Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 461/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger beteiligte sich über den Treuhänder U mit einer Kommanditbeteiligung in Höhe von 30.000,00 DM zuzüglich 5 % Abwicklungsgebühren an der W. Grundlage war sein formularmäßiges "Beteiligungsangebot" vom 05.10.1995 (Anlage K 1, Blatt 13 der Akten). Darin heißt es u. a.:
3"Beteiligungsbetrag und Abwicklungsgebühren sollen finanziert werden…
4Widerrufsbelehrung
5Meine/Unsere Beitrittserklärung zur W kann innerhalb einer Frist von einer Woche widerrufen werden. Schriftform ist erforderlich. Diese Frist beginnt mit der Aushändigung dieser Widerrufsbelehrung. Zur Wahrung der Frist genügt das rechtzeitige Absenden des Widerrufs. Der Widerruf ist zu richten an den Treuhänder, Herrn Rechtsanwalt U."
6Unter dem 05.10.1995 stellte der Kläger eine formularmäßige "Kreditanfrage (Anlage K 2, Blatt 14 der Akten und Anlage B 2) mit folgendem "Kreditwunsch":
7"Nettokredit 31.500,00, Zinssatz 6,65 % p. a., Effektivzins 9,55 % p. a., Auszahlungskurs 90 %, Zinsbindung bis 5 j. Anfangstilgung LV."
8Unter dem 02.11.1995/14.11.1995 schlossen die Parteien einen schriftlichen Kreditvertrag (Anlage K 3, Blatt 15 bis 17 der Akten). Darin heißt es u. a.:
9"Sie erhalten zur freien Verfügung ein Annuitätenkredit über DM 35.000,00. …
10Zinssatz: 6,65 % p. a. fest vereinbart bis zum 30.11.2000
11Auszahlungskurs: 90 %
12Anfangstilgung: 0 %
13Kreditlaufzeit bis zum 30.11.2000 gemäß Zif. 3 Abs. 1 der "Allg.
14Kreditbedingungen"
15Die fällige Kreditschuld wird am 30.11.2000 (Ende der Kreditlaufzeit) DM
1635.000,00 betragen. Beachten Sie hierzu bitte Zif. 3 unserer beigefügten
17"Allg. Kreditbedingungen".
18Widerrufsbelehrung
19…
20Der Widerruf gilt als nicht erfolgt, wenn der ausgezahlte Kreditbetrag
21nicht innerhalb von zwei Wochen entweder nach Erklärung des Widerrufs
22oder nach Empfang des Kreditbetrages zurückgezahlt wird."
23Die Beklagte übersandte dem Kläger die von ihm unterschriebene Vertragsurkunde mit Einschreiben und Rückschein am 04.11.1995 (Anlage B 3 und B 7).
24Unter dem 23.11.1995/08.12.1995 schlossen die Parteien einen weiteren schriftlichen Darlehensvertrag, der den vorgenannten Darlehensvertrag ersetzte. Abgeändert wurden der Zinssatz und die abgetretenen Rechte aus der Lebensversicherung.
25Die Beklagte zahlte den Nettokredit an den Kläger aus.
26Unter dem 30.11.2000/06.12.2000 schlossen die Parteien einen schriftlichen Kreditvertrag über 35.000,00 DM ab 01.12.2000 (Anlage K 4, Blatt 18 und 19 der Akten sowie B 5). Verwendungszweck sollte die Ablösung des bisherigen Kredits unter der Kto.-Nr. … mit einem Restsaldo von 35.000,00 DM sein. Die Beklagte übersandte dem Kläger die von ihr unterschriebene Vertragsurkunde mit Schreiben vom 30.11.2000 (Anlage B 4) auf dem Postweg. Darin heißt es u. a.:
27"Der oben genannte Kredit war zum 30.11.2000 zur Rückzahlung fällig.
