Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O 103/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin betreibt ein Dienstleistungsgewerbe zur Verteilung von Prospektwerbung von Einzelhändlern und Gewerbetreibenden an Haushalte im N-land. Die Beklagte vertreibt in den Kreisen I, B, B2 und T zweimal wöchentlich erscheinende kostenlose Anzeigenblätter mit redaktionellem Teil. Die Blätter werden an Haushalte verteilt zusammen mit lose eingelegten Werbeprospekten, dies auch in Briefkästen, an denen sich Aufkleber mit dem Aufdruck "Keine Werbung", "Bitte keine Werbung" oder ähnliches befindet.
3Die Beklagte verteilte zudem an Haushalte Aufkleber mit dem Aufdruck
4"P-Anzeiger + Xblatt ja
5Werbung NEIN".
6Die Klägerin ließ die Beklagte abmahnen mit Anwaltsschreiben vom 19.08.2010. Die Beklagte lehnte mit Anwaltsschreiben vom 26.08.2010 Abgabe der verlangten strafbewehrten Unterlassungserklärung ab. Zum Inhalt der Schreiben wird auf Bl. 19 bis 27 der Akten, verwiesen.
7Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage Unterlassung der Verteilung der Anzeigenblätter zusammen mit losen Werbeprospekten in Briefkästen mit Sperrvermerk betreffend den Einwurf von Werbeprospekten, Unterlassung der Verteilung des Aufklebers und Zahlung der Anwaltskosten für die Abmahnung.
8Sie hält die Verteilung von Werbeprospekten als Beilage in Anzeigenblättern in gesperrte Briefkästen für wettbewerbswidrig. Damit werde das seitens des Verbrauchers wirksam erklärte und stets zu beachtende Werbeverbot betreffend Werbeprospekte umgangen. Angesichts der erheblichen Anzahl der Beilagen ergäbe sich ein erhebliches Übergewicht der losen Werbung, so dass die Anzeigenblätter ungeachtet ihres redaktionellen Anteils ausschließlich nur wie eine Art Umschlag für die nicht erwünschten Werbeprospekte dienten, dies sogar gerade zur Umgehung des erklärten Sperrvermerks. Die Beklagte verschaffe sich damit einen auf Rechtsbruch beruhenden Wettbewerbsvorteil. Dies sei für sie, die Klägerin, nicht hinnehmbar, da die Beklagte bei den Auftragsgebern den Eindruck erwecke, ein Konzept zur Umgehung des unbedingt zu beachtenden Werbeverbots von Verbrauchern entwickelt zu haben. Die Beklagte könne sich nicht darauf berufen, dass bei Abonnements-Zeitungen die Abonnenten keinen Anspruch hätten, die Zeitung ohne Werbebeilagen zu erhalten. Ein Zeitungsabonnent könne auf der Grundlage des bestehenden Vertragsverhältnisses auf seinen Vertragspartner einwirken oder habe zumindest die Wahl, das Abonnement zu beenden. Dem Verbraucher stehe eine solche Wahlmöglichkeit bei kostenlosen Anzeigenblättern dagegen nicht zu. Mit einem Sperrvermerk betreffend Werbung sei der Verbotswille auch nach außen ausreichend und auf Dauer dokumentiert. Er müsse nicht bezüglich aller Eventualitäten wiederholt werden. Logische Konsequenz sei, dass Gratisblätter möglicherweise in einen gesperrten Briefkasten gelegt werden können, dagegen Werbeprospekte innerhalb dieser Gratisblätter bei dem Einwurf des Gratisblatts aus diesem jedenfalls zu entfernen seien. Die Entscheidung, ob das Gratisblatt gar nicht oder nur ohne lose Werbeprospekte eingeworfen werde, liege nicht bei dem Verbraucher, sondern allein bei der Beklagten.
9Durch die Verteilung des Aufklebers habe sich die Beklagte zum einen eine Art legalisierte Umgehung eines ansonsten unbedingt zu beachtenden Sperrvermerks verschafft, zum anderen betreibe sie aktiv die Marktverdrängung ihrer Konkurrenz aus dem Prospektverteilungsgewerbe. Dies sei überaus perfide und taktisch erdacht, stelle aber einen eklatanten Wettbewerbsverstoß gegenüber den Mitbewerbern aus der Werbeprospektverteilungsbranche und zudem einen schwerwiegenden Markteingriff dar.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte zu verurteilen,
12I.
13es bei Meidung von Ordnungsmitteln zu unterlassen,
141.
15im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs kostenlose Anzeigenblätter zusammen mit losen Werbeprospekten in die Briefkästen von Verbrauchern einzulegen und/oder einlegen zu lassen, die mit einem dem Einwurf von Werbeprospekten widersprechenden Sperrvermerk versehen sind,
162.
17im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Aufkleber in den Verkehr zu bringen bzw. an Haushalte von Verbrauchern zu verteilen und/oder verteilen zu lassen, die die Aussage
18"P-Anzeiger + Xblatt ja
19Werbung NEIN"
20beinhalten,
21II.
