Urteil vom Landgericht Dortmund - 25 O 230/11
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, er-satzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an dem Vorstand, zu unterlassen,
bei Stromversorgungsverträgen, die mit Verbrauchern geschlossen werden,
die nachfolgenden oder inhaltsgleiche Klauseln als Allgemeine Geschäfts-bedingungen einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Ab-wicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen, wie geschehen in dem Antragsformular nebst Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Tarif S Naturstrom-Haushalt (Anlage K2 zur Klageschrift):
[6.1] S kann den Verbrauchspreis und den Grundpreis ändern. Eine solche Anpassung wird Ihnen mit einer Frist von mindestens acht Wochen schriftlich angekündigt. Ändert S auch nur einen dieser Preise, so sind Sie - auch während der Erstlaufzeit - berechtigt, diesen Vertrag zum Zeitpunkt der angekündigten Preisänderung in Textform zu kündigen. Die Kündigung muss mindestens einen Monat vor Wirksamwerden der Änderung bei S eingegangen sein. Kündigen Sie nicht, so gelten die geänderten Preise zum angekündigten Zeitpunkt. S wird Sie auf die Bedeutung Ihres Verhaltens im Anpassungsschreiben besonders hinweisen.
[8.3] Als Zahlungsart steht Ihnen das Lastschriftverfahren zur Verfügung.
[9.1] Fordert S Sie bei Zahlungsverzug erneut zur Zahlung auf oder lässt den Betrag durch einen Beauftragten einziehen, kann S Ihnen die dadurch entstehenden Kosten pauschal berechnen.
[9.2] [Sollten Sie Ihren Zahlungsverpflichtungen trotz Mahnung nicht nachkommen, kann S die Stromlieferung vier Wochen nach Androhung unterbrechen lassen und den örtlichen Netzbetrieber mit der Unterbrechung der Versorgung beauftragen [...] S lässt die Verorgung unverzüglich wiederherstellen, sobald die Gründe für die Unterbrechung entfallen sind und Sie die Kosten der Unterbrechung und Wiederherstellung der Belieferung ersetzt haben.] Die Kosten können für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnet werden; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar hinsichtlich des Ausspruchs unter Ziff. 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000 € und bezüglich der Ge-richtskosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist der Dachverband aller 16 Verbraucherzentralen und 25 weiterer Verbraucher- und sozialorientierter Organisationen in Deutschland. Er bezweckt laut § 2 seiner Satzung die Wahrnehmung von Verbraucherinteressen.
3Die Beklagte ist ein Stromversorgungsunternehmen, welches seine Dienstleistungen auch gegenüber Endverbrauchern erbringt.
4Bei Abschluss von Stromversorgungsverträgen, die mit Verbrauchern geschlossen werden, verwendet die Beklagte ihre Allgemeine Geschäftsbedingungen S Naturstrom. Diese enthalten die nachfolgenden streitgegenständlichen Klauseln:
5"[2.3] Der Stromliefervertrag kommt zustande, sobald S Ihnen in einem weiteren Schreiben (bzw. bei Auftragserteilung gemäß 2.2 ggf. auch per E-Mail) das Zustandekommen bestätigt und den verbindlichen Lieferbeginn mitteilt.
6[4] Die Erstlaufzeit beginnt mit dem in der Auftragsbestätigung genannten Lieferbeginn.
7[6.1] S kann den Verbrauchspreis und den Grundpreis ändern. Eine solche Anpassung wird Ihnen mit einer Frist von mindestens acht Wochen schriftlich angekündigt. Ändert S auch nur einen dieser Preise, so sind Sie – auch während der Erstlaufzeit – berechtigt, diesen Vertrag zum Zeitpunkt der angekündigten Preisänderung in Textform zu kündigen. Die Kündigung muss mindestens einen Monat vor Wirksamwerden der Änderung bei S eingegangen sein. Kündigen Sie nicht, so gelten die geänderten Preise zum angekündigten Zeitpunkt. S wird Sie auf die Bedeutung Ihres Verhaltens im Anpassungsschreiben besonders hinweisen.
8[7] [Bitte lesen Sie auf schriftliche Anfrage der S Ihren Zählerstand selbst ab. Werden die Messeinrichtungen von Ihnen nicht abgelesen, kann S auf Ihre Kosten die Ablesung selbst vornehmen, den Verbrauch schätzen oder einen Dritten mit der Ablesung beauftragen] Zu diesem Zweck müssen Sie S oder dem Beauftragten den Zutritt zu ihren Räumen gestatten.
9[8.3] Als Zahlungsart steht Ihnen das Lastschriftverfahren zur Verfügung.
10[9.1] Fordert S Sie bei Zahlungsverzug erneut zur Zahlung auf oder lässt den Betrag durch einen Beauftragten einziehen, kann S Ihnen die dadurch entstehenden Kosten pauschal berechnen.
11[9.2] [Sollten Sie Ihren Zahlungsverpflichtungen trotz Mahnung nicht nachkommen, kann S die Stromlieferung vier Wochen nach Androhung unterbrechen lassen und den örtlichen Netzbetrieber mit der Unterbrechung der Versorgung beauftragen […] S lässt die Versorgung unverzüglich wiederherstellen, sobald die Gründe für die Unterbrechung entfallen sind und Sie die Kosten der Unterbrechung und Wiederherstellung der Belieferung ersetzt haben.] Die Kosten können für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnet werden; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein.
12[15.2] S haftet auch bei schuldhafter Verletzung wesentlicher Vertragspflichten, bei leichter Fahrlässigkeit jedoch der Höhe nach beschränkt auf die bei Vertragsschluss vorhersehbaren vertragstypischen Schäden (wesentliche Vertragspflichten sind solche, deren Erfüllung den Vertrag prägt und auf die der Kunde vertrauen darf)."
13Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 20.11.2009 auf, hinsichtlich der streitgegenständlichen Klauseln eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Dem kam die Beklagte nicht nach.
14Der Kläger ist der Ansicht, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel 2.3 verstoße gegen § 308 Nr. 1 BGB, denn die Klausel enthalte keine Regelung, innerhalb welchen Zeitraums der Verbraucher mit einer Annahme rechnen könne. Die Frist für die Annahme des Angebots sei somit zu unbestimmt.