28Sie bekommen zur Tilgung der restlichen Valuta einen Kredit zu neuen Bedingungen. …"
29Unter dem 04.11.2005/17.11.2005 schlossen die Parteien einen weiteren schriftlichen Darlehensvertrag (Anlage B 6) zur Ablösung des vorgenannten Darlehens. Die von ihr unterschriebene Vertragsurkunde übersandte die Beklagte dem Kläger auf dem Postweg.
30Mit Anwaltsschreiben vom 18.03.2008 (Anlage K 5, Blatt 20 und 21 der Akten) erklärte der Kläger den Widerruf, die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung und die Kündigung.
31Mit der vorliegenden Klage begehrt er die Rückzahlung seiner unstreitigen Darlehensraten in Höhe von 16.807,52 € abzüglich streitiger Fondsausschüttungen in Höhe von 2.312,50 DM = 1.182,36 € sowie die Rückabtretung der zur Sicherheit abgetretenen Lebensversicherung und die Feststellung, dass er keine Darlehensrückzahlung schulde.
32Der Kläger behauptet, im September 1995 habe ihn der Zeuge U2 im Rahmen eines "Jahresgespräches" ohne konkreten Anlass in seiner Wohnung aufgesucht. Er habe mit dem Kläger über die Möglichkeit der Investition in einen Immobilienfonds gesprochen, um Steuern zu sparen. Taube habe erklärt, dass sich die Immobilienfondsbeteiligung auch hervorragend als Altersvorsorge eigne. Damit sei ohne Eigenaufwand die Möglichkeit des Vermögensaufbaus für das Alter gesichert. Die Ausschüttungen und die Steuervorteile würden die Darlehensraten nebst Lebensversicherungsprämien decken. Um die Steuervorteile zu erhalten müsse die Fondsbeteiligung finanziert werden. Die Finanzierung sei auf die Dauer von 15 Jahren angelegt.
33Am 05.10.1995 habe U2 den Kläger erneut in seiner Wohnung aufgesucht. Er habe hohe Renditen bei geringer Eigenbeteiligung versprochen. U2 habe die Kreditanfrage fast vollständig ausgefüllt mitgebracht und dem Kläger das Beitrittsantragsformular und das Kreditantragsformular zur Unterschrift vorgelegt.
34Die Darlehensvertragsurkunde vom 23.11.1995/08.12.1995 habe U2 dem Kläger in seiner Privatwohnung zur Unterschrift vorgelegt.
35Mitursächlich für den Abschluss sämtlicher Darlehensverträge seien die Gespräche mit U2 im September und Anfang Oktober 1995 gewesen.
36Die Beklagte und die Fondsgesellschaft hätten planmäßig zusammengearbeitet. Die Fondsgesellschaft habe über die Software der Beklagten verfügt und die Darlehensverträge ausgedruckt. Es seien ausschließlich Finanzierungen durch die Beklagte vorgesehen gewesen und vermittelt worden.
37Die Fondsgesellschaft sei durch "Machenschaften" des Komplementärs in Not geraten und die Fondsanteile seien wertlos. Auf dieses Risiko sei er von U2, der unstreitig gutgläubig gewesen sei, nicht hingewiesen worden. Bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte er die Verträge nicht geschlossen.
38Der Kläger beantragt,
391.
40die Beklagte zu verurteilen, an ihn 15.625,16 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 02.04.2008 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Anteile und Ansprüche aus der Beteiligung aus der W über eine Beteiligungssumme von 31.500,00 DM inklusive Agio zur Beteiligungsnummer W/####/###,
412.
42die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.248,31 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
433.
44die Beklagte weiter zu verurteilen, an den Kläger die sicherungshalber abgetretenen Rechte und Ansprüche aus der Lebensversicherung-Nr. ####### bei der früheren B und jetzigen A rückabzutreten,
454.
46festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Beteiligung zu Ziffer 1) in Verzug befindet,
475.
48festzustellen, dass zwischen dem Kläger und der Beklagten kein wirksamer Darlehensvertrag bzw. keine wirksamen Darlehensverträge bestehen und der Kläger nicht verpflichtet ist, an die Beklagte aus dem Darlehensvertrag weiter Zins- und Tilgungsraten zu entrichten.
