Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 S 17/11
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 10.11.2010 verkündete Urteil des Amtsgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
G r ü n d e:
2(Gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 ZPO)
3I.
4Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten, einer Kassenpatientin, Behandlungskosten aus einer stationären Behandlung der Beklagten im Hause der Klägerin in dem Zeitraum vom 08.07.2009 bis zum 13.07.2009 geltend.
5Das Amtsgericht hat den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 22.10.2010 aufrechterhalten, mit dem die Beklagte zur Zahlung von Behandlungskosten in Höhe von 4.328,10 €, Mahnkosten in Höhe von 25,00 € sowie Inkassokosten in Höhe von 453,27 € verurteilt worden war. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwischen der Klägerin und der Beklagten ein konkludenter Behandlungsvertrag zustande gekommen sei. Der Irrtum der Parteien, dass die Kosten des Krankenhausaufenthaltes die gesetzliche Krankenkasse der Beklagten übernehmen werde, führe dazu, dass dem privatrechtlichen Behandlungsverhältnis die Geschäftsgrundlage fehle und die deshalb gebotene Vertragsanpassung nach Treu und Glauben zu einem Zahlungsanspruch der Klägerin führe. Hiernach trage die Beklagte das Risiko, dass die Kosten von ihrer gesetzlichen Krankenkasse nicht übernommen würden.
6Gegen dieses Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung. Sie rügt, dass das Amtsgericht von rechtlich unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen sei. Ein Behandlungsvertrag sei nicht konkludent vereinbart worden. Vielmehr habe nur ein Entwurf, den die Beklagte nicht unterzeichnet habe und hinsichtlich dessen weiterer Einzelheiten auf Bl. 35 d. A. verwiesen wird, vorgelegen. Die Beklagte habe der Klägerin zudem mitgeteilt, dass sie nicht wisse, ob ihre gesetzliche Krankenkasse, nämlich die AOK Westfalen-Lippe, die Kosten der stationären Behandlung übernehme. Ein Behandlungsvertrag sei mithin nicht zustande gekommen, weshalb eine Vertragsanpassung schon nicht habe erfolgen dürfen. Die Klägerin hätte daher bei der Behandlung der Beklagten mit Blick auf die Frage einer Kostenübernahme durch die gesetzliche Krankenkasse leichtfertig gehandelt. Die Beklagte sei, anders als das Amtsgericht festgestellt habe, darüber hinaus nicht davon ausgegangen, dass die AOK Westfalen-Lippe die Kosten der Krankenhausbehandlung tragen werde. Ein gemeinschaftlicher Irrtum der Parteien liege daher auch deshalb nicht vor. Weiterhin habe ein Mitarbeiter der Klägerin, nämlich offenbar der Chefarzt, erklärt, "das machen wir schon einmal".
7Die Beklagte beantragt,
8unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hagen vom 22.02.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
9Die Klägerin beantragt,
10die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
11Sie verteidigt unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags das angefochtene Urteil. Ergänzend führt sie aus, dass die Klägerin bereits mit ihrem Schreiben an die Beklagte vom 05.05.2009, hinsichtlich dessen weiterer Einzelheiten auf Bl. 38 und 39 d. A. Bezug genommen wird, deutlich darauf hingewiesen habe, dass die Kostenübernahme bei der zuständigen Krankenkasse geklärt werden und zum Aufnahmetermin – nämlich dem 08.07.2009 – eine definitive Kostenzusage vorliegen müsse. Wenn die gesetzliche Krankenkasse Kosten nicht übernehme, so sei die Risikosphäre des Patienten betroffen. Darüber hinaus habe die Beklagte die Schuld deklaratorisch anerkannt, indem sie ausweislich des Schreibens der Schuldnerberatung vom 08.03.2010 – hinsichtlich dessen weiterer Einzelheiten auf Bl. 15 d. A. verwiesen wird – dem Grunde nach bereit gewesen sei, aus ihrem nicht pfändbaren Einkommen Raten zu zahlen.
12II.
13Die gemäß § 511 ZPO statthafte Berufung ist zulässig. In der Sache hat sie allerdings keinen Erfolg.
14- Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Zahlung der Behandlungskosten für die stationäre Behandlung der Beklagten im Hause der Klägerin in dem Zeitraum vom 08.07.2009 bis zum 13.07.2009 in Höhe von 4.328,10 € aus § 611 BGB. Denn zwischen den Parteien ist ein Behandlungsvertrag konkludent zustande gekommen, auf dessen Grundlage die Klägerin von der Beklagten die unstreitig entstandenen Behandlungskosten verlangen kann. a) Spätestens mit der Vorstellung eines Patienten in einer Arztpraxis bzw. in einem Krankenhaus kommt zwischen ihm und der Behandlungsseite ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag zustande. Dies gilt selbst dann, wenn es sich nicht um einen Selbstzahler, sondern um einen gesetzlich versicherten Patienten handelt (vgl. Frahm, Nixdorf, Walter, Arzthaftungsrecht, Rn. 1, 6). Hieraus ergibt sich für den vorliegenden Fall Folgendes: aa) Einen schriftlichen Behandlungsvertrag haben die Parteien unstreitig nicht geschlossen. bb) Allerdings ist zwischen den Parteien spätestens mit der stationären Aufnahme der Beklagten im Hause der Klägerin am 08.07.2009 konkludent ein Behandlungsvertrag zustande gekommen. Die Beklagte konnte selbst mit Blick auf die von ihr behaupteten Erklärungen des Chefarztes der Klägerin "das machen wir schon einmal" bzw. "und dann hat der Arzt gesagt, das müssen wir mal gucken" nicht davon ausgehen, dass im Hause der Klägerin erbrachte Leistungen aus Gefälligkeit ohne Abschluss eines Behandlungsvertrages erbracht werden, zumal eine ärztliche Behandlung ohne Honorar in aller Regel nicht nur ein außerrechtliches Gefälligkeitsverhältnis zugrunde liegt, sondern ein Behandlungsvertrag (vgl. Geiß/Greiner, Arzthaftpflichtrecht, A. Rn. 17). Eine Vergütung gilt daher als stillschweigend vereinbart, § 612 Abs. 1 BGB. cc) Damit hat die Klägerin einen Anspruch auf die übliche Vergütung, § 612 Abs. 2 BGB. Dass die von ihr begehrte Vergütung nicht üblich ist, ist weder ersichtlich noch dargetan. dd) Die Beklagte kann auch nicht einwenden, dass sie mit Blick auf die sie treffenden wirtschaftlichen Folgen, die aus der stationären Behandlung resultieren, nicht zutreffend von der Klägerin aufgeklärt worden sei. Denn bereits mit Schreiben der Klägerin vom 05.05.2009 wurde die Beklagte darauf hingewiesen, dass die Kostenübernahme von ihr mit der zuständigen Krankenkasse geklärt werden müsse, damit noch vor der Behandlung eine Kostenzusage der Krankenkasse vorliege.
b) Lebensfremd ist die Behauptung der Beklagten, dass sie nicht davon ausgegangen sei, dass die Kosten der Krankenhausbehandlung ihre gesetzliche Krankenkasse trage würde. Ein solches Verständnis hätte nämlich zur Folge, dass sie eine kostenfreie Behandlung im Hause der Klägerin, das auch wirtschaftlichen Zwängen unterworfen ist, angenommen hätte. Deshalb ist das Amtsgericht zu Recht von einem gemeinsamen Irrtum der Parteien ausgegangen, bei dem es sich – auch hiervon geht das Amtsgericht zutreffend aus – um einen typischen Fall des Fehlens der Geschäftsgrundlage handelt, der vorliegend dazu führt, dass die Klägerin die Vergütung für die stationäre Behandlung von der Beklagten fordern kann (vgl. BGH, Urt. vom 28.04.2005, Az.: III ZR 351/04, Rn. 29 – 31). c) Mithin kann offen bleiben, ob die Beklagte den Anspruch der Klägerin durch das Schreiben der Schuldnerberatung vom 08.03.2010 konkludent anerkannt haben könnte.
16- Der im Vollstreckungsbescheid ausgewiesene Zinsanspruch ab dem 15.09.2009, der im Übrigen zwischen den Parteien nicht im Streit steht, ergibt sich aus den §§ 280 Abs. 2, 286, 288 Abs. 1, 247 BGB, da die Klägerin die Beklagte unstreitig zur Zahlung bis zum 18.08.2009 aufgefordert hatte.
- Unter dem Gesichtspunkt des Verzuges hat die Klägerin ebenfalls Anspruch auf die ihr entstandenen Mahnkosten in Höhe von 25,00 €.
- Auch die von ihr geltend gemachten Inkassokosten in Höhe von 456,27 €, die ebenfalls nicht im Streit stehen, kann die Klägerin unter dem Gesichtspunkt des Verzuges von der Beklagten verlangen.
III.
18Die Kostenentscheidung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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