Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 341/10
Tenor
Die Beklagten zu 1.) und zu 2.) werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger 39.440,00 € (i. W.: neununddreißigtausendvierhundertundvierzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 10. September 2010 zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte an und aus der Beteiligung des Klägers an der E im Nominalbetrag von 40.000,00 € (Anteilsnummer: ######5).
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten zu 1.) und zu 2.) hinsichtlich der vorgenannten Rechte an und aus der Fondsbeteiligung in Annahmeverzug befinden.
Es wird festgestellt, dass die Beklagten zu 1.) und zu 2.) verpflichtet sind, dem Kläger alle weiteren Schäden zu ersetzen, soweit sie im Zusammenhang mit dem Erwerb und dem Halten der Beteiligung an der E stehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 50 % und die Beklagten zu 1.) und zu 2.) als Gesamtschuldner 50 %.
Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 3.) und 4.) und die Beklagten zu 1.) und zu 2.) als Gesamtschuldner 50 % der außergerichtlichen Kosten des Klägers.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 des vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Unter dem 17.12.2007 unterschrieb der am 08.12.1995 geborene Kläger eine formularmäßige Beitrittserklärung, die seinen mittelbaren Beitritt in die E (nachfolgend E) durch die E2 als uneigennützige Treuhänderin zum Gegenstand hatte (Einzelheiten Anlage B 1, Blatt 91 d. A.). Der Kläger war Student. Der Vater des Klägers hatte dasselbe Formular am 16.11.2007 mit dem Zusatz "i.A." unterschrieben (Anlage K 1, Blatt 14 und B 1, Blatt 91 d. A.).
3Das Beitrittsformular enthält u. a. folgende Erklärung:
4"Der Verkaufsprospekt (Stand: 28. September 2007), der den Gesellschaftsvertrag, den Treuhand- und Verwaltungsvertrag sowie die Fernabsatz-Verbraucherinformation enthält, ist mir bekannt und ich erkenne den Verkaufsprospekt mit den vorgenannten Verträgen und Informationen hiermit insgesamt als für mich verbindlich an. Mir ist ferner bekannt, dass es sich um eine unternehmerische Beteiligung mit Risiken handelt.
5…
6Empfangsbekenntnis:
71 Exemplar des Verkaufsprospektes vom 29. September 2007, der den Gesellschaftsvertrag, den Treuhand- und Verwaltungsvertrag und die Fernabsatz-Verbraucherinformation enthält sowie ein Exemplar der zweiseitigen Beitrittserklärung mit den ausgefüllten Angaben des Anlageberaters habe ich vor der Beitrittserklärung erhalten. …"
8Das "Empfangsbekenntnis" befindet sich unmittelbar über der Unterschrift des Klägers und des Vaters des Klägers. Gegensand der Fondsgesellschaft ist der Erwerb und der Betrieb der Containerschiffe B und B2. Die Beteiligungssumme des Klägers belief sich auf 40.000,00 € + 5 % Agio zahlbar in zwei Raten. Grundlage der Beteiligung war ein 104 Seiten umfassender Prospekt, der am 28. September 2007 herausgegeben worden war. Der Prospekt (Anlage K 3, Blatt 16 bis 41 d. A.) enthält u. a. folgende Hinweise:
9"Seite 10
10Geringe Steuerbelastung durch Tonnagebesteuerung
11Die Beteiligungsgesellschaft optiert planmäßig ab 2007 für beide Schiffe gemäß § 5 a EStG zur Tonnagebesteuerung. Der zu versteuernde anteilige Tonnagegewinn beträgt nur rund 0,1 % p. a. bezogen auf das Beteiligungskapital.
12Seite 12
13Der wirtschaftliche Erfolg dieser Schiffsbeteiligung ist nicht garantiert. Er hängt im Wesentlichen von den zukünftigen Marktentwicklungen in dem jeweiligen Schiffstypsegment, den Verkaufserlösen, der Entwicklung von Kapitalmarktzinsen, Wechselkursrelationen, der Höhe der Betriebskosten, der Bonität von Vertragspartnern und von Entscheidungen der mit dem Management beauftragten Personen ab.
