Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 3/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 %
des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch, weil er diesen dafür in der Verantwortung sieht, dass er gegenüber der B Lebensversicherung AG (im Folgenden: B) Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung nicht durchzusetzen vermochte.
3Der Beklagte - Angestellter der S Versicherung - war dem Kläger seit vielen Jahren als Versicherungsvermittler bekannt. Als der Kläger - von Beruf Zimmermann - im Jahr 2004 eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen wünschte, empfahl der Beklagte ihm die B, da die S Versicherung eine Berufsunfähigkeitsversicherung nur mit einer Verweisung in andere Berufsgruppen anbot. Der Beklagte nahm in einem Gespräch vom 20.04.2004 den Antrag auf eine Risikoversicherung mit Berufsunfähigkeitszusatzversicherung auf. Der Beklagte gab den ausgefüllten Antrag an das Versicherungsmaklerbüro N weiter. Unter dem 24.05.2004 füllte der Kläger noch einen Allergiefragebogen aus, bevor der Vertrag unter dem 16.06.2004 policiert wurde. Wegen der Einzelheiten der vorgenannten Schriftstücke wird auf die Anlagen zur Klageschrift (Blatt 8 ff. der Akten) Bezug genommen.
4Im September 2006 beantragte der Kläger Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Die B trat in die Prüfung ein und erklärte sodann mit Schreiben vom 02.11.2006 den Rücktritt. Der Rücktritt erfolgte wegen folgender in diesem Schreiben aufgeführter Erkrankungen:
5"- 03.2004 Schlafapnoe
6- 12.2002 bis 01.2003 Prellung
7- 12.2002 bis 06.2003 Analprolaps, Hämorrhoiden, Varizen,
8Radikulopathie,
9- 02.2000 bis 08.2001 Enthesopathien, Schwindel unkl. Genese,
10Radikulopathie, Epicondylitis ulnaris hum. Ellbogen
11- 10.1999 bis 10.1999 akute Gastroenteritis, Pharyngobronchitis
12- 02.1999 bis 02.1999 akute Pharyngobronchitis
13- 02.1999 bis 03.1999 LWS-Syndrom, Coxalgie Re-Blockierung
14- 12.1995 bis 12.1995 Osteotomie
15- 02.1995 bis 05.1995 Leistenbruch."
16Mit weiterem Schreiben vom 13.02.2006 begründete die B den Rücktritt noch mit weiteren ihr bekannt gewordenen Erkrankungen (Blatt 42 der Beiakte 26 O 55/08 Landgericht Köln):
17"WS-Syndrom in 1996
18BWS-Syndrom in 1997
19Zerebralinsuffizienz in 2000
20Herzbeschwerden in 2001
21Weichteilrheuma in 2002"
22Der Kläger nahm sodann in dem Vorprozess 26 O 55/08 LG Köln (20 U 1/09 OLG Köln) die B lediglich mit einem Feststellungsantrag, gerichtet auf Feststellung, dass der zwischen den Parteien geschlossene Risikoversicherungsvertrag bestehend aus einer Hinterbliebenenversorgung und einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung unverändert fortbesteht und nicht durch den Rücktritt der Beklagten beendet worden ist. Leistungen aus der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung wurden nicht mit eingeklagt. Die Klage blieb in zwei Instanzen ohne Erfolg.
23Der Kläger behauptet, das Antragsgespräch mit dem Beklagten habe 2 bis 2 ½ Stunden gedauert. Die Gesundheitsfragen seien umfangreich zu klären gewesen. Er habe sich mit einem Zettel vorbereitet. Er habe sämtliche Erkrankungen genannt. Der Beklagte habe erklärt, es seien nur Erkrankungen anzugeben, an denen der Kläger aktuell leide. Erkrankungen seien nicht anzugeben, wenn sie ausgeheilt oder abschließend behandelt worden seien.
24Der Kläger meint, das Berufsunfähigkeitsrisiko sei ungeachtet der Vorerkrankungen versicherbar gewesen. Da die Erkrankungen ausgeheilt gewesen seien, wäre es auch nicht zu einem Ausschluss gekommen.