15Ferner verstoße sie gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1; 150 Abs. 2 BGB. Denn erfolge die Annahme des Vertrages zu einem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher nicht mehr mit der Annahme rechnen müsse, komme der Vertrag nach § 150 Abs. 2 gerade nicht durch Zugang der Vertragsbestätigung zustande.
16Auch sei entgegen dem Beklagtenvortrag eine Definition der Obergrenze für den Zeitpunkt der Annahme des Vertragsangebotes des Kunden möglich.
17Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltene Klausel 4 ist nach Ansicht des Klägers wegen eines Verstoßes gegen § 309 Nr. 9 lit. a BGB unwirksam. Zwar werde in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Mindestlaufzeit von 12 Monaten vereinbart, jedoch könne die von der Beklagten verwendete Klausel bei verbraucherfeindlichster Auslegung zu einer längeren Laufzeit als zwei Jahre führen. Denn nach gefestigter Rechtsprechung sei § 309 Nr. 9 lit a) BGB dahingehend auszulegen, dass die den anderen Vertragsteil bindende Laufzeit eines Dauerschuldverhältnisses nicht erst mit dem Zeitpunkt der Leistungserbringung, sondern bereits mit dem Abschluss des Vertrages beginne. Wenn jedoch der im Schreiben genannte Lieferbeginn beispielsweise erst 13 Monate nach dem Vertragsschluss erfolge, sei ebenfalls eine Laufzeit von zwölf Monaten einzuhalten, was dazu führe, dass die nach § 309 Nr. 9 lit. a BGB zulässige Laufzeit überschritten werde.
18Diese Auslegung sei der Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel auch zu Grunde zu legen, denn bei der Auslegung im Rahmen einer Verbandsklage komme es nicht darauf an, dass die Auslegung realistisch sei, sondern allein darauf, wie der Verwender die Klausel bei kundenfeindlichster Auslegung handhaben könne. Unerheblich sei deshalb auch, dass die Beklagte üblicherweise keine Vertragsbestätigungen verschicke, wenn die Lieferung nicht innerhalb von zwölf Monaten erfolge.
19Ferner werde die Unzulässigkeit der Klausel auch nicht durch das von der Beklagten eingeräumte Widerrufsrecht kompensiert, denn dieses bestehe nur bei Fernabsatzverträgen und nicht bei Verträgen, die über andere Vertriebswege abgeschlossen werden.
20Die Klausel 6.1 verstößt nach Ansicht des Klägers gegen § 307 Abs. 1 BGB. Denn die von der Beklagten getroffene Regelung über Preisanpassungen ermögliche der Beklagten, über die Abwälzung konkreter Kostensteigerungen hinaus den zunächst vereinbarten Preis ohne Begrenzung anzuheben und so nicht nur eine Gewinnschmälerung zu vermeiden, sondern einen zusätzlichen Gewinn zu erzielen.
21Preisanpassungsklauseln seien jedoch nur zulässig, wenn die Befugnis des Verwenders die Preise zu erhöhen von Kostenerhöhungen abhängig gemacht werde und die einzelnen Kostenelemente sowie deren Gewichtung bei der Kalkulation des Gesamtpreises offengelegt werden. Die Klausel der Beklagten genüge diesen Anforderungen nicht. Die Preiserhöhung sei nämlich nicht nur auf den Umfang der Kostensteigerung begrenzt, sondern sogar dann gestattet, wenn der Anstieg eines Kostenfaktors durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen ausgeglichen werde.
22Auf die Klausel 6.1 könne auch nicht die Leitbildrechtsprechung des Bundesgerichtshof Anwendung finden, weil sie negativ von der Regelung des § 5 Abs. 2 StromGVV abweiche. Die Klausel gebe der Beklagten nämlich das Recht, die Preise zu erhöhen, sie lege ihr jedoch nicht zugleich auch die Pflicht auf, die Preise gegebenenfalls zu senken.
23Die unangemessene Benachteiligung werde auch nicht durch die eingeräumte Kündigungsmöglichkeit kompensiert. Zwar könne in Einzelfällen ein angemessener Interessenausgleich durch ein Kündigungsrecht erreicht werden, dies sei jedoch nur dann der Fall, wenn eine Konkretisierung der Anpassungsmaßstäbe wegen der Besonderheit der Vertragsbeziehung auf unüberwindbare Schwierigkeiten stoße. Die von der Beklagten verwendete Klausel stelle jedoch nicht nur wegen fehlender Transparenz eine unangemessene Benachteiligung dar, sondern insbesondere wegen der zu weit gehenden Änderungsbefugnisse. Diese könnten jedoch gerade nicht durch das Kündigungsrecht ausgeglichen werden.
24Der Kläger ist weiter der Ansicht, die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel 7 sei wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Art. 13 GG unwirksam.
25Die Klausel erlaube der Beklagten ein jederzeitiges Zutrittsrecht zu den Räumen der Kunden. Für ein derartiges jederzeitiges Betretungsrecht bestehe jedoch kein ausreichendes Interesse der Beklagten. Vielmehr habe der Kunde ein berechtigtes Interesse daran, dass seine Privaträume ausschließlich zu einer Zeit betreten werden, zu der er damit rechnen müsse. Dies werde regelmäßig nur nach Absprache auf einen bestimmten Termin der Fall sein. Da die Klausel eine derartige Absprachen nicht vorsehe, sei sie mit § 307 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Art. 13 GG unvereinbar.
26Die Beklagte könne sich auch nicht auf die Leitbildrechtsprechung des § 9 S. 1 StromGVV berufen, da die Beklagte diese Vorschrift nicht inhaltlich übernommen habe. Die gesetzliche Regelung sehe vor, dass der Kunde den Zutritt nach vorheriger Benachrichtigung gestatten müsse. Eine solche Benachrichtigung sehe die von der Beklagten verwendete Klausel jedoch gerade nicht vor.
27Somit könne dahinstehen, ob für § 9 S. 1 StromGVV überhaupt die Leitbildrechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelte.
28Nach Ansicht des Klägers verstößt die Klausel 8.3 gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm § 41 Abs. 1 S. 2 EnWG.
29Bei verbraucherfeindlichster Auslegung sehe diese Klausel nämlich ausschließlich das Lastschriftverfahren als zulässige Bezahlmethode vor. § 41 Abs. 1 EnWG regele jedoch, dass Verbrauchern verschiedene Zahlweisen angeboten werden müssten.
