Urteil vom Landgericht Dortmund - 8 O 461/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern auferlegt.
Dieses Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Kläger nehmen die beklagte Stadt wegen einer Amtspflichtverletzung im Rahmen eines Löscheinsatzes der Feuerwehr M vom 16./17.01.2006 in Anspruch.
3Die Kläger sind Besitzer einer Hofstelle in M. Im Rahmen der Flurbereinigung wurde den Klägern das Objekt im Jahre 2003 gegen einen Geldausgleich in Höhe von 550.000,00 € zugeteilt. Von diesem Ausgleichsbetrag zahlten die Kläger 250.000,00 €, die übrigen Jahresraten wurden nicht gezahlt. Eine Eintragung der Kläger im Grundbuch erfolgte daher (noch) nicht. Am 17.12.2003 wurden sie in den Besitz eingewiesen.
4Am Abend des 16.01.2006 kam es gegen 23:00 Uhr zu einem Brand auf der Hofstelle. Im 1. Obergeschoss des Hauses hatte sich ein Brand entwickelt, wobei der Brandherd im Computerzimmer des Bewohners C lag. Nachdem sich das Feuer über das Computerzimmer und das Schlafzimmer im ersten Obergeschoss ausgebreitet hatte, konnte es im Rahmen eines Löscheinsatzes der Feuerwehr M gelöscht werden. Bereits dieses Feuer verursachte erhebliche Schäden an den Räumen im ersten Obergeschoss und am Traufenbereich oberhalb des PC-Zimmers. Zudem wurden weitere Schäden an den Räumen im Erdgeschoss durch Löschwasser verursacht.
5Nach Beendigung der unmittelbaren Löscharbeiten untersuchte die Feuerwehr den Brandort auf verbliebene Glutnester. Nachdem solche nicht gefunden wurden, rückte die Feuerwehr schließlich vollständig ab, ohne eine Brandwache zu hinterlassen. Die Bewohner wurden in einer nahegelegenen Jugendherberge untergebracht und die Polizei wurde gebeten, in unregelmäßigen Abständen nach dem Rechten zu sehen.
6Gegen 04:40 Uhr am Morgen des 17.01.2006 stellte ein Streifenwagen der Polizei erneut einen Feuerschein auf der Hofstelle fest. Bei Wiedereintreffen der Feuerwehr brannte die Hofstelle erneut. Diesmal breitete sich das Feuer rasch über die gesamte obere Etage und den Dachstuhl aus, wodurch das Haus weitgehend zerstört wurde, bevor das Feuer schließlich endgültig gelöscht werden konnte.
7Für die Feuerwehr M waren im Wesentlichen hauptamtliche Mitarbeiter tätig. Zusätzlich kamen zwei freiwillige Feuerwehrleute zum Einsatz. Als Einsatzleiter war der hauptamtliche Feuerwehrmann B tätig, insgesamt waren an dem Einsatz 10 Feuerwehrleute beteiligt.
8Unter Anderem gegen den Einsatzleiter B wurde ein staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren (Staatsanwaltschaft Dortmund 190 Js 42/06) eingeleitet. Ein seitens der Polizei in Auftrag gegebenes Sachverständigengutachten des Sachverständigen T kam zu dem Ergebnis, dass das zweite Feuer eine Folge des ersten Brandes und auf ein übersehenes Glutnest zurückzuführen sei. Die Untersuchung auf Glutnester sei unzureichend gewesen, es hätte eine Brandwache eingesetzt werden müssen. Das Verfahren gegen den Einsatzleiter B wegen fahrlässiger Brandstiftung wurde gemäß § 153a StPO gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1.000,00 € eingestellt.
9Die Kläger machen sich die Würdigung der Staatsanwaltschaft Dortmund zu Eigen und behaupten eine Amtspflichtverletzung seitens der Feuerwehr M, da diese sorgfaltswidrig keine Brandwache aufgestellt habe. Sie behaupten, es sei erforderlich gewesen, der Gefahr eines Wiederaufflammens des Brandes durch Einrichtung einer Brandwache zu begegnen, zumal sie selbst die Hofstelle hätten verlassen müssen. Erst dadurch, dass pflichtwidrig keine Brandwache eingerichtet worden sei, sei es zu erheblichen Zerstörungen der Hofstelle infolge des zweiten Brandes gekommen. Durch den zweiten Brand sei unter anderem der Dachstuhl und das gesamte Obergeschoss zerstört worden. Auch seien ihre persönlichen Einrichtungsgegenstände zerstört worden. Die genaue Schadenshöhe sei derzeit nicht zu ermitteln, da noch unklar sei, wie es hinsichtlich der Zuteilung des Hofgrundstückes im Rahmen der Flurbereinigung weiter gehe. Das Haus habe jedenfalls einen Wert von ca. 130.000,00 € gehabt.
