Beschluss vom Landgericht Dortmund - 15 T 179/07
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers zu 2) vom 06.07.2007 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 30.05.2007 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach einem Gegenstandswert von 3.000,00 € dem Antragsteller zu 2) auferlegt.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Antragsteller zu 2) und 3) begehren die Anerkennung einer südkoreanischen Adoptionsentscheidung.
4Die zu 1) beteiligten Zwillinge sind die Nichten der Antragstellerin zu 3). Die Antragsteller zu 2) und 3) leben seit 1998 in Deutschland. Die leiblichen Eltern der Zwillinge sind seit Januar 2005 geschieden. In der Folgezeit lebten sie zunächst bei dem Kindesvater, dann bei den Großeltern in Seoul. Nachdem sie dort nur unregelmäßig die Schule besucht hatten und Erziehungsprobleme aufgetreten waren, wurde entschieden, dass die Antragsteller zu 2) und 3) die Kinder in Deutschland aufziehen sollten.
5Am 14.04.2006 sprach die koreanische Adoptionsbehörde auf Antrag der Antragsteller zu 2) und 3) und mit Einwilligung der leiblichen Eltern die Adoption der Zwillinge durch die Antragsteller aus. Bereits am 03.05.2006 nahmen diese sie mit nach Deutschland, wo sie jedoch nur jeweils auf drei Monate befristete Aufenthaltserlaubnisse erhielten. Seit September 2006 besuchen die Beteiligten zu 1) die T-Schule in E.
6Das Amtsgericht Hamm hat nach persönlicher Anhörung der Beteiligten zu 1) und der Antragsteller zu 2) und 3) sowie nach Einholung einer Stellungnahme der Bundeszentralstelle für Auslandsadoption vom 08.01.2007 mit Beschluss vom 30.05.2007 den Antrag der Antragsteller zu 2) und 3) auf Anerkennung der Adoption der Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Anhörung wird auf die Protokolle vom 07. und 23.08.2007, wegen des Inhalts der Stellungnahme auf diese verwiesen.
7Gegen den Beschluss, der ihm am 27.06.2007 wirksam zugestellt worden ist, hat der Antragsteller zu 2) am 06.07.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Er verfolgt den Antrag auf Anerkennung der Adoption weiter und führt zur Begründung aus, dass von Anfang an ein enger und liebevoller Kontakt zu den Beteiligten zu 1) bestanden habe, zahlreiche Ausflüge zusammen unternommen und Geburtstage gemeinsam gefeiert worden seien, während die leiblichen Eltern offen ihre Konflikte ausgetragen und sich nicht um die Kinder gekümmert hätten. Nach 1998 hätten die Antragsteller zu 2) und 3) mindestens einmal im Monat mit den Kindern telefoniert und seien mindestens einmal im Jahr nach Südkorea geflogen. Die Großeltern in Seoul hätten erhebliche Erziehungsprobleme gehabt; die Beteiligten zu 1) hätten sich ihrem Einfluss entzogen, die Schule geschwänzt und sich auf der Straße herumgetrieben, seien emotional und physisch verwahrlost. Hilfe von Behörden habe es nicht gegeben und sei nicht gewünscht gewesen. Zwischenzeitlich hätten die Beteiligten zu 1) die deutsche Sprache erlernt und seien in die Familie der Antragsteller zu 2) und 3) sowie in das schulische und soziale Umfeld voll integriert. Die Kontakte zum Vater und der Großmutter hätten nur während der Eingewöhnungszeit noch bestanden.
8Das Amtsgericht Hamm hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Dortmund zur Entscheidung vorgelegt.
9Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoption hat unter dem 22.04. und 21.11.2008 Stellungnahmen zu der sofortigen Beschwerde des Antragstellers zu 2) abgegeben, auf die wegen ihres Inhalts ebenfalls Bezug genommen wird.
10II.
11Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 5 Abs. 4 S. 2, Abs. 3 S. 1 AdWirkG, 22 Abs. 1 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
12Sie ist jedoch unbegründet.