30Der diesbezügliche Einwand der Beklagten, Kunden hätten auf Nachfrage die Möglichkeit, das Entgelt auch zu überweisen, sei insoweit unerheblich, da es im Verbandsprozess nicht auf die tatsächliche Handhabung ankomme, sondern allein auf die verbraucherfeindlichste Auslegung an.
31Schließlich sei die Klausel auch deshalb unwirksam, da sie nicht gewährleiste, dass zwischen dem Zugang der Rechnung und dem Einzug des Rechnungsbetrages eine ausreichende Zeit von mindestens fünf Werktagen verbleibe, damit der Kunde die Rechnung prüfen und gegebenenfalls auch für ausreichende Deckung sorgen könne. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass das Lastschriftverfahren nicht nur für monatliche Abschlagszahlungen sondern auch für alle sonstigen Zahlungsverpflichtungen, wie etwaiger Nachzahlungen in Folge der Jahresendabrechnung gelte.
32Die von der Beklagten verwendete Klausel 9.1 verstoße nach Ansicht des Klägers gegen § 309 Nr.5 lit. a BGB und gegen § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 iVm § 254 BGB.
33Der Beklagten werde bei verbraucherfeindlichster Auslegung ermöglicht, auch eine solche Pauschale zu fordern, die den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteige. Jedenfalls sei die Klausel insoweit intransparent.
34Bei verbraucherfeindlichster Auslegung habe der Verbraucher nämlich auch dann die Kosten für eine Einziehung durch einen Dritten zu zahlen, wenn er lediglich kurzzeitig mit geringfügigen Beträgen in Verzug sei. In diesem Fall bestehe jedoch die Gefahr, dass der entsprechend geltend gemachte Verzugsschaden außer Verhältnis zur Hauptforderung stehe und dieses Vorgehen gegen die nach § 254 Abs. 2 BGB bestehende Schadensminderungspflicht verstoße. Die von der Beklagten verwendete Klausel enthalte keine Einschränkung, die dies berücksichtige.
35Auch wenn die Beklagte die Klausel inzwischen angepasst habe, so bestehe jedoch eine Wiederholungsgefahr der Beklagten, da sie erst etwa 3 Jahre nach Inkrafttreten der StromGVV auf Abmahnung hin angekündigt habe, die Klausel anzupassen.
36Die von der Beklagten verwendete Klausel 9.2 verstößt nach Ansicht des Klägers gegen § 309 Nr. 5 lit. a BGB und gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
37Allein die Tatsache, dass die pauschale Berechnung der Kosten in dem Fall, in dem der Kunde trotz Mahnung seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkomme, nachvollziehbar sei, gewährleiste nicht, dass die Pauschale nicht den nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteige. Es sei für den Verbraucher auch nicht im Vorfeld erkennbar, wie hoch die Pauschale ausfalle.
38Darüber hinaus gestatte die Klausel dem Kunden nicht den Nachweis, dass ein Schaden überhaupt nicht oder wesentlich niedriger entstanden sei.
39Nach Ansicht des Klägers verstößt Klausel 15.2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB.
40Die Klausel genüge nicht dem Transparenzgebot, da für den Verbraucher nicht erkennbar sei, was unter den Begriff "vorhersehbarer, vertragstypischer Schaden" falle. Ferner habe der Verbraucher keine Anhaltspunkte, welche Schadenshöhe als vorhersehbarer vertragstypischer Schaden angesehen werde.
41Darüber hinaus finde auch die BGH-Rechtsprechung keine Anwendung, nach der die Begrenzung der Haftung im Falle einer schuldhaften Verletzung einer wesentlichen Pflicht auf die Höhe des typischerweise eintretenden, vorhersehbaren Schaden zulässig ist. Denn Gegenstand der Entscheidung seien Klauseln gewesen, in denen – anders als im vorliegenden Fall – die Haftungsgrenze konkret beziffert war.
42Der Kläger beantragt,
43die Beklagte zu verurteilen, es bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festgesetzten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an dem Vorstand, es zu unterlassen,
44bei Stromversorgungsverträgen, die mit Verbrauchern geschlossen werden,
45die nachfolgenden oder inhaltsgleichen Klauseln als Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen, sowie sich auf die Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger Verträge, geschlossen nach dem 1. April 1977, zu berufen, wie geschehen in dem Antragsformular nebst Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten für den Tarif S Naturstrom-Haushalt (Anlage K2 zur Klageschrift):
461. [2.3] Der Stromliefervertrag kommt zustande, sobald S Ihnen in einem weiteren Schreiben (bzw. bei Auftragserteilung gemäß 2.2 ggf. auch per E-Mail) das Zustandekommen bestätigt und den verbindlichen Lieferbeginn mitteilt.
472. [4] Die Erstlaufzeit beginnt mit dem in der Auftragsbestätigung genannten Lieferbeginn.
483. [6.1] S kann den Verbrauchspreis und den Grundpreis ändern. Eine solche Anpassung wird Ihnen mit einer Frist von mindestens acht Wochen schriftlich angekündigt. Ändert S auch nur einen dieser Preise, so sind Sie – auch während der Erstlaufzeit – berechtigt, diesen Vertrag zum Zeitpunkt der angekündigten Preisänderung in Textform zu kündigen. Die Kündigung muss mindestens einen Monat vor Wirksamwerden der Änderung bei S eingegangen sein. Kündigen Sie nicht, so gelten die geänderten Preise zum angekündigten Zeitpunkt. S wird Sie auf die Bedeutung Ihres Verhaltens im Anpassungsschreiben besonders hinweisen.
494. [7] [Bitte lesen Sie auf schriftliche Anfrage der S Ihren Zählerstand selbst ab. Werden die Messeinrichtungen von Ihnen nicht abgelesen, kann S auf Ihre Kosten die Ablesung selbst vornehmen, den Verbrauch schätzen oder einen Dritten mit der Ablesung beauftragen] Zu diesem Zweck müssen Sie S oder dem Beauftragten den Zutritt zu ihren Räumen gestatten.
505. [8.3] Als Zahlungsart steht Ihnen das Lastschriftverfahren zur Verfügung.
