Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 398/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 11.166,96 €.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
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T a t b e s t a n d:
2Der Kläger unterhält seit 1987 bei der Beklagten für sich und seine Ehefrau eine Krankheitskostenversicherung. Es sind die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten für die Krankheitskosten und Krankenhaustagegeldversicherung, die die Musterbedingungen MBKK 94 und die Tarifbedingungen der Beklagten umfassen, vereinbart. Der Kläger war Beamter bei der Bundeswehr und ist seit dem 01.04.1996 aus dem Dienst ausgeschieden. Da der Kläger zu 80 % beihilfeberechtigt ist, ist für die private Krankenversicherung ein Erstattungssatz von 20 % vereinbart.
3Im Jahr 2003 reichte der Kläger der Beklagten manipulierte Rechnungen über 2.345,58 DM und 2.292,98 € ein, die die Beklagte zunächst im tariflichen Umfang erstattete. Nachdem der Kläger den Schaden von 966,41 € ausgeglichen hatte, sah die Beklagte von einer fristlosen Kündigung des Vertrages ab. Wegen dieses Vorfalls wurde der Kläger wegen versuchten Betruges in Tateinheit mit Urkundenfälschung in 5 Fällen vom Amtsgericht Schwerte durch Urteil vom 08.02.2005 (5 Ds 716 Js 221/04 – 567/04) zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt. Die Ehefrau des Klägers wurde mit Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 31.07.2007 (5 Ds 716 Js 251/06 – 114/07) wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug in 2 Fällen zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen auf Grund gefälschter Behandlungsrechnungen verurteilt.
4Im Mai 2006 hatte der Kläger der Beklagten eine Rechnung der "G" über 567,68 € eingereicht, bei der als zugrunde liegende Leistungen Hautpflege angegeben war. Die Beklagte lehnte mangels insoweit bestehenden Versicherungsschutzes Leistungen ab.
5Mit Erstattungsantrag vom 16.04.2007 reichte die Ehefrau des Klägers u.a. eine Behandlungsrechnung des Pflegedienstes "G" ein, deren Briefkopf nunmehr den Zusatz "Krankengymnastik" umfasste. Der Arzt S hatte dem Kläger am 12.03.2007 zehn krankengymnastische Behandlungen verschrieben. Die Rechnung der G vom 24.03.2007 über 200,00 € bezog sich auf Krankengymnastik im Zeitraum vom 12.03. bis 24.03.2007. Beigefügt war der Rechnung die Verordnung, auf deren Rückseite jeweils die Behandlungsdaten angegeben und mit Unterschriften abgezeichnet worden waren. Mit Erstattungsantrag vom 04.07.2007 reichte der Kläger u.a. eine Rechnung der G vom 21.06.2007 mit der Bitte um Erstattung ein. Der Rechnung war wiederum beigefügt eine Verordnung des Hausarztes S für Krankengymnastik sowie die jeweiligen Unterschriften betreffend den Erhalt der verordneten Gymnastik.
6Mit Schreiben vom 20.07.2007 kündigte die Beklagte die Krankheitskostenversicherung für den Kläger und die Ehefrau des Klägers, da der Kläger die Beklagte betrogen habe bzw. versucht habe, sie zu betrügen. Bei dem Pflegedienst G handele es sich um eine Scheinfirma und die Rechnungen seien gefälscht.
