Urteil vom Landgericht Dortmund - 22 O 194/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden nach einem Streitwert in Höhe von 22.670,02 € der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin begehrt von dem Beklagten, der eine Versicherungsagentur für die X betreibt, Schadensersatz auf der Grundlage des Gesetzes zur Neuregelung des Versicherungsvermittlerrechtes.
3Der Zeuge T, Ehemann der Klägerin, ist seit 1994 Kunde des Beklagten. Er nahm über diesen mehrfach Fahrzeugversicherungen bei der X und wechselte auch zwischen Fahrzeugvollversicherungen ("Vollkasko") und Fahrzeugteilversicherungen ("Teilkasko"). Für ein früher gehaltenes Wohnmobil bestand bei der Beklagten zunächst eine Fahrzeugvollversicherung. Zum 28.02.2006 wurde auf Betreiben des Zeugen T nur noch eine Fahrzeugteilversicherung unterhalten. Das so versicherte Fahrzeug und einen gebrauchten Pkw Daewoo gab der Kläger in Zahlung, als er von der Firma E ein anderes Wohnmobil Fiat Eura zu einem Kaufpreis von insgesamt 21.900,00 € mit einem Kilometerstand von 94.200,00 erwarb. Der danach noch an den Verkäufer zu entrichtende Betrag von 10.700,00 € wurde durch die Inanspruchnahme eines Kredites bei der F finanziert. Das Fahrzeug wurde der finanzierenden Bank nicht sicherungsübereignet. Diese verlangte auch nicht den Abschluss einer Vollkaskoversicherung. Auch dieses neu erworbene Fahrzeug sollte über das Büro des Beklagten bei der X versichert werden. Versicherungsnehmerin sollte die Klägerin sein. Der Zeuge T begab sich im Auftrag der Klägerin am 11.06.2007 in die Geschäftsräume der Beklagten und sprach mit der Zeugin N, einer Mitarbeiterin des Beklagten. Der Inhalt des Gespräches ist zwischen den Parteien streitig. Unstreitig wurde der Klägerin ein Versicherungsschein vom 29.06.2007 übersandt, der eine Kfz-Haftpflicht- und eine Teilkaskoversicherung umfasste.
4Mit Schreiben vom 06.09.2007 wandte sich die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigten an den Beklagten und machte geltend, dass das Wohnmobil bei einem Unfall vom 02.09.2007 einen Schaden erlitten habe; die Zeugin N habe es versäumt, auf den notwendigen Abschluss einer Vollkaskoversicherung hinzuweisen.
5Die Westfälische Provinzial wurde zuvor wegen des Unfalles nicht in Anspruch genommen.
6Die Klägerin behauptet, der Zeuge T habe der Zeugin N erklärt, er habe das alte Wohnmobil und den Pkw Daewoo in Zahlung gegeben, den Differenzbetrag habe er finanzieren müssen. Die Finanzierungszeit betrage 4 Jahre. Die Zeugin N habe gefragt, ob das neue Wohnmobil wie das alte Wohnmobil versichert werden solle. Daraufhin habe der Zeuge T erwidert, dass er dies zunächst so machen könne. Die Zeugin N habe erklärt, dass sie das neue Wohnmobil zu den gleichen Konditionen versichern werde, wie das in Zahlung gegebene alte Wohnmobil.
7Die Klägerin behauptet weiter, das Wohnmobil sei am 02.09.2009 verunfallt, als ein Herr O es für den Zeugen T, der sich zuvor am Knie verletzt habe, auf der BAB 1 gefahren sei. Das Fahrzeug sei bei einem Überholvorgang ins Schlingern geraten und verunfallt liegen geblieben. An dem Fahrzeug sei ein erheblicher Sachschaden in Höhe von 21.320,55 € netto entstanden.
8Die Klägerin beziffert den Schadensersatzanspruch wie folgt :
9Nettoreparaturkosten 21.320,55 €
10Sachverständigenkosten 1.324,47 €
11Auslagenpauschale 25,00 €
1222.670,02 €
13Die Klägerin beantragt,
141. den Beklagten zu verurteilen, an sie 22.670,02 € nebst
155 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.12.2007 zu zahlen,
162. den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.085,04 € (außer-
17gerichtliche Rechtsanwaltskosten) nebst 5 %-Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.12.2007 zu zahlen.
18Der Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Er behauptet, die Zeugin N habe den Zeugen T gefragt, wie das Wohnmobil versichert werden solle. Darauf habe der Zeuge T erklärt: "Wie bisher". Dieser habe zudem erklärt, der bisherige Wert in Höhe von 21.000,00 € könne beibehalten werden. Der Zeuge T habe am Ende des Gespräches ein ausgedrucktes Angebot erhalten, welches ihm zur Prüfung binnen zwei Tagen übergeben worden sei. Nach zwei Tagen sei der Zeuge T erneut erschienen und habe um die Policierung des Vertrages auf der Grundlage des Angebots vom 11.06.2007 gebeten.
21Die Beklagte macht geltend, der Fahrer habe den Unfall (gegebenenfalls) durch überhöhte Geschwindigkeit grob fahrlässig herbeigeführt, so dass der Versicherer gemäß § 61 VVG a.F. leistungsfrei geworden wäre. Er erhebt weitere Einwendungen zur Höhe (500,00 € Selbstbeteiligung/500,00 € Vertragsstrafe).
22Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugen T und N. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2008, Blatt 91 ff.d. A., Bezug genommen.
23E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
24Die zulässige Klage ist unbegründet.
25Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch aus § 42 e VVG a.F. in Verbindung mit § 42 c Abs. 1 VVG a.F.
261. Die Zeugin N hat die anlassbezogene Fragepflicht aus § 42c VVG a.F. nicht verletzt. Der Versicherungsvertreter muss seinen Kunden bei der Vermittlung von Versicherungsschutz nach dessen Wünschen und Bedürfnissen befragen. Dies gilt allerdings nur, wenn und soweit nach der Schwierigkeit der angebotenen Versicherung oder nach der Person und der Situation des Kunden hierfür Anlass besteht. Äußert der Kunde einen klar artikulierten fest abgegrenzten Wunsch, so ist der Vertreter regelmäßig nicht zur Befragung verpflichtet (Reiff in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechtshandbuch, 2. Aufl., § 5, Rn. 162 m.w.N.). Hieran gemessen liegt eine Verletzung der Fragepflicht nicht vor. Denn nach dem Sachvortrag der Parteien und dem Ergebnis der Beweisaufnahme waren sich die Zeugen jedenfalls einig, dass das neu erworbene Wohnmobil "wie bisher" versichert werden sollte. Damit war Einigkeit erzielt, dass lediglich eine Teilkaskoversicherung abgeschlossen werden sollte, denn nach dem aktuellen Vertragsstand hinsichtlich des in Zahlung gegebenen Wohnmobiles lag lediglich eine Fahrzeugteilversicherung vor.
27Da es sich bei einer Fahrzeugvollversicherung und einer Fahrzeugteilversicherung nicht um komplexe Versicherungsprodukte handelt und der Zeuge T unstreitig bereits in der Vergangenheit beide Arten von Versicherungen genommen hatte, war die Zeugin N nicht gehalten, weitere Fragen nach den Wünschen des Zeugen T hinsichtlich der abzuschließenden Versicherung zu stellen. So hatte der Zeuge T aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen bei dem in Zahlung gegebenen Wohnmobil noch Anfang 2006 aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen davon Abstand genommen , weiterhin eine Vollkaskoversicherung zu unterhalten und fortan nur noch das Teilkaskorisiko versichert. Bei dieser Sachlage war eine weitere Frage nach Wünschen des Zeugen T hinsichtlich der zu nehmenden Versicherung nicht geboten.
28Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Zeugin N die Frage nach der gewünschten Versicherung nicht hinreichend deutlich stellte, so dass der Zeuge T etwa einem Missverständnis erlegen wäre, welche Versicherung er beantragt hatte. Wie bereits dargelegt, konnte die Zeugin N die Erklärungen des Klägers objektiv dahin verstehen, dass dieser eine Teilkaskoversicherung für das neue angeschaffte Fahrzeug nehmen wollte. Das Gericht nimmt dem Zeugen T überdies nicht ab, dass dieser davon ausgegangen sei, eine Vollkaskoversicherung genommen zu haben. Die Beklagte weist zu Recht daraufhin, dass in einem solchen Fall zu erwarten gewesen wäre, dass die Klägerin oder der Zeuge T zunächst gegenüber der X Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag erhoben hätten. Dies ist unstreitig nicht geschehen. Der Zeuge T hat zudem bekundet, die Zeugin N habe ihm erklärt, dass die Prämie geringfügig über der Prämie für das alte Wohnmobil liegen würde. Aus einer solchen Erklärung hätte der Zeuge T zwingend schließen müssen, dass es sich nicht um einen Vollkaskoschutz handeln konnte.
29Nach alledem konnte offenbleiben, ob die Zeugin N dem Zeugen T auch noch ein Angebot zur Prüfung mitgab.
302. Die Zeugin N hat auch keine Beratungspflichten verletzt.
31So musste die Zeugin N dem Zeugen T nicht zum Abschluss einer Vollkaskoversicherung raten, weil das Fahrzeug finanziert war. Soweit die Klägerin meint, ein solcher Hinweis sei notwendig gewesen, da der Abschluss einer Vollkaskoversicherung bei finanzierten Fahrzeugen Grundlage der Finanzierungsbedingungen sei, geht dies bereits in tatsächlicher Hinsicht fehl. Die Klägerin hat bei ihrer Anhörung eingeräumt, dass das Fahrzeug der finanzierenden Bank weder sicherungsübereignet worden sei, noch die finanzierende Bank den Abschluss einer Vollkaskoversicherung verlangt hatte. Nach diesen Angaben bestand ersichtlich kein Anlass, eine Beratung im Sinne eines Hinweises auf einen "notwendigen Abschluss" einer Vollkaskoversicherung vorzunehmen.
32Auch der von dem Zeugen T nach den Behauptungen des Beklagten mitgeteilte Wert von 21.000,00 € musste die Zeugin N nicht veranlassen, dem Zeugen T den Abschluss einer Vollkaskoversicherung anzuraten. Die Zeugin N durfte davon ausgehen, dass der Zeuge T die Abwägung zwischen Prämienhöhe und Risiko bereits vorgenommen hatte. Im Übrigen waren hier die Beratungspflichten bereits dadurch eingeschränkt, dass der Kläger den Wunsch nach Abschluss einer bestimmten, nämlich einer Teilkaskoversicherung, geäußert hatte (siehe oben 1.).
333. Die Zeugin N hat zwar die Dokumentationspflichten gemäß § 42 c VVG a.F. verletzt. Hierdurch ist der Klägerin jedoch ein Schaden oder ein Beweisnachteil nicht entstanden.
34Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
35Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
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Referenzen
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