Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 142/08
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden nach einem Streitwert in Höhe von bis zu 6.000,00 € dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger nimmt die Beklagte, bei der er eine Gebäudeversicherung unterhält, aus einem Hagelschaden an seinem Haus in Anspruch. Die Beklagte wendet Erfüllung hinsichtlich des im Übrigen zuletzt nach Grund und Höhe unstreitigen Anspruches ein.
3Der Kläger hatte zunächst, vertreten durch den Zeugen Rechtsanwalt H, ein selbständiges Beweisverfahren (2 OH 4/07 LG Dortmund) gegen die Beklagte angestrengt. Nach Vorliegen des in jenem Verfahren eingeholten Sachverständigengutachtens forderte der Zeuge H die Beklagte mit Schreiben vom 20.11.2007 (Anlage B 6 zur Klageerwiderung) zur Zahlung eines Betrages in Höhe von 5.682,25 € auf. Der Sachbearbeiter F der Beklagten fragte bei dem Zeugen wegen einer Geldempfangsvollmacht nach und forderte ihn auf, eine solche zu übersenden. Der Zeuge H übersandte daraufhin der Beklagten mit Schreiben vom 14.12.2007 eine Vollmacht von diesem Tage in Kopie, welche u. a. zur Entgegennahme von Geld berechtigte (Anlage B 7 zur Klageerwiderung). Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Unterschrift auf der Vollmacht von dem Kläger stammt, oder von dem Zeugen H gefälscht wurde.
4Nach Vorlage der Vollmacht überwies die Beklagte den Betrag an den Zeugen H. Dieser führte den Betrag nicht an den Kläger ab, sondern reichte im April 2008 die vorliegende Klage ein. Rechtsanwalt H ist inzwischen wegen anderer Delikte im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden.
5Unstreitig ist, dass der Kläger im Dezember 2007 eine Vollmacht unterzeichnet hat. Am 02.09.2008 begab er sich in die Praxis des Zeugen H um die Vollmacht zu widerrufen. Die Zeugin C vermerkte den Widerruf auf der Vollmacht vom 14.12.2007 (Blatt 79 d. A. Anlage zum Protokoll vom 28.10.2008) mit den Worten: "Ab 02.09.08 ungültig, Zeuge C" und übergab dem Kläger eine Kopie der Vollmacht mit dem Vermerk.
6Der Kläger behauptet, die Unterschrift auf der vorgenannten Vollmacht sei nicht von ihm geleistet, sondern von dem Zeugen H gefälscht worden. Er habe eine anders gestaltete Vollmacht unterzeichnet. Die Beklagte habe daher nicht mit befreiender Wirkung an H geleistet. Er verlangt nach allem weiterhin Erfüllung seines Anspruches auf die Versicherungsleistung. Er hat zunächst beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.869,60 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.12.2006 zu zahlen.
7Er beantragt nunmehr,
81. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.682,25 € nebst 8 %-
9Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.12.2006 zu zahlen;
102. ferner, die Beklagte zu verurteilen, an ihn vorgerichtliche
11Rechtsanwaltskosten in Höhe von 546,69 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.08.2009 zu zahlen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie behauptet, die Unterschrift auf der Vollmacht vom 14.12.2007 stamme vom Kläger. Der Zeuge H habe ausschließlich Vollmachtsurkunden verwendet, die dem bei dem Kläger verwendeten Vordruck entsprächen.
15Die Beklagte ist zudem der Auffassung, eine Vertretungsmacht des Zeugen H ergebe sich auch aus Rechtsscheingrundsätzen (Duldungs-/Anscheinsvollmacht).
16Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen H und C. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird insoweit auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 28.10.2008 (Blatt 75 ff. d. A.) und 03.02.2010 (Blatt 160 ff. d. A.) Bezug genommen.
17Das Gericht hat ferner Beweis erhoben aufgrund des Beschlusses vom 28.10.2008 (Blatt 78 d. A.) in Verbindung mit dem Beschluss vom 12.01.2009 (Blatt 96 d. A.) durch Einholung eines graphologischen Gutachtens des Sachverständigen G. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme insoweit wird auf dessen Gutachten vom 26.07.2009 Bezug genommen.
18E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
19Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet.
20Der Kläger hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf nochmalige Auskehrung der Versicherungsleistung, da die Beklagte mit befreiender Wirkung an den Zeugen Rechtsanwalt H geleistet hat. Das Gericht ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der Kläger die zur Entgegennahme von Geld berechtigende Vollmacht vom 14.12.2007 (Blatt 79 d. A.) unterzeichnet hat. Die Überzeugung des Gerichts gründet sich insbesondere auf unstreitige Umstände in Verbindung mit den Bekundungen der Zeugin C. So hat der Kläger unstreitig eine Vollmacht unterzeichnet, während die Zeugin C glaubhaft bekundete, dass im fraglichen Zeitraum lediglich ein Vollmachtsformular, welches dem streitgegenständlichen entsprach, in Gebrauch war. Nimmt man hinzu, dass der Kläger zudem eingeräumt hat, eine Vollmacht im Dezember 2007 unterzeichnet zu haben, so erscheint eine Motivation des Zeugen H, die Vollmacht zu fälschen gänzlich fernliegend, wenn auch dem Zeugen H ein solches Vorgehen allgemein zuzutrauen sein mag und aufgrund der fehlenden Glaubwürdigkeit des Zeugen seine Bekundungen für das Beweisergebnis ohne Belang sind. Der Umstand, dass die Vollmacht - einmalig - von dem Kläger eingeholt wurde, fügt sich in den sonstigen zeitlichen Ablauf. Rechtsanwalt H hatte die Beklagte mit Schreiben vom 13.12.2006 angeschrieben und dabei eine Vollmacht nicht überreicht, sondern nur anwaltlich versichert (Anlage zur Klageschrift). Es passt mithin zum Ablauf, wenn der Zeuge H, der nunmehr aufgrund der Nachfrage des Sachbearbeiters der Beklagten eine Empfangsvollmacht benötigte, sich diese vom Kläger unterzeichnen ließ.
