Urteil vom Landgericht Dortmund - 19 O 23/10
Tenor
Der Verfügungsbeklagten wird es bei Vermeidung eines vom Gericht
für jeden Fall einer zukünftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden
Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 € untersagt, im geschäftlichen
Verkehr zu Wettbewerbszwecken anzukündigen:
,,110
Jahre
A
Familientradition",
wenn dies wie aus dem in Kopie wiedergegebenen Internetauftritt
ersichtlich geschieht oder aber wie der in Kopie beigefügten Anzeige,
auch wenn die Anzeige den kleingedruckten Hinweis beinhaltet:
"Die 110jährige Familientradition finden sie unter:
www.A.de/chronik.“
Der weitergehende Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
wird zurückgewiesen.
Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt zu 1/3 der
Verfügungskläger, zu 2/3 die Verfügungsbeklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar gegen
Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden
Betrages.
Streitwert: 100.000,00 €.
1
Tatbestand
2Der Verfügungskläger ist ein eingetragener Verein mit dem Ziel der Bekämpfung
3von Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb.
4Die Verfügungsbeklagte betreibt ein großes Möbelhaus in V.
5Der Verfügungskläger rügt einen Verstoß der Verfügungsbeklagten im
6Rahmen ihrer Werbung im Funk, in Prospekten und im Internet mit dem
7Slogan:
8,,110 Jahre A Möbeltradition
9Wir feiern - sie sparen.",
10wobei sich im Rahmen der Prospektwerbung über der Zahl 110 der erheblich
11kleiner geschriebene Zusatz "die 110jährige Möbeltradition finden sie
12unter: www.A.de/chronik" findet.
13Nach der so aufgebauten Werbung aus Februar 2010 warb die Verfügungsbeklagte
14im März 2010 u. a. in einer Zeitungsanzeige mit der Aussage
15"110 Jahre A Familientradition". Im räumlichen Zusammenhang
16mit dieser Aussage fand sich die erheblich kleiner gedruckte
17Erklärung: "Die 110jährige Familientradition finden sie unter:
18www.A.de/chronik".
19Mit der gleichen Werbung trat die Verfügungsbeklagte zur selben Zeit im
20Rahmen ihrer Internetseite mit der Aussage "110 Jahre A Familientradition" und den gesprochenen Worten "110 Jahre Möbeltradition bei A" an den Verbraucher heran.
21Der Verfügungskläger ist der Ansicht, er sei klageberechtigt im Sinne von
22§ 8 Abs. 3 Ziffer 2 UWG unter Hinweis auf die ihm angehörenden Mitglie-
23der, u. a. einer Vielzahl von Einzelhandelsverbänden. Dazu behauptet er,
24ihm gehöre nicht nur das Einrichtungshaus P X an, sondern auch das Einrichtungshaus "Q" sowie diverse Warenhauskonzerne, u. a. L, L2, die N
25und die S-Märkte.
26Diese Angaben macht der Verfügungskläger durch anwaltliche Versicherung
27seines Prozessbevollmächtigten glaubhaft. Wegen der überreichten
28Mitgliederliste wird auf die Anlage zum Schriftsatz vom 24.03.2010, Anlage
29AST 11, verwiesen.
30Der Verfügungskläger ist der Ansicht, die Verfügungsbeklagte verstoße
31mit ihren hier gerügten Werbeaussagen gegen das Irreführungsverbot des
32§ 5 UWG. Er ist der Ansicht, der Hinweis im Zusammenhang mit der gerügten
33Werbung auf die auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten
34dargestellten Unternehmensgeschichte ändere nichts an der Unzulässigkeit
35der Werbung, insbesondere auch deshalb, da es dem Verbraucher
36nicht zugemutet werden könne, zunächst auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten nachzulesen, um deren blickfangmäßige Werbung mit
37einer 110jährigen Tradition richtig einordnen zu können.
38Hinsichtlich des Antrages zu 1. meint der Verfügungskläger, dieser unterscheide
39sich von der bereits erlassenen einstweiligen Verfügung inhaltlich
40deshalb, weil der Verfügungsbeklagten im Rahmen der Beschlussverfügung
41der Kammer vom 01.03.2010, 19 0 18/10, untersagt worden war,
42"im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken ohne jegliche Erläuterung
43anzukündigen: ,,110 Jahre A Möbeltradition". Da die Verfügungsbeklagte
44im vorliegenden Fall nun insofern eine Erläuterung vorgenommen
45habe, als sie auf ihre Internetseite verweise, unterscheide sich
46der Streitgegenstand vorliegend von dem der bereits erlassenen Beschlussverfügung.
