Urteil vom Landgericht Dortmund - 7 O 377/10
Tenor
1.Die einstweilige Verfügung des Landgerichts Dortmund vom 3.11.2010 (Az.: 7 O 377/10) wird aufgehoben. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Verfügungsklägerin vom 29.10.2010 wird zurückgewiesen.
2.Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3.Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die Verfügungsbeklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die Verfügungsklägerin nimmt die als privates Krankenversicherungsunternehmen tätige Verfügungsbeklagte auf Unterlassung von ihr gegenüber ihren Versicherten aufgestellten Behauptungen in Anspruch.
3Die Verfügungsklägerin, ausschließlich spezialisiert auf die Behandlung von Prostatakrebspatienten, ist eine Tochtergesellschaft des Universitätsklinikums V (im Folgenden: V). Bei dem V handelt es sich um ein Plankrankenhaus. Das V ist alleiniger Gesellschafter der Verfügungsklägerin. Die von dem V gemieteten Räumlichkeiten der Verfügungsklägerin befinden sich auf dem Gelände des V-Komplexes in der Nähe zum Hauptgebäude des V.
4Wegen der weiteren Einzelheiten hinsichtlich der räumlichen Situation wird auf den Lageplan (Anlage AG1) verwiesen.
5Die Verfügungsklägerin verfügt über eine eigene Buchhaltung und eigene Konten und führt die Abrechnung ihrer Behandlungen gegenüber den Patienten selbst durch.
6Die Verfügungsklägerin verfügt über kein eigenes medizinisches Labor und kein Strahlentherapienzentrum. Insoweit bedient sie sich der Einrichtungen des V. Sie beschäftigt insgesamt 94 Mitarbeiter, darunter 20 Ärzte. Der Geschäftsführer der Verfügungsklägerin ist zugleich kaufmännischer Leiter des onkologischen Zentrums des V.
7Die Verfügungsklägerin ist Inhaberin einer Genehmigung nach § 30 GewO. Der 4.Nachtrag zur Genehmigung lautet auszugsweise:
8" […]
9Die N-Klink am V GmbH führt nunmehr insgesamt 58 vollstationäre Betten – davon 28 mit diesem Bescheid genehmigte -, die in den Gebäuden 046 und 048 wie folgt aufzustellen sind:
10[…]"
11Wegen der weiteren Einzelheiten der Genehmigung nach § 30 GewO wird auf die Anlage ASt 11 (Bl. 115, 116 d.A.) verwiesen.
12Zwischen dem V und der Verfügungsklägerin besteht ein Ergebnisabführungsvertrag, in dem sich die Verfügungsklägerin zur Abführung ihres Gewinns an das V verpflichtet.
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Ergebnisabführungsvertrages wird auf die Anlage AG2 Bezug genommen.
14Im Jahresdurchschnitt begeben sich rund 35 Versicherte der Verfügungsbeklagten als sog. Selbstzahler in die Behandlung bei der Verfügungsklägerin.
15Die Verfügungsklägerin belehrt die Patienten, die um einen Behandlungstermin ersuchen, über mögliche Komplikationen bei der Erstattung der angefallenen Kosten durch ein von dem Patienten zu unterzeichnendes Informationsschreiben. Das Schreiben lautet auszugsweise:
16"Sehr geehrter Patient,
17die N-Klinik ist als Spezialklinik für die Behandlung des Prostatakarzinoms eine Privatklinik nach § 30 GewO. Wir wollen unseren Patienten die bestmögliche medizinische Qualität zusammen mit komfortabler Unterbringung und Fürsorge auf höchstem Niveau bieten. Hinsichtlich der von uns in Rechnung gestellten allgemeinen Krankenhausleistungen und der Leistungen für die Unterkunft kommt es in Bezug auf Abrechenbarkeit und Erstattungsfähigkeit sowohl bei privaten Krankenversicherern als auch bei Beihilfestellen und Krankenkassen zu unterschiedlichen Auffassungen, unabhängig von der von uns erbrachten Qualität.
18[…]."
19Wegen der weiteren Einzelheiten des den Patienten überreichten Schreibens wird auf die Anlage AG5 verwiesen.