14Abweichungen einzelner wirtschaftlicher Eckdaten oder die Kumulierung von Abweichungen mehrerer Eckdaten können dazu führen, dass sich das Gesamtergebnis für den Anleger deutlich verschlechter oder zu einem Totalverlust der Beteiligung führen. Das Maximalrisiko des Anlegers besteht in dem Totalverlust der gesamten Beteiligungssumme verbunden mit der Realisierung aller anlegergefährdenden Risiken.
15…
16Die mit der Vermögensanlage verbundenen, wesentlichen, tatsächlichen und rechtlichen Risiken können in anlegergefährdende, anlagegefährdende und prognosegefährdende Risiken unterschieden werden. Anlegergefährdende Risiken können über den Verlust der Zeichnungssumme hinaus auch das weitere Vermögen des Anlegers gefährden. Anlagegefährdende Risiken führen zu einem teilweisen oder vollständigen Verlust der gesamten Zeichnungssumme, während prognosegefährdende Risiken zu einer schwächeren Prognose und somit zu geringeren oder zu einem Ausfall der Auszahlungen führen.
17…
18Seite 16
19Gewerbesteuerliche Risiken
20Die vertraglich vereinbarten Vergütungen an Gesellschafter für ihre Leistungen sind in der Kalkulation als Sondervergütungen dem Tonnagegewinn hinzugerechnet worden. Sofern die tatsächlichen Leistungsvergütungen an die Gesellschafter höher oder die in diesem Zusammenhang stehenden Aufwendungen niedriger ausfallen, würde dies zu einer höheren Gewerbesteuerbelastung führen.
21Seite 37
22Für das Jahr 2007 fällt kalkulatorisch eine Gewerbesteuerbelastung in Höhe von ca. T € 20 an. In den Folgejahren beträgt die kalkulatorische Gewerbesteuerbelastung im Schnitt ca. T E 5.
23Seite 69
24Gewerbesteuer
25Nach den Planungen der Gesellschaft ist bereits ab dem Jahr 2007 die Ausübung der Option zur pauschalen Besteuerung nach der Tonnage vorgesehen. Damit wird auch der Gewerbeertrag nach dem Ergebnis der Tonnagebesteuerung ermittelt.
26…
27Die Vergütungen für Leistungen der Gründungsgesellschafter erhöhen als Sondervergütungen der Gesellschafter den Gewerbeertrag der Beteiligungsgesellschaft, mit Ausnahme des Entgeltes für die Bereederung/das Management der Schiffe, da diese nach dem Erlass des BMF vom 12. Juni 2002 (BStBl. I 2002, 614 TZ 34) keine zurechnende Vergütung dargestellt.
28Während der Dauer der pauschalen Besteuerung nach der Tonnage wirkt sich die Gewerbesteuerbelastung im Vergleich zur Gewerbesteuerbelastung bei der Gewinnermittlung nach § 5 EStG nur geringfügig aus."
29Rechtskräftig wurden mit Bescheiden vom 29.01.2010 (Anlage B 4, Blatt 282 d. A.) und vom 13.04.2010 (Anlage B 7, Blatt 286 d. A.) Gewerbesteuermessbeträge in Höhe von 40.520,00 € (2007) und 9.382,00 € (2008) festgesetzt. Gezahlt wurden 182.340,00 € (2007) und 46.147,00 € (2008) Gewerbesteuern. Grundlage dafür waren "Sonderbetriebseinnahmen" in Höhe von 850.789,00 € und 290.594,24 €.
30Die Fonds-Gesellschaft schüttete 2.560,00 € an den Kläger aus und forderte den Kläger mit Schreiben vom 10.06.2010 (Anlage K 9, Blatt 445 d. A.) zur Rückzahlung auf. Der Kläger zahlte den Betrag von 2.560,00 € nicht zurück.
312007 und 2008 erzielte der Kläger kein steuerpflichtes Einkommen (Einzelheiten K 7, Blatt 359 bis 362 d. A.).