10Die Kläger haben zunächst beantragt, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem Einsatz ihrer Feuerwehr vom 16./17.01.2006 auf der Hofstelle der Kläger in ##### M, B2 Straße ###, entstanden ist.
11Nunmehr beantragen sie,
12festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den Schaden zu ersetzen, der ihnen aus dem Einsatz der Feuerwehr vom 16./17.01.2006 aufgrund der Tatsache entstanden ist, dass die verantwortlichen Mitarbeiter der Beklagten nach dem ersten Einsatz keine Brandwache aufgestellt haben und daraus ein zweiter Brand auf der Hofstelle der Kläger in ##### M, B2 Straße ###, entstanden ist.
13Die beklagte Stadt beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie behauptet, nach Löschung des ersten Brandes sei unter anderem mittels einer Wärmebildkamera das Haus auf etwa noch vorhandene Glutnester untersucht worden. Das Vorliegen solcher Glutnester habe ausgeschlossen werden können. Als Ursache des zweiten Brandes komme Brandstiftung in Betracht. Zudem hätte die Zerstörung durch das zweite Feuer auch durch eine Brandwache nicht verhindert werden können. Bei dem zweiten Brand sei es zu einer derart raschen „Durchzündung“ des Feuers gekommen, dass auch eine Brandwache den Schaden nicht hätte verhindern können.
16Die Beklagte meint, es fehle den Klägern bereits an der Aktivlegitimation, da diese nicht Eigentümer des Grundstückes seien. Auch sei die Feststellungsklage unzulässig, da der eingetretene Schaden durchaus beziffert werden könne.
17Eine Verantwortlichkeit der beklagten Stadt ergebe sich zudem nicht, weil sich die freiwillige Feuerwehr auf das Haftungsprivileg des § 680 BGB berufen könne und grobe Fahrlässigkeit nicht vorgelegen habe.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
19Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugen B, H, N, D, D2, G, X, T2 sowie des sachverständigen Zeugen T.
20Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 08.01.2010 verwiesen.
21Die Akte Staatsanwaltschaft Dortmund 190 Js 42/06 wurde beigezogen und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
22E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23Die Klage ist unbegründet. Die Kläger haben gegen die beklagte Stadt keinen Anspruch auf Schadensersatz. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus einer Amtspflichtverletzung der beklagten Stadt gemäß § 839, Art. 34 GG. Ein Amtshaftungsanspruch setzt die schuldhafte Verletzung einer dem Anspruchsteller gegenüber bestehenden Amtspflicht voraus.
24Eine schuldhafte Amtspflichtverletzung liegt nicht vor. In Betracht kommt hier allein die Amtspflicht der Feuerwehr, einen Brand zweifelsfrei zu löschen. Diese Amtspflicht bestand hier auch zugunsten der Kläger. Eine schuldhafte Pflichtverletzung liegt jedoch nicht vor. Dabei kann dahinstehen, ob sich die beklagte Stadt auf das Haftungsprivileg des § 680 BGB berufen kann. Es liegt bereits kein fahrlässiger Pflichtverstoß vor. Die Kläger stützen ihre Forderung darauf, dass die Feuerwehr Lünen nach Löschen des ersten Brandes eine Brandwache vor Ort hätte belassen müssen. Sie berufen sich dabei unter anderem auf das Gutachten des Sachverständigen T, der im Rahmen des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens in seinem Gutachten davon ausging, dass eine Brandwache erforderlich war.
25Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist die Kammer davon überzeugt, dass die Entscheidung des Einsatzleiters der Feuerwehr B nicht zu beanstanden ist. Zwar bestand für die Feuerwehr die Pflicht, den Brand zweifelsfrei zu löschen. Dazu kann es erforderlich sein, eine Brandwache aufzustellen. Angesichts der konkreten Umstände durfte der Einsatzleiter der Feuerwehr jedoch davon ausgehen, dass eine Brandwache entbehrlich war. Dabei sind das Ausmaß des (ersten) Brandes sowie der Umfang der Löscharbeiten einschließlich der Nachlöscharbeiten zu berücksichtigen. Die Zeugen B, H, N, D, D2, G, H und T2 haben umfassend geschildert, wie sich die Löscharbeiten aus Sicht der Feuerwehr zugetragen haben. Danach handelte es sich bei dem ersten Brand um einen örtlich begrenzten Brand, der im Wesentlichen das PC-Zimmer sowie den Schlafraum in der Wohnung im ersten Obergeschoss betraf. Das Feuer konnte rasch unter Kontrolle gebracht werden. Nachdem das Feuer zunächst gelöscht werden konnte, sei mit den Nachlöscharbeiten begonnen worden. Dazu seien sämtliche Räume, auf die sich der erste Brand bezog, einzeln abgegangen worden. Sie seien sowohl durch manuelle Kontrolle als auch mit Hilfe einer Wärmebildkamera auf etwa noch vorhandene Glutnester untersucht worden. Dazu sei auch teilweise die Zwischendecke zum Dachboden geöffnet worden. An Stellen, an denen noch Wärmenester aufgespürt werden konnten sei dann mit speziellen Fire-Ex-Rohren nachgelöscht worden, um die Wärmenester vollständig abzulöschen. Dort, wo auch nur der geringste Verdacht bestand, sei auch durch Aufhebeln der Fußbodenbretter nach Wärmenestern gesucht worden. Auch durch den Brand nicht unmittelbar betroffene Räume seien auf das Vorhandensein von Feuerbrücken untersucht worden. Abschließend sei der gesamte Dachstuhl erneut abgesucht worden und auch dort sei vorsorglich mit Fire-Ex-Rohren nachgelöscht worden, ebenso in den Zwischenböden.