20Ein bei der Verfügungsbeklagten versicherter Patient befand sich vom 4.5.2010 bis zum 11.5.2010 bei der Verfügungsklägerin in Behandlung. Von der aus der Behandlung resultierenden Rechnung über insgesamt 14.532,65 € zahlte der Patient einen Teilbetrag über 12.351,48 €. Im Zuge des von der Verfügungsklägerin eingeleiteten Mahnverfahrens übersandte der Patient ihr unter dem 6.10.2010 ein an ihn gerichtetes Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 18.6.2010. Das Schreiben, Gegenstand des vorliegenden Eilverfahrens, lautet auszugsweise:
21"[…]
22Bei der N-Klinik handelt es sich um kein eigenständiges Krankenhaus, sondern um eine Ausgründung der Privatstation aus der Universitätsklinik V. Deshalb können wir nur die Kosten im tariflichen Umfang erstatten, die in der Universitätsklinik V entstanden wären.
23[…]
24Bitte überweisen Sie an die N-Klinik am V GmbH nur den von uns anerkannten Betrag. Sollten Sie dennoch eine Zahlungsaufforderung hinsichtlich der Differenzkosten erhalten, geben Sie diese bitte zunächst unbezahlt zur Bearbeitung an uns ab."
25Wegen der weiteren Einzelheiten des Schreibens der Verfügungsbeklagten vom 18.6.2010 wird auf die Anlage ASt1 (Bl. 14 ) Bezug genommen.
26Gleichlautende Schreiben erhielten mindestens drei weitere Versicherte der Verfügungsbeklagten
27Ein weiteres Schreiben der Verfügungsbeklagten vom 14.7.2010, gerichtet an die Verfügungsklägerin, lautet auszugsweise:
28"Sehr geehrte Damen und Herren,
29unser Versicherter hat uns ihr Schreiben vom 16.8.2010 zugesandt. Wie wir diesem Schreiben entnehmen können, halten Sie sich für befugt, in Ihrer Einrichtung Entgelte abzurechnen, die über denen des an Ihrem Standort befindlichen Plankrankenhauses (Uniklinik V) liegen. Wir weisen Sie mit Nachdruck darauf hin, dass solche überhöhten Abrechnungen rechtswidrig sind.
30[…]
31Wir möchten Sie abschließend darauf aufmerksam machen, dass wissentliche Falschabrechnungen und – auskünfte gegenüber den Patienten/Versicherten nicht nur Rückforderungs-, sondern auch Schadensersatzansprüche auslösen können. Wir fordern Sie auf, die Vorschriften des Krankenhausentgeltrechts künftig einzuhalten und sich bei der Behandlung von Privatversicherten ausnahmslos an die mit dem Plankrankenhaus getroffenen Entgeltvereinbarungen zu halten. Sofern Sie auf einen hochwertigen Wahlleistungsstandard in Ihrer Einrichtung verweisen, besteht die Möglichkeit einer Klärung mit dem Verband der privaten Krankenversicherung in Köln.
32Wir weisen darauf hin, dass wir unserem Versicherten empfohlen haben, den offenstehenden Restbetrag nicht zu bezahlen.
33[…]"
34Mit anwaltlichem Schreiben vom 19.10.2010 forderte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte unter Fristsetzung bis zum 26.10.2010 auf, eine (mit den Klageanträgen übereinstimmende) strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben.
35Wegen der weiteren Einzelheiten des anwaltlichen Schreibens wird auf die Anlage ASt3 (Bl. 19-25 d.A.) verwiesen.
36Die Verfügungsbeklagte bestätigte den Erhalt der Aufforderung mit Schreiben vom 22.10.2010. Eine weitere Reaktion der Verfügungsbeklagten erfolgte nicht.
37Die Verfügungsklägerin behauptet,
38sie sei organisatorisch, personell und räumlich von dem V unabhängig und damit ein eigenständiges Krankenhaus. Insbesondere sei das von ihr genutzte Gebäude optisch von dem V getrennt und alleinstehend.
39Die Verfügungsbeklagte wirke gezielt und bewusst darauf hin, dass ihre Versicherten die ihnen gegenüber der Verfügungsklägerin obliegenden Vertragsverpflichtungen zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verletzten.
40Durch ihre Behauptung, die Verfügungsklägerin sei kein eigenständiges Krankenhaus, sondern eine Ausgründung der Privatstation des V und die Behandlungskosten seien daher nicht erstattungsfähig, erwecke die Verfügungsbeklagte bei ihren Versicherten den Eindruck, die Verfügungsklägerin würde erhöhte Kosten abrechnen.