25Der Kläger behauptet bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit seit September 2006. Bereits wegen der Rückenerkrankung (5-facher Bandscheibenvorfall) sei er zu mehr als 50 % nicht mehr in der Lage, die bisherige Tätigkeit als Zimmermann auszuführen.
26Auch allein auf Grund einer Borreliose-Erkrankung und deren Folgen könne er seinem Beruf nicht mehr nachgehen.
27Mit dem Klageantrag zu 1) macht der Kläger für den dort genannten Zeitraum die Berufsunfähigkeitsrenten in Höhe von 780,55 € monatlich geltend.
28Hilfsweise macht er einen Schadensersatzanspruch in Höhe der im Zeitraum 6/04 bis 11/06 an die B gezahlten Versicherungsprämien (3.963,72 €) geltend. Die Zahlung dieser Versicherungsprämien habe sich als "sinnlos" erwiesen, nachdem die B zu Recht den Rücktritt von dem zugrunde liegenden Vertrag erklärt habe.
29Der Kläger beantragt,
301.
31die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz für den Zeitraum 09/06 bis 11/09 in Höhe von 30.441,45 € nebst außergerichtlicher Mahnkosten in Höhe von 1.085,04 € zu zahlen,
322.
33festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, auch den weiteren Schaden in Form von entgangenen Leistungen des Klägers aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bei der B zu der Versicherungsnummer: ############ ab Dezember 2009 zu erstatten.
34Der Beklagte beantragt,
35die Klage abzuweisen.
36Er erhebt die Einrede der Verjährung und behauptet, der Versicherungsvertrag wäre bei zutreffender Angabe der Vorerkrankungen nicht zustande gekommen.
37Er behauptet, die Antragsaufnahme habe maximal eine halbe Stunde gedauert. Der Kläger habe keinen Notizzettel vorgelegt, sondern nur die Pollenallergie angesprochen. Arbeitsunfähigkeitszeiten und die sonstigen Krankheiten habe er nicht erwähnt.
38Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen C. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2011, Blatt 94 ff. der Akten, Bezug genommen.
39Entscheidungsgründe:
40Die zulässige Klage ist insgesamt unbegründet.
41I.
42Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB im Hinblick auf die geltend gemachten bezifferten und zukünftigen Berufsunfähigkeitsrenten.
43Dies folgt bereits daraus, dass etwaige Fehler des Beklagten (deren Vorliegen hier offenbleiben konnte) bei der Antragsaufnahme nicht kausal dafür geworden sind, dass der Kläger gegenüber der B eine Berufsunfähigkeitsrente nicht durchsetzen konnte. Denn nach § 21 VVG a. F. bleibt der Versicherer zur Leistung verpflichtet, wenn der Umstand, in Ansehung dessen die Anzeigepflicht verletzt ist, keinen Einfluss auf den Eintritt des Versicherungsfalles gehabt hat. So liegt es hier, weil die Borreliose-Erkrankung nach dem Vortrag des Klägers gerade nicht auf den im Antragsformular nicht angegebenen Vorerkrankungen beruhte, sondern eine eigenständige Neuerkrankung darstellte. Der Kläger hat ferner vorgetragen, dass sich die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit bereits allein mit der Borreliose und deren Folgen begründen ließe. Der von der Klägerin erklärte Rücktritt stand damit einer erfolgreichen Geltendmachung von Ansprüchen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht entgegen.
44Anderes folgt nicht daraus, dass die Berufsunfähigkeit ggf. auch mit den auf 5 Prolapsen beruhenden Rückenbeschwerden zu begründen wäre. Zwar ist es richtig, dass insoweit § 21 VVG a. F. nicht greifen würde, weil die Rückenbeschwerden bereits mehrfach vorvertraglich dokumentiert sind (LWS-BWS). Dies steht jedoch der vorgenannten Argumentation nicht entgegen, weil der Kläger dargelegt hat, dass die Berufsunfähigkeit bereits allein mit der Borreliose und deren Folgen zu begründen ist.