13Das Amtsgericht Hamm hat den Antrag auf Anerkennung der am 06.06.2006 durch die südkoreanische Adoptionsbehörde ausgesprochenen Adoption der Kinder durch die Antragsteller zu 2) und 3) zu Recht gem. § 16 a Nr. 4 FGG mit der Begründung zurückgewiesen, sie verstoße gegen den deutschen ordre public.
14Gem. § 16 a Nr. 4 FGG ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Hierbei handelt es sich zwar um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist; eine ordre public-Widrigkeit ist danach nicht schon dann gegeben, wenn ein deutsches Gericht nach – selbst zwingendem – deutschen Recht anders zu entscheiden gehabt hätte, sondern vielmehr erst dann, wenn die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zu einem Ergebnis führen würde, das zu den Grundgedanken der entsprechenden deutschen Regelung und den darin enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stünde, dass das Ergebnis nach inländischen Vorstellungen untragbar erschiene (vgl. insg. Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl. 2006, § 16 a Rdnr. 7-8, 20; Weitzel, NJW 2008, 186 ff.; KG NJOZ 2006, 2655 ff.).
15So verhält es sich hier. Nach allgemeiner Ansicht ist die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung insbesondere dann ausgeschlossen, wenn vor der Entscheidung keine oder nur eine völlig unzureichende Kindeswohlprüfung stattgefunden hat (vgl. KG NJOZ 2006, 2655 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2008, I-25 Wx 114/07; LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30.10.2008, 2-9 T 295/08). Denn der wesentliche Grundsatz des deutschen Adoptionsrechts schlechthin ist, dass eine Adoption dem Wohl des anzunehmenden Kindes dient. Dies folgt aus § 1741 Abs. 1 BGB, wo dieser Grundsatz als erstes Tatbestandsmerkmal für eine zulässige Annahme herausgestellt wird. Das Gesetz trägt damit dem aus Art. 1 und 2 GG folgenden Persönlichkeitsrecht des Kindes Rechnung (vgl. LG Lüneburg, Beschluss vom 31.01.2007, 3 T 14/07 und OLG Celle, Beschluss vom 11.04.2008, 17 W 3/08). Allein das Kindeswohl ist Richtpunkt für das Wächteramt des Staates und Maßstab für die in Kindschaftssachen zu treffenden Entscheidungen der Instanzgerichte (BVerfG FPR 2002, 264). Für die Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Adoptionsentscheidung ist daher zwingend erforderlich, dass diese sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die konkrete Adoption dem Kindeswohl entspricht, ob also ein Adoptionsbedürfnis vorliegt, die Elterneignung der Annehmenden gegeben ist und eine Eltern-Kind-Beziehung bereits entstanden bzw. ihre Entstehung zu erwarten ist.
16Eine Kindeswohlprüfung, die den vorgenannten Anforderungen genügt, hat im vorliegenden Fall vor Ausspruch der Adoption durch die südkoreanische Adoptionsbehörde nicht stattgefunden.
17Dies ergibt sich zum einen bereits daraus, dass eine ausführliche Adoptionsentscheidung, in der eine Auseinandersetzung mit der Kindeswohlfrage dokumentiert ist, nicht vorliegt, und zum anderen aus den Angaben der Antragsteller zum Gang des Verfahrens in Südkorea, die sie im Anhörungstermin vor dem Amtsgericht Hamm am 07.08.2007 gemacht haben. Dem wird auch in dem Beschwerdevorbringen nicht entgegengetreten. Vielmehr sind dort zwar umfangreiche Ausführungen dazu enthalten, dass und weswegen die seinerzeitige Adoptionsentscheidung tatsächlich dem Kindeswohl entsprochen habe, nicht jedoch, dass diese Erwägungen auch von der zuständigen Stelle vor ihrer Entscheidung angestellt worden wären.