41Die Verfügungsklägerin ist der Ansicht,
42sie sei rechtlich als Privatklinik einzustufen und unterliege daher nicht den Beschränkungen des Krankenhausentgeltgesetzes. Die Frage, ob es sich bei ihr um ein eigenständiges Krankenhaus handele, richte sich alleine nach der Definition des § 2 Nr.1 KHG, nicht aber nach § 4 IV MB/KK.
43Das Vorgehen der Verfügungsbeklagten stelle einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Die Aufforderung der Verfügungsbeklagten gegenüber ihren Versicherten sei als unlauteres Verleiten zum Vertragsbruch zu qualifizieren. Der Eingriff durch die Verfügungsbeklagte sei rechtswidrig, denn zur ihr bestehe keine vertragliche Beziehung. Das Abstreiten der Krankenhauseigenschaft sei eine unzulässige Schmähkritik.
44Die Beweislast für die Unwahrheit der Aussage treffe die Verfügungsbeklagte.
45Auf den Antrag der Verfügungsklägerin hat die Kammer am 3.11.2010 eine einstweilige Verfügung erlassen, mit welcher die Verfügungsbeklagte verpflichtet wurde, es zu unterlassen, folgende Behauptungen wörtlich oder sinngemäß gegenüber ihren Versicherungsnehmern zu verbreiten und / oder verbreiten zu lassen:
46a)Bei der N-Klinik handelt es sich um kein eigenständiges Krankenhaus, sondern um eine Ausgründung der Privatstation aus der Universitätsklinik V. Deshalb können wir nur die Kosten im tariflichen Umfang erstatten, die in der Universitätsklinik V entstanden wären.
47b)Bitte überweisen Sie an die N-Klinik am V GmbH nur den von uns anerkannten Betrag. Sollten Sie dennoch eine Zahlungsaufforderung hinsichtlich der Differenzkosten erhalten, geben Sie diese bitte zunächst unbezahlt zur Bearbeitung an uns ab.
48Gegen diese einstweilige Verfügung richtet sich der Widerspruch der Verfügungsbeklagten
49Die Verfügungsklägerin beantragt,
50die einstweilige Verfügung des Landgerichts Dortmund vom 3.11.2010, Az. 7 O 377/10, zu bestätigen.
51Die Verfügungsbeklagte beantragt,
52die einstweilige Verfügung des Landgerichts Dortmund vom 3.11.2010, Az. 7 O 377/10 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.
53Die Verfügungsbeklagte behauptet,
54die von ihr getätigten und mit dem vorliegenden Eilverfahren angegriffenen Äußerungen seien nicht unwahr. Die Verfügungsklägerin sei nicht von dem V unabhängig.
55Die Verfügungsbeklagte ist der Ansicht,
56es liege kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor. Die von der Verfügungsklägerin im vorliegenden Verfahren angegriffenen Äußerungen seien nur Ausdruck einer bloßen Rechtsmeinung und kein unmittelbarer Eingriff. Soweit die Verfügungsbeklagte im Innenverhältnis mit den Versicherungsnehmern Rechtsansichten kommuniziere sei dies von Art. 5 GG gedeckt. Sie habe nur zur Wahrnehmung ihrer berechtigten Interessen gehandelt. Sie dürfe ihre Versicherten auf drohende Erstattungsprobleme hinweisen. Dabei handele es sich lediglich um die Erfüllung der eigenen Verpflichtungen im Verhältnis zu den Versicherten, zu denen sie verpflichtet sei.
57Die Genehmigung nach § 30 GewO stelle kein Indiz für die Eigenschaft der Verfügungsklägerin als Privatkrankenhaus dar. Eine Genehmigung nach § 30 GewO besitze jedes zugelassene Krankenhaus, unabhängig von der rechtlichen Unterscheidung nach öffentlichen und privaten Krankenhäusern.
58Die Verfügungsklägerin sei rechtlich als unselbständiger Bestandteil des V zu bewerten und unterliege daher dem Krankenhausentgeltgesetz. Sie könne daher keine höheren Entgelte mit Patienten vereinbaren. Entsprechend brauche die Verfügungsbeklagte diese Mehrkosten nicht zu erstatten.