21Soweit der Kläger dieses Beweisergebnis mit der Mutmaßung in Zweifel ziehen will, der Zeuge H habe möglicherweise noch ein altes Soldan-Formular benutzt, so überzeugt dies nicht. Ein konkreter Anhalt hierfür findet sich nicht. Auch wenn die Zeugin C bekundete, dass die Abläufe im Büro des H bisweilen "chaotisch" waren, so lässt sich hieraus nicht schließen, dass der Zeuge H sich bisweilen vergriff und eine alte Soldan-Vollmacht benutzte. Wenn dies der Fall gewesen wäre, so hätte es nahe gelegen, dass die Zeugin C die vereinzelte Benutzung einer solchen Vollmacht mitbekommen hätte. Sie hat aber im Gegenteil bekundet, lediglich von dem Gebrauch der streitgegenständlichen Vollmachtsformulare Kenntnis zu haben. Die Nutzung einer "veralteten" Vollmacht erscheint gerade in der konkreten Konstellation fernliegend. Denn der Anlass dafür, dass H eine Vollmacht benötigte, war die Anforderung einer Geldempfangsvollmacht durch den Sachbearbeiter der Beklagten.
22Demgegenüber überzeugen die Erklärungsversuche des Klägers, warum es sich bei der Vollmacht (Blatt 79 d. A.) nicht um die von ihm unterzeichnete Vollmacht handeln könne, nicht. So hat der Kläger erklärt, er sei sich sicher, dass in der Vollmacht ein anderer Text gestanden habe. Diese Erklärung ist nicht glaubhaft. Denn wenn der Kläger sich am 28.10.2008 sicher sein will, dass die Urkunde einen anderen Text aufgewiesen habe, so ist nicht erklärlich, dass er am 02.09.2008 anlässlich des Widerrufes der Vollmacht eine Kopie von der Zeugin C entgegennahm, ohne wegen der angeblich anderen optischen Gestaltung des Textes zu remonstrieren. Im Übrigen entspricht es auch nicht der Lebenserfahrung, dass der Textinhalt und die optische Gestaltung einer Rechtsanwaltsvollmacht bei der Unterzeichnung vom Mandanten vertieft zur Kenntnis genommen wird. Denn dieser Vorgang stellt sich jedenfalls bei einem zunächst ungestörten Mandatsverhältnis als reiner Routinevorgang dar, der keinen Anlass bietet, Einzelheiten des Vorganges dem Langzeitgedächtnis zuzuführen.
23Ähnlich konstruiert wirkt die Annahme des Klägers, er hätte sofort die Schreibweise seines Namens auf dem Vollmachtsformular korrigiert, da er Lehrer sei. Dieser Annahme wird allein schon dadurch der Boden entzogen, dass während des gesamten selbständigen Beweisverfahrens und zu Beginn des vorliegenden Verfahrens der Name stets falsch geschrieben wurde, ohne dass der Kläger – soweit ersichtlich – auf eine zutreffende Schreibweise seines Namens hingewirkt hätte.
24Soweit der Kläger erinnern will, dass er den Kopfbereich der Vollmacht ausfüllte, so ist dies auch nicht glaubhaft. Ein solches Vorgehen widerspricht der Lebenserfahrung, wonach der Kopf der Vollmacht durch den Rechtsanwalt (oder durch dessen Personal auf Veranlassung des Rechtsanwalts) ausgefüllt wird. Die Bezeichnung des Streitgegenstandes dem Mandanten zu überlassen, besteht regelmäßig kein Anlass.
25Auch aus dem eingeholten graphologischen Gutachten folgt nichts Abweichendes. Soweit der Kläger Anhaltspunkte für eine Fälschung daraus herleiten will, dass der Sachverständige G eine "Einflickung" in dem Namenszug festgestellt hat, so wird das Gutachten nur verkürzt gewürdigt. Denn der Sachverständige hat gleichzeitig ausgeführt, dass die Einflickung sowohl mit der Entstehungshypothese "echt" und einer Korrektur durch den Namensträger als auch mit der Entstehungshypothese "unecht/gefälscht" und einer Korrektur durch einen sogenannten Dritten erklärbar wäre. Der Kläger lässt ferner außer Acht, dass der Sachverständige eine Vielzahl von Merkmalsübereinstimmungen zwischen der streitgegenständlichen Unterschrift und derjenigen des Klägers festgestellt hat und diese Merkmalsübereinstimmungen unter Ausschluss der Einflickung als dominierend zu bezeichnen gewesen wären.
26Nach alledem war zu erkennen wie geschehen. Auch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten stehen dem Kläger nicht zu, da die Beklagte mit befreiender Wirkung auch insofern an den Zeugen H leisten durfte.
27Ergänzend weist das Gericht daraufhin, dass für den hier nicht gegebenen Fall einer Fälschung der Unterschrift durch den Zeugen H eine Zurechnung unter dem Gesichtspunkt der Anscheins- oder Duldungsvollmacht nicht zu bejahen wäre. Denn die Beklagte handelte dann nicht aufgrund eines von dem Kläger zurechenbar gesetzten Rechtsscheines. Dies scheitert jedenfalls daran, dass der Sachbearbeiter der Beklagten gerade nicht auf eine Geldempfangsvollmacht des Zeugen H vertraute, sondern diesen zum Nachweis einer solchen aufforderte.
28Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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