49Die Beklagte beantragt,
50die Klage abzuweisen.
51Die Beklagte behauptet, die Darlehensvertragsurkunde vom 23.11.1995/08.12.1995 sei dem Kläger auf dem Postweg übersandt worden (Anlage B 14, Blatt 168 der Akten).
52Die Beklagte bestreitet die Haustürsituation, deren Kausalität und beruft sich zudem auf die Einrede der Verjährung.
53Entscheidungsgründe:
54Die Klage ist nicht begründet.
55Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Rückgewähranspruch gemäß § 3 HWiG.
56Auf Schuldverhältnisse, die - wie vorliegend - vor dem 01.01.2002 entstanden sind, sind u. a. das BGB und das Haustürwiderrufsgesetz in der bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung anzuwenden (Art. 229, § 5 EGBGB).
57Die Voraussetzungen des § 3 HWiG sind nicht erfüllt, weil dem Kläger kein Recht, seine auf Abschluss des Darlehensvertrages oder der Darlehensverträge gerichteten Willenserklärungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG zu widerrufen, zustand.
58Dahinstehen kann in diesem Zusammenhang zunächst, ob der Darlehensvertrag vom 02.11.1995/14.11.1995 in einer Haustürsituation zustande gekommen ist, denn dieser Vertrag wurde unstreitig durch den Darlehensvertrag vom 23.11.1995/08.12.1995 ersetzt.
59Dahinstehen kann auch, ob der Darlehensvertrag vom 23.11.1995/08.12.1995 durch mündliche Verhandlungen in der Privatwohnung des Klägers zustande gekommen ist, denn nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 HWiG besteht ein Widerrufsrecht, wenn die mündlichen Verhandlungen, auf denen der Abschluss des Vertrages beruht, auf vorhergehende Bestellung des Kunden geführt worden sind. Dies ist hier nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (31 U 279/06), der die Kammer folgt, der Fall, weil die streitige Haustürsituation nach dem Vortrag des Klägers auf einer sich aus den Gesamtumständen schlüssig ergebenden vorhergehenden Bestellung beruhte. Der Vermittler U2 hatte den Kläger nach seinem eigenen Vortrag im September 1995 und am 05.10.1995 in der Privatwohnung des Klägers das Modell einer durch die Beklagte finanzierten Fondsbeteiligung vorgestellt und näher erläutert. Da sich der Kläger daraufhin zu dem kreditfinanzierten Fondsbeitritt entschlossen hatte, am 05.10.1995 das Beitrittsformular (K 1) sowie die Kreditanfrage (K 2) unterschrieben hatte und den Fondsbeitritt trotz der ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung auch nicht innerhalb der Widerrufsfrist widerrufen hatte, bedurfte es noch der Übermittlung und der Unterzeichnung der Darlehensvertragsurkunde. Dass der streitige Besuch des Vermittlers U2 in der Wohnung des Klägers nicht dem Wunsch des Klägers entsprach, lässt sich danach nicht annehmen. Es bestand für den Kläger vielmehr kein Überraschungsmoment mehr.
60Dahinstehen kann der Vortrag des Klägers, U2 habe ihn im September 1995 und am 05.10.1995 in seiner Wohnung aufgesucht und ihm den kreditfinanzierten Fondsbeitritt vorgestellt.
61Ein Widerrufsrecht gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWiG setzt voraus, dass der Kunde – hier der Kläger - durch mündliche Verhandlungen im Bereich seiner Privatwohnung oder an seinem Arbeitsplatz zu seiner späteren Vertragserklärung bestimmt worden ist. Dabei genügt es, dass er in eine Lage gebracht worden ist, in der er in seiner Entschließungsfreiheit, den ihm später angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt war (BGH-Urteile vom 09.05.2006, VI ZR 119/05, Rdn. 14 und XI ZR 114/05, Rdn. 14, jeweils m. w. N.).
