Urteil vom Landgericht Dortmund - 21 O 250/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger nimmt die Beklagten als Gründungskommanditisten aus sogenannter Prospekthaftung in Anspruch.
3Die Beklagten waren Gründungskommanditisten der W GmbH & Co. Fonds Nr.1 Projekt C/ B KG (im Folgenden: KG).
4Ziel und Zweck der Fondgesellschaft ist die Erstellung und das Betreiben der Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung für den Zweckverband B / C.
5Der Kläger beteiligte sich aufgrund einer Beitrittserklärung vom 5.12.1995, wegen deren Einzelheiten auf die Anlage K1 Bezug genommen wird, mit einer Kommanditeinlage in Höhe von 100.000,00DM zuzüglich 5% Agio an der KG. Grundlage des Beitritts war der Prospekt, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage K2 Bezug genommen wird. Der Prospekt lag dem Kläger vor der Fondszeichnung vor. Er hatte ausreichend Gelegenheit, den Prospektinhalt zur Kenntnis zu nehmen.
6Die Titelseite des Prospektes wirbt u.a. mit den Worten „Via der Weg zu Werten“.
7Eine Modellrechnung auf Seite3 des Prospektes nennt bei einem persönlichen Steuersatz von 53% eine Rendite nach Steuern, ermittelt nach der Methode interner Zinsfuß, von ca. 11,9%. Auf Seite6 des Prospektes wird mit einer Verzinsung nach Steuern nach der internen Zinsfußmethode von 9,13 bis 11,09% geworben. Auf Seite28 wird unter der Überschrift Ausschüttungen im Prospekt ausgeführt, dass bei planmäßigem Verlauf bereits 1996 eine Ausschüttung von 4,5% vorgesehen ist, diese bis 2010 konstant bleibe und sich dann schrittweise bis 2014 auf 6,5 % erhöhe.
8Der Kläger vertritt zu dieser Darstellung im Prospekt die Auffassung, die Einkalkulierung der Ausschüttungen für die Darstellungen der Rendite verschleiere das tatsächlich vorhandene Haftungsrisiko. Die Ausschüttungen würden in einen unmittelbaren Zusammenhang gebracht mit einer erzielbaren Rendite. Tatsächlich habe ein Kommanditist keinen Anspruch auf Gewinnauszahlung, so lange seine Einlage unter die vereinbarte Haftungsgrenze herabgesunken sei. Gleichwohl sollten hier Ausschüttungen vorgenommen werden, obwohl Gewinne nicht zu verzeichnen waren. Es habe keine Warnung vor den Risiken des geplanten Abweichens vom gesetzlichen Grundmodell gegeben.
9Der Kläger sei davon ausgegangen, dass er die Ausschüttungen, die er in den Folgejahren erhalten habe, behalten dürfe. Erst durch den Prozessbevollmächtigten habe er Kenntnis davon erlangt, dass es sich bei den Ausschüttungen nicht um Gewinne sondern um Entnahmen im Sinne von § 172 HGB aus dem Eigenkapital gehandelt habe.
10Soweit auf Seite 34 des Prospektes und in dem auf Seite46 wiedergegebenen Gesellschaftsvertrag auf das Wiederaufleben der Haftung gemäß §172 HGB hingewiesen worden sei, habe der Prospekt lediglich abstrakt über die Rechtslage, nicht aber über das konkrete haftungsträchtigte Vorhaben als solches aufgeklärt. Die im Prospekt mehrfach dargestellte Rendite stelle sich in Wahrheit als Haftungspotential dar.
11Hätte der Kläger vor der Fondszeichnung davon gewusst, dass von Anfang an geplant gewesen sei, Ausschüttungen aus dem Eigenkapital zu zahlen mit der Folge, dass die Haftung der Kommanditisten wieder auflebe, hätte er sich nicht beteiligt.
12Mit der vorliegenden Klage macht der Kläger das sogenannte negative Interesse geltend und verlangt die Rückzahlung der Einlage zuzüglich Agio sowie Erstattung vorgerichtlicher Kosten gegen Rückgabe der KG-Beteiligung.
13Der Kläger beantragt,
14die Beklagten zu verurteilen, an ihn
151. 53.685,60€ zuzüglich 5% Zinsen seit Rechts-
16hängigkeit Zug um Zug gegen Übertragung der Beteiligung der Klagepartei an der „W GmbH & Co. Fonds Nr.1 Projekt C / B KG“, eingetragen im Handelsregister des Amtsgerichts Leipzig unter HRA ##### an die Beklagten und
172. vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von
181.761,08€ zu zahlen.
19Die Beklagten beantragen,
20die Klage abzuweisen.
21Sie tragen vor, der Kläger habe einen Schaden nicht substantiiert vorgetragen. Das Wiederaufleben der Haftung stelle sich allenfalls als potentielle Gefahr dar, die keinen Rückgewähranspruch begründe.
22Der Schaden müsse zudem saldiert werden mit den erhaltenen steuerlichen Vorteilen.