47Im Übrigen ist der Verfügungskläger der Ansicht, dass auch die Werbung
48mit einer 110jährigen Familientradition zum einen gegen das Irreführungsverbot
49des § 5 UWG verstoße, da der Verbraucher auch mit dieser Aussage
50über die Dauer des Bestehens der Verfügungsbeklagten getäuscht
51werde. Das Wort "Familientradition" führe hier nicht zu einem maßgeblichen
52Unterschied. Zum anderen ist der Verfügungskläger der Ansicht,
53dass bezüglich des Ersetzens des bisher in der Werbung der Verfügungsbeklagten
54benutzten Wortes "Möbeltradition" durch das Wort "Familientradition"
55ein verschiedener Streitgegenstand im Vergleich zur bereits ergangenen
56Beschlussverfügung der Kammer vom 01.03.2010 gegeben sei.
57Der Verfügungskläger beantragt,
58die Verfügungsbeklagte zu verurteilen,
59es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall einer zukünftigen
60Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu
61250.000,00 € zu unterlassen,
62im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken
631. anzukündigen: ,,110 Jahre A Möbeltradition", wenn
64dies wie aus der nachstehend in Kopie wiedergegebenen Anzeige
65ersichtlich erfolgt
66und/oder
672. wie aus dem nachstehend in Kopie wiedergegebenen Internetauftritt ersichtlich anzukündigen:
68" 110 Jahre A Familientradition",
69Insbesondere, wenn im Zusammenhang damit die gesprochene Aussage " 110 Jahre Möbeltradition bei A" erfolgt.
70oder
713. wie aus der nachstehend in verkleinerter Kopie wiedergebenen Anzeige ersichtlich, anzukündigen:
72" 110 Jahre A Familientradition"
73Die Verfügungsbeklagte beantragt,
74den Verfügungsantrag zurückzuweisen.
75Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht, der Verfügungskläger sei nicht
76aktivlegitimiert im Sinne des § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG und deshalb nicht befugt,
77gegen die Verfügungsbeklagte wettbewerbsrechtliche Ansprüche auf
78Unterlassung geltend zu machen.
79Sie bestreitet mit Nichtwissen die Richtigkeit der überreichten Mitgliederliste
80des Verfügungsklägers und meint, jedenfalls reichten diese Mitgliedschaften
81nicht zu einer Klageberechtigung des Verfügungsklägers in der
82vorliegenden Sache aus.
83Im Übrigen ist die Verfügungsbeklagte der Ansicht, dass es betreffend des
84Antrages zu 1. an einem Rechtsschutzbedürfnis des Verfügungsklägers
85fehle, da das Unterlassungsbegehren insoweit schon Gegenstand der Beschlussverfügung der Kammer vom 01.03.2010 sei.
86Darüber hinaus meint die Verfügungsbeklagte, die Werbung mit einer
87,,110jährigen A Familientradition" sei wettbewerbskonform. Diese
88Werbung sei richtig, da der Vorfahre des jetzigen Geschäftsführers der
89Verfügungsbeklagten, Herr A2, im Jahr 1900 in P eine
90Schreinerei gegründet habe. Der Umstand, dass diese Einzelfirma
91A2 in eine von der Verfügungsbeklagten völlig unterschiedliche
92Firma "U" übergangen sei, spiele keine Rolle, da sich der durchschnittliche
93Verbraucher nicht vorstelle, dass die im Jahre 1900 gegründete
94Firma gesellschaftsrechtlich identisch mit der erst 1989 gegründeten
95Verfügungsbeklagten sei.
96Entscheidungsgründe
97Der Verfügungsantrag zu 1. war zurückzuweisen, da es insoweit an einem
98erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis zum Erlass einer einstweiligen Ver-
99fügung fehlt.
100Dem Verfügungskläger steht hier der weitaus einfachere Weg der Erlangung
101eines Ordnungsmittelbeschlusses gemäß § 890 ZPO zur Verfügung.
102Die mit dem Antrag zu 1. verfolgte einstweilige Verfügung ist nämlich identisch
103mit der durch Beschluss vom 01.03.2010 erlassenen und mit Urteil
104der Kammer vom 30.03.2010 bestätigten einstweiligen Verfügung, Landgericht
105Dortmund 19 018/10.