22ihr die im vorliegenden Verfahren nicht festsetzbaren Kosten der Abmahnung durch Rechtsanwalt Zöller vom 19.08.2010 zu erstatten, mithin an sie 900,00 € zu zahlen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Die Beklagte behauptet, Anzeigenblätter nebst losen Werbebeilagen seien ein einheitliches Produkt und würden so auch vom Empfänger verstanden. Dieser könne frei entscheiden, ob er den Einwurf dieses Produktes wünsche. Dabei gelte das Prinzip des "ganz oder gar nicht". Entweder erhalte der Verbraucher eine kostenlose redaktionelle Leistung und nehme dafür die zur Finanzierung des Angebots notwendigen Anzeigen und Beilagen in Kauf oder er lege keinen Wert auf die Belieferung und verbitte sich die Zustellung des Anzeigenblattes insgesamt. Dem Werbeempfänger sei es unbenommen, durch entsprechende Formulierung des Sperrvermerks den Einwurf von Anzeigenblättern nebst Beilagen zu unterbinden. Ihm sei auch zuzumuten, seinen Willen eindeutig zu artikulieren. Eine Erklärung, gerichtet gegen den Einwurf von Werbung oder Werbeprospekten beziehe sich aber nicht auf den Einwurf eines Anzeigenblattes mit eingelegten Werbebeilagen. Dieses Verständnis zeige sich daran, dass sie in all den Jahren nur eine einzige Beschwerde eines Werbeverweigerers gegen den Einwurf von Anzeigenblättern mit losen Werbeeinlagen erhalten habe.
26Die Beklagte behauptet, den streitgegenständlichen Aufkleber seit vielen Jahren nicht mehr in Umlauf gebracht zu haben. Sie beruft sich insoweit auf Verjährung. Wenn zurzeit noch das eine oder andere Exemplar sich an Briefkästen befände, sei das keine Handlung, auf die sie einwirken könne. Die Verteilung des Aufklebers sei zudem nicht wettbewerbswidrig gewesen. Es sei die freie Entscheidung des Briefkasteninhabers, ob er den Aufkleber verwenden wolle oder nicht. Eine unsachliche Beeinflussung durch sie liege nicht vor.
27Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Die Klage ist unbegründet.
30Ein Unterlassungsanspruch gemäß Klageantrag I. 1 nach § 8 UWG besteht nicht. Das Einlegen von Anzeigenblättern mit losen Werbeprospekten in Briefkästen von Verbrauchern, die mit einem dem Einwurf von Werbeprospekten widersprechenden Sperrvermerk versehen sind, ist nicht wettbewerbswidrig im Sinne von §§ 3, 4 Nr. 11, 7 Abs. 2 Nr. 1 Abs. 1 UWG.
31Briefkastenwerbung ist, da für eine Vielzahl von Werbenden und Werbeempfängern gleichermaßen wichtig und gewünscht, grundsätzlich zulässig, solange nicht ein entgegenstehender Wille des Briefkasteninhabers zum Ausdruck gebracht wird. Dabei ist, da das Verständnis des Begriffs "Werbung" für jeden Verbraucher unterschiedlich sein kann (so zu recht OLG Stuttgart in der von der Beklagten vorgelegten Entscheidung), Sache des sperrvermerkerklärenden Verbrauchers, seinen entgegenstehenden Willen eindeutig zu formulieren. Der Sperrvermerk nur den Einwurf von Werbeprospekten betreffend besagt nicht, dass auch der Empfang von Gratisblättern mit redaktionellen Teil unerwünscht ist. Darüber hinaus ist auch allgemein bekannt, dass kostenlose Printmedien mit redaktionellem Teil ausschließlich durch die Werbung mit Anzeigen oder mit Beilagen finanziert werden. Angesichts dessen muss der am Erhalt eines kostenlosen Anzeigenblatts Interessierte ebenso wie der Empfänger einer bestellten Zeitschrift oder Zeitung entscheiden, ob er mit dem Produkt zugleich Werbung hinnehmen oder auf den Erhalt des Produktes ganz verzichten will. Diese Wahl ist möglich, ungeachtet der Frage, ob eine vertragliche Beziehung besteht. Sie kann durch einfache Erklärung auch zum Ausschluss des Gratisanzeigenblattes getroffen werden.
32Das Verhalten der Beklagten ist auch nicht wettbewerbswidrig unter dem Gesichtspunkt der Verdrängung nach § 4 Nr. 10 UWG. Die Beklagte bietet mit der Verbreitung von Gratiszeitungen mit eingelegter Werbung in wie ausgeführt zulässiger Weise ein Produkt an, das für Werbende und Werbeempfänger gleichermaßen interessant ist. Hieraus können sich Wettbewerbsnachteile für das Dienstleistungsangebot der Klägerin ergeben. Dies ist aber nur Folge zulässigen Wettbewerbs und keine unzulässige Marktverdrängung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG.
33Die Klage ist auch hinsichtlich des Klageantrags zu I. 2) unbegründet. Die Verteilung des Aufklebers ist keine gezielte Behinderung von Mitbewerbern im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG. Abfangen und Abwerben von Kunden und potentiellen Kunden ist nur dann unlauter, wenn der Kunde unzumutbar belästigt oder unangemessen sachlich beeinflusst wird. Beides liegt hier nicht vor. Dass die Beklagte mit der Verteilung des Aufklebers dem Kunden Hilfe leistet bei der Entscheidung gegen den Mitbewerber, ist für sich nicht unlauter. Die Entscheidung des Kunden, ob von dem Hilfsangebot Gebrauch gemacht wird, erfolgt in freier Entscheidung. Für irgendeine unlautere Einwirkung auf den Kunden insoweit liegt kein Anhaltspunkt vor. Dass der Kunde den Aufkleber kostenlos erhalten hat, ist angesichts des geringen Wertes des Aufklebers ohne Belang.
34Der Klageantrag zu II. ist ebenfalls unbegründet. Ein Anspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG ist nicht gegeben. Mangels Wettbewerbsverstoßes der Beklagten war die anwaltliche Abmahnung vom 19.08.2010 nicht berechtigt.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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Referenzen
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