Urteil vom Landgericht Dortmund - 7 O 13/09
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 71.097,92 € (i. W.: ei-nundsiebzigtausendsiebenundneunzig 92/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 8 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 17.774,48 € seit dem 01.03.2008, aus einem weiteren Betrag von 17.774,48 € seit dem 01.04.2008, aus einem weiteren Betrag von 17.774,48 € seit dem 01.05.2008 und aus einem weiteren Betrag von 17.774,48 € seit dem 01.06.2008 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Der Streitwert wird bis zum 19.05.2008 auf 35.548,96 €, ab dann auf 53.323,44 € und ab dem 02.09.2008 auf 71.097,92 € festgesetzt.
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T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin ist ein Tochterunternehmen der D. Die Beklagte ist als Unternehmen auf dem Gebiet der Versicherungsvertretung tätig. Die Beklagte vermittelte im wesentlichen Umfang Versicherungsverträge für die Muttergesellschaft der Klägerin. Mit dieser verband sie ein Agenturvertrag.
3Die Beklagte wollte dieses Agenturgeschäft ausbauen und hierzu Geschäftsanteile an der B (im Folgenden nur noch B) erworben. Hieran hatte auch die Klägerin bzw. deren Muttergesellschaft ein erhebliches Interesse, da die B ebenfalls für den Abschluss einer nicht unerheblichen Vielzahl von Verträgen für die Muttergesellschaft der Klägerin stand und man deshalb dort verhindern wollte, dass sich dieses durch eine etwaige Beteiligung durch einen anderen Interessenten als die Beklagte zum Nachteil der Muttergesellschaft der Klägerin ändern würde.
4Um der Beklagten die finanziellen Mittel zu einer Beteiligung an der B zu verschaffen, schlossen die Klägerin und die Beklagte unter dem 23.10.1998 einen Darlehensvertrag, in dem sich die Klägerin zur Gewährung eines Darlehens an die Beklagte in Höhe von 2 Mio. DM verpflichtete, das die Klägerin ratenweise zurückzahlen sollte. Dieses Darlehen kam anschließend auch zur Auszahlung. In Nachtragsvereinbarungen vom 13./15.12.2000, vom 23./27.12.2002 und vom 23./25.11.2003 wurden die Ratenzahlungsregeln und auch weitere Regelungen nachträglich modifiziert und auch die Darlehenssumme verändert.
5In § 7 des ursprünglichen Darlehensvertrages vom 23.10.1998 war insbesondere vorgesehen, dass die Klägerin ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist den Darlehensvertrag aus wichtigem Grund u.a. kündigen und die sofortige Rückzahlung verlangen können sollte, wenn der Agenturvertrag zwischen der Beklagten und der Muttergesellschaft der Klägerin vor der restlosen Abtragung des Darlehens inklusive Zinsen endet. Für diesen Fall sah § 2 des vorgenannten Vertrages ferner vor, dass – unbeschadet eines außerordentlichen Kündigungsrechts der Darlehensgeberin – ab dem Zeitpunkt der Beendigung des Agenturvertrages der noch bestehende Darlehensrestbetrag mit einem Zinssatz in Höhe von 8,5 % Zinsen p.a. statt eines solchen in Höhe von 7,40 % p.a. zu verzinsen sei.
6In der Nachtragsvereinbarung vom 23./25.11.2003 vereinbarten die Parteien unter § 3 zudem unter der Überschrift "Einmalige Sondertilgung" u.a. Folgendes:
7"1. Zum 31.03.2008 ist die Darlehensnehmerin verpflichtet, einmalig eine Sondertilgung bis zur Höhe des dann noch offenen Darlehensrestbetrages vorzunehmen, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ vorliegen:
8- Der Versicherungsbestand der Darlehensnehmerin sowie der ... in den Sparten Kranken-, Leben- und Unfallversicherung ist insgesamt mindestens erhalten geblieben....
- Die Darlehensnehmerin und ihre Verbundgesellschaften haben vom 01.01.2004 bis zum 01.01.2008 insgesamt mindestens 3.500 neue Unfallversicherungsverträge der D vermittelt ...
