Beschluss vom Landgericht Dortmund - 15 T 56/08
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Annehmenden vom 25.02.2008 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 06.02.2008 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nach einem Gegenstandswert von 3.000,00 € den Annehmenden auferlegt.
1
G r ü n d e
2I.
3Die Annehmenden begehren die Anerkennung einer thailändischen Adoptionsentscheidung.
4Die Angenommenen sind Nichte und Neffe der Antragstellerin; das Mädchen ist aus der geschiedenen Ehe ihres Bruders hervorgegangen und hat eine in Thailand lebende 17jährige Schwester, der Junge ist aus der geschiedenen Ehe ihrer Schwester hervorgegangen und hat einen 4jährigen Bruder, der in Thailand bei der Großmutter lebt. Die Antragsteller haben am 29.12.1995 vor dem Standesamt Ennigerloh die Ehe geschlossen und leben seither durchweg in Deutschland.
5Unter dem 30.05.2005 wurden vor dem Registrationsbüro des Distrikts Müang Saraburi der Provinz Saraburi die Adoption des Mädchens durch die Antragsteller gemeinsam und des Jungen durch die Antragstellerin allein registriert. Datierend vom 24.05.2005 lagen Bescheinigungen des Department of Social Development and Welfare in Bangkok vor, wonach die leiblichen Eltern der Kinder jeweils ihre Einwilligung in die Adoption erklärt hätten und das "Child Adoption Board of Thailand" die Adoptionsanträge jeweils unter dem 28.04.2005 genehmigt habe.
6Das Amtsgericht Hamm hat nach persönlicher Anhörung der Beteiligten am 15.01.2007, wegen deren Einzelheiten auf das Protokoll Bezug genommen wird, und nach Einholung einer Stellungnahme der Bundeszentralstelle für Auslandsadoption vom 02.04.2007, auf die wegen ihres Inhalts ebenfalls verwiesen wird, durch Beschluss vom 01.02.2008 den thailändischen Adoptionsentscheidungen die Anerkennung versagt. Zur Begründung hat es angeführt, dass die Entscheidungen gegen den deutschen ordre public verstießen, da die erforderlichen Bestätigungen über die Bewilligung der Adoption durch das Child Adoption Board nicht vorgelegen hätten, so dass feststehe, dass den thailändischen Behörden zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Adoptionen nicht bekannt gewesen sei, dass die Antragsteller in Deutschland lebten und hier ihren Lebensmittelpunkt haben. Vielmehr hätten sie die Adoption offensichtlich als Inlandsadoption behandelt. Daher habe auch keine Kindeswohlprüfung unter Berücksichtigung der beabsichtigten Verbringung der Kinder ins Ausland und der Trennung von ihren Ursprungsfamilien stattgefunden.
7Gegen diesen Beschluss, der ihnen am 15.02.2008 zugestellt wurde, haben die Antragsteller am 25.02.2008 sofortige Beschwerde eingelegt. Sie sind der Ansicht, dass die erforderliche Bestätigung in den Bescheinigungen des Department of Social Development and Welfare in Bangkok vom 24.05.2005 enthalten seien.
8Die Bundeszentralstelle für Auslandsadoption hat zu der sofortigen Beschwerde unter dem 27.10.2008 und 10.07.2009 Stellungnahmen abgegeben, auf die wegen ihrer Einzelheiten Bezug genommen wird.
9II.
10Die Beschwerde ist als sofortige Beschwerde gem. §§ 5 Abs. 4 S. 2, Abs. 3 S. 1 AdWirkG, 22 Abs. 1 FGG statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden.