516. [9.1] Fordert S Sie bei Zahlungsverzug erneut zur Zahlung auf oder lässt den Betrag durch einen Beauftragten einziehen, kann S Ihnen die dadurch entstehenden Kosten pauschal berechnen.
527. [9.2] [Sollten Sie Ihren Zahlungsverpflichtungen trotz Mahnung nicht nachkommen, kann S die Stromlieferung vier Wochen nach Androhung unterbrechen lassen und den örtlichen Netzbetreiber mit der Unterbrechung der Versorgung beauftragen […] S lässt die Versorgung unverzüglich wiederherstellen, sobald die Gründe für die Unterbrechung entfallen sind und Sie die Kosten der Unterbrechung und Wiederherstellung der Belieferung ersetzt haben.] Die Kosten können für strukturell vergleichbare Fälle pauschal berechnet werden; die pauschale Berechnung muss einfach nachvollziehbar sein.
538. [15.2] S haftet auch bei schuldhafter Verletzung wesentlicher Vertragspflichten, bei leichter Fahrlässigkeit jedoch der Höhe nach beschränkt auf die bei Vertragsschluss vorhersehbaren vertragstypischen Schäden (wesentliche Vertragspflichten sind solche, deren Erfüllung den Vertrag prägt und auf die der Kunde vertrauen darf).
54Die Beklagte beantragt,
55die Klage abzuweisen.
56Sie ist der Ansicht, die Klausel 2.3 falle nicht in den Anwendungsbereich des § 308 Nr. 1 BGB. Die Beklagte weiche nicht zu ihren Gunsten von §§ 146, 147 BGB oder von § 150 Abs. 2 BGB ab.
57Die Klausel treffe nämlich keine Aussage dazu, ob und wann die Kunden der Beklagten mit einer Annahme ihres Vertragsangebotes rechnen könnten. Vielmehr betreffe sie allein die Form des Zustandekommens des Vertrages. Die Klausel regele nämlich ausschließlich, dass die Vertragsunterlagen auf der Internetseite der Beklagten lediglich als "invitatio ad offerendum" zu qualifizieren seien, so dass der Antrag eines Interessenten noch einer expliziten Annahme durch die Beklagte bedürfe.
58Ferner werde auch nicht von § 150 Abs. 2 BGB abgewichen, denn die Vorschrift komme uneingeschränkt zur Anwendung, sofern die Vertragsbestätigung zu einem Zeitpunkt erfolge, zu dem der Kunde nach § 147 Abs. 2 BGB nicht mit der Annahme rechnen müsse.
59Auch sei die in der Klausel enthaltene Annahmefrist nicht zu unbestimmt. Die Beklagte habe im nächsten Satz der Klausel die Voraussetzungen des Zustandekommens sowie den Zeitraum, innerhalb dessen der Kunde mit der Aufnahme der Belieferung durch die Beklagte rechnen könne, konkretisiert. Eine darüber hinaus gehende Konkretisierung sei der Beklagten vor dem Hintergrund des § 14 StromNZV weder möglich noch zumutbar.
60Die Beklagte ist der Ansicht, die Klausel 4 ihrer Allgemeinen Vertriebsbedingungen sei ebenfalls wirksam. Entgegen dem Klägervortrag enthalte die Klausel keine Regelung über eine Vertragslaufzeit von mehr als zwei Jahren. Die von dem Kläger gewählte Auslegung könne der Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel nicht zugrunde gelegt werden. Die Auslegung sei abwegig und aus der Sicht der Kunden völlig fernliegend. Sie entspreche nicht der Lebenswirklichkeit. Auch wenn im Verbandsprozess der Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung gelte, so bedeute dies nicht, dass völlig fernliegende Auslegungsergebnisse zum Maßstab für die Unwirksamkeit von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemacht werden könnten.
61Darüber hinaus bestehe ohnehin eine entgegenstehende Vertriebspraxis der Beklagten. Erfahre die Beklagte, dass der Lieferbeginn aufgrund der vertraglichen Kündigungsfristen im Rahmen eines bestehenden Stromliefervertrages des Kunden um bis zu 12 Monate verzögert werde, so erhalte der betreffende Kunde keine Vertragsbestätigung von der Beklagten.
62Ferner ist die Beklagte der Ansicht, es komme bei der Beurteilung der den anderen Vertragsteil bindenden Laufzeit i.S.v. § 309 Nr. 9 lit. a BGB entgegen der Ansicht des Klägers vorliegend auch nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses, sondern auf den Zeitpunkt des Lieferbeginns an. Dem Kunden stünde bis zwei Wochen nach Aufnahme der Belieferung ein Widerrufsrecht zu, sodass er sich bis zu diesem Zeitpunkt vom Vertrag lösen könne. Der Kunde sei in der Zeit zwischen Vertragsschluss und Lieferbeginn somit gerade nicht bereits an den Vertrag gebunden. Die Beklagte räume das Widerrufsrecht ihren Kunden vertraglich ein, so dass auch der Hinweis des Klägers unbeachtlich sei, dass das Widerrufsrecht nur bei Fernabsatzverträgen gelte.
63Die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel 6.1 zur Regelung künftiger Preisänderungen ist nach Ansicht der Beklagten ebenfalls wirksam.
64Zunächst sei die Klausel nämlich eine unveränderte Übernahme der gesetzlichen Regelung des § 5 Abs. 2 StromGVV, welchem nach der Rechtsprechung des BGH Leitbildfunktion zukomme. Eine unveränderte Übernahme erfordere nicht, dass die Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen alle Tatbestandmerkmale der gesetzlichen Vorschrift übernehme, sondern lediglich, dass der Verwender nicht zum Nachteil seiner Kunden von der gesetzlichen Regelung abweiche. Dem sei die Beklagte nachgekommen. Dass sie die in § 5 Abs. 2 StromGVV genannte öffentliche Bekanntgabe nicht in die Klausel übernommen habe, stelle keine Abweichung zu Lasten der Kunden dar. Die Beklagte gebe nämlich ihren Kunden Preisänderungen per Brief bekannt, was die sicherste und individuellste Form der Information sei. Einer öffentlichen Bekanntgabe bedürfe es daneben nicht.