18Die fehlende Kindeswohlprüfung im Vorfeld der Adoptionsentscheidung, deren Anerkennung hier beantragt wird, ist auch weder verzichtbar, noch kann sie im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nachgeholt werden.
19Zwar ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung gegen den deutschen ordre public verstößt, der Zeitpunkt der Anerkennungsentscheidung. Hieraus folgt, dass zwischenzeitlich eingetretene oder bekannt gewordene neue Tatsachen bei der Entscheidung über die Anerkennungsfähigkeit grundsätzlich zugrunde zu legen sind (KG NJOZ 2006, 2659). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche für eine Adoption entscheidungserheblichen Umstände zu berücksichtigen sind, die seit dem Erlass der ausländischen Entscheidung bis zu deren Anerkennung aufgetreten sind. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass von dem Gericht, dass ausschließlich über die Anerkennung der ausländischen Adoptionsentscheidung zu entscheiden hat, eine neue und eigene Adoptionsentscheidung zu treffen wäre (vgl. LG Dresden, JAmt 2006, 360; LG Potsdam, Beschluss vom 04.10.2007, 5 T 133/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2008, I-25 Wx 114/07). Dies wäre auch mit dem gesetzlichen Rahmen für die Prüfung der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung, wie er sich aus § 16 a FGG ergibt, nicht vereinbar. Insbesondere gibt das Anerkennungsverfahren keine Veranlassung, dass das zur Entscheidung über die Anerkennung berufene Gericht eine am ordre public orientierte eigene Adoptionsprüfung an die Stelle der ordre public-widrigen ausländischen Entscheidung setzt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2008, I-25 Wx 114/07).
20Da hiernach eine erstmalige Kindeswohlprüfung im Anerkennungsverfahren nicht veranlasst war, konnte es auch nicht zur Anerkennungsfähigkeit der südkoreanischen Adoptionsentscheidung führen, dass zwischenzeitlich nach dem Beschwerdevorbringen eine Situation eingetreten ist, welche die Adoption als dem Kindeswohl dienlich erscheinen ließe. Dies sind allerdings Umstände, die in einem Nachadoptionsverfahren relevant sein können.
21Die Anerkennungsfähigkeit der Adoptionsentscheidung der südkoreanischen Adoptionsbehörde ist auch nicht deshalb anders zu bewerten, weil es sich nur um eine sog. "schwache" Adoption handelte. Denn auch eine solche muss dem Kindeswohl entsprechen. Dies wäre wiederum insbesondere deshalb genau zu prüfen gewesen, weil von Anfang an beabsichtigt war, die Zwillinge zu den Antragstellern nach Deutschland zu holen, so dass auch mit der "schwachen" Adoption für die Kinder die einschneidende tatsächliche Folge einherging, dass sie aus ihrem bisherigen familiären, schulischen und sozialen Umfeld herausgenommen und mit den Antragstellern nach Deutschland gehen sollten, zu denen sie zwar im Kindesalter ein enges und vertrauensvolles Verhältnis gehabt haben mögen, zu denen aber seit deren Umzug nach Deutschland im Jahre 1998 bis zur Adoptionsentscheidung 2006 Kontakte nur noch in Form monatlicher Telefonate und einmal jährlich stattfindender Besuche gepflegt wurden. Weder mit diesen Aspekten noch mit dem Erfordernis, die Kinder aus den von den Antragstellern angeführten Gründen der Erziehungs- und Schulprobleme sowie der angeblich drohenden sozialen Verwahrlosung und Kriminalisierung aus ihrem bisherigen Umfeld herauszunehmen und sie von den in Deutschland lebenden Antragstellern adoptieren zu lassen, anstatt über schulische und behördliche Hilfen auf eine Verbesserung ihrer Lebenssituation vor Ort bei den Großeltern und dem leiblichen Vater hinzuwirken, hat sich die südkoreanische Adoptionsbehörde auseinandergesetzt.
22Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 13 a Abs. 1 S. 2 FGG, 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
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