32Die Beklagte zu 1.) war Gründungsgesellschafterin der Fondsgesellschaft und Herausgeberin des Prospektes. Bei der Beklagten zu 2.) handelt es sich um die persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1.).
33Mit dem Vertrieb der Fondsbeteiligungen beauftragte die Beklagte zu 1.) die Beklagte zu 4.). Bei dem Beklagten zu 3.) handelt es sich um einen freien Mitarbeiter der Beklagten zu 4.).
34Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger den Ersatz seiner gezahlten Einlage einschließlich Agio sowie den Ersatz seines streitigen Wiederanlageschadens in Höhe von 4.324,74 € auf der Basis eines Zinssatzes in Höhe von 4 % von den Beklagten zu 1.) und zu 2.) gestützt auf streitige Prospektfehler und den Beklagten zu 3.) und zu 4.) gestützt auf streitige Beratungsfehler.
35Der Kläger behauptet, er habe dem Beklagten zu 3.), der unstreitig im Namen der Beklagten zu 4.) handelte, erklärt, dass er einen Geldbetrag aus einer Lebensversicherung anlegen wolle und ihn gebeten, ihm eine Kapitalanlage zu empfehlen, wobei das Kapital nicht gefährdet werden solle und regelmäßige Ausschüttungen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes erfolgen sollen. Er habe besonders Vertrauen zu dem Beklagten zu 3.) gehabt, weil der Beklagte zu 3.) seinen Vater in der Vergangenheit bei Kapitalanlagen beraten habe. Der Beklagte zu 3.) habe vorgeschlagen, das Kapital in einen Schiffsfonds zu investieren und erklärt, diese Anlageform sei durchweg sicher. Es bestehe wegen der Investition in Wirtschaftsgüter, nämlich die Schiffe, kein Verlustrisiko. Tatsächlich handele es sich bei der streitgegenständlichen Fondsbeteiligung unstreitig um eine unternehmerische Beteiligung mit dem Risiko des Totalverlustes des investierten Kapitals. Der Beklagte zu 3.) habe den Prospekt nicht vor der Unterzeichnung der Beitrittserklärung übergeben und den Prospektinhalt auch nicht mit ihm, dem Kläger, durchgesprochen. Er habe weder auf das Totalverlustrisiko noch auf die wirtschaftlichen Risiken der streitgegenständlichen Kapitalanlage hingewiesen.
36Der Beklagte zu 3.) habe erklärt, er und die Beklagte zu 4.) erhielten das Agio von 5 % als Vermittlungsprovision. Tatsächlich habe die Beklagte zu 4.) unstreitig eine Provision von mindestens 12 % erhalten. Er, der Kläger, habe die Beitrittserklärung in Gegenwart des Beklagten zu 3.) in der Wohnung seines Vaters unterschrieben.
37Der Prospekt sei in folgenden Punkten unvollständig und fehlerhaft:
381. Charterpool
392. Gewerbesteuer
403. Kaufpreis der Schiffe
414. Betriebskosten
425. Rückvergütung
436. SWAP- und Divisengeschäfte.
44Der Kläger beantragt,
451. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn
4642.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte an und aus einer Beteiligung des Klägers an der E im Nominalbetrag von 40.000,00 € (Anteilsnummer: ######5),
472. festzustellen, dass sich die Beklagten hinsichtlich im Klage-
48antrag zu 1.) bezeichneten Rechte an und aus der Beteiligung in Annahmeverzug befinden,
493. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn
50weitere 4.324,74 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
514. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn
52vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.530,58 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
535. hilfsweise die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen,
54an ihn 39.440,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug um Zug gegen Übertragung sämtlicher Rechte an und aus einer Beteiligung des Klägers an der E im Nominalbetrag von 40.000,00 € (Anteilsnummer ######5),
556. festzustellen, dass die Beklagten auch zum Ersatz aller
56weiteren Schäden verpflichtet sind, soweit sie im Zusammenhang mit dem Erwerb und dem Halten der bezeichneten Beteiligung stehen.
57Die Beklagten beantragen,
58die Klage abzuweisen.