23Sie räumen ein, dass es bei dem Fonds im Rahmen der Laufzeit zu zwei Problemen gekommen sei, die zu einer Verzögerung und teilweisen Beeinträchtigung des Zieles des Fonds geführt habe. Dabei habe es sich aber nicht um einen Prospektfehler sondern zum Einen um ein unvorhersehbares und zum Anderen um ein im Prospekt bereits als Gefahr skizziertes Problem gehandelt. Wegen der Probleme im Zusammenhang mit der Erstellung und dem Betreiben der Trinkwasserver- und Abwasserentsorgungsanlagen im Bereich des Zweckverbandes C / B wird auf den Inhalt der Klageerwiderung verwiesen.
24Die Beklagten meinen, unter Berücksichtigung dieser Umstände sei das vorliegende Klageverfahren unverständlich. Jedenfalls sei der Kläger durch den Prospekt hinreichend und zutreffend auf die Risiken hingewiesen worden. Nach den Grundsätzen des Bundesgerichtshofs aus dem Beschluss vom 09.11.2009 - IIZR 16/09 - sei ausreichend auf das sich jedenfalls in der Startphase, aber auch bei Ausbleiben des erwarteten wirtschaftlichen Erfolges des Projektes aufdrängende Wiederaufleben der Haftung des Kommanditisten hingewiesen worden. Der Fonds habe prospekt- und erwartungsgemäß in den ersten Jahren Verluste bilanziert, zugleich aber Ausschüttungen aus der Liquiditätsreserve vorgenommen. Dies stelle eine übliche rechtliche Konstruktion dar. In den Gesellschafterversammlungen sei darüber informiert worden. Der Kläger habe daher spätestens ab 1996 Kenntnis von diesen Zusammenhängen gehabt. Die Beklagten erheben insoweit die Einrede der Verjährung.
25Der Prospekt habe über die Verlustzuweisungen und das planmäßig negative steuerliche Ergebnis aufgeklärt. Es sei systemimmanent gewesen, dass es zu Verlusten kommen würde. Aus dem Prospekt sei erkennbar gewesen, dass in den Jahren 1994/1995 bis 2000 planmäßige Verluste erwirtschaftet würden, die zu hohen Verlustzuweisungen führten, wodurch sich die Steuerlast der Anleger erheblich gemindert habe.
26Unabhängig von diesem Vorgang seien Ausschüttungen vorgesehen gewesen. Da Verluste planmäßig eingetreten seien, hätten diese Ausschüttungen nur aus dem Kapital gezahlt werden können. Die Prospektangabe zu den rechtlichen Grundlagen (Seite 34 des Prospektes) kläre über die Folgen aus §172 HGB auf. Dies werde an weiteren Stellen wiederholt. Ein Prospektfehler liege somit nicht vor. Notfalls hätte der Kläger sich rechtlich beraten lassen können.
27Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
28E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
29Die Klage ist nicht begründet.
30Dem Kläger steht kein Schadenersatzanspruch auf Rückzahlung der Kommanditeinlage zuzüglich Agio Zug um Zug gegen Rückübertragung der Kommanditanteile zu. Der Prospekt weist keine die Beitrittsentscheidung des Klägers beeinflussenden Fehler auf.
31Die Beitrittserklärung vom 5.12.1995 ist auf der Grundlage des Beteiligungsprospektes (Anlage K2) abgegeben worden.
32Wie die Beklagten nicht in Abrede stellen, sind sie als Gründungskommanditisten für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Prospektangaben verantwortlich. Die Verantwortlichkeit für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben trifft alle Personen, die für die Geschicke des Unternehmens und damit auch die Herausgabe des Prospektes verantwortlich sind. Anknüpfungspunkt ist dabei der Einfluss auf die Gesellschaft bei der Initiierung des Projektes (BGH Beschluss 14.01.2008 - II ZR 85/07). Die subjektiven Voraussetzungen einer etwaigen Prospekthaftung sind daher erfüllt.
33Es lässt sich jedoch als objektive Voraussetzung einer Prospekthaftung kein die Beitrittsentscheidung beeinflussender Prospektfehler feststellen. Ein Prospekt hat dem Beteiligungsinteressenten ein zutreffendes Bild von dem Anlageobjekt zu vermitteln. Dazu gehört, dass sämtliche Umstände, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sind oder sein können, richtig und vollständig dargestellt werden. Entspricht der Prospekt diesen Anforderungen nicht, so hat der auf seiner Grundlage geworbene Anleger, wenn er bei richtiger und vollständiger Information von der Beteiligung Abstand genommen hätte, gegen die schuldhaft handelnden Prospektverantwortlichen einen Anspruch auf Rückzahlung seiner Aufwendungen für den Erwerb Zug um Zug gegen Abtretung der Beteiligung (ständige Rechtsprechung vgl. BGH NJW 2006, 2042, 2043 m. w. N.).