2. Liegen die Voraussetzungen des Absatzes 1 vor, bemisst sich die Höhe der Sondertilgung wie folgt:
11- Erreicht die Darlehensnehmerin mit ihren Verbundgesellschaften zwischen dem 01.01.2004 und dem 01.01.2008 (Bewertungszeitraum) bei der D eine Lebensversicherungsbewertungssumme von insgesamt mindestens 50 Mio. EUR, so beträgt die Sondertilgung 1 ‰ von der tatsächlich erreichten Bewertungssumme.
Erreicht die Darlehensnehmerin mit ihren Verbundgesellschaften im Bewertungszeitraum bei der D eine Lebensversicherungsbewertungssumme von insgesamt mindestens 10 Mio. EUR, so beträgt die Sondertilgung 2 ‰ von der tatsächlich erreichten Bewertungssumme."
13Wegen der weiteren Einzelheiten der genannten Darlehensverträge wird auf die zur Akte gereichten Kopien derselben (Blatt 6 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.
14Unstreitig betrug die Ratenzahlungsverpflichtung nach dem letzten Nachtragsvertrag vom 23./25.11.2003 gemäß § 2 17.774,48 €, die ebenfalls unstreitig jeweils bis zum Ende des Monats fällig waren. Die Raten für die Monate Februar 2008 bis einschließlich Mai 2008 in Höhe von 4 x 17.774,48 € = 71.097,92 € wurden von der Beklagten nicht gezahlt.
15Diese rückständigen Raten verlangt die Klägerin mit ihrer Klage von der Beklagten erstattet.
16Der Agenturvertrag zwischen der Muttergesellschaft der Klägerin und der Beklagten endete durch ordentliche Kündigung der Muttergesellschaft der Klägerin zum 29.02.2008. Der Darlehensvertrag zwischen der Klägerin und der Beklagten besteht dagegen ungekündigt fort.
17Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr auf Grund der vorgelegten Verträge ein Anspruch auf die Klageforderung ohne Weiteres zustehe.
18Die Klägerin beantragt,
19die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 71.097,92 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 17.774,48 € seit dem 01.03.2008, aus einem weiteren Betrag von 17.774,48 € seit 01.04.2008, aus einem weiteren Betrag von 17.774,48 € seit 01.05.2008 und aus einem weiteren Betrag von 17.774,48 € seit 01.06.2008 zu zahlen.
20Die Beklagte beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Sie ist der Auffassung, dass die Darlehensvergabe an die Beklagte wegen eines aufsichtsrechtlichen Verstoßes gegen § 7 VAG unter dem Gesichtspunkt des Verbotes der Tätigung versicherungsfremder Geschäfte unzulässig und gemäß § 134 BGB mithin nichtig sei. Dass hier nicht die Muttergesellschaft selbst, sondern deren Tochter – die Klägerin – den Vertrag mit der Beklagten geschlossen habe, stelle ein unzulässiges Umgehungsgeschäft dar, welches ebenfalls zur Nichtigkeit des Darlehensvertrages gemäß § 134 BGB führe. Diese Nichtigkeit habe zur Folge, dass die Klägerin allenfalls noch bereicherungsrechtliche Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen könne. Auch diese schieden hier letztlich aber aus, da in die Forderungsaufstellung in diesem Fall keine Zinsen eingerechnet werden könnten. Eine Tilgung der reinen Darlehensvaluta sei hingegen zwischenzeitlich längst erfolgt, so dass ohne Berücksichtigung von Zinsen der Klägerin keine Forderung mehr zustehen könne.
23Die Beklagte ist ferner der Auffassung, dass die Darlehensvergabe auch gegen § 32 Abs. 1 KWG verstoße, da die Darlehenshingabe an die Beklagte letztlich ein den Versicherungsgesellschaften verbotenes Bankgeschäft darstelle. Zu einem solchen Geschäft seien weder die Klägerin noch ihre Muttergesellschaft ermächtigt gewesen. Die Folge des Verstoßes gegen § 32 Abs. 1 KWG sei wiederum Nichtigkeit des Darlehensvertrages gemäß § 134 BGB. Die weiteren Folgen seien dann die gleichen, wie bereits im Zusammenhang mit dem Verstoß von § 7 VAG vorgetragen.