59Die Beklagten zu 1.) und zu 2.) berufen sich auf die Einrede der Verjährung und behaupten, dem Kläger sei der Geschäftsbericht 2007 mit Schreiben vom 26.09.2008 (Anlage B 2, Blatt 233 d. A.) übersandt worden. Der Geschäftsbericht 2007 (Blatt 237 bis 280 d. A.) enthalte auf den Seiten 10 und 11 (Blatt 248 und 249 d. A.) den Hinweis, dass die Fonds-Gesellschaft für das Geschäftsjahr einen Gewerbesteuerbescheid in Höhe von 322.000,00 € erwarte, was unstreitig ist.
60Die Beklagten zu 1.) und zu 2.) bestreiten die von dem Kläger gerügten Prospektfehler, deren Wesentlichkeit und Kausalität. Zu den unstreitigen Prospektangaben zur Gewerbesteuer verweisen sie darauf, dass die anteilige Gewerbesteuerbelastung des Klägers lediglich 379,97 € (2007) und 96,19 € (2008) betrage und im Falle der Berücksichtigung der Kulanzzahlung der Steuerberater 291,79 € (2007) und der Einkommenssteuergutschrift 2008 und der im Prospekt kalkulierten Gewerbesteuern 251,22 € (2007) und 11,80 € (2008) (Einzelheiten Anlagen B 5 und B 6, Blatt 283 und 284 sowie Blatt 5 bis 16 der Klageerwiderung vom 15.11.2010 (Blatt 201 bis 212 d. A.)) betrage, was eine Abweichung von 0,46 % von der Kapitalrückflussprognose entspreche (Einzelheiten Seite 4 des Schriftsatzes vom 02.03.2011, Blatt 372 d. A.) und die insgesamt gezahlten Gewerbesteuern abzüglich der im Prospekt genannten Gewerbesteuern (203.287,00 €) lediglich 0,78 % der prognostizierten Auszahlungen entsprächen (Einzelheiten, Blatt 9 bis 11 des Schriftsatzes vom 26.05.2011, Blatt 419 bis 421 d. A.). Sie behaupten, die Steuerberater der Fondsgesellschaft hätten die an sie gezahlte Steuerberatervergütung in Höhe von 42.314,00 € kulanzweise an die Fondsgesellschaft zurückgezahlt.
61Die Beklagten zu 3.) und zu 4.) behaupten, der Vater des Klägers habe für den Kläger eine gewinnbringende und zur Vermeidung einer Minderung des Kindergeldanspruches möglichst steuerfreie Kapitalanlage gesucht. Der Beklagte zu 3.) habe dem Vater des Klägers und dem Kläger die Chancen und Risiken der Fondsbeteiligung auf Grundlage des Prospektes erläutert. Er habe ihn darauf hingewiesen, dass es sich um eine unternehmerische Beteiligung handele und die Risiken der Charterprognosen einschließlich Container-Ship-Pool offengelegt. Der Prospekt sei dem Vater des Klägers am 16.11.2007 übergeben worden und dem Kläger gemeinsam mit der Beitrittserklärung übersandt worden. Der Kläger habe die Beitrittserklärung sodann unterschrieben und zurückgesandt.
62Wegen des weiteren Sachvortrages der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze und den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
63Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen W. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 01.07.2011 Bezug genommen.
64E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
65Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
66Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 1.) und zu 2.) einen Anspruch auf Zahlung in Höhe von 42.000,00 € (Erwerbspreis einschließlich Agio) abzüglich Ausschüttung in Höhe von 2.560,00 € = 39.440,00 € Zug um Zug gegen Übertragung des Fondsanteils gemäß § 13 VerkprospG in Verbindung mit §§ 44, 45 BörsG. Danach kann der Erwerber von Vermögensanlagen im Sinne des § 8 f Abs. 1 VerkprospG von den Prospekt verantwortlichen die Erstattung des Erwerbspreises gegen Rückgabe der Vermögensanlage verlangen,
671. wenn wesentliche Angaben in einem Prospekt unrichtig oder
68vollständig sind und
692. wenn das Erwerbsgeschäft nach Veröffentlichung des
70Prospektes und innerhalb von sechs Monaten nach dem Zeitpunkt des ersten öffentlichen Angebotes abgeschlossen wurde und
713. wenn die Vermögensanlage aufgrund des Prospektes er-
72worben wurde und
734. der Sachverhalt, über den unrichtige und unvollständige An-
74gaben im Prospekt enthalten sind, nicht zu einer Minderung des 1. Erwerbspreises beitragen hat und
755. die weiteren Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Nr. 3 und 4
76BörsG nicht vorliegen.