65Ferner ist die Beklagte der Ansicht, ihr sei es bis zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14.07.2010 (Az. VIII ZR 246/08) nicht möglich gewesen, eine wirksame Preisanpassungsklausel zu formulieren. Denn zuvor sei unklar gewesen, ob die Übernahme des Wortlautes des § 5 Abs. 2 StromGVV in die Klausel ausreiche, oder ob es einer weiteren Konkretisierung der Anforderungen für eine Preisanpassung hinsichtlich Anlass, Voraussetzungen und Umfang des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts bedurfte.
66Auch werde eine etwaige Unangemessenheit der Klausel durch das den Kunden in der streitgegenständlichen Klausel eingeräumte Kündigungsrecht kompensiert. Die grundsätzliche Möglichkeit der Kompensation einer unwirksamen Preisanpassungsklausel durch ein derartiges Kündigungsrecht werde nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Einzelfall auch im Bereich der Preisanpassungsklauseln anerkannt. Dies sei insbesondere dann der Fall, wenn die Gestaltung einer zulässigen Preisänderungsklausel – wie im vorliegenden Fall – mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden sei.
67Ebenfalls sei die in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel 7 über das Zutrittsrecht der Beklagten wirksam. Die Klausel enthalte nämlich keine Regelung über ein jederzeitiges Zutrittsrecht. Die vom Kläger zugrunde gelegte Auslegung sei wirklichkeitsfremd. Die Beklagte habe kein Interesse an einem zeitlich unbegrenzten Zugangsrecht, da ihr bei einem Zutritt außerhalb der regelmäßigen Geschäftszeiten oder wenn der Kunde nicht zu Hause sei, stets Mehrkosten entstünden. Sie werde dementsprechend zur Vermeidung dieser Mehrkosten mit ihren Kunden vor einem beabsichtigten Zutritt einen Termin vereinbaren.
68Ferner sei die Klausel infolge einer unveränderten Übernahme von § 9 S. 1 StromGVV ohnehin wirksam. Letzterem käme eine Leitbildfunktion zu. Genau wie die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen habe es auch der Verordnungsgeber bei § 9 S. 1 StromGVV nicht für notwendig erachtet, die fernliegende Möglichkeit eines Zutritts zu Unzeiten auszuschließen.
69Die in Klausel 8.3 enthaltene Regelung über das Lastschriftverfahren weicht nach Ansicht der Beklagten nicht von § 41 Abs. 1 S. 2 EnWG ab und ist dementsprechend unter Anwendung der Leitbildrechtsprechung des Bundesgerichtshofes wirksam.
70Die Kunden der Beklagten könnten zwischen verschiedenen Verträgen und damit auch, wie vom Gesetzgeber gefordert, zwischen verschiedenen Zahlungsmethoden wählen. Dies sei ausreichend, denn es komme nach der Vorstellung des Gesetzgebers allein darauf an, dass die Energieversorger in ihrem Produktportfolio insgesamt verschiedene Zahlungsweisen ermöglichten. Dementsprechend reiche es auch aus, wenn dem Kunden vor Vertragsschluss verschiedene Verträge mit unterschiedlichen Zahlungsweisen angeboten werden.
71Jedes andere Verständnis würde es praktisch verhindern, im Interesse der Kunden alternative Produkte und damit eine breite Produktpalette entwickeln und anbieten zu können, zu denen aufgrund ihrer Einfachheit gerade auch schlanke Online-Produkte zählten.
72Auch sei durch die Beklagte sichergestellt, dass mindestens fünf Werktage zwischen Rechnungstellung und Einzug lägen. Denn in Ziffer 8.1 S. 7 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten sei geregelt, dass Rechnungen und Abschläge frühestens zwei Wochen nach Zugang der Zahlungsaufforderung fällig werden.
73Die Klausel 9.1 über die Kostenpauschale bei Zahlungsverzug ist nach Ansicht der Beklagten ebenfalls wirksam. Die Beklagte habe nämlich das Recht, im Falle des Zahlungsverzugs des Kunden gegen diesen vorzugehen. Insoweit stehe es allein im Risikobereich des Kunden, die durch den Verzug entstehenden Kosten zu tragen. Der Beklagten obliege insoweit keine Schadensabwendungs- oder –minderungspflicht gemäß § 254 BGB.
74Auch sei eine unangemessene Benachteiligung der Kunden der Beklagten i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB ausgeschlossen, da die Klausel eine unveränderte Übernahme des § 27 Abs. 2 AVBEltV darstelle und damit wegen der der Norm zukommenden Leitbildfunktion wirksam sei. Darüber hinaus habe die Beklagte die Regelung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Inkrafttreten des § 17 Abs. 2 StromGVV in ihren aktuellen Vertragsbedingungen zur Klarstellung angepasst.
75Nach Ansicht der Beklagten ist die Klausel 9.2 über die Kostenpauschale bei Unterbrechung der Versorgung ebenfalls wirksam, da sie eine unveränderte Übernahme des § 33 Abs. 3 S. 2 AVBEltV darstelle. Dieser Norm komme Leitbildfunktion zu, denn der Verwender habe im Falle eines Stromlieferungsvertrages gegenüber Sonderkunden im gleichen Maße wie gegenüber Tarifkunden ein berechtigtes Interesse daran, die aufgrund des Zahlungsverzuges des Kunden angefallenen Kosten pauschal für die erfolgte Unterbrechung der Versorgung berechnen zu können.
76Soweit mit Inkrafttreten der StromGVV in § 19 Abs. 4 StromGVV nunmehr weitergehende Anforderungen an die Pauschalierung von Schadensersatzansprüchen gestellt würden, habe die Beklagte die Klausel in den aktuellen Vertragsbedingungen angepasst.
77Schließlich ist nach der Ansicht der Beklagten auch die Klausel 15.2, welche eine Begrenzung des Haftungsumfangs bei wesentlichen Vertragspflichten beinhaltet, wirksam. Denn diese entspreche der Rechtsprechung zur summenmäßigen Haftungsbegrenzung bei leichter Fahrlässigkeit, wonach eine derartige Haftungsbegrenzung wirksam sei, wenn sie vertragstypische, vorhersehbare Schäden, die aus der Verletzung vertragswesentlicher Pflichten entstehen, abdeckt.