24Die Beklagte vertritt darüber hinaus die Auffassung, dass die Darlehensvergabe auch unter dem Gesichtspunkt der Kündigungserschwerung im Sinne von § 89 Abs. 2 Satz 1 HGB i.V.m. § 134 BGB unwirksam sei. Denn der Umstand, dass im Falle der Beendigung des Agenturvertrages zwischen der Muttergesellschaft der Klägerin und der Beklagten auch ein sofortiges Kündigungsrecht mit sofortiger Rückzahlungspflicht des Darlehens in Bezug auf den Darlehensvertrag bestehe, führe letztlich zu einer mittelbaren Benachteiligung der Beklagten in Bezug auf den Agenturvertrag. Gleiches gelte auch für die sich im Falle der Beendigung des Agenturvertrages ergebende Verschlechterung im Hinblick auf die Verzinsung des Darlehens. Die Folge der Nichtigkeit gemäß § 134 BGB sei wiederum dieselbe, wie bereits vorab dargelegt.
25Außerdem – so meint die Beklagte weiter – sei die vertragliche Vereinbarung zwischen den Parteien auch gemäß § 307 BGB wegen einer unangemessenen Benachteiligung unwirksam. Hierbei sei davon auszugehen, dass die zwischen der Klägerin und der Beklagten geschlossenen zugrunde liegenden Verträge aus AGB-Klauseln bestünden.
26Ferner ist die Beklagte der Ansicht, dass ihr ein Zurückbehaltungsrecht zustehe, auf das sie sich ebenfalls beruft. Hintergrund sei, dass eine erhebliche Anzahl von Versicherungsverträgen aus den Provisionslisten der Muttergesellschaft der Beklagten auf unerklärliche Weise verschwunden seien und deshalb die Beklagte einen Buchauszug von der Muttergesellschaft der Klägerin benötige. Da sich die Muttergesellschaft der Klägerin weigere, habe sie – was unstreitig ist – diesen Anspruch bereits klageweise unter dem Aktenzeichen 16 O 202/07 geltend gemacht. Bis zur Erteilung des begehrten Buchauszuges müsse ihr, der Beklagten, mithin ein Zurückbehaltungsrecht zustehen.
27Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die wechselseitig eingereichten Schriftsätze nebst den dazugehörigen Anlagen ergänzend Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
29Die Klage ist begründet.
30Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus dem zugrunde liegenden Darlehensvertrag vom 23.10.1998 i.V.m. den genannten Zusatzvereinbarungen und § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB zu.
31Der geltend gemachte Anspruch ist der Höhe nach zutreffend berechnet.
32Es liegt kein Verstoß gegen § 7 VAG vor. Gemäß § 7 Abs. 2 VAG dürfen Versicherungsunternehmen neben Versicherungsgeschäften nur solche Geschäfte betreiben, die hiermit in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Hier diente die Herausgabe des Darlehens letztlich dem Aufbau einer Vertriebsstruktur für die Muttergesellschaft der Klägerin. Danach stand die Herausgabe des Darlehens in unmittelbarem Zusammenhang mit der Durchführung der Versicherungsgeschäfte, so dass sich ein Verstoß gemäß § 7 Abs. 2 VAG nicht feststellen lässt. Zumindest wäre ein etwaiger Verstoß jedoch so unbedeutend, dass er nicht über die Annahme eines verbotenen Umgehungsgeschäftes von der Muttergesellschaft als an sich anzunehmender Normadressatin auf die Klägerin als wirtschaftlich getrennt geführtes Tochterunternehmen durchschlagen würde.
