Urteil vom Landgericht Dortmund - 1 S 165/10
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 15.06.2010 (Aktenzeichen: 425 C 142/10) wird auf Kosten des Berufungsführers zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2(abgekürzt gemäß § 540 ZPO)
3I.
4Die Parteien schlossen am 17.09.2008 einen Mietvertrag über eine Wohnung; die Kläger als Vermieter ließen sich durch die Firma X vertreten. Hinsichtlich der Einzelheiten des Mietvertrages wird auf Bl. 18 ff. d. A. Bezug genommen.
5Der Mietvertrag enthält in § 5 Abs. 2 eine Staffelmietvereinbarung (Erhöhung jeweils zum 01.10. eines jeden Jahres; erstmals zum 01.10.2009); in § 28 des Mietvertrages ist ein Kündigungsverzicht für die Dauer von 12 Monaten vereinbart; weiterhin ist vereinbart, dass der Beklagten die Nettomieten für die Monate Oktober 2008 und November 2008 erlassen werden, sie sich jedoch verpflichtet, die Wohnung renoviert zurückzugeben.
6Vorgesehen und im Vertrag vereinbart war eine Nettomiete von 200,00 € zuzüglich einer Nebenkostenpauschale in Höhe von 75,00 €.
7Am 16.08.2008 sowie am 16.10.2008 übergab die Beklagte an einen Vertreter der Kläger Beträge in Höhe von 470,00 € bzw. 80,00 €, die nach Darstellung der Beklagten als Kaution gezahlt worden seien.
8Mit Schriftsatz vom 01.02.2009 kündigte die Beklagte das Mietverhältnis zum 31.05.2009; mit Schreiben vom 16.02.2009, Bl. 46 der Akte, wies die Firma X die Kündigung zurück und verwies die Beklagte darauf, dass eine Kündigung erstmals zum 31.12.2009 in Betracht komme.
9Unter dem 26.03.2009 erstellte die Firma X eine Betriebskostenabrechnung für den Zeitraum 01.10.2008 bis 31.12.2008, die mit einer Nachzahlung in Höhe von 39,41 € für die Beklagte schloss, von dieser jedoch nicht beglichen wurde. Die Beklagte behauptet, die Betriebskostenabrechnung nicht erhalten zu haben, hat jedoch erstinstanzlich den Betrag unter Verwahrung gegen die Kostenlast anerkannt.
10Mit der Nebenkostenabrechnung erhöhten die Kläger mit Wirkung zum 01.05.2009 die Vorauszahlungen auf die Nebenkosten auf 89,00 €.
11Am 30.05.2009 übersandte die Beklagte die Wohnungsschlüssel per Brief, nachdem die Firma X zuvor telefonisch eine Übergabe der Wohnung abgelehnt hatte.
12In den Monaten Januar bis Mai 2009 zahlte die Beklagte jeweils 270,00 € (Miete zuzüglich Nebenkostenvorauszahlung); für die Monate Juni bis Dezember 2009 erfolgten keinerlei Zahlungen.
13Die Kläger behaupten weiterhin, dass die Beklagte die Wohnung nicht renoviert zurückgegeben hat und dass an der Innenseite der Wohnungseingangstür zudem Beschädigungen festgestellt worden seien, die eine Neulackierung erfordern würden (Kosten: 383,00 € netto). Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.125,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28.01.2010 zu zahlen.
14Die Beklagte hat erstinstanzlich - soweit nicht anerkannt - die Abweisung der Klage beantragt und widerklagend beantragt, die Kläger zu verurteilen, an sie 550,00 € zuzüglich sparbuchüblicher Zinsen von 1,5 %, beginnend ab 19.09.2008, auf 470,00 € ab dem 17.10.2008 auf weitere 80,00 € zu zahlen.
15Die Kläger beantragten die Abweisung der Widerklage.
16Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung sowie die erstinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
17Das Amtsgericht hat die Klage zum überwiegenden Teil sowie die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, dass die Beklagte entsprechend ihres Anerkenntnisses zu verurteilen gewesen sei und weiterhin die Zahlung von 14,00 € als Betriebskostenvorauszahlungen für den Monat Mai 2009 schulde, da die Kläger die Vorauszahlungen gemäß § 560 Abs. 4 BGB wirksam ab Mai 2009 erhöht hätten.
18Die Abrechnung sei der Beklagten auch zugegangen, was sich aus der Aussage des vernommenen Zeugen N ergebe.
19Ab Juni 2009 könnten die Kläger jedoch keine Zahlungen mehr verlangen. Insoweit sei die Klage hinsichtlich der Monate Oktober 2009 bis Dezember 2009 schon unschlüssig, da nach dem eigenen Vortrag der Kläger das Mietverhältnis durch die Kündigung der Beklagten vom 01.02.2009 seit dem 30.09.2009 beendet war. Zu diesem Zeitpunkt sei der Kündigungsverzicht - so er denn wirksam sei - jedenfalls beendet gewesen; der Kündigungsverzicht bedeute nicht, dass eine Kündigungserklärung erst ab dem 01.10.2009 abgegeben werden haben dürfen.