77Bei der streitgegenständlichen Fondsbeteiligung handelt es sich um eine Vermögensanlage im Sinne des § 8 f Abs. 1 VerkprosG (Palandt § 311 Rn. 68).
78Die Beklagte zu 1.) ist unstreitig Prospektherausgeberin und damit Prospektverantwortliche und die Beklagte zu 2.) deren persönlich haftende Gesellschafterin.
79Der Prospekt enthält auf Seite 37 falsche Angaben zur Gewerbesteuer. Dargestellt wird eine Gewerbesteuerbelastung in Höhe von ca. 20.000,00 € für das Jahr 2007 und 5.000,00 € für die Folgejahre. Zu zahlen waren demgegenüber im Jahr 2007 Gewerbesteuern in Höhe von 182.340,00 € und im Jahr 2008 Gewerbesteuern in Höhe von 46.147,00 €.
80Es handelt sich um einen wesentlichen Prospektfehler. Als wesentliche Prospektangaben sind diejenigen anzusehen, die ein durchschnittlicher, verständiger Anleger "eher als nicht" bei der Anlageentscheidung berücksichtigen würde, somit Angaben, die zu den wertbildenden Faktoren der Vermögensanlage gehören (Ebenroth, HGB, BörsG 2007, Rn. IX 431). Durch die in den §§ 13 VerkprosG, 44 und 45 BörsG geregelte Aufklärungspflicht der Prospektverantwortlichen gegenüber den mit dem Prospekt geworbenen Interessenten soll deren Recht zur Selbstbestimmung über die Verwendung ihres Vermögens sichergestellt werden (BGH NJW 193, 2865). Der Anleger hat trotz und gerade wegen der Tatsache, dass er mit seiner Anlage ein Risikogeschäft eingeht und ihm dieses wirtschaftliche Risiko bleiben muss, ein Recht darauf, seine Entscheidung eigenverantwortlich in voller Kenntnis sämtlicher für die Beurteilung dieses Risikogeschäfts maßgeblicher Umstände zu treffen. Dabei stellt sich der schließlich für oder gegen die Beteiligung an der angebotenen Anlage gefasste Entschluss stets als das Ergebnis einer in Ausübung des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechtes getroffenen Gesamtentscheidung dar, bei der alle Vor- und Nachteile sowie sämtliche mit der betreffenden Anlage verbundenen Chancen und Risiken gegeneinander abgewogen worden sind. Da dem Anleger diese in eigener Verantwortung zu treffende Entscheidung von Niemandem, am Wenigstens von dem Anbieter der Anlage, abgenommen werden kann und darf, hat ihn der Beteiligungsprospekt, mit dem für die Anlage geworben wird, ein möglichst vollständiges Bild von den für eine sachgerechte Beurteilung der Anlage erhebliche Umstände zu vermitteln (BGH NJW 1993, 2865, BGH II ZR 203/08 Urteil vom 22. März 2010, Rn. 22).
81Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den Prospektangaben über die Steuerbelastung im Allgemeinen und die Gewerbesteuer im Besonderen um wesentliche Prospektangaben, denn sie sind für die Rendite und damit auch den Wert der Vermögensanlage von Bedeutung. Auch das Ausmaß des Prospektfehlers ist gravierend und damit nicht unerheblich, nämlich 182.340,00 € (2007) + 46.147,00 € (2008) = 228.487,00 € - 20.000,00 € (2007) - 5.000,00 € (2008) = 203.487,00 €. Die in den Jahren 2007 und 2008 gezahlte Gewerbesteuer beläuft sich damit auf mehr als das 9-fache der Prospektangaben zur Gewerbesteuer, im Jahr 2007 auf mehr als das 10-fache der im Prospekt herausgestellten Tonnagebesteuerung von 18.000.000,00 € x 0,1 % = 18.000,00 €, und mehr als 1 % des Beteiligungskapitals.
