Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 263/11
Tenor
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 182.088,88 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 30.06.2011 abzüglich am 20.07.2011 gezahlter 80.000,00 € zu zahlen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, die von ihr unter dem Gebäudekomplex C-str. 14-16a, 00000 X, eingebrachten Erdanker zu entfernen.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr und/oder der Fa. I, vertreten durch den Geschäftsführer T, C-str. 14-16, 00000 X, und/oder der Erbengemeinschaft I2, I3, C2, T und D durch das Einbringen der Erdanker unter dem Gebäudekomplex C-str. 14-16a, 00000 X, deren Entfernung sowie die Beseitigung der dadurch entstandenen Gebäudeschäden noch entstehen wird.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von netto 2.534,20 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 30.06.2011 zu erstatten.
5.
Die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der durch die Nebenintervention verursachten Kosten werden der Beklagten nach einem Streitwert von bis zu 230.000,00 € bis zum 20.07.2011 und von bis zu 155.000,00 € seitdem auferlegt.
6.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin berühmt sich, Eigentümerin des Gebäudekomplexes C-straße 14-16 in 0000 X zu sein. Sie vermietet das Gebäude der Fa. I zum Betrieb eines Möbelhauses. Die Erbengemeinschaft I2, I3, C, T und D ist Eigentümerin des Gebäudes C-straße 16a.
3Die dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 22.07.2011 auf Seiten der Klägerin beigetretene Streithelferin, die Stadt Hamm, ließ auf dem unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstück ein dort vorhandenes Kaufhaus – das ehemalige „Horten“-Gebäude – abreißen und an gleicher Stelle ein Kultur- und Bildungszentrum, das sog. Heinrich-von-Kleist-Forum, errichten.
4Die Beklagte führte im Auftrag der Streithelferin die Baugrubensicherungsarbeiten aus.
5Im Rahmen dieser Baugrubensicherungsarbeiten setzte die Beklagte von der Baugrube auf dem städtischen Grundstück aus annähernd waagerecht verlaufende Bohrlöcher unter den Gebäudekomplex C-straße 14-16a, brachte dort Ankerzugglieder ein und verpresste die Anker sodann mit Verpressmörtel. In der Folge kam es zu einer Aufwölbung der Bodenplatte im Erdgeschoss des Gebäudes C-straße 14-16.
6Seit August 2009 betreiben die hiesige Klägerin und die Fa. I vor der 12. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund (Az.: 12 OH 16/09) ein selbständiges Beweisverfahren gegen die hiesige Beklagte. Die hiesige Streithelferin ist dem selbständigen Beweisverfahren auf Seiten der dortigen Antragstellerin beigetreten. Die 12. Zivilkammer hat durch Beschluss vom 22.10.2009 (Abschrift Beiakte Bd. I Bl. 49, 49R, 50), abgeändert durch Beschlüsse vom 20.11.2009, 17.12.2009 und 26.01.2010, die Einholung von schriftlichen Sachverständigengutachten angeordnet und für die dortigen Beweisfragen I. und II. den Sachverständigen U sowie für die dortigen Beweisfragen III. bis VI. den Sachverständigen H zum jeweiligen Gutachter bestellt. Das schriftliche Gutachten des Sachverständigen U vom 18.06.2010 kommt zum Ergebnis, dass der Beklagten Ausführungsfehler bei der Einbringung der Anker unterlaufen sind. Der Sachverständige H beziffert in seinem schriftlichen Gutachten vom 26.07.2010 in Verbindung mit der ergänzenden Stellungnahme vom 25.07.2011 den Wert der Arbeiten zur Beseitigung der Schäden auf insgesamt 182.088,88 €. Bezüglich etwaiger Wertminderungen des Grundstücks C-straße 14-16 hat der Sachverständige H den Untergutachter S beauftragt, der in seinem schriftlichen Gutachten vom 22.07.2011 den merkantilen Minderwert mit 44.000,00 € und etwaige weiteren Wertminderungen – nur für den Fall, dass die Erdanker aus statischen Gründen im Bereich des I-Anbaus verbleiben müssen – mit insgesamt 620.000,00 € beziffert. Das selbständige Beweisverfahren ist mittlerweile, von der Streitwertfestsetzung abgesehen (die dortigen Antragstellerin haben Einwendungen und vorsorglich sofortige Beschwerde gegen den Streitwertbeschluss der 12. Zivilkammer vom 12.10.2011 (Beiakte Bd. II Bl. 452) erhoben), abgeschlossen.
7Die hiesige Klägerin beruft sich gemäß § 493 Abs. 1 ZPO auf die im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten der Sachverständigen U und H.
8Die Fa. I trat etwaige Schadensersatz- und Beseitigungsansprüche, die ihr als Mieterin der Einrichtung im Zusammenhang mit den Rückverankerungsarbeiten möglicherweise entstanden sind und möglicherweise entstehen werden, an die Klägerin ab. Die Mitglieder der Erbengemeinschaft ermächtigten die Klägerin, ihren Beseitigungsanspruch hinsichtlich der von der Beklagten eingebrachten Erdanker im eigenen Namen gerichtlich geltend zu machen, und traten ihre möglichen Schadensersatzansprüche im Übrigen an die Klägerin ab.
9Die hinter der Beklagten stehende Haftpflichtversicherung, die W Allgemeine Versicherungs AG, zahlte am 20.07.2011 einen Teilbetrag in Höhe von 80.000,00 € auf die Klageforderung.