20Der Kündigungsverzicht sei jedoch darüber hinaus auch unwirksam, so dass die Kläger auch keinen Anspruch auf Mietzahlungen für den Zeitpunkt Juni 2009 bis September 2009 hätten. Der BGH habe seit der Mietrechtsreform bestimmte Fallgruppen hinsichtlich der Zulässigkeit von Kündigungsausschlussklauseln entwickelt. Diese seien grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie a) wechselseitig gelten würden, b) nur das ordentliche Kündigungsrecht beträfen und c) nicht länger als vier Jahre laufen würden. Von diesem Grundsatz würden jedoch zwei Ausnahmen gemacht werden. Selbst ein einjähriger Kündigungsverzicht sei bei besonderen Vermietungssituationen unwirksam; ob eine solche Situation bei der Beklagten aufgrund ihrer Ausbildungssituation vorliege, könne jedoch dahinstehen, da jedenfalls die zweite Ausnahme eingreife. Ein formularmäßiger Kündigungsverzicht sei nach der Rechtsprechung des BGH auch dann gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam, wenn er den Mieter entgegen Treu und Glauben unangemessen benachteilige. Eine solche unangemessene Benachteiligung liege bei solchen Verträgen vor, in denen neben einem einseitigen Kündigungsausschluss keine Staffelmietvereinbarung vorliege und es auch sonst keine Gewährung von ausgleichenden Vorteilen gebe.
21Daraus ergebe sich, dass der BGH einen einseitigen formularmäßigen Kündigungsverzicht dann für wirksam erachte, wenn er mit einer Staffelmiete verbunden sei. Dies deshalb, weil der BGH in der Staffelmiete einen Vorteil sehe, da der Mieter wisse, wie hoch seine Miete zu einem bestimmten Zeitpunkt sei und daher nicht mit anderen Mieterhöhungen rechnen müsse.
22Im vorliegenden Fall liege jedoch keine wirksame Staffelmietvereinbarung vor, wobei dahinstehen könne, ob die Schriftform erforderlich und eingehalten worden sei. Der Mietvertrag lasse nämlich andere Entscheidungen zu oder sei zumindest intransparent. Der Mieter habe nämlich von weiteren Mieterhöhungsmöglichkeiten ausgehen können, was gemäß § 557 a Abs. 4 bzw. 307 BGB zur Unwirksamkeit der Klausel insgesamt führe.
23Die Intransparenz liege zum einen in § 2 Ziffer 3) des Mietvertrages. Es sei dabei nicht ersichtlich, ob sich das Wort "dies" des Satzes 3 nur auf Satz 2 oder auch auf Satz 1 des gesamten Absatzes beziehe. Sinn und Zweck und der Wille des Klauselverwenders sprächen für eine Bezugnahme auf den gesamten Absatz, allerdings beziehe sich Satz 3 dem Wortlaut nach nur auf Satz 2. Die Klausel sei daher zumindest unklar.
24Gleiches gelte auch für § 5 des Mietvertrages. Die Ergänzung in Satz 2 dieser Ziffer ergäbe, so, wie sie formuliert sei, keinen Sinn, sondern müsse negativ gelesen werden. Hängen bleibe beim Lesen nur, dass Mieterhöhungen nach den §§ 558 bis 559 BGB möglich seien; dass dies dann nicht der Fall sei, wenn bestimmte weitere Bedingungen an anderer Stelle angekreuzt seien, erschließe sich erst nach mehrmaligem Lesen.
25Insgesamt sei das 24-seitige Mietvertragsformular intransparent; es enthalte an verschiedenen Stellen jeweils alternative Gestaltungen, auf die dann an anderer Stelle wieder Bezug genommen werde und zwar wieder unter Darbietung verschiedener Regelungsangebote.
26Selbst wenn man von einer wirksamen Staffelmietvereinbarung ausgehe, sei der einseitig formularvertragliche Kündigungsverzicht - entgegen der Auffassung des BGH - unwirksam, da er den Mieter unangemessen benachteilige im Sinne von § 307 BGB.
27Die Widerklage sei unschlüssig, soweit die Beklagte mehr als 400,00 € als Rückzahlung verlange; im Übrigen sei der Anspruch zurzeit nicht fällig.
28Gegen diese Entscheidung richten sich die Kläger mit der Berufung unter Weiterverfolgung ihres erstinstanzlichen Zahlungsanspruchs hinsichtlich des Zeitraums Juni 2009 bis Dezember 2009. Zur Begründung führen die Kläger an, dass ein einseitig formularvertraglicher Kündigungsverzicht wirksam sei und sich im vorliegenden Fall auch im Rahmen der seitens des BGH gesetzten zeitlichen Grenzen bewege.
