Beschluss vom Landgericht Dortmund - 4 OH 9/08
Tenor
Der Antrag der Antragsteller auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 250.000,00 Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2Die Antragsteller beantragen die Einholung eines bzw. mehrerer Sachverständigengutachten im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens. Sie begehren eine Prüfung, ob die Antragstellerin zu 2. während der Schwangerschaft im Jahr 2006/2007 fehlerhaft behandelt worden ist und ob nicht auszuschließen ist, dass dies zu dem bei dem Antragsteller zu 1. festgestellten Herzfehler und dem vorhandenen Hirnschaden/der Epilepsie geführt hat. Wegen der Einzelheiten wird auf den Antrag Bezug genommen
3Der Antrag ist nach § 485 Abs. 2 S. 2 ZPO unzulässig. Auch in Arzthaftungssachen kann die Einholung von Sachverständigengutachten im Rahmen eines Beweissicherungsverfahrens sinnvoll sein und der Vermeidung künftiger Rechtsstreitigkeiten dienen. Die Kammer gibt solchen Anträgen regelmäßig statt. Die Einzelfallprüfung hat jedoch im vorliegenden Fall ergeben, dass der Antrag nicht geeignet ist, einen künftigen Rechtsstreit zu vermeiden.
4Der hier vorgestellte Schadensfall steht einem umfangreichen Geburtsschadensfall gleich. Solche Geburtsschadensfälle gehören zu den komplexesten Fällen, die die Arzthaftungskammer zu bearbeiten hat. Diese Verfahren nehmen regelmäßig eine Aufklärungszeit von mehreren Jahren in Anspruch. Es ist ein gynäkologisches Gutachten erforderlich, zu dem sich oft Nachfragen ergeben. Wenn ein Schaden bejaht wird, ist zu den Schäden des Kindes ein neuropädiatrisches Gutachten einzuholen. Es ist auch oft eine Beweisaufnahme durch Zeugenvernehmung oder durch Anhörung der Parteien erforderlich, weil die Sachdarstellungen auseinandergehen und der Sachverständige erst zu einem abschließenden Ergebnis kommen kann, wenn er weiß, von welchem Sachverhalt er ausgehen soll. Solche Fälle können nicht allein anhand der Behandlungsunterlagen der verklagten Ärzte beurteilt werden. Auch für die Nachbehandlung sind verschiedene Krankenunterlagen anzufordern, was im Beweissicherungsverfahren nicht vorgesehen ist.
5Gerade auch im vorliegenden Fall geht der Sachvortrag der Parteien, beispielsweise zu dem Zustand des Kindes nach der Geburt, so weit auseinander, dass nicht anzunehmen ist, dass allein mit einer schriftlichen Begutachtung ohne Zeugenvernehmung ein Ergebnis zu erzielen sein wird.
6Von maßgeblicher Bedeutung ist im Übrigen bei diesen Fällen die Frage der Beweislastverteilung. Ob letztlich eine Beweislastumkehr in Betracht kommt, z.B. weil ein grober Behandlungsfehler vorliegt, ist völlig offen.
7Die Kammer hat in diesem Zusammenhang bereits darauf hingewiesen, dass die vorformulierten Beweisfragen nicht den Beweislastregeln entsprechen, sondern teilweise von einer Beweislastumkehr ausgehen.
8Bei einem drohenden Rechtsstreit wie diesem, in dem es um Haftungssummen in Millionenhöhe geht, wird sich kein Antragsgegner und keine hinter diesem stehende Versicherung mit Antworten einen Sachverständigen zufrieden geben, die nur aufgrund einer unzureichenden Tatsachenfeststellung getroffen worden sind, die sich nicht an den Beweislastregeln orientieren und die die Frage des Verschuldensmaßes offen lassen.
9Es droht im Übrigen auch keine Verschlechterung der Beweissituation, selbst wenn - wie die Antragsteller behaupten - der Antragsteller zu 1. eine Herzoperation bzw. weitere Operationen durchführen lassen muss. Keine der Beweisfragen zielt auf den derzeitigen Gesundheitszustand des Antragstellers zu 1. ab. Es ist auch davon auszugehen, dass vor den Eingriffen ausreichend Befunde erhoben werden, auf die ggfs. zurückgegriffen werden kann.
10Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
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