11Das Amtsgericht Hamm hat den am 30.05.2005 durch das Registrationsbüro des Distrikts Müang Saraburi der Provinz Saraburi ausgesprochenen Adoptionen der Kinder durch die Antragsteller im Ergebnis zu Recht die Anerkennung versagt, denn sie verstoßen gegen den deutschen ordre public. Die Vorschriften des Haager Übereinkommens sind nicht eingehalten worden, es liegen wesentliche Verfahrensmängel vor, und es hat keine ausreichende Kindeswohlprüfung stattgefunden. Insgesamt sind die thailändischen Entscheidungen unter Berücksichtigung der Bedeutung der Adoption als Eingriff in die Persönlichkeit eines Kindes mit den hiesigen Rechtsvorstellungen nicht vereinbar.
12Gem. § 16 a Nr. 4 FGG ist die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung ausgeschlossen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist. Hierbei handelt es sich zwar um eine Ausnahmevorschrift, die eng auszulegen ist; eine ordre public-Widrigkeit ist danach nicht schon dann gegeben, wenn ein deutsches Gericht nach – selbst zwingendem – deutschen Recht anders zu entscheiden gehabt hätte, sondern vielmehr erst dann, wenn die Anerkennung der ausländischen Entscheidung zu einem Ergebnis führen würde, das zu den Grundgedanken der entsprechenden deutschen Regelung und den darin enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen in so starkem Widerspruch stünde, dass das Ergebnis nach inländischen Vorstellungen untragbar erschiene (vgl. insg. Bumiller/Winkler, FGG, 8. Aufl. 2006, § 16 a Rdnr. 7-8, 20; Weitzel, NJW 2008, 186 ff.; KG NJOZ 2006, 2655 ff.).
13So verhält es sich hier. Nach allgemeiner Ansicht ist die Anerkennung einer ausländischen Adoptionsentscheidung insbesondere dann ausgeschlossen, wenn vor der Entscheidung keine oder nur eine völlig unzureichende Kindeswohlprüfung stattgefunden hat (vgl. KG NJOZ 2006, 2655 ff.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2008, I-25 Wx 114/07; LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 30.10.2008, 2-9 T 295/08). Denn der wesentliche Grundsatz des deutschen Adoptionsrechts schlechthin ist, dass eine Adoption dem Wohl des anzunehmenden Kindes dient. Dies folgt aus § 1741 Abs. 1 BGB, wo dieser Grundsatz als erstes Tatbestandsmerkmal für eine zulässige Annahme herausgestellt wird. Das Gesetz trägt damit dem aus Art. 1 und 2 GG folgenden Persönlichkeitsrecht des Kindes Rechnung (vgl. LG Lüneburg, Beschluss vom 31.01.2007, 3 T 14/07 und OLG Celle, Beschluss vom 11.04.2008, 17 W 3/08). Allein das Kindeswohl ist Richtpunkt für das Wächteramt des Staates und Maßstab für die in Kindschaftssachen zu treffenden Entscheidungen der Instanzgerichte (BVerfG FPR 2002, 264). Für die Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Adoptionsentscheidung ist daher zwingend erforderlich, dass diese sich mit der Frage auseinandergesetzt hat, ob die konkrete Adoption dem Kindeswohl entspricht, ob also ein Adoptionsbedürfnis vorliegt, die Elterneignung der Annehmenden gegeben ist und eine Eltern-Kind-Beziehung bereits entstanden bzw. ihre Entstehung zu erwarten ist.
14Eine Kindeswohlprüfung, die den vorgenannten Anforderungen genügt, hat im vorliegenden Fall vor Ausspruch der Adoption durch die thailändische Adoptionsbehörde nicht stattgefunden, da sie von einer Inlandsadoption ausgegangen ist und daher weder die tatsächlichen Auswirkungen der Adoption für die Kinder bedacht noch eine Elterneignungsprüfung im Aufnahmeland durchgeführt hat.
15Diese Verfahrens- und materiellen Fehler im Vorfeld der Adoptionsentscheidung, deren Anerkennung hier beantragt wird, können auch nicht im Rahmen des Anerkennungsverfahrens nachgeholt werden.