45Im Übrigen hätte der Kläger das Vorliegen einer bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit auch dann nicht erfolgreich mit Rückenbeschwerden begründen können, wenn die Vorerkrankungen der B in dem Antragsformular ordnungsgemäß mitgeteilt worden wären. Denn für diesen Fall steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Vertrag allenfalls mit einer Ausschlussklausel hinsichtlich Wirbelsäulenschäden zustande gekommen wäre. Das Gericht gründet seine Überzeugung insoweit auf die Bekundungen des Zeugen C, der bei der B für die Antragsprüfung zuständig ist. Dieser hat bekundet, dass bei einer Offenbarung der LWS/BWS-Diagnosen ein Vertragsabschluss nur mit einem Ausschluss möglich gewesen wäre, zumal der Kläger den Beruf des Zimmermanns ausübt. Das Gericht hat dem Zeugen die Diagnosen aus dem Rücktrittsschreiben und dem weiteren Schreiben vom 13.12.2006 sowie die die Wirbelsäule betreffenden Diagnosen aus dem ärztlichen Bericht des Dr. F vom 06.12.2006 (Blatt 40 f. der Beiakte) genannt. Der Zeuge hat daraufhin in plausibler Weise keinen Zweifel daran gelassen, dass insoweit ein Vertrag nur mit einem Ausschluss angeboten worden wäre.
46Nach alledem konnte die Klage mit dem primär geltend gemachten Anspruch keinen Erfolg haben. Offenbleiben konnten die Fragen, ob dem Beklagten überhaupt eine Pflichtverletzung zur Last fällt und ob der Anspruch ggf. verjährt ist.
47II.
48Auch mit dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch in Höhe von 3.963,72 € hat die Klage keinen Erfolg.
491.
50Das Gericht geht zunächst davon aus, dass über den hilfsweise geltend gemachten Anspruch entschieden werden soll. Zwar hat der Kläger den Anspruch zunächst nur für den Fall geltend machen wollen, dass das Gericht zu der Auffassung gelange, er habe keinen Leistungsanspruch aus der zugrunde liegenden Berufsunfähigkeitsversicherung im Falle eines bestehenden Versicherungsverhältnisses gehabt. Diese Bedingung wäre nicht eingetreten. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat jedoch in der mündlichen Verhandlung nochmals auf den hilfsweise geltend gemachten Anspruch hingewiesen, nachdem das Gericht auf die Unbegründetheit der Klage im Hinblick auf § 21 VVG a. F. hingewiesen hatte, so dass davon auszugehen ist, dass der Kläger den Hilfsanspruch auch für den Fall der Zurückweisung des Primäranspruches wegen § 21 VVG a. F. zur Entscheidung gestellt wissen wollte.
512.
52Auch insoweit besteht jedoch ein Anspruch aus § 280 Abs. 1 BGB nicht. Auch hier kann wiederum offen bleiben, ob dem Beklagten überhaupt eine Pflichtverletzung zur Last fällt. Denn jedenfalls geht die Argumentation des Klägers, die Aufwendungen für die Versicherungsprämien seien sinnlos gewesen, schon nach seinem eigenen Vortrag fehl: Wegen § 21 VVG a. F. blieb ihm die Möglichkeit, die Berufsunfähigkeit erfolgreich mit der Borreliose-Krankheit und deren Folgen zu begründen, womit die Entrichtung der Versicherungsprämien und die Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes gerade nicht "sinnlos" war.
533.
54Denkbar wäre noch, einen Schadensersatzanspruch in Höhe der gezahlten Prämien damit zu begründen, dass bei der pflichtgemäßen Angabe der Vorerkrankungen ein Vertrag überhaupt nicht zustande gekommen wäre (so die Behauptung nur des Beklagten), so dass der Kläger die Zahlung der Versicherungsprämien erspart hätte. Der Kläger selbst hat jedoch gerade nicht behauptet, dass ein Vertrag bei ordnungsgemäßer Angabe der Vorerkrankungen überhaupt nicht zustande gekommen wäre. Er hat sich auch nicht hilfsweise den Vortrag des Beklagten insoweit oder das Beweisergebnis (hilfsweise) zu Eigen gemacht. Soweit der Zeuge C bekundet hat, dass die Diagnose "Schlafapnoe" ein "ko-Kriterium" darstelle, ist eine entsprechende Erklärung der Klägerseite nicht erfolgt. Vielmehr hat der Kläger spontan erklärt, er habe nicht an einer Schlafapnoe gelitten.
55Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
56Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
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Referenzen
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