106Der jetzt gestellte Antrag des Verfügungsklägers betrifft denselben Streitgegenstand
107wie derjenige der Beschlussverfügung der Kammer. Soweit in
108der Beschlussverfügung der Zusatz entsprechend dem damaligen Antrag
109des Verfügungsklägers aufgenommen ist: "Ohne jegliche Erläuterung" so
110kommt diesem Zusatz keine streitgegenstandsbestimmende Bedeutung
111zu. Dabei handelt es sich lediglich um eine unwesentliche Ergänzung.
112Soweit nunmehr mit dem Antrag zu 1. auf den im Zusammenhang mit der
113gerügten Werbung erteilten Hinweis auf die Internetseite der Verfügungsbeklagten
114abgestellt wird, stellt dieser offensichtlich nicht eine Erläuterung
115dar, die an dem mit der Beschlussverfügung der Kammer vom 01.03.2010
116ausgesprochenen Verbot sachlich etwas ändern könnte.
117Im Übrigen ist die einstweilige Verfügung des Verfügungsklägers zulässig
118und begründet. Ein Verfügungsgrund besteht gemäß § 12 UWG.
119Der Verfügungskläger ist auch gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG Anspruchsberechtigter
120hinsichtlich der Geltendmachung entsprechender Unterlassungsansprüche
121gegenüber der Verfügungsbeklagten. Bei der Frage der
122Anspruchsberechtigung kommt es entscheidend darauf an, dass ein missbräuchliches Vorgehen des Verbandes bzw. Vereins ausgeschlossen
123werden kann und in dem Zusammenhang nicht etwa darauf, ob den Vereinsmitgliedern nach Anzahl, Bedeutung oder Umsatz im Verhältnis zu
124allen auf diesem Markt tätigen Unternehmen eine repräsentative Stellung
125zukommt, sondern ist darauf abzustellen, ob es dem Verein bei der betreffenden
126Rechtsverfolgung nach der Struktur seiner Mitglieder um die ernsthafte
127kollektive Wahrnehmung der Mitgliederinteressen geht (vgl. BGH,
128Urteil vom 23.10.2008, GRUR 2009, 692 f.).
129Nach der seitens des Prozessbevollmächtigten des Verfügungsklägers
130anwaltlich versicherten Struktur der Mitglieder des Verfügungsklägers
131kann vorliegend nicht von einer missbräuchlichen Geltendmachung von
132Rechten gesprochen werden. Dem Verfügungskläger gehören mit der
133Firma P zum einen ein großer Mitkonkurrent der Verfügungsbeklagten
134an, zum anderen mit den Firmen L, L2, S etc. Unternehmen,
135die zumindest einen Teil der seitens der Verfügungsbeklagten
136beworbenen Ware vertreiben. So veräußert und bewirbt die Verfügungsbeklagte
137u.a. in ihrer Prospektwerbung neben Möbeln auch Wohn-Accessoires
138wie Lampen, Geschirr, Gartenmöbel, Teppiche, Bad-Einrichtungen
139und Einbau-Küchen nebst den entsprechenden dazu gehörigen
140Elektrogroßgeräten. Diese Waren werden zumindest u. a. auch von
141den Firmen L, L2 und, insbesondere Elektroartikel und Wohn-Accessoires, auch von den Firmen S und N vertrieben.
142Hinsichtlich der Richtigkeit der überreichten Mitgliederliste hat der Verfügungskläger
143dies hinreichend durch anwaltliche Versicherung seines Prozessbevollmächtigten
144glaubhaft gemacht.
145Auch bezüglich des räumlich relevanten Marktes im Sinne von § 8 Abs. 3
146UWG ist davon auszugehen, dass hier der klagende Verein die kollektiven
147Interessen seiner Mitglieder vertritt, zumal ein großer Mitbewerber der Verfügungsbeklagten, die Firma P, ihren Sitz in X hat und auch
148bezüglich der Firmen L, L2, N und S eine hinreichende
149räumliche Nähe zum Sitz der Verfügungsbeklagten, die als großes Möbelhaus
150einen entsprechend großen Einzugsbereich hat, besteht.
151Ein Verfügungsanspruch auf Unterlassen der gerügten Werbung entsprechend
152den Anträgen zu 2. und 3. des Verfügungsklägers bezogen auf die
153Anzeigen und Internetwerbung der Verfügungsbeklagten ergibt sich aus
154den §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UWG. Die Verfügungsbeklagte verstößt
155mit der gerügten blickfangmäßigen Werbung in Anzeigen und auf ihrer
156Internetseite gegen das Verbot der Irreführung der Verbraucher über Eigenschaften
157des Unternehmens. Konkret wird mit einer Traditions- bzw.