16Zwar ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Frage, ob die Anerkennung der ausländischen Entscheidung gegen den deutschen ordre public verstößt, der Zeitpunkt der Anerkennungsentscheidung. Hieraus folgt, dass zwischenzeitlich eingetretene oder bekannt gewordene neue Tatsachen bei der Entscheidung über die Anerkennungsfähigkeit grundsätzlich zugrunde zu legen sind (KG NJOZ 2006, 2659). Dies bedeutet jedoch nicht, dass sämtliche für eine Adoption entscheidungserheblichen Umstände zu berücksichtigen sind, die seit dem Erlass der ausländischen Entscheidung bis zu deren Anerkennung aufgetreten sind. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass von dem Gericht, dass ausschließlich über die Anerkennung der ausländischen Adoptionsentscheidung zu entscheiden hat, eine neue und eigene Adoptionsentscheidung zu treffen wäre (vgl. LG Dresden, JAmt 2006, 360; LG Potsdam, Beschluss vom 04.10.2007, 5 T 133/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2008, I-25 Wx 114/07). Dies wäre auch mit dem gesetzlichen Rahmen für die Prüfung der Anerkennungsfähigkeit einer ausländischen Entscheidung, wie er sich aus § 16 a FGG ergibt, nicht vereinbar. Insbesondere gibt das Anerkennungsverfahren keine Veranlassung, dass das zur Entscheidung über die Anerkennung berufene Gericht eine am ordre public orientierte eigene Adoptionsprüfung an die Stelle der ordre public-widrigen ausländischen Entscheidung setzt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.08.2008, I-25 Wx 114/07).
17Die Anerkennungsfähigkeit der Adoptionsentscheidung der thailändischen Adoptionsbehörde ist auch nicht deshalb anders zu bewerten, weil es sich nur um eine sog. "schwache" Adoption handelte. Denn auch eine solche muss dem Kindeswohl entsprechen. Dies wäre wiederum insbesondere deshalb genau zu prüfen gewesen, weil von Anfang an beabsichtigt war, die Kinder zu den Antragstellern nach Deutschland zu holen, so dass auch mit der "schwachen" Adoption für die Kinder die einschneidende tatsächliche Folge einherging, dass sie aus ihrem bisherigen familiären, schulischen und sozialen Umfeld herausgenommen und mit den Antragstellern nach Deutschland gehen sollten. In Unkenntnis dieser beabsichtigten Veränderung haben sich die thailändischen Behörden nicht mit der Frage befassen können, ob hierfür ein Bedürfnis besteht und sie dem Kindeswohl entspricht. Der einzig bekannte und geprüfte Umstand der Scheidung der jeweiligen leiblichen Eltern der Kinder wäre hiernach nur noch ein Einzelaspekt gewesen; die vollständige räumliche Trennung von den geschiedenen, aber noch lebenden leiblichen Eltern, den Geschwistern und den Großeltern konnte nicht in die Erwägungen einbezogen werden. Ebenso konnten die Auswirkungen des vollständigen Wechsels in einen anderen Sprach- und Kulturkreis nicht berücksichtigt werden und ist nicht geprüft worden, in welches familiäre, schulische und soziale Umfeld die Kinder in Deutschland kommen sollten.
18Da die Adoptionsentscheidungen der thailändischen Behörden hiernach an erheblichen und nicht heilbaren Mängeln leiden, kann es im Rahmen des Anerkennungsverfahrens auch nicht zu einem anderen Ergebnis führen, dass die Kinder zwischenzeitlich die deutsche Sprache erlernt haben, in das schulische und soziale Umfeld gut integriert sind und zu den Kindeseltern möglicherweise bereits eine echte Eltern-Kind-Beziehung aufgebaut haben. Die Prüfung dieser Umstände und die Frage, ob sie eine Nachadoption rechtfertigen, haben in dem hierfür vorbehaltenen eigenständigen Verfahren zu erfolgen.
19Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 13 a Abs. 1 S. 2 FGG, 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
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