59Entscheidungsgründe
60Die einstweilige Verfügung war aufzuheben und der Antrag auf ihren Erlass war zurückzuweisen, weil nach Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht länger glaubhaft, d.h. überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Verfügungsklägerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen die Verfügungsbeklagte zusteht. Ein solcher Anspruch folgt weder aus § 824 i.V.m. § 1004 I 2 BGB analog (dazu I.) noch aus § 823 I BGB i.V.m. § 1004 I 2 BGB (dazu II.)
61I.
62Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch folgt zunächst nicht aus § 824 i.V.m. § 1004 I 2 BGB analog.
631.Zwar handelt es sich bei der von der Verfügungsklägerin angegriffenen Aussage insoweit um eine den Anwendungsbereich des § 824 BGB eröffnende Rechtstatsache, die nicht nur als bloße Meinungsäußerung bzw. Werturteil einzuordnen ist, sondern insoweit – bei gesamtheitlicher Betrachtung der angegriffenen Aussage, auch unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung und der Wirkung, die bei potentiellen Empfängern erzielt wird - dem Beweis zugänglich ist. Die Verfügungsbeklagte verquickt einen als Tatsache einzuordnenden Umstand, nämlich den, ob es sich bei der Verfügungsklägerin um eine Ausgründung des V handelt, mit einer Rechtsfolge dahingehend, wonach von den Patienten nur Kosten im tariflichen Umfang zu erstatten seien.
64Allgemein gilt zwar, soweit Rechtsbegriffe zur Bezeichnung von Personen oder Sachen verwendet werden, dass diese in der Regel nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als Meinungsäußerung zu verstehen sind (vgl. BGH NJW 1982, 2248, 2249) und ein Subsumtionsschluss ebenfalls eine Wertung ist (vgl. BGH NJW 1965, 294, 295). Es liegt aber eine Tatsachenbehauptung vor, wenn die Äußerung bei den Empfängern die Vorstellung von konkreten, in die Wertung eingekleideten Vorgängen hervorruft, die als solche – wie vorliegend - einer Überprüfung mit den Mitteln des Beweises zugänglich sind (vgl. BGH NJW 1982, 2248, 2249).
652.Die Verfügungsklägerin hat aber nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass die angegriffene Aussage insoweit unwahr ist, insbesondere, dass es sich bei der Verfügungsklägerin um ein eigenständiges Krankenhaus handelt und Kosten daher nicht nur im tariflichen Umfang zu erstatten sind.
66a)Die Beweislast hinsichtlich des Tatbestandsmerkmals "Unwahrheit" liegt nach Auffassung der Kammer auf Seiten der Verfügungsklägerin.
67Der Verletzte hat im Rahmen des § 824 BGB - anders als nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 186 StGB - grundsätzlich die Unwahrheit der Behauptung zu beweisen (vgl. RGZ 56, 271, 285; 115, 74, 79; RG JW 1932, 3060, 3061; OLG Düsseldorf NJW-RR 2002, 1427). Zwar erleichtert die Rechtsprechung dem Geschädigten die Beweisführung, wenn der Schädiger jede nähere Substantiierung hinsichtlich des Wahrheitsgehalts der behaupteten Tatsache verweigert, obwohl sie ihm ohne weiteres möglich wäre (vgl. BGH NJW 1974, 1710, 1711). Indes hat die Verfügungsbeklagte mit ihrem Widerspruchsschriftsatz vom 24.12.2010 diese Anforderungen erfüllt und insbesondere dezidiert die Umstände glaubhaft gemacht, die aus Ihrer Sicht gegen die Einordnung der Verfügungsklägerin als eigenständiges Krankenhaus sprechen.
68b) Den ihr obliegenden Beweis konnte die Verfügungsklägerin mit Mitteln der Glaubhaftmachung hinsichtlich der entscheidenden Frage, unter welchen Voraussetzungen die Ausgliederung von Klinikteilen tatsächlich dazu führt, dass es sich um eine neue, selbstständige Privatklinik handelt, die dem Krankenhausentgeltgesetz nicht unterliegt und hinsichtlich der Preisgestaltung damit nicht an die tarifliche Erstattung durch private und gesetzliche Krankenkassen gebunden ist, nicht führen.