82Unbeachtlich ist in diesem Zusammenhang die von den Beklagten zu 1.) und zu 2.) behauptete Kulanzzahlung der Steuerberater, denn entscheiden ist allein der Prospektfehler, nämlich die Differenz zwischen den Prospektangaben und der tatsächlich gezahlten Gewerbesteuer. Freiwillige Leistungen Dritter mindern den Fehler nicht.
83Unbeachtlich sind in diesem Zusammenhang auch die von dem Beklagten zu 1.) und zu 2.) dargestellten Abweichungen von der Kapitalrückflussprognose bzw. Auszahlung. Dies sind zwar ebenso wie die auf Seite 49 des Prospekts dargestellten Kaufpreisdifferenzen (Einkaufspreis der Fonds Nr. 57 und 58 für die zwei Schiffe in Höhe von jeweils 14.000.000,00 US $ + 7.500.000,00 US $ = 21.500.000,00 US $, Verkaufspreis an den Fonds Nr. 126, 26.200.000,00 US $ Differenz: 4.700.000,00 US $ x 2 = 9.400.000,00 US $) und die auf Seite 32 unter Position 6 bis 12 dargestellten Kosten in Höhe von 6.920.000,00 € Umstände, die sicherlich für die Anlageentscheidung größere Bedeutung haben. Entscheidend ist im vorliegenden Fall aber allein, dass es sich bei den Prospektangaben über die Steuerbelastung im Allgemeinen und die Gewerbesteuer im Besonderen um Umstände handelt, die für die Anlageentscheidung auch von Bedeutung sind. Die Abwägung aller vorgenannten Umstände ist nach dem oben Gesagten allein Sache des Anlegers.
84Das Erwerbsgeschäft erfolgte unstreitig am 17.12.2007 und damit innerhalb von 6 Monaten nach Herausgabe des Prospektes (28. September 2007).
85Der Kläger hat die Vermögensanlage aufgrund des Prospektes erworben. "Aufgrund des Prospektes erworben" bedeutet nicht, dass der Anleger den Prospekt gelesen oder auch nur gesehen haben muss. Die Kausalität zwischen Prospekt und Kaufentschluss wird für die Dauer der Anlagestimmung widerleglich vermutet (Baumbach/Hopt HGB BörsG, § 44 Rn. 8, § 45 Rn. 2, BGH NJW 2004, 2664). Umstände, die diese Vermutung widerlegen, haben die Beklagten zu 1.) und 2.) weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt.
86Letzteres gilt auch für die in § 45 Abs. 2 Nr. 3 und 4 genannten Umstände.
87Konkrete Tatsachen, die das vermutete Verschulden der Beklagten zu 1.) und 2.) und das ihnen nach § 278 BGB zuzurechnende Verschulden ihrer Steuerberater entfallen lassen, sind weder ersichtlich noch dargelegt. Die Tatsachen, die zur Gewerbesteuerbelastung geführt haben, nämlich die an die Gründungsgesellschafter gezahlten Beträge, die das Finanzamt als Sonderbetriebseinnahme eingeordnet hat, waren bekannt.
88Verjährt ist der Rückzahlungsanspruch des Klägers nicht. Nach § 46 BörsG verjährt der Anspruch in einem Jahr seit dem Zeitpunkt, zu dem der Erwerber von der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Angaben des Prospektes Kenntnis erlangt hat, spätestens jedoch in drei Jahren seit der Veröffentlichung des Prospekts.
