Beschluss vom Landgericht Dortmund - 9 T 210/11
Tenor
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000,00 € festgesetzt.
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Gründe:
2Mit Schreiben vom 22. Oktober 2008 reichte die Stadt I beim Amtsgericht Bad Oeynhausen eine notarielle Urkunde vom 16. Oktober 2008 ein, in der die Beteiligte beantragt hatte, auszusprechen, dass der am ##. Mai 2008 in M/USA geborene P von der Beteiligten als Kind angenommen wird. Da der Junge die amerikanische Staatsangehörigkeit besitzt, übernahm das Amtsgericht Hamm am 14. November 2008 das Verfahren. Mit am 31. Januar 2009 dort eingehenden Schreiben vom 30. Januar 2009 stellte die Beteiligte beim Amtsgericht Hamm nochmals ausdrücklich einen Adoptionsantrag. Diesen wies das Amtsgericht Hamm unter Anwendung von Vorschriften des FGG am 22. Februar 2011 zurück. Dem Beschluss beigefügt wurde eine Rechtsmittelbelehrung, nach der gegen die Entscheidung das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 58 FamFG gegeben und diese innerhalb von einem Monat nach der Bekanntgabe des Beschlusses einzulegen war. Die Zustellung des Beschlusses vom 22. Februar 2011 an die Beteiligte und ihren Verfahrensbevollmächtigten erfolgte am 25. Februar 2011. Mit am selben Tag beim Amtsgericht Hamm eingehenden Schriftsatz vom 21. März 2011 erhob die Beteiligte über ihren Verfahrensbevollmächtigten gegen den Beschluss vom 22. Februar 2011 Beschwerde. Nachdem dieser darauf hingewiesen worden war, dass das Rechtsmittel wegen Nichteinhaltung der Beschwerdefrist von zwei Wochen unzulässig sei, stellte er unter dem 26. Mai 2011 einen Wiedereinsetzungsantrag, den er damit begründete, dass das Amtsgericht Hamm in der dem angefochtenen Beschluss beigefügten Rechtsmittelbelehrung eine Beschwerdefrist von einem Monat angegeben habe und diese Rechtsmittelbelehrung nicht offensichtlich falsch gewesen sei, weil in der Kommentarliteratur die Auffassung vertreten werde, dass auch bei vor dem 1. September 2009 eingeleiteten Verfahren das FamFG in der Beschwerdeinstanz Anwendung finde, wenn das Rechtsmittel nach dem 31. August 2009 eingelegt worden sei. Ungeachtet dessen bedürfe es auch gar keiner Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand, da die Beschwerde der Beteiligten schon nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung als zulässig anzusehen sei.
3Die Beschwerde ist unzulässig, weil sie entgegen der §§ 5 Abs. 4 S. 2 AdwirkG a.F. und 22 Abs. 1 FGG nicht innerhalb von zwei Wochen nach der am 25. Februar 2011 erfolgten Zustellung des Beschlusses des Amtsgerichts Hamm vom 22. Februar 2011 eingelegt worden ist und sich die Zulässigkeit der Beschwerde auch nicht aus dem Grundsatz der Meistbegünstigung ergibt.
4Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 22. Februar 2011 ist nicht eine binnen eines Monats einzulegende Beschwerde nach dem FamFG, sondern die sofortige Beschwerde nach den §§ 5 Abs. 4 S. 2 AdwirkG a.F. und 22 Abs. 1 FGG mit einer Einlegungsfrist von zwei Wochen ab Bekanntmachung der Entscheidung gegeben. Nach der Übergangsregelung des Art. 111 Abs. 1 S. 1 FGG-RG sind auf Verfahren, die bis zum Inkrafttreten des FGG-RG am 1. September 2009 eingeleitet worden sind oder deren Einleitung bis dahin beantragt worden ist, die vor dem Inkrafttreten des FGG-RG geltenden Vorschriften anzuwenden ( BGH NJW 2011,386; BGH FamRZ 2011,966; BGH NJW 2011,386; BGH FamFR 2010,206; BGH ZIP 2010,446; OLG Frankfurt Beschluss vom 3. Februar 2011 -20 W 24/11-; OLG Stuttgart FGPrax 2011,50; OLG Köln FamRZ 2011,318; OLG Brandenburg Beschluss vom 13. Oktober 2010 -9 UF 33/10-; OLG Dresden FamRZ 2010,1269; OLG Nürnberg FamRZ 2010,1006; OLG München NotBZ 2010,153; OLG Bremen Beschluss vom 3. Dezember 2009 -3 W 38/09-; OLG Köln FGPrax 2010,56; OLG Saarbrücken ZKJ 2010,164; OLG Köln FGPrax 2009,287; OLG Köln FGPrax 2009,286; OLG Schleswig NJW 2010,242; OLG Schleswig FGPrax 2009,289; OLG Hamm FGPrax 2009, 283; OLG Düsseldorf MDR 2009,1352; OLG Köln FGPrax 2009,240 ). Hat das Verfahren vor dem Stichtag begonnen, so richtet sich auch das Rechtsmittelverfahren nach dem alten Recht (BGH NJW 2011,386; BGH NJW 2011,386; BGH FamFR 2010,206; BGH ZIP 2010,446; OLG Frankfurt Beschluss vom 3. Februar 2011 -20 W 24/11-; OLG Stuttgart FGPrax 2011,50; OLG Dresden FamRZ 2010,1269; OLG Nürnberg FamRZ 2010,1006; OLG München NotBZ 2010,153; OLG Bremen Beschluss vom 3. Dezember 2009 - 3 W 38/09 -; OLG Köln FGPrax 2010,56; OLG Saarbrücken ZKJ 2010,164; OLG Köln FGPrax 2009,287; OLG Köln FGPrax 2009, 286; OLG Schleswig NJW 2010,242; OLG Schleswig FGPrax 2009,289; OLG Hamm FGPrax 2009,283; OLG Düsseldorf MDR 2009,1352; OLG Köln FGPrax 2009,240 ). Dieses gilt auch für Verfahren nach dem AdWirkG ( OLG Köln FamRZ 2011,318; LG Karlsruhe Beschluss vom 8. Februar 2011 -11 T 10/11- ). Da das Amtsgericht Hamm in dem angefochtenen Beschluss eine Entscheidung über den Antrag der Beteiligten vom 30. Januar 2009 getroffen hat, hat das Verfahren spätestens mit dessen Eingang beim Amtsgericht Hamm am 31. Januar 2009 und damit vor dem Inkrafttreten des FGG-RG begonnen, so dass auf das Beschwerdeverfahren die Vorschriften des FGG anzuwenden sind. Die Beteiligte hat nicht die Beschwerdefrist des § 22 Abs. 1 FGG eingehalten. Der Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 22. Februar 2011 ist ihr und ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 25. Februar 2011 zugestellt worden. Die Beschwerde ist erst am 21. März 2011 und damit nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 22 Abs. 1 FGG beim Amtsgericht Hamm eingegangen.
5Die entsprechend der Rechtsmittelbelehrung nach dem FamFG eingelegte Beschwerde kann auch nicht aufgrund des Grundsatzes der Meistbegünstigung als zulässig angesehen werden. Dieser soll einen Beteiligten nur vor Rechtsnachteilen schützen, die auf einer unrichtigen Entscheidungsform beruhen, wobei der Grundsatz der Meistbegünstigung auch dann Anwendung findet, wenn das Gericht nach dem von ihm angewandten Verfahrensrecht die Entscheidungsart zwar zutreffend gewählt hat, der Fehler jedoch auf der Anwendung des falschen Verfahrensrechts beruht ( BGH FamRZ 2011,966 ). Der Grundsatz der Meistbegünstigung dient nicht dazu, dem Beteiligten Vorteile verschaffen, die ihm im Falle der richtigen Entscheidungsform nicht zustünden ( BGH MDR 2009,1000 ). Das Amtsgericht Hamm hat nicht der Form nach fehlerhaft entschieden, sondern den Antrag der Beteiligten unter ausdrücklicher Anwendung der hier maßgebenden Vorschriften des FGG in der dort vorgesehenen Form durch Beschluss zurückgewiesen. Die nach dem FamFG erteilte falsche Rechtsmittelbelehrung führt nicht dazu, dass die Beschwerdefrist im Wege der Meistbegünstigung als gewahrt angesehen werden könnte ( OLG Schleswig FamFR 2011,210 ).
