Beschluss vom Landgericht Dortmund - 9 T 239/09
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller vom 09.04.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 31.03.2009 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach einem Gegenstandswert von 3.000,00 € den Antragstellern auferlegt.
1
G r ü n d e
2I.
3Der am 30.10.1994 geborene Angenommene ist das leibliche Kind der Eheleute I und lebt derzeit bei ihnen im Kosovo, wo er auch die Schule besucht; ein Antrag auf Familienzusammenführung mit den Antragstellern als Adoptiveltern wurde beim Kreis Coesfeld bereits gestellt, seine Bescheidung jedoch vom Ausgang des Anerkennungsverfahrens abhängig gemacht.
4Die Antragsteller stammen aus demselben Dorf im Kosovo wie die leiblichen Eltern des Kindes; der antragstellende Ehemann ist der Onkel des Angenommenen. Die Antragsteller sind seit dem 29.12.1997 verheiratet und haben noch drei leibliche Kinder, die jünger sind als der Angenommene. Die leiblichen Eltern des Angenommenen haben noch ein jüngeres Kind; der leibliche Vater ist infolge eines Unfalls im Jahr 2001 halbseitig gelähmt und erwerbsunfähig.
5Am 03.08.2007 wurde in Anwesenheit der Antragsteller, des Kindes und seiner leiblichen Eltern durch Beschluss des Amtsgerichts in Deçan dem dort gestellten Adoptionsantrag der Antragsteller stattgegeben. In der Begründung des Beschlusses wurde ausgeführt, dass der Angenommene erklärt habe zu verstehen, dass der Antragsteller sein Onkel sei, dass er diesen und seine Frau liebe und dass es sein Wunsch sei, in ihrer Familie zu leben. Der leibliche Vater sei Invalide und die Eltern lebten in armen Verhältnissen, während die Antragsteller über eine geregelte Arbeit und Wohnsituation verfügten. Deshalb hätten sich die leiblichen Eltern mit der Adoption einverstanden erklärt; auch seien die Antragsteller bereits vorher für den Unterhalt des Angenommenen aufgekommen. Das Gericht hatte ein Gutachten des Zentrums für soziale Angelegenheiten eingeholt, das die Adoption befürwortete und u.a. angab, dass der Angenommene seit langer Zeit in ständigem Kontakt mit den Antragstellern stehe. Wegen der weiteren Einzelheiten der Adoptionsentscheidung wird auf die in deutscher Übersetzung bei den Akten befindliche Ablichtung des Beschlusses Bezug genommen.
6Die Antragsteller haben unter dem 22.02.2008 beim Amtsgericht Hamm die Anerkennung der kosovarischen Adoptionsentscheidung beantragt und u.a. zur Begründung angeführt, dass es der Wunsch des Angenommenen und seiner ganzen Familie sei, dass er zu ihnen nach Deutschland kommen könne. Sie seien in den letzten 6 bis 7 Jahren häufig länger, 5 bis 8 Wochen, im Urlaub zusammen gewesen. Der Junge leide sehr unter der familiären Situation im Kosovo, zumal der leibliche Vater ihm gegenüber auch gewalttätig geworden sei und seine schulischen Leistungen sich infolgedessen verschlechtert hätten; ihr Anliegen sei es, dem Jungen in Deutschland eine bessere Zukunft bieten zu können. Es bestehe bereits reger Gesprächskontakt mit Bild und Ton über das Internet; der Angenommene frage ständig, wann er endlich zu ihnen kommen könne.
7Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoptionen hat unter dem 17.04.2008, 08.01. und 10.07.2009 Stellungnahmen abgegeben, auf die wegen ihrer Einzelheiten Bezug genommen wird. Ferner hat das Amtsgericht Hamm Berichte des Jugendamts des Kreises Coesfeld vom 03.07.2008 zur Lebenssituation der Antragsteller und des Vereins Familie International Frankfurt e.V. vom 10.12.2008 über die Situation des Angenommenen im Kosovo eingeholt; auf beide Berichte wird wegen ihrer Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen.
8Das Amtsgericht Hamm hat mit Beschluss vom 31.03.2009 den Antrag auf Anerkennung der Adoption des Kindes durch die Antragsteller zurückgewiesen. Wegen der Begründung der Entscheidung im einzelnen wird auf die Gründe des Beschlusses verwiesen.