7U.a. wegen dieser Rechnungen ist die Ehefrau des Klägers und deren Tochter U mit Urteil des Amtsgerichts Hagen – Schöffengericht – vom 29.06.2009 wegen gemeinschaftlichen Betruges in 18 Fällen, davon in 2 Fällen im Versuch zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von jeweils 10 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde, verurteilt worden. Durch Urteil vom 12. März 2010 hat das Landgericht Hagen 42 Ns 716 Js 142/07 – 107/09 die angeklagte Ehefrau zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 8 Monaten und die Tochter zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 5 Monaten verurteilt. Das Landgericht Hagen stellte fest, dass die Ehefrau und ihre Tochter im Frühjahr 2006 den Plan fassten, durch den Anschein eines privaten Pflegedienstes, der durch die Tochter des Klägers eingerichtet wurde und nicht die Pflege weiterer Patienten zum Gegenstand hatte, die Kosten sowohl bei der Beihilfestelle wie auch der Beklagten geltend zu machen. Die Ehefrau habe dann die von der Tochter des Klägers erstellten Rechnungen eingereicht in 18 Fällen, wobei in 2 Fällen eine Kostenerstattung nicht erfolgt sei. Das Verfahren gegen den Kläger war vom Landgericht Hagen abgetrennt worden und zunächst ein psychiatrisches Gutachten eingeholt worden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht ist das Verfahren in den zwei Fällen, wegen derer der Kläger angeklagt worden war, gemäß § 153 a StPO vorläufig eingestellt worden. Im Übrigen ist durch Urteil vom 02.11.2010 das gegen den Kläger ergangene Urteil des Amtsgerichts Hagen wegen eines dauernden Verfahrenshindernisses aufgehoben worden und das Verfahren eingestellt worden, da insoweit keine Taten angeklagt worden waren.
8Der Kläger behauptet, die Rechnungen der Firma G seien nicht gefälscht; er habe in der genannten Zeit tatsächlich Krankengymnastik absolviert und sei in der Anfangszeit der einzige Patient der Firma G gewesen. Er habe die in Rechnung gestellten Beträge gegenüber der Firma G beglichen. Inhaber der Firma G sei seine Tochter. Das unterschiedliche Schriftbild auf den Behandlungsquittungen sei auf seine Erkrankungen zurückzuführen. Er habe auch keine Rechnung des Anästhesisten Hvom 23.11.2006 bei der Beklagten eingereicht.
9Der Kläger beantragt nach Rücknahme des auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten gerichteten Klageantrages zu 2.),
10festzustellen, dass die außerordentliche Kündigung des Versicherungsvertrages Nr. 7827704-508 vom 20. Juli 2007 unwirksam ist und das Versicherungsverhältnis ungekündigt fortbesteht.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Sie behauptet, der Pflegedienst G sei nie existent gewesen. Es gebe keine Gewerbeanmeldung. Auch sei der Pflegedienst dem Gesundheitsamt nicht bekannt. Auch habe die Zeugin U keine entsprechende Ausbildung.
14Wegen des weiteren Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
15Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der oben genannten Strafakten sowie durch Vernehmung der Zeugin U. Wegen der Zeugenaussage wird auf das Sitzungsprotokoll vom 23.07.2008 Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17Die zulässige Feststellungsklage ist nicht begründet. Denn die Kündigung der Beklagten aus wichtigem Grund war gemäß § 314 Abs.1 BGB wirksam. Ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung setzt voraus, dass Tatsachen vorliegen, die dem Kündigenden die Fortsetzung des Vertrages unzumutbar machen. Bei der privaten Krankenversicherung ist dies Im Hinblick auf ihre soziale Funktion erst dann gegeben, wenn der Versicherungsnehmer in besonders schwerwiegender Weise die Belange des Versicherers seinem Eigennutz hintanstellt, d.h. vor allem dann, wenn er sich Versicherungsleistungen erschleicht oder zu erschleichen versucht (BGH VersR 2007,1260; OLG Saarbrücken VersR 2006,644; OLG Koblenz NJOZ 2009,2418). Der Beklagten war unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlage eine Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zumutbar, nachdem der Kläger durch die gefälschten Behandlungsrechnungen versucht hatte, sich Vermögensleistungen