6Der Beteiligten kann gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden. Nach § 22 Abs. 2 S. 1 FGG ist einem Beschwerdeführer nur dann die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erteilen, wenn er ohne sein Verschulden gehindert war, die Beschwerdefrist einzuhalten. Ein Verschulden seines Verfahrensbevollmächtigten muss er sich gemäß § 22 Abs. 2 S. 2 FGG zurechnen lassen. Beruht die Fristversäumung auf einem Rechtsirrtum, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur bewilligt werden, wenn der Irrtum unverschuldet ist ( BGH NJW 2011,386; OLG Brandenburg Beschluss vom 13. Oktober 2010 -9 UF 33/10- ). Ist ein Beteiligter durch einen Rechtsanwalt vertreten, ist der Rechtsirrtum regelmäßig verschuldet und verhindert eine Wiedereinsetzung ( BGH NJW 2011,386; OLG Schleswig FamFR 2011,210 ). Ein Rechtsanwalt muss die Gesetze kennen, die in einer Anwaltspraxis gewöhnlich zur Anwendung kommen ( BGH NJW 2011,386; OLG Schleswig FamFR 2011,210; OLG Zweibrücken FamRZ 2011,987 ). Eine irrige Auslegung des Verfahrensrechts kann als Entschuldigungsgrund nur dann in Betracht kommen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte die volle, von einem Rechtsanwalt zu fordernde Sorgfalt aufgewendet hat, um zu einer richtigen Rechtsauffassung zu gelangen. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen ( BGH NJW 2011,386; OLG Schleswig FamFR 2011,210 ). Wenn die Rechtslage zweifelhaft ist, muss der Rechtsanwalt den sicheren Weg wählen ( BGH NJW 2011,386; OLG Schleswig FamFR 2011,210; OLG Zweibrücken FamRZ 2011,987 ). Eine unrichtige Rechtsmittelbelehrung rechtfertigt nur dann die Annahme eines fehlenden Verschuldens des Rechtsanwaltes, wenn sie zu einem unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum geführt hat ( BGH BRAK-Mitt 2008,272; BGH VersR 1996,1522 ).. Weil von einem Rechtsanwalt die Kenntnis des Rechtsmittelsystems erwartet werden muss, ist der durch eine falsche Rechtsmittelbelehrung hervorgerufene Irrtum eines Rechtsanwaltes über die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels nur zu entschuldigen, wenn der vom Gericht mitverursachte Irrtum nachvollziehbar und verständlich erscheint. Daran fehlt es aber, wenn die Rechtsmittelbelehrung offenkundig falsch war und nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte ( BGH BRAK-Mitt 2008, 272; BGH VersR 1996,1522 ). Ein Rechtsanwalt darf sich nicht ohne Weiteres auf eine Rechtsmittelbelehrung verlassen. Er ist vielmehr verpflichtet, eigenständig zu prüfen, welches Rechtsmittel statthaft ist und unter welchen Voraussetzungen es eingelegt werden kann ( OLG Brandenburg Beschluss vom 13. Oktober 2010 -9 UF 33/10-; OLG Koblenz NJW 2010,2594 ). Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten die Beschwerde nur deshalb erst am 21. März 2011 eingelegt hat, weil er auf die Richtigkeit der dem Beschluss vom 22. Februar 2011 beigefügten Rechtsmittelbelehrung vertraut hat, lag kein unvermeidbarer oder zumindest entschuldbarer Irrtum vor, da die Rechtsmittelbelehrung offensichtlich falsch war. Zum Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Beschlusses wurde in der obergerichtlichen Rechtsprechung einhellig die Auffassung vertreten, dass bei Verfahren, die vor dem 1. September 2009 eingeleitet worden waren oder deren Einleitung vor diesem Stichtag beantragt worden war, auch in der Rechtsmittelinstanz das alte Recht anzuwenden war. Bei der nach der Zustellung des Beschlusses gebotenen Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Rechtsmittels hätte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten dieses leicht feststellen können und schon deshalb die Beschwerde innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 22 Abs. 1 FGG einlegen müssen, weil er verpflichtet war, den sicheren Weg zu wählen ( BGH NJW 2011,386; OLG Schleswig FamFR 2011,210; OLG Hamm FamRZ 2010,1839 ).
7Die Wertfestsetzung beruht auf den §§ 131 Abs. 2 und 30 Abs. 2 S. 1 KostO a.F..
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Referenzen
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