78Die Klausel wahre auch das Transparenzgebot, einer weitergehenden Konkretisierung bedürfe es nicht. Eine Aufzählung sämtlicher bei Vertragsschluss vorhersehbarer und vertragstypischer Schäden würde im Ergebnis einen kommentarähnlichen Umfang erreichen und sei daher für die Beklagte unzumutbar.
79Zudem stellte die vom Kläger geforderte Aufzählung erst recht eine Benachteiligung des Kunden dar. Eine Verpflichtung zur Aufzählung der vertragstypischen und vorhersehbaren Schäden implizierte nämlich zugleich, dass es sich um eine abschließende Aufzählung handele. Eine derartige vollumfängliche Nennung aller möglichen Schäden sei jedoch angesichts der umfangreichen Kasuistik hinsichtlich der möglichen Schäden überhaupt nicht möglich.
80Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird verwiesen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
81E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
82Die Klage ist zulässig.
83Der Kläger ist nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG als eingetragene qualifizierte Einrichtung klagebefugt. Er ist in der vom Bundesamt für Justiz in Bonn geführten Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 UKlaG eingetragen.
84Die Klage ist jedoch lediglich teilweise begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte hinsichtlich der Klauseln 6.1, 8.3, 9.1 und 9.2 ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 3 UKlaG zu, da diese Klauseln nach den §§ 307 ff. BGB unwirksam sind.
85Klausel 6.1:
86Die von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel 6.1 ist nach § 307 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB unwirksam.
87Die Leitbildrechtsprechung des Bundesgerichtshofs findet auf die streitgegenständliche Klausel keine Anwendung. Die Beklagte hat die Regelung des § 5 Abs. 2 StromGVV nicht unverändert übernommen. Dabei kann offen bleiben, ob eine öffentliche Bekanntgabe vorliegend zwingend erforderlich und wirtschaftlich sinnvoll ist. Denn jedenfalls sieht die Beklagte nicht die in § 5 Abs. 2 StromGVV geforderte Veröffentlichung der Änderungen auf ihrer Internetseite vor.
88Die Beklagte hat hierdurch eine für ihre Kunden nachteilige Regelung getroffen. Gerade bei Online-Verträgen kommt der Voraussetzung, Preisänderungen auf der Internetseite des Verwenders der Allgemeinen Geschäftsbedingungen bekanntzugeben, eine besondere Bedeutung zu. Der Kunde erhält neben der individuellen Bekanntgabe eine weitere Informationsquelle. Da er seinen Vertrag über das Internet abgeschlossen hat, liegt es nahe, dass er bei Fragen oder Missverständnissen ebenfalls auf dieses Medium zurückgreifen wird. Die Möglichkeit, hierdurch Rechtssicherheit zu erlangen, wird dem Kunden durch die streitgegenständlichen Klausel genommen.
89Die unangemessene Benachteiligung des Kunden wird auch nicht dadurch kompensiert, dass die Beklagte ihren Kunden im Falle einer Preisanpassung ein Kündigungsrecht einräumt. Denn die Einräumung eines einseitigen Kündigungsrecht des Kunden stellt keinen angemessenen Interessenausgleich für das Fehlen einer der Rechtssicherheit und -klarheit dienenden weiteren Informationsquelle des Kunden dar.
90Klausel 8.3:
91Die von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwendete Klausel 8.3 über die Zahlungsart ist wegen eines Verstoßes § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB iVm § 41 Abs. 1 EnWG unwirksam, da die Beklagte ihren Kunden keine andere Zahlungsmöglichkeit als das Lastschriftverfahren zubilligt.
92Nach § 41 Abs. 1 EnWG sind dem Kunden vor Vertragsschluss verschiedene Regelungen über die Zahlungsweise anzubieten. Die gesetzliche Vorgabe ist erfüllt, wenn der Verwender vor Vertragsabschluss mindestens zwei Zahlungsweisen angibt, in denen der Kunde Rechnungen und Abschläge begleichen kann. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen.
93Zwar genügt es im Rahmen des § 41 Abs. 1 EnWG, wenn der Verwender von Allgemeinen Geschäftsbedingungen mehrere unterschiedliche Produkte anbietet, die jeweils nur eine Zahlungsweise vorsehen, wenn sich diese Produkte ausschließlich in den verschiedenen Zahlungsweisen und deren Folgen, nämlich dem Arbeitspreis und den Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der eingegangenen Zahlungsverpflichtung unterscheiden, nicht aber hinsichtlich der übrigen Vertragsbedingungen, der Festlaufzeit, der Vertragsgarantie etc. Nicht erforderlich ist hingegen, dass der Verwender der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in seinen Klauseln mehrere Zahlungsmöglichkeiten angibt (LG Berlin, Urteil 16.09.2009, 97 O 21/09).
94Die Beklagte hat jedoch auch in ihrem nachgelassenen Schriftsatz vom 24.09.2010 nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass sich in ihrem Angebot ein weiteres Produkt befindet, welches sich lediglich in der Zahlungsweise und deren Folgen von dem Produkt S Naturstrom – Haushalt unterscheidet.
95Dass die Beklagten ihren der Kunde auf deren Nachfrage auch eine andere Zahlungsart bewilligt ist indes unbeachtlich. Denn im Verbandsprozess kommt es allein auf die verbraucherfeindlichste Auslegung und nicht auf die tatsächliche Übung an.
96Klausel 9.1:
97Darüber hinaus ist auch die von der Beklagten gewählte Klausel 9.1 wegen eines Verstoßes gegen das Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB unwirksam.
98Entgegen dem Vortrag der Beklagten findet die Leitbildrechtsprechung des Bundesgerichtshofs vorliegend keine Anwendung. Denn die Klausel hat hinsichtlich ihrer Voraussetzungen die Regelung des § 17 Abs. 2 StromGVV nicht annäherungsweise unverändert übernommen. Die von der Beklagten verwendete Klausel regelt insbesondere nicht, dass die pauschale Berechnung einfach nachvollziehbar sein muss und dass die Pauschale die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen darf. Auch bestimmt sie entgegen der gesetzlichen Norm nicht, dass auf Verlangen des Kunden die Berechnungsgrundlage nachzuweisen ist.
99Bei der Beurteilung der unveränderten Übernahme kommt es seit dem Jahr 2006 allein auf § 17 Abs. 2 StromGVV an, der wesentlich strengere Anforderungen als § 27 Abs. 2 AVBEltV stellt, da sich die Leitbildrechtsprechung lediglich auf bestehende Rechtsnormen bezieht.