der Beklagten zu erschleichen. Sowohl der Kläger wie auch seine Ehefrau haben der Beklagten die gefälschten Rechnungen des nicht existenten Pflegedienstes G eingereicht, nachdem ihnen bekannt geworden war, dass die Behandlung durch nahe Angehörige seitens der Beklagten nicht erstattet wird. Sie haben mithin gezielt versucht, Vermögensleistungen der Beklagten zu erhalten, obwohl sie wussten, dass ihnen diese nicht zustanden. Der vollendete Betrug ist durch die Ehefrau des Klägers begangen worden, da sie die Rechnung vom 24.03.2007 einreichte. Insoweit sind Leistungen im tariflichen Umfang seitens der Beklagten erbracht worden. Der Kläger selbst hat durch den Erstattungsantrag vom 04.07.2007, mit dem die Rechnung vom 21.06.2007 eingereicht wurde, versucht, durch Täuschung der Beklagten Leistungen zu erhalten. Zu einer Vollendung des Betruges kam es nur deshalb nicht, weil die Beklagte auch durch Mitteilungen der Wehrbereichsverwaltung Verdacht geschöpft hatte. Dass die Beklagte den Kläger verleitet hätte, den Erstattungsantrag zu stellen, ist in keiner Weise nachvollziehbar. Vielmehr hat der Kläger aus eigenem Antrieb den Erstattungsantrag bei der Beklagten eingereicht. Das wegen dieses Vorfalls geführte Strafverfahren ist auch nicht wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt worden sondern vorläufig wegen geringer Schuld nach § 153 a StPO. Dieser strafrechtlich verbleibende geringe Schuldvorwurf lässt aber nicht das vorsätzliche betrügerische Verhalten des Klägers entfallen. Vielmehr hatten der Kläger und seine Ehefrau über längere Zeit hinweg beabsichtigt, die Beklagte zu Leistungen zu bewegen und hierfür die Rechnungen des Pflegedienstes "G" eingereicht. Hierbei täuschten sie der Beklagten vor, es handele sich um Krankenbehandlung durch einen professionellen Pflegedienst , während es sich in Wirklichkeit um pflegerische Leistungen ihrer Tochter handelte, die ohne pflegerische Ausbildung und ohne behördliche Zulassung als einzigen "Kunden" ihren Vater betreute. Zu Lasten des Klägers war auch zu berücksichtigen, dass er nicht zum ersten Mal versuchte, Leistungen der Beklagten zu erschleichen, sondern bereits im Jahr 2003 Leistungen erschlich. Auch das wegen jener Straftaten gegen ihn ergangene Urteil des Amtsgerichts Schwerte vom 08.02.2005 hielt ihn nicht davon ab, im Jahr 2007 erneut zu versuchen, unrechtmäßig Leistungen der Beklagten zu erhalten. Insoweit ist auch nicht der Umstand, dass es sich jeweils nur um geringe Erstattungsleistungen im zweistelligen Bereich handelte, geeignet, das Interesse der Beklagten an einer Beendigung des Vertrages zurücktreten zu lassen. Vielmehr ist es der Beklagten nunmehr nicht mehr zuzumuten, am Vertrag mit dem Kläger festhalten zu müssen.
18Hinsichtlich der Vertragsbeziehung der Beklagten zur Ehefrau des Klägers war zu Lasten der Ehefrau zu berücksichtigen, dass es sie selbst war, die nach den Feststellungen des Urteils des Landgerichts Hagen vom 12.03.2010 den Tatplan fasste durch den Anschein eines privaten Pflegedienstes Leistungen der Beklagten zu erhalten und hieran über eine längere Zeit hinweg festhielt. Sie hat nämlich, nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen im Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 29.06.2009, zweimal in Vertretung des Klägers, Anträge auf Kostenübernahme der Rechnungen des "Pflegedienstes" bei der Beklagten eingereicht. Sie stellte nämlich nicht nur den Antrag vom 16.4.2007, sondern auch den Antrag von Mai 2006. Auch nach Scheitern des ersten Erstattungsantrages hielt sie an ihrem Vorhaben, die Beklagte zu täuschen, um Leistungen zu erhalten, fest.
19Die Beklagte war daher sowohl gegenüber dem Versicherungsnehmer wie auch gegenüber der Mitversicherten gemäß § 314 BGB zur fristlosen Kündigung berechtigt. Einer Abmahnung bedurfte es angesichts der Schwere der Verstöße nicht. Die Kündigung erfolgte auch innerhalb angemessener Frist, nachdem die Beklagte von den Tatsachen, die die Kündigung rechtfertigten, Kenntnis erlangte.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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