9Gegen diesen Beschluss, der ihnen am 03.04.2009 zugestellt worden ist, haben die Antragsteller am 09.04.2009 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie verfolgen ihren Antrag auf Anerkennung der Adoption weiter und führen ergänzend aus, dass die Adoption dem Kindeswohl sowie dem Wunsch aller Beteiligten entspreche. Insbesondere seien auch dem Angenommenen die Tragweite der Entscheidung und ihre Folgen bewusst. Die Antragsteller seien fraglos erziehungsfähig; die Integration des Angenommenen würde nicht mehr Schwierigkeiten mit sich bringen als in den zahlreichen Fällen ausländischer Familien, die aus ihrer Heimat geflüchtet seien. Wegen der weiteren Einzelheiten der Beschwerdebegründung wird auf den Schriftsatz vom 17.07.2009 verwiesen.
10II.
11Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 5 Abs. 4 S. 2, Abs. 3 S. 1 AdWirkG, 22 Abs. 1 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
12Sie ist jedoch unbegründet.
13Das Amtsgericht Hamm hat den Antrag auf Anerkennung der am 03.08.2007 durch das Amtsgericht in Deçan im Kosovo ausgesprochenen Adoption des Kindes durch die Antragsteller zu Recht gem. § 16 a Nr. 4 FGG mit der Begründung zurückgewiesen, sie verstoße gegen den deutschen ordre public.
14Gem. § 16 a Nr. 4 FGG ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Hierbei handelt es sich zwar um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist; eine ordre-public-Widrigkeit ist danach nicht schon dann gegeben, wenn ein deutsches Gericht nach – selbst zwingendem – deutschen Recht anders zu entscheiden gehabt hätte, sondern vielmehr erst dann, wenn die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zu einem Ergebnis führen würde, das zu den Grundgedanken der entsprechenden deutschen Regelung und den darin enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stünde, dass das Ergebnis nach inländischen Vorstellungen untragbar erschiene (vgl. insg. Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl. 2006, § 16 a Rdnr. 7-8, 20; Weitzel, NJW 2008, 186 ff.; KG NJOZ 2006, 2655 ff.).
15So verhält es sich hier. Nach allgemeiner Ansicht ist die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung insbesondere dann ausgeschlossen, wenn die Entscheidung mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Kindes aus Art. 1, 2 Abs. 1 GG unvereinbar ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht den Anspruch des Einzelnen auf Anerkennung und Schutz seiner persönlichen Identität und Individualität. Hierzu gehören seine individuelle Biographie und seine persönliche Herkunft; hierzu zählt auch die schützenswerte rechtliche Verbindung zu seinen leiblichen Eltern. Es daher maßgeblich darauf an, ob das Kindeswohl im Einzelfall eine Adoption erfordert, ob mithin ein Adoptionsbedürfnis besteht.
16Hierfür reicht nicht allein ein Vergleich zwischen den materiellen Lebenslagen der leiblichen und der Adoptiveltern und zwischen den Zukunftsperspektiven aus, die sie dem Kind bieten können. Auch dass die familiären und persönlichen Verhältnisse bei den Adoptiveltern besser sein könnten als bei den leiblichen Eltern, ist ebenso wenig ein ausreichender Grund für eine Adoption, wie das Bestehen einer besseren sozialen Infrastruktur mit höheren Bildungs- und Berufschancen. Erst wenn das leibliche Wohl des Kindes in seinem elterlichen Umfeld nachhaltig gefährdet ist, kann ein Wechsel von den leiblichen zu Adoptiveltern gerechtfertigt sein (Palandt/ Diederichsen, BGB, 68. Aufl. 2009, § 1741 Rdnr. 3; LG Potsdam, Beschluss vom 04.10.2007, BeckRS 2008, 11991; BVerfG NJW 1968, 2233).
17Im vorliegenden Fall reichen auch nach den vom Amtsgericht Hamm angestellten Nachermittlungen, die im Vorfeld der kosovarischen Adoptionsentscheidung noch gefehlt hatten, die gewonnenen Tatsachenerkenntnisse nicht aus, um ein Adoptionsbedürfnis im Interesse des Kindeswohls festzustellen.