89Kenntnis von der Unrichtigkeit der Prospektangaben zu der Gewerbesteuer konnte der Kläger frühestens am 29.01.2010 bzw. 13.04.2010 erlangt habe, denn an diesem Tag ergingen die maßgeblichen Gewerbesteuermessbescheide (Anlagen B 4 und B 7). Unerheblich sind in diesem Zusammenhang die Angaben im Geschäftsbericht 2007 auf den Seiten 10 und 11, denn dabei handelt es sich um eine Prognose. Die einjährige Verjährungsfrist lief damit frühestens am 29.01.2011 bzw. 13.04.2011 ab. Sie wurde gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB rechtzeitig durch die Zustellung der vorliegenden Klage am 10. September 2010 (Blatt 50 und 51 d. A.) gehemmt. Diese Hemmung dauert an. Die dreijährige Verjährungsfrist begann frühestens am 28. September 2007 und lief damit am 28. September 2010 also nach Zustellung der vorliegenden Klage ab.
90Den streitigen Wiederanlageschaden in Höhe von 4.324,74 € kann der Kläger aus keinem Rechtsgrund ersetzt verlangen. Es fehlt notwendiger Sachvortrag dazu, welche Geldanlage der Kläger gewählt hätte (OLG Hamm 31 U 70/09 Urteil vom 25.11.2009 Rn. 88, Palandt, § 288 Rn. 13).
91Der Hilfsantrag, festzustellen, dass die Beklagten zu 1.) und zu 2.) auch zum Ersatz aller weiteren Schäden verpflichtet sind, soweit sie im Zusammenhang mit dem Erwerb und dem Halten der streitgegenständlichen Fondsbeteiligung stehen, ist gemäß § 256 ZPO zulässig und nach dem oben Gesagten auch begründet, denn der Kläger muss die Ausschüttung, die er erhalten hat, nach der Rechtsprechung des OLG Hamm (8 U 132/10 und 8 U 136/10) und der Rechtsprechung der Kammer (3 O 552/09 und 3 O 226/10) zurückzahlen.
92Die Klage gegen die Beklagten zu 3.) und zu 4.) ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagten zu 3.) und zu 4.) keine vertraglichen Schadensersatzansprüche gemäß § 280 BGB und auch keine außervertraglichen Schadensersatzansprüche wegen einer unerlaubten Handlung gemäß §§ 823 Abs. 2 BGB, 283 StGB.
93Vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zu 3.) bestehen nicht. Die Haftung für vertragliche Pflichtverletzungen trifft grundsätzlich allein die Vertragspartei bzw. die Partei des angebahnten Vertrages, also die Beklagte zu 4.), denn der Beklagte zu 3.) handelte unstreitig als ihr Vertreter. Der Verhandelnde selbst haftet nur dann, wenn er wirtschaftlich betrachtet, gleichsam in eigener Sache tätig wird (Palandt § 311 Rn. 81) oder wenn er im besonderen Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und dadurch die Verhandlung beeinflusst hat (Palandt, § 311 Rn. 63). Der Verhandelnde muss entweder als Quasi-Partei, als wirtschaftlicher Herr des Geschäftes oder eigentlicher wirtschaftlicher Interessenvertreter anzusehen sein (Palandt, § 311 Rn. 61), wovon im vorliegenden Fall keine Rede sein kann. Oder aber er muss durch sein Auftreten eine über das normale Verhandlungsvertrauen hinausgehende persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernommen haben. Dies kann bei Verhandlungen mit einem Verwandten oder dem Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu bejahen sein, aber auch wenn der Verhandelnde erklärt, er "verbürge" sich für die Seriosität des Geschäftes. Für das erforderliche qualifizierte Vertrauen nicht ausreichend ist der Hinweis auf eine besondere eigene Sachkunde, private Kontakte oder eine langjährige Geschäftsbeziehung (Palandt § 311 Rn. 63). Der von dem Kläger in diesem Zusammenhang allein vorgetragene Umstand, der Beklagte zu 3.) habe seinen Vater in der Vergangenheit bei Kapitalanlagen beraten, ist somit kein hinreichender Grund für eine vertragliche Haftung des Beklagten zu 3.).
