Beklagte beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Sie bestreitet eine traumatisch bedingte Blutung und geht von einer spontanen Gehirnblutung aus, für die sie zur Zahlung einer Invaliditätsleistung nicht verpflichtet sei.
10Das Gericht hat ein schriftliches Sachverständigengutachten zur Ursache der Gehirnblutung eingeholt. Zunächst hat es den Sachverständigen Prof. Dr. C beauftragt, der unter dem 24.05.2007 ein schriftliches Gutachten gefertigt hat. Aus dem Gericht nicht nachvollziehbaren und auch nicht mitgeteilten Gründen, hat der Sachverständige jedoch auf ergänzende Fragen der Beklagten und des Gerichts nicht geantwortet, so dass das Gericht ein weiteres Sachverständigengutachten durch Prof. Dr. H in Auftrag gegeben hat. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf dessen Gutachten vom 11.07.2008 nebst ergänzender Stellungnahme vom 20.10.2008 sowie die mündliche Erläuterung des Gutachtens durch die Sachverständige Dr. P im Termin vom 22.01.2009, wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll, Bezug genommen.
11E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
12Die Klage ist unbegründet.
13Dem Kläger steht die begehrte Invaliditätsleistung aus dem zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherungsvertrag nicht zu, da er nicht bewiesen hat, dass der Unfall für die erlittene Gesundheitsbeeinträchtigung, die Gehirnblutung, ursächlich gewesen ist. Den Beweis der Ursächlichkeit zwischen Unfallereignis und Gesundheitsbeeinträchtigung (haftungsbegründende Kausalität) hat der Kläger mit dem Beweismaßstab des § 186 ZPO zu führen (OLG Saarbrücken, ZfS 2008, 283). Auf einen Anscheinsbeweis kann sich der Kläger dabei nicht stützen. Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt ein Geschehen voraus, bei dem die Regeln des Lebens und die Erfahrung des üblichen und gewöhnlichen dem Richter die Überzeugung vermitteln, dass auch in dem von ihm zu entscheidenden Fall der Ursachenverlauf so gewesen ist wie in vergleichbaren Fällen. Ein derart typischer Geschehensablauf ist im Streitfall aber nicht gegeben. Hier geht es darum, welche von mehreren behaupteten Möglichkeiten die Gesundheitsbeeinträchtigung verursacht haben, ob nämlich der Kläger eine spontane Gehirnblutung erlitten hat oder ob die Blutung durch den Aufschlag des Truhendeckels auf seinen Kopf ausgelöst worden ist. Selbst wenn die Möglichkeit, dass das äußere Ereignis die Blutung verursacht haben könnte, wahrscheinlicher wäre, als das Entstehen einer Spontanblutung, würde dies nicht genügen, um einen Anscheinsbeweis anzunehmen. Es fehlt an einem allgemeinen Lebenserfahrungssatz für solche Fälle (BGH r+s 1988, 151; OLG Saarbrücken a.a.O., OLG Hamm r+s 1991, 286).
14Nach dem vom Gericht eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. H/ kann eine Spontanruptur des Blutgefäßes nicht ausgeschlossen und die Entstehung der Gehirnblutung durch ein äußeres Ereignis nicht angenommen werden. Der Sachverständige hat vielmehr ausgeführt, dass die Gehirnblutung mit großer Wahrscheinlichkeit spontan aufgetreten ist, auch wenn es sich um eine Blutung in atypischer Lokalisation handelte. Zur Begründung seiner These hat der Sachverständige überzeugend ausgeführt, dass kurz nach dem vom Kläger behaupteten Trauma keine wesentlichen Schmerzen und keine neurologischen Ausfälle vorhanden waren, der Kläger vielmehr noch den Rasen mähen und mit seiner Enkelin spazieren gehen konnte. Der leichte Schwindel beim Rasenmähen reichte dem Sachverständigen als Brückensymptom für die Annahme einer traumatisch bedingten Ruptur des Blutgefäßes nicht aus. Nach den Erfahrungen des Sachverständigen wären weitaus deutlichere Brückensymptome erforderlich gewesen, um einen Zusammenhang zwischen dem äußeren Ereignis und der Gehirnblutung annehmen zu können. Seine These hat der Sachverständige damit gestützt, dass beim Kläger keine äußeren sichtbaren Verletzungen vorhanden waren, die bei einem Trauma zu erwarten wären, dass eine so große Blutung hätte auslösen können, wie sie beim Kläger vorgefunden worden ist. So habe auch eine subgaleale Einblutung (Cephalhaematom) beim Kläger gefehlt, wie es bei einem intensiven Trauma hätte entstehen müssen. Schließlich hat der Sachverständige seine These auch durch die beim Kläger vorgefundene arterielle Hypertonie als Risikofaktor untermauert. Er hat darauf hingewiesen, dass beim Kläger eine hypertensive Entgleisung mit einem Blutdruck von 200 / 120 bei der notfallmäßigen Aufnahme gemessen worden ist. Auch bei der Untersuchung durch den Sachverständigen wurde ein Blutdruck von 165 / 100 gemessen sowie der Nachweis eines labilen Bluthochdrucks in der funduskopischen Untersuchung geführt. Die Abwägung der Bewertungskriterien hat den Sachverständigen zu der Überzeugung gelangen lassen, dass die Wahrscheinlichkeit einer Spontanruptur höher liegt, als die einer traumatischen Ruptur des Blutgefäßes. Für Letzteres sprach lediglich die für eine Spontanruptur atypische Lokalisation der Blutung sowie der zeitliche Zusammenhang zu dem vom Kläger behaupteten Trauma. Bei der mündlichen Erläuterung des Gutachtens hat die Sachverständige Dr. P überzeugend ausgeführt, dass die für eine traumatische Ruptur des Blutgefäßes sprechenden Indizien nicht isoliert betrachtet werden dürfen sondern im Zusammenhang gesehen werden müssen mit den anderen Kriterien, die für die Beantwortung der Frage herangezogen werden müssen, ob die Ruptur spontan oder traumatisch bedingt war. Sie hat dabei überzeugend die Einwendungen des Klägers gegen das schriftliche Gutachten zurückgewiesen und dabei auch zu den Einwendungen des Sachverständigen Prof. Dr. C Stellung genommen, der – nachdem er auf die Fragen des Gerichts und der Beklagten nicht geantwortet hatte – auf ein Schreiben des Klägers reagiert hat. Die Sachverständige hat noch einmal ausgeführt, dass die fehlenden Brückensymptome sowie der Risikofaktor in Form eines nachgewiesenen labilen Bluthochdrucks der Annahme entgegenstehen, dass die Gehirnblutung spontan gewesen sein könnte.
15Das Gericht folgt den Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. H / Dr. P. Das von ihnen begründete Ergebnis steht in Übereinstimmung mit den Erfahrungen des Gerichts in zahlreichen gleichgelagerten Fällen, wonach der strenge Beweis einer traumatisch bedingten Gehirnblutung nur sehr schwer zu führen ist, weil eine Spontanruptur in der Regel nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. auch Lücke VK 2008, 167).
16Die Klage musste soweit mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abgewiesen werden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Referenzen
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