33Ferner besteht auch kein Verstoß durch den Darlehensvertrag gegen § 32 KWG. Auch hier gilt zunächst, dass die Klägerin unmittelbar kein Versicherungsunternehmen ist, sondern lediglich Tochtergesellschaft eines solchen. Auch ist hier zur Überzeugung des Gerichts kein Bankgeschäft anzunehmen, da – wie dargelegt – die Klägerin hier lediglich die Finanzierung des Aufbaus einer Vertriebsstruktur vorgenommen hat. Im Vordergrund stand also nicht die Tätigung von Bankengeschäften im operativen Geschäft, sondern lediglich die Finanzierung der Vertriebsstrukturen, die dem operativen Geschäft dienen sollten. Selbst wenn man aber einen Verstoß annehmen würde, so erscheint dieser nicht so bedeutend, dass er über die Annahme eines Umgehungsgeschäftes auch auf die Beklagte als Tochtergesellschaft der Versicherungsgesellschaft durchschlagen würde.
34Die zugrunde liegende Darlehensvereinbarung ist auch nicht wegen eines Verstoßes gegen § 89 Abs. 2 HGB unwirksam. Denn § 89 HGB bezieht sich ersichtlich auf den Handelsvertretervertrag mit der Muttergesellschaft der Klägerin und nicht auf den hier in Rede stehenden Darlehensvertrag. Außerdem geht es hier auch nicht um die üblichen Fälle der Darlehensgewährung in Form von Vorschüssen auf zu erwartende Provisionszahlungen, sondern um die Hingabe eines nicht unbeträchtlichen Darlehens an eine Aktiengesellschaft für den Erwerb von Anteilen eines Mitbewerbers über eine Tochtergesellschaft der Versicherungsgesellschaft. Bei diesem atypischen Einzelfall lässt sich ein Verstoß gegen § 89 Abs. 2 HGB nicht feststellen. Hinzu kommt, dass ein solcher Verstoß auch nicht die Unwirksamkeit des gesamten Darlehensvertrages zur Folge hätte, da sich der Verstoß gemäß § 89 Abs. 2 HGB allenfalls im Hinblick auf das Kündigungsrecht bezogen auf den Agenturvertrag auswirken könnte.
35Eine unangemessene Benachteiligung im Sinne des § 307 BGB kann vorliegend schon deshalb nicht angenommen werden, da die Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass die zugrunde liegenden vertraglichen Regelungen überhaupt Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen. Aus dem dahingehenden eigenen Vortrag geht vielmehr hervor, dass die Parteien die genannten Verträge individuell ausgehandelt haben.
36Ein Zurückbehaltungsrecht im Sinne von § 273 BGB bis zur Vorlage eines Buchauszuges steht der Beklagten schon deshalb nicht zu, da sich ein solcher Anspruch allenfalls gegen die Muttergesellschaft der Klägerin, nicht aber gegen die Klägerin selbst richten könnte. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang damit argumentiert, dass die Vorlage des Buchauszuges im Hinblick auf die einmalige Sondertilgung gemäß § 3 der Zusatzvereinbarung vom 23./25.11.2003 von Bedeutung sei, so ist dem entgegen zu halten, dass § 3 des vorgenannten Vertrages zunächst eine Zahlungspflicht der Beklagten vorsieht. Zwar trifft es zu, dass die Zahlung letztendlich durch Provisionen der Beklagten zu leisten sein sollte. Unstreitig ist bisher allerdings tatsächlich von der Beklagten eine solche Zahlung noch nicht geleistet worden. Deshalb kann auch eine Verrechnung mit dem hier in Rede stehenden Darlehen bisher noch nicht erfolgt sein. Die Höhe des Darlehens ist daher hiervon bisher unberührt. Die Beklagte ist deshalb darauf zu verweisen, dass sie etwaige Provisionsansprüche anschließend gegenüber der Muttergesellschaft der Klägerin geltend zu machen hat. Es ist hingegen kein Grund ersichtlich, weshalb die Klägerin einen etwaigen Anspruch auf Vorlage eines Buchauszuges gegenüber der Muttergesellschaft der Klägerin nunmehr gegenüber der personenverschiedenen Klägerin als Zurückbehaltungsrecht geltend machen können soll.
37Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit richtet sich nach § 709 ZPO.
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