100Die Klausel 9.1 genügt nicht dem aus dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB folgenden Bestimmtheitsgebot. Sie enthält nämliche keine Regelung darüber, wie hoch die Kosten sind, die der Kunde zu erwarten hat, wenn er sich im Verzug befindet. Die Beklagte hat den Klauselinhalt nicht derart weitgehend konkretisiert, dass der Kunde seine Rechte und Pflichten dem Vertragstext mit größtmöglicher Bestimmtheit entnehmen kann. Die Regelung ist nicht aus sich selbst heraus derart klar und verständlich dass sie dem Kunden mögliche wirtschaftliche Nachteile deutlich vor Augen führt.
101Klausel 9.2:
102Auch Klausel 9.2 ist wegen eines Verstoßes gegen das aus dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB folgende Bestimmtheitsgebot unwirksam.
103Auf diese Regelung findet die Leitbildrechtsprechung des Bundesgerichtshofs ebenfalls keine Anwendung, denn die Beklagte hat § 19 Abs. 4 StromGVV nicht unverändert übernommen. Ebenso wie bei der Klausel 9.1 weist die Beklagte ihre Kunden nicht darauf hin, dass die Pauschale die nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden Kosten nicht übersteigen darf und dass auf Verlangen des Kunden die Berechnungsgrundlage nachzuweisen ist. Auch gestattet die Beklagte ihren Kunden nicht den Nachweis geringerer Kosten, soweit diese geringer als in der Pauschale veranschlagt entstanden sind.
104Insoweit ist allein § 19 Abs. 4 StromGVV als derzeit geltendes Recht maßgeblich. Die Beklagte kann sich dementsprechend nicht auf die außer Kraft getretene Regelung des § 33 Abs. 3 S. 2 AVBEltV berufen.
105Eine Unvereinbarkeit der Klausel mit dem Transparenzgebot nach § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB ist ebenso wie bei der Klausel 9.1 zu bejahen, da die Klausel dem Bestimmtheitsgebot nicht genügt. Auch sie enthält keine Regelung darüber, wie hoch die Kosten sind, die der Kunde zu erwarten hat, wenn der Strombezug unterbrochen wird. Der Kunde kann seine Rechte und Pflichten dem Vertragstext nicht mit größtmöglicher Bestimmtheit entnehmen.
106Einen weitergehenden Unterlassungsanspruch hat der Kläger gegen die Beklagte jedoch nicht aus §§ 1, 3 UKlaG, denn die übrigen Klauseln halten einer Klauselkontrolle nach §§ 307 ff. BGB stand.
107Klausel 2.3:
108Die von der Beklagten verwendete Klausel 2.3 ist wirksam. Sie verstößt insbesondere nicht gegen § 308 Nr. 1 BGB oder gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1; 150 Abs. 2 BGB.
109Die Wirksamkeit der Klausel ist nicht an § 308 Nr. 1 BGB zu messen. Die Norm betrifft nämlich ausschließlich Klauseln, die dem Verwender Fristen für seine Reaktion auf das Angebot der anderen Partei einräumen, die also eine Antragsbindungsdauer für die andere Partei festlegen (MüKo, 5. Aufl. § 308 Nr. 1, Rn 4). Eine Klausel, die hingegen allein die Form einer Angebotsannahme und nicht deren Frist regelt, fällt nicht in den Anwendungsbereich von § 308 Nr. 1 BGB (vgl. hierzu LG Essen, NRW-RR 2003,1207). Die Klausel 2.3 stellt eine derartige Bestimmung über die Art und Weise des Zustandekommens des Stromliefervertrages, also die Form der Angebotsannahme, dar. Sie regelt nämlich lediglich, dass die sich im Internet befindenden Vertragsformulare als "invitatio ad offerendum" einzuordnen sind, so dass es bei Übersendung des ausgefüllten Vertragsformulars durch den Kunden noch einer expliziten Annahme durch die Beklagte bedarf.
110Über die Frage, wann die Angebotsannahme erklärt werden muss, trifft die Klausel hingegen keine Regelung und weicht somit auch nicht zu Lasten des Verbrauchers von § 150 Abs. 2 BGB ab
111Klausel 4:
112Darüber hinaus ist auch die von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen gewählte Klausel 4 wirksam. Sie verstößt insbesondere nicht gegen § 309 Nr. 9 lit. a BGB.
113Die vom Kläger zugrunde gelegte Auslegung der Klausel, dass sich eine den anderen Vertragsteil bindende Laufzeit von mehr als zwei Jahren ergeben könne, wenn die Lieferung erst mehr als 12 Monate nach Vertragsschluss beginne und der Vertrag dann für die vereinbarten 12 Monate laufe, so dass der Vertrag mehr als 24 Monate nach Vertragsschluss ende, ist völlig lebensfremd. Denn es entspricht angesichts der Dynamik der Preise am Strommarkt nicht der Lebenswirklichkeit, dass ein Kunde nach Vertragsschluss länger als zwölf Monate auf die Lieferung des vereinbarten Stroms wartet.
114Dies kann jedoch dahinstehen, da vorliegend der Zeitraum zwischen Vertragsschluss und Leistungserbringung bei der Bestimmung der den anderen Vertragsteil bindenden Laufzeit i.S.v. § 309 Nr. 9 lit. a BGB ohnehin nicht zu berücksichtigen ist.
115Zwar wird der Beginn der den anderen Vertragsteil bindenden Laufzeit grundsätzlich bereits mit dem Abschluss des Vertrages und nicht erst mit einem vereinbarten späteren Zeitpunkt der Leistungserbringung bejaht (BGH NJW 1993, 1651). Denn Schutzzweck des § 309 Nr. 9 lit. a BGB ist die Verhinderung einer übermäßig langen Bindung des Kunden, die seine Dispositionsfreiheit beeinträchtigt und in der Regel allein den geschäftlichen Interessen des Anbieters dient, zu verhindern. Eine derartige Bindung des Kunden tritt in der Regel mit wirksamem Vertragsabschluss ein, ohne dass es darauf ankommt, zu welchem Zeitpunkt die beiderseitigen Leistungspflichten zu erfüllen sind (BGH NJW 1993, 1651).