62In diesem Zusammenhang kommt es darauf an, ob die ursprüngliche Überraschungssituation zum Zeitpunkt der Abgabe der Willenserklärung (Unterschrift unter die Darlehensvertragsurkunde) fortwirkt und sich der Darlehensnehmer noch in einer Lage befindet, in der er seiner Entschließungsfreiheit, den ihm angebotenen Vertrag zu schließen oder davon Abstand zu nehmen, beeinträchtigt ist. Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den mündlichen Verhandlungen gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HWiG und der Vertragserklärung wird für den von dem Kunden zu erbringenden Nachweis des Kausalzusammenhanges vom Gesetz nicht gefordert. Die von einem engen zeitlichen Zusammenhang ausgehende Indizwirkung nimmt aber mit zunehmendem zeitlichen Abstand ab und kann nach einer gewissen Zeit ganz entfallen. Welcher Zeitraum hierfür erforderlich ist und welche Bedeutung möglicherweise auch anderen Umständen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zukommt, ist eine Frage der Würdigung des konkreten Einzelfalls (OLG Hamm 31 U 279/06).
63Im vorliegenden Fall liegt zwischen der Vertragserklärung (23.11.1995 (08.12.1995)) und den streitigen Haustürsituationen im September 1995 und am 05.10.1995 ein Zeitraum von mehr als einem Monat.
64Hinzukommt, dass der Kläger die Beitrittserklärung vom 05.10.1995 trotz ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht widerrufen hat.
65Der Zeitablauf und der unterbliebene Widerruf des Fondbeitritts deuten darauf hin, dass der Kläger den Fondsbeitritt und die Finanzierung auch nach Wegfall der Überraschungssituation noch wünschte, ohne in seiner Entscheidungsfreiheit in maßgeblicher Weise beeinträchtigt zu sein. Wer sein Widerrufsrecht trotz ordnungsgemäßer Belehrung nicht ausübt tut dies regelmäßig bewusst (OLG Hamm 31 U 279/06, BGH XI ZR 119/05, 114/05, 337/04).
66Dass die Darlehensverträge vom 30.11.2000/06.12.2000 und vom 04.11.2005/17.11.2005 in einer Haustürsituation zustande gekommen sind, behauptet der Kläger selbst nicht. Hinsichtlich der Haustürsituation vom 05.10.1995 und September 1995 fehlt es zudem ebenso wie bei dem Vertrag vom 23.11.1995/08.12.1995 an dem Erfordernis des Kausalzusammenhanges der Überraschungssituation.
67Schadensersatzansprüche wegen eines Verschuldens bei Vertragsschluss hat der Kläger nicht.
68Dahinstehen kann die Behauptung des Klägers, er sei nicht über das mit der Fondsbeteiligung verbundene Ausfallrisiko hingewiesen worden. Bei einem geschlossenen Eigenkapitalimmobilienfonds - wie vorliegend – beschränkt sich die Haftung auf die Einlage und ein Totalausfallrisiko ist so gut wie ausgeschlossen (BGH XI ZR 106/05).
69Bei den weiteren von dem Kläger behaupteten im Einzelnen im Tatbestand dargestellten Erklärungen des Vermittlers Taube handelt es sich um reklamehafte Anpreisungen, subjektive Werturteile und marktschreierische Anpreisungen, die eine Prognose für die Zukunft betreffen und nicht um konkrete, dem Beweis zugängliche Angaben, die eine Haftung der Beklagten auslösen können (BGH Urteil vom 19.09.2006, XI ZR 204/04 und vom 13.07.2007 XI ZR 195/05, OLG Hamm 34 U 231/07). Angesichts der Allgemeinheit der Aussagen kann auch keine Rede davon sein, dass die Aussagen objektiv so grob falsch seien, dass sich aufdrängt, die Beklagte habe sich der Kenntnis der angeblichen arglistigen Täuschung geradezu verschlossen (BGH XI ZR 204/04).
70U2 täuschte zudem unstreitig auch nicht vorsätzlich, so dass allein aus diesem Grund keine Haftung besteht (BGH XI ZR 348/05, XI ZR 411/06 und XI ZR 204/04).
71Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 91 ZPO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.