18Der Angenommene gehört zur selben Familie wie die Antragsteller und kennt sie aus langjährigen persönlichen Kontakten aus dem großfamiliären Umfeld nur als Onkel und Tante. Er hat in seiner persönlichen Anhörung durch das Amtsgericht in Deçan auch entsprechend erklärt, dass der Antragsteller sein Onkel sei. Vor diesem Hintergrund erscheint schon fraglich, dass der Angenommene nunmehr allein aufgrund der Adoptionsentscheidung seine Eltern als Onkel und Tante und seinen Onkel und dessen Ehefrau als Eltern ansehen wird. Insbesondere ist auch noch kein tragfähiges Eltern-Kind-Verhältnis zwischen den Antragstellern und dem Angenommenen entstanden oder auch nur angebahnt; ein herzliches Verhältnis und regelmäßige fernmündliche Kontakte reichen hierfür nicht aus. Während der Angenommene alltäglich bei seinen leiblichen Eltern lebt, hat er mit den Antragstellern in den letzten Jahren lediglich 5-8wöchige Urlaube, also jeweils nicht einmal 1/6 des Jahres in unmittelbarem persönlichen Kontakt mit ihnen verbracht. Dabei sind Urlaube mit nahen Verwandten, insbesondere Onkel und Tanten in vielen Familien keineswegs ungewöhnlich; gerade wegen der engen Verwandtschaft ist dabei nicht ohne weiteres zu erwarten, dass spezifische, über das bisherige Verwandtschaftsverhältnis hinausgehende Eltern-Kind-Bindungen entstehen. Hinzu kommt, dass der Angenommene – auch wenn das Verhältnis zum leiblichen Vater schwer belastet und seiner Entwicklung sogar abträglich sein sollte – im Kosovo nicht nur mit diesem, sondern auch mit seiner Mutter und seinem jüngeren Bruder zusammenlebt. Hierzu ergibt sich außerdem aus dem Bericht des Vereins Familie International Frankfurt e.V., dass der Angenommene im Kosovo nicht nur in seiner Familie, sondern darüber hinaus auch in seinem schulischen, dörflichen und sonstigen Umfeld, das ihn bis heute stark geprägt habe, fest verwurzelt sei. All diese Beziehungen würde durch die Adoption rechtlich und tatsächlich vollständig durchtrennt. Ferner käme der Angenommene in Deutschland bei den Antragstellern in eine Familie, in der bereits deren drei leibliche – jüngere – Kinder leben und eigene Ansprüche haben, und zwar keinesfalls nur in materieller Hinsicht. Wie der Sozialbericht des Jugendamts des Kreises Coesfeld zeigt, haben die Antragsteller sich mit den möglichen psychischen, sprachlichen und emotionalen Integrationsschwierigkeiten des Angenommenen noch nicht ausreichend befasst. Diesen Eindruck vermitteln auch ihre eigenen im Adoptionsverfahren abgegebenen schriftlichen Stellungnahmen, in denen die Antragsteller gerade auf diese spezifischen Problembereiche nicht eingehen. Sie setzen eher auf die materiellen Vorteile und die praktische Handhabbarkeit der Einbeziehung des Angenommenen in ihre Familie. Dass zahlreiche Flüchtlingsfamilien ebenfalls mit Integrationsschwierigkeiten zu kämpfen und gleichwohl gute Erfolge erreicht haben, steht außer Frage, ist aber auf die vorliegende Konstellation nicht übertragbar, da zum einen eine der Flüchtlingssituation vergleichbare Notlage des Angenommenen im vorliegenden Fall nicht besteht und zum anderen in solchen Flüchtlingsfamilien in der Regel der Familienverband erhalten geblieben ist.
19Schließlich ist noch anzumerken, dass die Antragsteller zu der Überlegung als solcher, den Angenommenen bei sich aufzunehmen, eingangs noch zum Ausdruck gebracht hatten, dass sie sich dies zunächst auch ohne eine Adoption vorgestellt hatten bzw. hätten vorstellen können. Allein dies scheiterte an den ausländerrechtlichen Hürden. So entstand – als offiziell gangbarer Weg – die Idee einer Adoption. Eine solche Motivation und Vorgehensweise ist jedoch mit dem Grundgedanken des Adoptionswesens nicht vereinbar. Der kosovarischen Adoptionsentscheidung war daher die Anerkennung in Deutschland zu versagen.
20Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 13 a Abs. 1 S. 2 FGG, 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
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