116Jedoch ergibt sich hier etwas anderes daraus, dass die Kunden der Beklagten aufgrund des von der Beklagten eingeräumten Widerrufsrechts die Möglichkeit haben, sich bis zwei Wochen nach Beginn der Leistungserbringung vom Vertrag zu lösen. Denn der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung des § 309 Nr. 9 lit. a BGB lediglich verhindern, dass eine feste Laufzeit ohne Kündigungsmöglichkeit über die höchstens zulässige Bindungsfrist hinaus vereinbart wird (vgl. BGH NJW 1993, 326). Soweit der Kunde die Möglichkeit hat, sich vom Vertrag zu lösen, bedarf er dieses Schutzes nicht. § 309 Nr. 9 lit. a BGB findet keine Anwendung.
117Entgegen dem Vortrag des Klägers besteht das Widerrufsrecht vorliegend auch nicht nur im Fall des Abschlusses eines Fernabsatzvertrages, sondern bei jeglichem Vertragsabschluss, denn die Beklagte räumt ihren Kunden das Widerrufsrecht vertraglich ein.
118Klausel 7:
119Die von der Beklagten in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen gewählte Klausel 7 ist ebenfalls wirksam. Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt sie insbesondere nicht gegen § 307 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 13 GG.
120Zwar stellt die beanstandete Klausel keine unveränderte Übernahme von § 9 S. 1 StromGVV dar, denn sie sieht im Gegensatz zur gesetzlichen Vorschrift nicht ausdrücklich eine dem Zutritt vorhergehende Benachrichtigung des Kunden vor. Ferner enthält die Klausel auch keine § 9 S. 3 StromGVV entsprechende Regelung, dass eine Woche vor dem Betretungstermin eine Benachrichtigung erfolgen muss und mindestens ein Ersatztermin anzubieten ist. Somit kann dahinstehen, ob für § 9 S. 1 StromGVV überhaupt die Leitbildrechtsprechung des BGH gilt.
121Jedoch ist nicht davon auszugehen, dass die Klausel die Kunden unangemessen i. S. v. § 307 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 13 GG benachteiligt. Die vom Kläger gewählte Auslegung, dass die Klausel 7 der Beklagten ein jederzeitiges Zutrittsrecht gewähre, ist völlig abwegig. Zwar ist bei der Beurteilung einer Klausel im Verbandsprozess die kundenfeindlichste Auslegung zugrunde zu legen. Dabei ist entscheidend, wie der rechtlich nicht vorgebildete Geschäftspartner die Klausel verstehen muss oder jedenfalls verstehen kann. Nicht abzustellen ist auf einen verständigen Durchschnittsverbraucher (vgl. BGH NJW 2003, 1237). Jedoch folgt aus diesem Grundsatz nicht, dass der Auslegung völlig lebensfremde Ergebnisse zugrunde gelegt werden dürfen.
122Schon unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagte von dem Zutrittsrecht nur eingeschränkt Gebrauch macht. Denn sie sieht sich erhöhten Kosten ausgesetzt, wenn der Kunde nicht zu Hause ist, wenn sie Zutritt begehrt. Dies gilt umso mehr, als dass die Beklagte in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch keinerlei Sanktion für den Fall androht, dass ein Kunde nicht zu Hause ist. Schon im eigenen Interesse wird es zu einer Terminabstimmung der Beklagten mit ihren Kunden kommen.
123Auch erscheint es völlig lebensfremd, dass ein rechtlich unerfahrener Kunde beim Lesen der Klausel zu dem Schluss kommt, er sei verpflichtet, der Beklagten rund um die Uhr Zutritt zu gewähren. Anders als in der vom Kläger zitierten Entscheidung des OLG Koblenz (NJW-RR 1994,689) regelt der Wortlaut der von der Beklagten gewählten Klausel nämlich gerade nicht ausdrücklich, dass der Beklagten "jederzeit" Zutritt gewährt werden muss. Es ist lediglich allgemein von einem Zutrittsrecht die Rede.
124Klausel 15.2:
125Die von der Beklagten in ihren Allgemeinen Vertragsbedingungen verwendete Klausel 15.2 ist ebenfalls wirksam. Sie verstößt insbesondere nicht gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 S. 1, 2 BGB.
126Die Klausel enthält keinen verbraucherschutzwidrigen Inhalt. Die Abbedingung der Haftung für eine mit leichter Fahrlässigkeit begangenen Vertragsverletzung ist zulässig (BGH, NJW 2002, 673). Der Haftungsausschluss in Klausel 15.2 benachteiligt die Kunden der Beklagten auch nicht entgegen dem Gebot von Treu und Glauben unangemessen. Denn der Haftungsausschluss führt nicht zu einer Aushöhlung derjenigen vertraglichen Pflichten (Kardinalpflichten), die die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages erst ermöglichen und auf deren Erfüllung der Vertragspartner des Verwenders deshalb vertraut und vertrauen darf (BGH, NJW 2002, 673). Die Beklagte stellt in ihrer Klausel nämlich klar, dass ihre Haftung bei Vorliegen derartiger Kardinalpflichten gerade nicht ausgeschlossen sein soll. Auch steht dem nicht entgegen, dass die Beklagte in ihrer Regelung den unbestimmten Rechtsbegriff "vorhersehbare vertragstypische Schäden" verwendet, denn nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes steht fest, welche vertragstypischen Schäden vorhersehbar sind und welche nicht. Eine weitergehende Konkretisierung ist dementsprechend nicht erforderlich.
127Auch insoweit die Beklagte ihre Haftung in der Klausel "der Höhe nach" auf die bei Vertragsschluss vorhersehbaren vertragstypischen Schäden beschränkt, ist die Klausel wirksam. Die von der Beklagten getroffene Regelung ist gerichtlich überprüfbar. Wegen der Vielzahl der möglichen eintretenden vorhersehbaren vertragstypischen Schäden und der damit verbundenen unterschiedlichen Schadenshöhen ist der Beklagten eine konkrete Betragsangabe nicht möglich. Eine derartige Haftungshöchstgrenze wäre wohl auch unwirksam.
128Die Kostenentscheidung ergeht nach § 92 Abs. 1 ZPO.
129Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht nach § 709 ZPO.
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