94Der Kläger hat gegen die Beklagte zu 4.) auch keine vertraglichen Ansprüche gemäß § 280 BGB, weil es an einer Pflichtverletzung fehlt. Ein Anlagerberater hat seinen Kunden über alle für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände zu informieren und die erteilten Informationen fachkundig zu beurteilen. Er schuldet eine "anlegergerechte" und eine "objektgerechte" Beratung (Palandt, § 280 Rn. 47). Der Anlagerberater erfüllt seine Beratungspflicht, wenn er dem Kunden rechtzeitig einen vollständigen und den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Prospekt aushändigt, den er mit kritischem Sachverstand geprüft haben muss und den Anleger nicht durch Abschwächung der angesprochenen Risiken irre führt (Palandt, § 280 Rn. 4). Der Anleger trägt die Beweislast für die Pflichtverletzung, so dass er beweisen muss, dass er den Prospekt mit den erforderlichen Risikohinweisen nicht erhalten hat (BGH NJW-RR 2006, 1345, Palandt, § 280 Rn. 50). Diesen Beweis hat der Kläger nicht erbracht.
95Er hat den Vortrag der Beklagten zu 3.) und zu 4.), der Prospekt sei dem Vater des Klägers am 16.11.2007 persönlich übergeben worden und dem Kläger gemeinsam mit der formularmäßigen Beitrittserklärung auf dem Postweg übersandt worden, bevor der Kläger die Beitrittserklärung unterschrieb, nicht widerlegen können. Der zu diesen Umständen von dem Kläger allein benannte Zeuge W konnte sich nicht daran erinnern, ob ihm der Beklagte am 16.11.2007 den Prospekt übergeben hat und konnte zu der Prospektübersendung auf dem Postweg keine Angaben machen.
96Der Prospekt enthält auf Seite 12 bis 17 hinreichende und zutreffende Risikohinweise zu den allgemeinen Risiken bis hin zum Totalverlust der Beteiligung, den anlegergefährdenden Risiken, den anlage- und prognosegefährdenden Risiken, den steuerlichen Risiken und den weiteren Risiken insbesondere der Fungibilität.
97Seinen Vortrag, der Beklagte zu 3.) habe seinen Vater und ihn durch Abschwächung der im Prospekt genannten Risiken nämlich mit der Erklärung, es bestehe wegen der Investition in Wirtschaftsgüter, nämlich die Schiffe, kein Verlustrisiko, in die Irre geführt, nicht beweisen können. Der von ihm dazu benannte Zeuge W hat dazu bei seiner Vernehmung keine konkreten Angaben gemacht, die für eine Verurteilung der Beklagten zu 4.) ausreichen.
98Für die von dem Kläger gerügten Prospektfehler haften die Beklagten zu 1.) und 2.) nicht aber die Beklagte zu 4.), denn ihre Beratungspflicht beschränkt sich auf die allgemeinen Risiken (Konjunkturlage, Entwicklung des Marktes) und die speziellen Risiken (Kurs, Zins- und Währungsrisiko) (Palandt, § 280 Rn. 49).
99Den Beklagten zu 3.) und zu 4.) fällt auch keine unerlaubte Handlung zur Last. Der Kläger hat seinen widersprüchlichen (Seite 11 der Klage vom 9. August 2010, Blatt 11 d. A. und Seite 7 des Schriftsatzes vom 27. Mai 2011, Blatt 441 d. A.) und streitigen Vortrag zu den bei den Vertragsverhandlungen nicht genannten oder genannten Vermittlungsprovisionen nicht beweisen können. Der von ihm benannte Zeuge W hat sich nicht daran erinnern können, ob und gegebenenfalls was der Beklagte zu 3.) bei den Vermittlungsgesprächen zu der Vermittlungsprovision konkret gesagt hat.
100Die Klage gegen die Beklagten zu 3.) und 4.) war daher abzuweisen.
101Der Zinsanspruch des Klägers folgt aus § 291 BGB.
102Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten kann der Kläger nach der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm (24 W 23/05 und der Kammer 3 S 2/10) nicht ersetzt verlangen, weil er nicht darauf vertrauen durfte, dass die Beklagten ohne gerichtliche Hilfe leisten werden. Er hätte damit seinem Prozessbevollmächtigten sofort einen Prozessauftrag erteilen müssen.
103Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 92, 100 ZPO und die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.
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