69aa)
70Allein der Umstand, dass der Gesetzgeber den Betrieb von Privatkliniken grundsätzlich zulässt, hat keine Aussagekraft dahingehend, dass bzw. ob und ggf. unter welchen Bedingungen eine Privatklinik an einem Plankrankenhaus zulässig ist. Die Gründung von nach § 30 GewO konzessionierten Privatkliniken ist anerkanntermaßen zulässig (BGHZ 124, 224; BGH VersR 1978, 267 ff.). Es kommt vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an, ob noch von einer eigenständigen, zulässigen Privatklinik gesprochen werden kann oder ein unselbstständiger Teil des Plankrankenhauses vorliegt, der dem öffentlich-rechtlichen Krankenhausentgeltrecht unterworfen ist. Insoweit vermag zunächst die eigenständige Rechtsform der Verfügungsklägerin nicht dafür streiten, dass es sich bei ihr um eine eigenständige Privatklinik handelt.
71bb)
72Der Verweis auf die Legaldefinition des § 2 Nr.1 KHG, der nach Ansicht der Verfügungsklägerin für die Abgrenzung maßgeblich sein soll, erscheint dem erkennenden Gericht nicht durchgreifend.
73Der Anwendungsbereich der Begriffsbestimmungen des § 2 KHG beschränkt sich schon nach dem Wortlaut ausdrücklich auf das KHG (vgl. Uleer / Miebach / Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3.Auflage 2006, zu § 2 KHG). Bei dem KHG handelt es sich um ein reines Förderungsgesetz, in dem die Einrichtungen festgelegt werden, die für eine finanzielle Förderung in Betracht kommen (BVerwG NJW 1985, 1414), mithin für die vorliegend relevante Abgrenzung – insbesondere vor dem Hintergrund des angegriffenen Schreibens - im Bereich der versicherungsrechtlichen Erstattungsfähigkeit, der die angegriffene Aussage zugrunde liegt, keine Aussagekraft zukommen kann.
74cc)
75Aus der damit relevanten versicherungsvertragsrechtlichen Sicht ist für die Einstufung der Verfügungsklägerin als Privatklinik § 4 IV MB/KK entscheidend. Dessen Voraussetzungen sind von der Verfügungsklägerin nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden.
76Vielmehr sprechen in der Gesamtbetrachtung sowohl die räumlichen als auch personellen und organisatorischen Gegebenheiten für eine Eingliederung der Privatklinik in das Plankrankenhaus und damit gegen die Eigenständigkeit der Verfügungsklägerin. § 4 IV MB/KK verfolgt das Ziel, eine qualitativ hochwertige und selbstständige Versorgung der Patienten sicherzustellen. Für das zu prüfende Krankenhaus ist daraus das Erfordernis abzuleiten, über eine eigene ständige ärztliche Leitung und über eigene diagnostische und therapeutische Möglichkeiten verfügen zu müssen. Eine Privatklinik muss ohne Nutzung der Infrastruktur des Plankrankenhauses medizinisch und organisatorisch - alleine - existenzfähig sein. Gleichzeitig dürfen Personal, Räumlichkeiten und die Geräte des Planhauses nicht in Anspruch genommen werden. Auch der zwar behauptete, aber insoweit nicht vorgelegte Kooperationsvertrag mit dem V steht einer solchen Bewertung nicht entgegen (vgl. insgesamt dazu: Urteil des LG Hamburg vom 16. 8. 2005 – 332 O 507/07 sowie Bach / Moser-Kalis, Private Krankenversicherung, 4.Auflage 2009, § 4, Rn. 34 f.).