26Die gesamten Nachlöscharbeiten sollen dabei ca. eine Stunde gedauert haben.
27Angesichts der glaubhaften Aussagen der Zeugen hat das Gericht keinen Zweifel an dem Umfang der vorgetragenen Nachlöscharbeiten. Die Zeugen vermochten sich angesichts der Ereignisse aus dem Jahr 2006 zwar nicht mehr an sämtliche Einzelheiten des Löscheinsatzes erinnern. Wegen der weit reichenden Folgen des Brandes hatte sie dennoch gute Erinnerungen an die durchgeführten Maßnahmen. Dabei waren die Aussagen der eingesetzten Feuerwehrleute in sich widerspruchsfrei und plausibel. Auch zwischen den Aussagen der einzelnen Zeugen ergaben sich keine Widersprüche.
28Die Kammer geht davon aus, dass die Entscheidung des Einsatzleiters, keine Brandwache einzusetzen, nicht zu beanstanden ist. Die Kammer folgt dabei den Ausführungen des Sachverständigen T in Termin vom 08.01.2010. Der Sachverständige gab an, dass ein vollständiges und sicheres Löschen eines Brandes zwar stets durchaus möglich sei, wenn ein in Brand geratenes Gebäude nahezu vollständig eingerissen werde. Solche Maßnahmen seien aber von niemandem gewünscht und vollkommen überzogen. Vielmehr müsse ein Interessenausgleich zwischen Aufwand und Erfolg hergestellt werden. Die Entscheidung darüber, ob eine Brandwache einzurichten sei oder nicht müsse dabei seitens des Einsatzleiters nach dem Grad der Sicherheit getroffen werden, die er vom vollständigen Löschen des Brandes gewonnen hat. Eine 100%ige Sicherheit könne es dabei nicht geben.
29Hier hat der Einsatzleiter B nach Durchführung umfangreicher (Nach-)Löscharbeiten kein Risiko für ein Wiederaufflammen eines Brandes gesehen. Es ist mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln untersucht worden, ob noch Glutnester vorhanden waren. Nachdem keinerlei Anzeichen für zurückgebliebene Glutnester erkannt werden konnten, wurde entschieden, keine Brandwache einzusetzen. Diese Entscheidung ist nicht zu beanstanden. Der Einsatzleiter hat sich nach Durchführung umfassender Kontrollen davon überzeugt, dass keine Glutnester verblieben sind. Dabei geht auch der Sachverständige davon aus, dass durch die durchgeführten Nachlöscharbeiten ein Wiederaufflammen weitgehend habe ausgeschlossen werden können. Eine 100%ige Sicherheit sei aber nicht zu erreichen, wenn man nicht das Gebäude einreißen wolle.
30Angesichts der sorgfältig durchgeführten Löscharbeiten musste der Einsatzleiter nicht mit einem Wiederaufflackern des Brandes rechnen. Vielmehr durfte er angesichts der Sicherheit, die er aufgrund der umfangreichen Löschmaßnahmen erlangt hat, davon ausgehen, dass der Brand endgültig gelöscht und eine Brandwache nicht erforderlich war. Auch der Sachverständige geht davon aus, dass bei einem normalen Wohnungsbrand, um den es sich hier letztlich gehandelt habe, nicht stets eine Brandwache eingesetzt werden müsse.
31Aus den genannten Gründen scheidet auch ein möglicher Anspruch der Kläger aus Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 677, 280 Abs. 1 BGB aus. Ein Verschulden ist der beklagten Stadt nicht vorzuwerfen.
32Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
33Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
34Streitwert: bis zu 50.000 Euro.
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