29Die Staffelmietvereinbarung sei wirksam; eine Intransparenz liege nicht vor. Insbesondere sei in § 3 Ziffer 2 ausdrücklich bestimmt, dass die Bestimmung nicht gelte, wenn eine Staffel- oder Indexmiete gemäß § 5 vereinbart sei. In § 5 sei die Ziffer 2 angekreuzt; dort sei ausdrücklich bestimmt, dass eine Erhöhung gemäß §§ 558 ff. BGB ausgeschlossen sei. Ebenfalls sei das Schriftformerfordernis eingehalten. Die Kündigung sei entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht erstmalig zum 30.09.2009 wirksam geworden, sondern habe vielmehr erst zu diesem Zeitpunkt erstmalig erklärt werden können.
30Die Kläger beantragen,
31unter Abänderung des am 15.06.2010 verkündeten Teil-Anerkenntnisurteils und Schlussurteils des Amtsgerichts Dortmund zu dem Aktenzeichen 425 C 142/10 die Beklagte zu verurteilen, an die Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 2.047,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
32Die Beklagte beantragt,
33die Berufung zurückzuweisen.
34Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen.
35II.
36Die zulässige Berufung ist unbegründet.
37Im Ergebnis zu Recht geht das Amtsgericht davon aus, dass den Klägern abgesehen von dem bereits ausgeurteilten Betrag keine weitergehenden Zahlungsansprüche gegen die Beklagte aus dem Mietverhältnis zustehen.
38Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
39Dabei kann die Kammer jedoch dahinstehen lassen, ob die Klage hinsichtlich des geltend gemachten Zeitraumes von Oktober 2009 bis Dezember 2009 schlüssig ist, denn jedenfalls ist die Klage insoweit unbegründet. Der von der Beklagten erklärte Kündigungsverzicht ist unwirksam. Zu Recht weist dabei das Amtsgericht auf die Rechtsprechung des BGH und die dort entwickelten Fallgruppen hin. Zwar erfüllt grundsätzlich die von den Klägern verwendete Formulierung die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen, jedoch greift im vorliegenden Fall die ebenfalls nach der Rechtsprechung des BGH entwickelte Ausnahme der unangemessenen Benachteiligung des Mieters, die zur Unwirksamkeit der Kündigungsverzichtsklausel gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB führt, ein. Nach der Rechtsprechung des BGH liegt eine solche unangemessene Benachteiligung bei solchen Verträgen vorliegen, in denen neben einem einseitigen Kündigungsausschluss keine Staffelmietvereinbarung vorliegt und es auch sonst keine Gewährung von ausgleichenden Vorteilen gebe. Der daraus zu ziehende Umkehrschluss, dass ein einseitig formularmäßiger Kündigungsverzicht dann wirksam ist, wenn er - für den Mieter vorteilhaft -, mit einer Staffelmiete verbunden ist, wird, worauf das Amtsgericht zu Recht hinweist, mit dem dem Kündigungsverzicht gegenüberstehenden ausgleichenden Vorteil begründet, dass der Mieter sicher wisse, wie hoch seine Miete zu einem bestimmten Zeitpunkt sei und er daher nicht mit anderen Mieterhöhungen rechnen müsse.
40Die Kammer kann dahinstehen lassen, ob die Auffassung des Amtsgerichts zutreffend ist, dass in der Vereinbarung einer Staffelmiete entgegen der Auffassung des Bundesgerichtshofs gerade kein angemessener und ausgleichender Vorteil für den Mieter zu sehen ist.
41Denn jedenfalls sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für eine Staffelmietvereinbarung, die einen ausgleichenden Vorteil für einen andererseits formularmäßig erklärten Kündigungsverzicht bieten soll, nicht gegeben.
42Worauf bereits das Amtsgericht zu Recht hingewiesen hat, ist das 24seitige Mietvertragsformular insgesamt gesehen missverständlich formuliert.
43Es bedarf teilweise mehrfachen Lesens, um die jeweiligen Alternativen und Gestaltungen in richtige Verbindung zueinander zu setzen und selbst dann bleibt für den verständigen Leser ein Restzweifel.
44Insbesondere die Regelung in § 3 Ziffer 2 des Mietvertrages ist unklar:
45Es ist hierbei nicht ersichtlich -worauf auch bereits das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat -, ob sich das Wort "dies" am Anfang des Satzes 3 auf den gesamten Absatz oder lediglich auf den hinzukommenden Satz 2 beziehen soll. Hinzu kommt, dass in § 3 Ziffer 2 eine Regelung über die Höhe der Miete getroffen wurde; § 2 jedoch überschrieben ist mit "Mietzeit", so dass der Leser an dieser Stelle des Vertrages eigentlich keine Regelung die Höhe der Miete erwarten durfte.
46Ob die Staffelmietvereinbarung insgesamt daher für sich gesehen wirksam ist, kann die Kammer letztlich dahinstehen lassen, da der nach Rechtsprechung des BGH jedenfalls erforderliche Vorteil, der in einer sicheren Planbarkeit liegt, nicht gewährleistet ist. Dem Mieter ist bei Lektüre des gesamten Mietvertrages, insbesondere auch des § 3 Ziff.2 nicht mit letztlicher Sicherheit klar, dass er, abgesehen von der vereinbarten Staffelmieterhöhung, mit keinen weiteren Mieterhöhungen rechnen muss.
47Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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