77(1)
78Die Verfügungsklägerin ist insoweit dem substantiierten und glaubhaft gemachten Vortrag der Verfügungsbeklagten hinsichtlich der Eingliederung der Verfügungsklägerin in den medizinischen Krankenhausbetrieb des V nicht ausreichend entgegengetreten. Unstreitig verfügt die Verfügungsklägerin über kein eigenes medizinisches Labor sowie Strahlentherapiezentrum, die für die Behandlung und weitere Therapie von Prostatakrebspatienten notwendig sind, sondern bedient sich insoweit der Einrichtungen des V. Die Verfügungsklägerin ist auf die enge Kooperation mit dem V zwingend angewiesen, was gegen die Einordnung als Privatklinik spricht. Das von § 4 MB/KK aufgestellte Erfordernis ausreichender diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten zielt neben der Gewährleistung entsprechenden medizinischen Know-hows auf die technischen Einrichtungen des Krankenhauses ab und ist insoweit mit dem vom BGH entwickelten Klinkbegriff identisch (vgl. BGH NJW 96, 3083, 3084). Die Kammer verkennt nicht, dass es zum Betrieb eines Krankenhauses nicht erforderlich ist, sämtliche charakteristischen Leistungen in eigener Regie zu erbringen, es vielmehr zulässig ist, Dritte mit der Ausführung zu beauftragen. Sie ist aber dann rechtlich zu beanstanden, wenn dies - wie hier - zu einer solchen Abhängigkeit von der Organisation eines Dritten, hier des Plankrankenhauses, führt, dass ohne dessen Leistungen ein ordnungsgemäßer Klinikbetrieb, gerade, wenn es sich um einen solchen handelt, der sich auf einen Fachbereich spezialisiert hat, schwierig bis unmöglich ist.
79(2)
80Mit präsenten Beweismitteln konnte die Verfügungsklägerin gleichwohl eine räumliche Trennung von dem V nicht hinreichend glaubhaft machen. Es liegt zwar eine eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Verfügungsklägerin vor, aus der hervorgeht, dass das von der Verfügungsklägerin genutzte Gebäude optisch und tatsächlich von dem V getrennt ist. Aus dem vorgelegten vierten Nachtrag zur Genehmigung geht aber hervor, dass sich die Betten der Verfügungsklägerin auf die Gebäude 046 und 048 – mithin zwei Gebäude - verteilen und hinsichtlich des Gebäudes 046 sowohl das erste als auch dritte Obergeschoss als Bettenstation zur Verfügung stehen, hinsichtlich des Gebäudes 048 das erste Obergeschoss als weitere Bettenstation dient. Zu diesem Sachverhalt verhält sich die insoweit nur kursorische eidesstattliche Versicherung nicht, was insbesondere vor dem Hintergrund der Nutzung der weiteren, in den jeweiligen Gebäuden befindlichen Geschosse, – gerade auch aufgrund der unstreitigen, unmittelbaren Nähe zum V, welches als Vermieter auftritt – notwendig gewesen wäre.
81(3)
82Nicht ausreichend glaubhaft gemacht ist die von der Verfügungsbeklagtenseite substantiiert bestrittene Trennung in personeller Hinsicht zwischen dem V und der Verfügungsklägerin. Insoweit hat die Verfügungsklägerin lediglich in ebenfalls kursorischer Weise glaubhaft gemacht, dass unstreitig bei ihr 20 Ärzte und 42 Gesundheits- und Krankenpflegerinnen beschäftigt sind. Sie hat sich aber insbesondere inhaltlich nicht zu der von der Verfügungsbeklagtenseite glaubhaft vorgetragenen personellen Verzahnung mit dem V geäußert oder Beweis angetreten, so dass es dem erkennenden Gericht nicht möglich war, dieses Kriterium abschließend zu bewerten.
83(4)
84Vor diesem Hintergrund vermochte auch der Umstand, dass die erkennende Kammer die Abführung des Gewinns aufgrund des Ergebnisabführungsvertrages an das V nicht als Umstand ansieht, der einer Einordnung der Verfügungsklägerin als eigenständiges Privatkrankenhaus entgegensteht, nicht zugunsten der Verfügungsklägerin durchzugreifen. Alleine die Abführung des Gewinns begründet für sich genommen keinen Konzerntatbestand. Er wird auch in der GmbH aus steuerlichen Gründen abgeschlossen (Roth-Altmeppen, GmbHG, 6. Aufl. 2009, Anh. zu § 13 Rn. 105).
85dd)
86Die oben dargestellten Kriterien als – in Übereinstimmung mit der Literatur - Ergebnis einer strengen Auslegung des § 4 IV MB/KK hinsichtlich der Anforderungen an die Ausgründung von Privatkliniken sind auch unter öffentlich-rechtlichen Aspekten zutreffend. Dies verdeutlichen u.a. die gesetzlichen Vorgaben des KHEntgG und der BPflV, die nicht durch eine ausufernde Betrachtungsweise bei der Ausgründung von Privatkliniken umgangen werden sollen (vgl. Bach / Moser-Kalis, Private Krankenversicherung, 4.Auflage 2009, § 4, Rn. 34 f.).