158Alterswerbung der Verfügungsbeklagten über die Dauer des tatsächlichen
159Bestehens des Unternehmens getäuscht.
160Der Umstand, dass die Verfügungsbeklagte jetzt anstatt wie früher geschehen
161mit einer "110jährigen Möbeltradition" mit einer "110jährigen Familientradition"
162wirbt, führt nicht dazu, dass sich der aufgeklärte Verbraucher
163nun ein richtiges Bild über die Dauer ihres Bestehens macht. Auch
164mit dem Wort "Familientradition" wird suggeriert, dass das Unternehmen
165der Verfügungsbeklagten wesensgleich, wenn auch möglicherweise in
166anderen gesellschaftsrechtlichen Formen, bereits seit 110 Jahren besteht.
167Diese Vorstellung ist aber falsch. Tatsächlich hat das Unternehmen der
168Verfügungsbeklagten, wie zwischen den Parteien unstreitig ist, mit dem
169im Jahre 1900 gegründeten Einzelunternehmen "A2" nichts zu
170tun. Daran ändert auch der Umstand, dass der Gründer der Einzelfirma
171A2, einer Schreinerei, ein Vorfahre des Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten ist, nichts. Das in der Rechtsprechung geforderte
172Merkmal der Wesensgleichheit der Unternehmen bei einer Werbung mit
173einer eine bestimmte Zeit dauernden Tradition bzw. eines bestimmten Alters
174ist vorliegend nicht erfüllt. Außerdem beschäftigt sich die Verfügungsbeklagte
175nicht mehr, wie der Gründer der Einzelfirma A2, mit der
176Herstellung von Möbeln, sondern sie vertreibt sie lediglich, so dass es
177auch an der geforderten Identität des Fabrikationsprogrammes fehlt (vgl.
178zum Ganzen Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Gesetz gegen unlauteren
179Wettbewerb, 27. Auflage 2009, § 5 Rn. 5.55 ff.).
180Dieser Verstoß gegen das Irreführungsgebot des § 5 UWG entfällt vorliegend
181auch nicht etwa deshalb, weil sich im Zusammenhang mit der blickfangmäßigen
182Werbung der kleingedruckte bzw. kleingeschriebene Hinweis
183findet, "die 110jährige Familientradition finden sie unter:
184www.A.de/chronik. Ein solch kleingedruckter bzw. kleingeschriebener
185Hinweis ist nicht geeignet, die durch die blickfangmäßige
186Werbung hervorgerufene Irreführung zu beseitigen bzw. zu verhindern,
187auch wenn sich auf der entsprechenden Internetseite, auf die verwiesen
188wird, im Rahmen der Darstellung der Geschichte der Familie A
189der Hinweis auf die Gründung einer Schreinerei durch einen Vorfahren
190des jetzigen Geschäftsführers der Verfügungsbeklagten findet. Insbeson-
191dere bei einer Werbung in einer Zeitungsanzeige oder einem Prospekt
192kann auch vom aufgeklärten Verbraucher nicht erwartet werden, dass dieser
193zunächst auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten nachschaut,
194um sich bezüglich des Inhalts und der Bedeutung der Werbung zu vergewissern.
195Vielmehr setzt sich vorliegend beim Verbraucher durch die blickfangmäßige
196Werbung, insbesondere die in Schriftbild und -größe besonders
197hervorgehobene Aussage "110 Jahre", so wie auch offensichtlich von
198der Verfügungsbeklagten beabsichtigt, der Eindruck eines 110jährigen
199Bestehens der Verfügungsbeklagten bzw. eines wesensgleichen Unternehmens
200beim Verbraucher fest, ohne dass sich der durchschnittliche
201Verbraucher veranlasst sieht, soweit ihm dies technisch überhaupt möglich
202ist, dazu nähere Informationen auf der Internetseite der Verfügungsbeklagten
203einzuholen.
204Üblicherweise verbindet der Verbraucher mit einer so langen Tradition eine
205besonders große Geschäftserfahrung des Werbenden und wegen des
206langen Bestehens am Markt eine hohe Qualität der beworbenen Produkte,
207sodass die Irreführung auch relevant im Sinne des Wettbewerbsrechts ist.
208Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 709 ZPO.
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Referenzen
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