Urteil vom Landgericht Dortmund - 45 Ns 140/09
Tenor
Die Berufung der Staatsanwaltschaft wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt, verworfen.
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Gründe:
2I.
3Dem Angeklagten ist mit Strafbefehl vom 17.12.2008 zur Last gelegt worden, am 05.09.2008 in E gegen 18:24 Uhr im Bereich L-straße/L-wall bei der Teilnahme an einer Demonstration durch eine Sonnenbrille, eine Strickmütze und eine Kapuze vermummt gewesen zu sein, um die Feststellung seiner Identität durch die Polizei zu verhindern. Dadurch soll sich der Angeklagte eines Verstoßes gegen § 17 a Abs. 2 Nr. 1 des VersammlG strafbar gemacht haben.
4Das Amtsgericht Dortmund hat den Angeklagten mit Urteil vom 28.08.2009 freigesprochen. Es hat zur Begründung ausgeführt, dass der Angeklagte sich dahingehend eingelassen habe, dass er zwar zum Tatzeitpunkt an der Demonstration teilgenommen und auch die ihm vorgehaltene Kleidung zur Verhinderung der Feststellung seiner Identität getragen habe. Es sei jedoch nicht seine Absicht gewesen, seine Identität vor der Polizei zu verbergen. Es sei ihm vielmehr allein darum gegangen, seine Identität vor den dort ebenfalls demonstrierenden Rechtsextremisten zu verbergen. Er sei in dem rechtsextremen Umfeld bereits bekannt und befürchte Übergriffe der dortigen Anhänger. Das Amtsgericht hat sodann argumentiert, dass diese Einlassung dem Angeklagten nicht habe widerlegt werden können. Danach fehle es an der inneren Willensrichtung des Angeklagten für eine Strafbarkeit gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 1 VersammlG.
5Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft rechtzeitig Berufung eingelegt. In ihrer Berufungsbegründung vom 14.10.2009 hat sie im Wesentlichen ausgeführt, dass das äußere Erscheinungsbild des Angeklagten bestehend aus einer getragenen Sonnenbrille, einer Strickmütze und einer Kapuze den objektiven Tatbestand des § 17 a Abs. 2 Nr. 1 VersammlG erfülle. Soweit das Amtsgericht den genannten Straftatbestand auf Grund der inneren Tatseite für nicht erfüllt angesehen habe, gehe diese Auffassung fehl. Wie der 4. Strafsenat des Kammergerichts Berlin in seinem Urteil vom 07.10.2008 Az. 1 Ss 486/07 (286/07) mit ausführlicher Begründung dargelegt habe, komme es für den Tatbestand allein darauf an, dass die Vermummung objektiv geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet sei, die Feststellung der Identität des Demonstrationsteilnehmers zu verhindern. Weitere Merkmale enthalte der Tatbestand nicht. Insbesondere bedürfe es nicht der zusätzlichen Feststellung, dass die Vermummung dafür geeignet sein müsse, die Identifizierung von Personen gerade gegenüber Polizeibeamten oder anderen für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zuständigen Personen zu verhindern. Auch erfordere der Tatbestand nicht, dass die Verhinderung der Identifikation durch Strafverfolgungsbehörden die alleinige oder vorrangige Motivation sein müsse. Die Einlassung des Angeklagten, er habe sich vermummt, weil er befürchte, von Personen des rechtsextremen Spektrums fotografiert zu werden, biete auch keinen Anlass zu Annahme eines Rechtfertigungsgrundes. Der Gesetzgeber habe im Zusammenhang mit Versammlungen durch das Vermummungsverbot dem Sicherheitsbedürfnis der Allgemeinheit den Vorrang vor dem Recht am eigenen Bild eingeräumt. Wer an einer Demonstration teilnehme, habe es zu dulden, dass er identifiziert und ggf. auch bildlich festgehalten werden könne (vgl. § 23 Abs. 1 Nr. 3 Kunsturhebergesetz). Allein die Behauptung des Angeklagten, er sei im rechtsextremen Umfeld bereits bekannt und befürchte Übergriffe der dortigen Anhänger, vermöge den subjektiven Tatbestand des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz nicht auszuschließen. Wolle man einer derartigen Auffassung folgen, wäre damit der Tatbestand des § 17 a VersammlG praktisch ausgehebelt.
6Auch die Kammer neigt abweichend von dem Amtsgericht zu der Auffassung des Kammergerichts Berlin in dem dortigen Urteil vom 07.10.2008 (Az. (4) 1 Ss 486/07, abrufbar über die Juris Datenbank), wonach das Vermummungsverbot gemäß § 17 a Abs. 2 Nr. 1 VersammlG nicht unter dem Vorbehalt steht, dass nur Vollstreckungsbehörden gegenüber die Identität nicht verschleiert werden dürfe, sondern dieses vielmehr uneingeschränkt wegen der abstrakten Gefahr gelte, die von einer Vermummung bei einer Demonstration ausgehe. Letztlich braucht diese Rechtsfrage jedoch nicht abschließend entschieden zu werden, da zur Überzeugung der Kammer das äußere Erscheinungsbild des Angeklagten den objektiven Tatbestand des § 17 a Abs. 2 Nr. 2 VersammlG nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift bedarf es einer Aufmachung, die geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität zu verhindern. Dass dies bei der Aufmachung des Angeklagten vorliegend der Fall ist, hat die Kammer nicht festzustellen vermocht. Die Kammer hat hinsichtlich des äußeren Erscheinungsbildes die von dem Angeklagten während der Demonstration gefertigten Lichtbilder auf Blatt 5 und 6 der Akte in Augenschein genommen. Dort ist ersichtlich, dass der Angeklagte eine Wollmütze mit Kapuze und eine Sonnenbrille trägt. Die gesamte Gesichtspartie ist im Übrigen jedoch deutlich erkennbar. Insgesamt ist der Angeklagte auf diesen Lichtbildern für die Kammer ohne Weiteres wiederzuerkennen und als solcher zu identifizieren. Mithin mag es zwar sein, dass die von dem Angeklagten zur Tatzeit getragene Aufmachung geeignet war, seine Identifizierung zu erschweren, dass er dieses beabsichtigt hatte, räumt der Angeklagte auch ein; es fehlt aber an der Eignung, die Identifizierung zu verhindern, wie es § 17 Abs. 2 Nr. 2 erfordert. Damit ist vorliegend der objektive Tatbestand des § 27 Abs. 2 Nr. 2 … nicht erfüllt, so das die Berufung der Staatsanwaltschaft aus diesem Grunde zu verwerfen war.
7II.
8Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 StPO.
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