87Die Versorgung der Bevölkerung mit Krankenhausleistungen in Deutschland wird danach allgemein als Aufgabe der Daseinsvorsorge verstanden und unterliegt deshalb einer (notwendigen) engen rechtlichen Regulierung. Dies zeigt beispielsweise die in § 8 KHEntgG enthaltenen Vorgabe, allgemeine Krankenhausleistungen unabhängig vom Kostenträger zu einheitlichen Preisen zu erbringen. Entschließt sich ein Krankenhausträger, auch an der öffentlichen Versorgung teilzunehmen, muss er diese Vorgaben zwingend beachten. Ebenso bestimmt § 11 BPflV in Zusammenhang mit der Budgetierung, dass ein Mehrerlös – z.B. durch Überbelegungen – seitens des Krankenhauses zurückgezahlt oder auf das Budget des Folgejahres angerechnet werden muss.
88II.
89Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich auch nicht aus § 823 I BGB i.V.m. dem Rahmenrecht des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes i.V.m. § 1004 I 2 BGB analog.
901.Zwar ist die Norm anwendbar. § 824 BGB enthält eine abschließende Haftungsregelung nur für die Verbreitung unwahrer Tatsachen, die das erkennende Gericht nicht feststellen konnte. Bei Verbreitung wahrer Tatsachen oder von Werturteilen ist ein Anspruch aus § 823 I BGB nicht subsidiär.
912.Das Rahmenrecht des "eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes" als bloße Rechtsfortbildung setzt aber weiter eine umfassende Interessenabwägung voraus, da der Anwendungsbereich weit gefasst wird. Voraussetzung – und damit Korrektiv des weiten Anwendungsbereiches - ist in diesem Zusammenhang aber weiter, dass ein betriebsbezogener Eingriff vorliegt (vgl. insgesamt BGHZ 86, 152, 156 = NJW 1983, 810; BGHZ 90, 113, 123 = NJW 1984, 2207; BGH NJW 1997, 3304, 3308; BGHZ 138, 311, 318 f = NJW 1998, 2141; BGH NJW-RR 2005, 673, 675).
92Die Verletzungshandlung muss sich gerade gegen den Betrieb und seine Organisation oder gegen die unternehmerische Entscheidungsfreiheit richten und über eine bloße Belästigung oder sozial übliche Behinderung hinausgehen (BGH NJW 1998, 2141). Mittelbare Beeinträchtigungen des Gewerbebetriebs lösen keine Haftung nach § 823 I BGB aus, also insbesondere solche Schadensereignisse, die nicht mit der "Wesenseigentümlichkeit" des Betriebs in Beziehung stehen (BGH NJW 1983, 812, 813). Der Eingriff muss gegen den Betrieb als solchen gerichtet sein oder aber die Grundlagen des Betriebes bedrohen.
93Das erkennende Gericht vermochte in der Äußerung der Verfügungsbeklagten gegenüber ihren Versicherten keinen derartigen Eingriff zu erblicken. Es ist nicht glaubhaft gemacht, dass ein solcher Eingriff vorliegt, der sich gegen den Betrieb der Verfügungsklägerin als solchen richtet. Die Äußerung der Verfügungsbeklagten hat vielmehr lediglich mittelbar Einfluss auf die Tätigkeit der Verfügungsbeklagten, bedroht diesen aber gleichfalls nicht in seiner Existenz.
94Die Verfügungsklägerin beziffert die Anzahl der bei der Verfügungsbeklagten versicherten Patienten selber mit rund 35 jährlich, wobei lediglich hinsichtlich der Differenz des die Sätze des KHEntG übersteigenden Betrages Abrechnungsprobleme bestehen. Diese Differenz macht aber regelmäßig – wie der vorliegende Fall zeigt - nur einen Bruchteil der Forderung aus und wirkt für sich genommen nicht existenzbedrohend. Gleichfalls bestehen zwischen der Verfügungsklägerin und verschiedenen, auch gesetzlichen Krankenversicherungen, Vereinbarungen. Die Verfügungsklägerin ist wirtschaftlich von der Verfügungsbeklagten nicht abhängig.
95III.
96Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 I, 708 Nr.6, 711 S.1,2, 709 S.2 ZPO.
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