34Nach diesen Kriterien ist vorliegend ein Prospektfehler nicht festzustellen. Entgegen der Auffassung des Klägers wird in dem Prospekt ausreichend und im Gesamtzusammenhang zutreffend über das Wiederaufleben der Haftung gemäß §172 HGB hingewiesen. Es trifft allerdings zu, dass die Renditeüberlegungen in dem Prospekt in einen Zusammenhang mit den Ausschüttungen gebracht werden. Gleichwohl wird dadurch nicht die Erwartung begründet, dass die Ausschüttungen auf jeden Fall, unabhängig von der weiteren Entwicklung, dem Anleger verbleiben können. Maßgeblich ist insoweit der Gesamtzusammenhang der Darstellung im Prospekt. Es trifft zu, dass in dem Abschnitt „Erläuterungen zur langfristigen Ergebnisprognose“ – „Ausschüttungen“ (Seite27/28 des Prospektes) Ausschüttungen ab 1996 zugesagt waren und zwar konstant bis 2010 und dann mit einer Steigerung bei planmäßigem Verlauf. Zugleich wird in diesem Abschnitt (Seite27 des Prospektes) aber weiter ausgeführt, dass die Ausschüttungen nicht dem steuerlichen Ergebnis entsprechen. Wörtlich heißt es dort weiter: „Da auf eine gleichbleibende Höhe der Ausschüttungen Wert gelegt wurde, müssen demzufolge zunächst Ausschüttungsanteile aus der Liquiditätsreserve bedient werden.“ Daraus wird deutlich, dass die Auszahlungen nicht einem steuerlichen Überschuss entnommen werden.
35Darüber hinaus ist dem Anleger aufgrund des Umstandes, dass er Verlustzuweisungen in den ersten Jahren der Laufzeit erhält, klar, dass planmäßig Verluste und nicht Gewinne erzielt werden sollen. Welche Folgen eine solche, nicht von Gewinnen gedeckte Entnahme aus dem Kapitalkonto für den Kommanditisten hat, ist in dem Abschnitt Chancen und Risiken und in dem Unterabschnitt Haftung beschrieben. Dort heißt es: „Sollte durch Entnahme (z.B. Ausschüttungen) das Eigenkapitalkonto herabgesetzt werden oder bleiben, lebt gem. § 172 HGB die Haftung in Höhe der Entnahme, soweit diese zu einer Verminderung des Kapitalkontos geführt hat, wieder auf.“
36Insgesamt wird dem Anleger aufgrund des Prospektes deutlich, dass planmäßig Verluste in den ersten Jahren der Laufzeit anfallen, die zu der angestrebten und willkommenen Verlustzuweisung führen und dass zugleich Ausschüttungen vorgenommen werden, die nicht durch tatsächlich erzielte Gewinne gedeckt sind. Als Folge eines solchen Vorganges wird auf das Wiederaufleben der Haftung nach §172 HGB hingewiesen.
37Es ist einzuräumen, dass eine detaillierte Erläuterung dieser Vorschrift im Prospekt nicht enthalten ist. Der grundsätzliche Vorgang ist jedoch klar und hätte bei Bedarf zum Gegenstand einer rechtskundigen Beratung gemacht werden können. Die Darstellung in dem Prospekt stellt auch nicht lediglich das Wiederaufleben der Haftung nach §172 HGB als abstrakte Möglichkeit sondern als zwingende Folge dar. Unter Berücksichtigung des darstellten Gesamtzusammenhanges von planmäßig erwarteten und dem Anleger willkommenen Verlustzuweisungen, sowie der Tatsache, dass die versprochenen Ausschüttungen aus der Liquidität und nicht aus erzielten Gewinnen gezahlt werden, drängt sich für den unbefangenen Leser des Prospektes auf, dass planmäßig in den Anfangsjahren und später bei ausbleibendem wirtschaftlichen Erfolg die versprochene Ausschüttung nur aus dem Kapital, d.h. der Einlage gezahlt werden kann. Dies führt zu einer Herabsetzung des Kapitalkontos bis unter die Haftungsgrenze der Einlage selbst. Ein Wiederaufleben der Haftung nach §172 HGB ist für diesen Fall gesetzlich vorgesehen und zwingend. Wenn Ausschüttungen garantiert werden und gleichzeitig deutlich gemacht wird, dass sie aus der Liquidität, also nicht aus erwirtschafteten Gewinnen stammen und dass ferner bestimmungsgemäß Verlustzuweisungen die Attraktivität der Anlage erhöhen, dann muss jedem Anleger, er darf für sich nicht in Anspruch nehmen, ein „dummer“ Verbraucher zu sein, der vor sich selbst geschützt werden muss, ins Auge springen, dass zumindest zu Beginn des Projektes und erst recht, wenn es nicht so läuft, wie erhofft, die Ausschüttungen zum Wiederaufleben der Haftung führen (Goette, Anmerkung zu dem Beschluss des BGH vom 09.11.2009 - II ZR 16/09 - DStR 2010, 123, 124).
38Mangels eines die Beitrittsentscheidung beeinflussenden Prospektfehlers steht dem Kläger somit kein Anspruch auf Rückzahlung der Einlage Zug um Zug gegen Rückgabe der Beteiligung zu.
39Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§91,709 ZPO.
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