Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O 50/09 Kart.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten abzuwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin belieferte den Beklagten seit Jahren mit Gas, Wasser und Strom. Auf welcher Vertragsgrundlage die Belieferung mit Gas erfolgte, ist streitig.
3Die Klägerin erhöhte ihre Erdgaspreise zum 01.01.2005, 01.10.2005, 01.01.2006, 01.04.2006, 01.01.2007 und 01.07.2007. Der Beklagte widersprach dem mit Schreiben vom 25.01.2005, 24.10.2005, 30.01.2006 und 27.01.2007 und kürzte die Jahresrechnungen der Klägerin vom 16.01.2006, 16.01.2007 und 21.01.2008.
4Die Klägerin ließ mit Anwaltsschreiben vom 26.11.2008 zur Zahlung auffordern. Der Beklagte zahlte nicht.
5Die Klägerin verlangt restliche Bezahlung ihrer Rechnungen für die Zeiträume von 2005 bis 2007. Sie behauptet, sie versorge den Beklagten als Tarif- bzw. Grundversorgungskunden. Ihre mengengewichteten durchschnittlichen Bezugspreiserhöhungen für den Zeitraum 01.04.2004 bis 31.12.2007 hätten 1,05 Cent/kWh betragen, die mengengewichtete durchschnittliche Preiserhöhung in dem genannten Zeitraum jedoch nur 0,88 Cent/kWh. Sie habe somit die ihr allein aufgrund von Preiserhöhungen ihrer Vorlieferanten entstandenen Gasbezugspreissteigerungen nicht vollständig an die Beklagte weitergegeben. Ihre Umsatzrendite in der Zeit von 2005 bis 2007 hätte sich deswegen reduziert. Sie habe im Geschäftsbereich des Gasvertriebs für das Tarifkundensegment keine Kostensenkung realisieren können. Dabei käme es nicht an auf die Möglichkeit, Kosten zu senken. Relevant sei ausschließlich, ob Kosten tatsächlich gesunken seien.
6Der Beklagte könne sich zudem auf Unbilligkeit von Preiserhöhungen nicht mehr berufen. Weil er nicht innerhalb einer Jahresfrist den Un-
7billigkeitseinwand erhoben habe, sei dieser Einwand verwirkt.
8Die Klägerin beantragt,
9den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.187,66 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10Der Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Der Beklagte behauptet, Kunden wie er, die mit Gas heizen, würden im Regelfall als Sonderkunden versorgt. Selbst bei einer Einstufung als Tarifkunde sei die Klägerin aber nicht berechtigt zur Gaspreiserhöhung. Die Preiserhöhung der Klägerin seien unbillig, weil sie nicht nur dem Ausgleich gestiegener Bezugskosten, sondern der Steigerung der Erlössituation dienten. Seine Einwendungen bezögen sich auch nicht nur auf Preiserhöhungen, sondern die gesamte tarifliche Preisgestaltung. Die Klägerin könne sich nicht darauf berufen, dass er Einwendungen nicht innerhalb eines Jahres erhoben habe, da sie selbst sich fast vier Jahre Zeit gelassen habe, um seine Einbehalte zurückzufordern.
13Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Die Klage ist unbegründet.
16Es spricht vieles dafür, dass es sich bei dem Vertragsverhältnis der Parteien um einen Tarifkundenvertrag und nicht um einen Normsonderkundenvertrag handelt. Letztlich kann dies aber dahinstehen, weil ein fälliger Zahlungsanspruch der Klägerin auf Zahlung restlichen Kaufpreises für die erbrachte Lieferung von Gas in beiden Fällen nur in Betracht kommt, wenn die Klägerin bei Ausübung eines gesetzlich normierten oder wirksam vertraglich vereinbarten einseitigen Leistungsbestimmungsrechtes die Bestimmung gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen getroffen hat. Dafür darlegungs- und beweisverpflichtet ist die Klägerin.
17Der Unbilligkeitseinwand des Beklagten ist nicht verwirkt. Eine Pflicht, binnen Jahresfrist die Unbilligkeit zu rügen, besteht nicht.
18Die Klägerin hat nicht substantiiert dargetan, eine einseitige Leistungsbestimmung nach billigem Ermessen getroffen zu haben. Sie behauptet unter ausdrücklicher Anlehnung an die Ausführungen des Bundesgerichtshofes im Urteil vom 13.06.2007, VIII ZR 36/06 als ausschließlichen Grund für die Preissteigerung einen nur teilweise weitergegebenen Anstieg von Beschaffungskosten und fehlende Kompensation durch rückläufige Kosten in anderen Bereichen. Ihr Vortrag hierzu ist aber nicht ausreichend. Es fehlt am erforderlichen Sachvortrag zum Bestehen und zur Ausschöpfung von Kostensenkungspotentialen. Angesichts der sich aus §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 EnWG ergebenden Verpflichtung des Energieversorgungsunternehmens zu einer möglichst sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen leistungsgebundenen Versorgung der Allgemeinheit mit Gas ist es als unbillig anzusehen, wenn Kostensteigerungen weitergegeben werden, die auch unter Berücksichtigung eines unternehmerischen Entscheidungsspielraumes ohne die Möglichkeit einer Preiserhöhung aus betriebswirtschaftlichen Gründen vermieden worden wären (so BGH, Urteil vom 19.11.2008, VIII ZR 138/07 Rn. 43). Dieser Auffassung ist uneingeschränkt zu folgen. Sie gilt aber keineswegs nur im Hinblick auf Kosten der Gasbeschaffung. Auch im Hinblick auf die übrigen Kosten der Gassparte besteht die Verpflichtung zur Ausschöpfung von Kostensenkungspotentialen. Für Unternehmen, die im Wettbewerb stehen, ergibt sich ein betriebswirtschaftlicher Zwang zu kostensparenden Verhalten schon aus dem bestehenden Wettbewerbsdruck. Dies mag für Unternehmen, die, wie die Klägerin, sich nicht oder nur eingeschränkt den Anforderungen des Wettbewerbs stellen müssen, anders sein. Zumindest im Rahmen der Billigkeitsprüfung ist aber auch für solche Unternehmen die Pflicht zur Vermeidung von unnötigen Kosten zu postulieren.
19Die Klägerin hat hierzu nicht vorgetragen. Sie vertritt die Auffassung, dass es nur auf tatsächlich gesunkene Kosten ankommt. Im Übrigen beschränkt sie sich auf die schlichte, durch keinerlei Sachvortrag erläuterte Behauptung, kein Kostensenkungspotential gehabt zu haben. Auch aus den von ihr vorgelegten Wirtschaftsprüfertestaten ergibt sich nichts für die Frage, ob und in welchem Umfang Kosten vermeidbar waren. Ohne einen Vortrag hierzu kann aber weder die Billigkeit der klägerischen Leistungsbestimmung festgestellt werden noch die gerichtliche Festsetzung einer billigen Leistung erfolgen.
20Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
21Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Ziffer 11, 711 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.