10Die Klägerin behauptet, Eigentümerin des Gebäudekomplexes C-straße 14-16 in 0000 X zu sein. Sie behauptet weiter, dass die Streithelferin vor Beginn der Arbeiten von den Eigentümerinnen der Nachbargrundstücke die erforderlichen Zustimmungen nicht eingeholt habe. Lediglich Frau C2 aus der Erbengemeinschaft für das Gebäude C-straße 16a sei vom Hochbauamt der Streithelferin mit Schreiben vom 02.08.2007 über die bevorstehenden Bauarbeiten in Kenntnis gesetzt worden. Sie – die Klägerin – selbst habe ein solches Schreiben nicht erhalten. Die Beklagte habe zudem gegen die sachverständigen Feststellungen im selbständigen Beweisverfahren keine Einwendungen erhoben. Die Klägerin habe Anspruch auf Entfernung der eingebrachten Erdanker, da diese keine Funktion – insbesondere keine statische Funktion – mehr hätten; dies habe die Streithelferin mit Schriftsatz vom 02.12.2010 im selbständigen Beweisverfahren (dort S. 2 = Beiakte Bd. II Bl. 340) selbst bestätigt.
11Die Klägerin beantragt,
12wie erkannt.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Die Beklagte wendet ein, dass sich die Klage gegen eine nicht existente Partei richte. Sie hält die Ausführungen der Klägerin zu ihrer Eigentümerstellung für unsubstantiiert und bestreitet diese mit Nichtwissen. Ebenfalls mit Nichtwissen bestreitet die Beklagte, dass die Streithelferin die nachbarlichen Zustimmungen vor Beginn der Baugrubensicherungsarbeiten nicht eingeholt habe. Mit Nichtwissen bestreitet die Beklagte auch, dass die Anzahl der ihr zur Verfügung gestellten Bodenaufschlüsse formal den Vorgaben der DIN 4020 und der DIN EN 1997-2 entsprach und dass sich während der Ausführung der Arbeiten Anzeichen dafür ergaben, dass Schäden an der Nachbarbebauung drohten. Die Beklagte behauptet schließlich, dass sich aus dem Gutachten des S vom 22.07.2011 ergebe, dass die Daueranker weiterhin eine statische Funktion übernehmen würden und im Erdreich verbleiben müssten, weshalb die Entfernung der Anker von der Beklagten nicht verlangt werden könne.
16Die Streithelferin hat keinen Antrag gestellt.
17Sie ist der Rechtsansicht, dass für die von der Klägerin geforderte Beseitigung der Anker eine Rechtsgrundlage nicht zu erkennen sei. Die Klägerin habe der Einbringung der Anker zumindest konkludent zugestimmt. Das Hochbauamt der Streithelferin habe auch die Klägerin mit Schreiben vom 02.08.2007 (Anlage zum Schriftsatz vom 30.11.2011 = Bl. 86-88 d. A.) über die bevorstehenden Bauarbeiten informiert. Schließlich sei ein etwaiger Beseitigungsanspruch der Klägerin nach § 905 S. 2 BGB ausgeschlossen.
18Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen. Die Akte des selbständigen Beweisverfahrens (Landgericht Dortmund, Az.: 12 OH 16/09) war im hiesigen Verfahren Gegenstand der mündlichen Verhandlung; auf die dort eingeholten Gutachten wird Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe:
201.
21Die Klage ist zulässig.
22Die Klageschrift ist bei verständiger Würdigung so auszulegen, dass nicht die dort bezeichnete, sondern die im obigen Rubrum aufgeführte Beklagte verklagt werden soll.
23Die Klägerin hat hierzu vorgetragen, dass die von ihr verwendete Beklagtenbezeichnung auf der Eigenbezeichnung der Beklagten gemäß Bieterstempel auf dem „Angebotsdeckblatt/Anschreiben an die Bewerber“ (Anlage 1 = Bl. 58 d.A.) beruhe.
24Die Klage richtet sich erkennbar gegen die Fa. C3 mit Sitz in T2 (AG Ingolstadt HRB 101008). Die in der Klageschrift als beklagte Partei genannte „Firma C3, Sparte Baugrube West, vertreten durch den Geschäftsführer Herrn C4, G-straße 00, 00000 F“ ist eine rechtlich unselbständige Organisationseinheit, die nicht parteifähig ist. Die Klage ist daher so auszulegen, dass die Unternehmensträgerin – und nicht die Zweigniederlassung – verklagt werden soll (vgl. zum Ganzen: Zöller-Vollkommer, ZPO, 27. Auflage 2009, § 50 Rn. 26a; MüKo-Lindacher, ZPO, 3. Auflage 2008, Vorbemerkungen zu den §§ 50 ff. Rn. 12 u. 14 sowie § 50 Rn. 48).
252.
26Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet.
27a)
28Die Klägerin kann von der Beklagten Ersatz der bei der Ausführung der Rückverankerungsarbeiten entstandenen Schäden am Gebäude C-straße 14-16 in Höhe von 182.088,88 € abzüglich am 20.07.2011 gezahlter 80.000,00 € verlangen.
29Anspruchsgrundlage ist § 823 Abs. 2 i. V. m. § 909 BGB. Das Verbot des § 909 BGB, dem Nachbargrundstück die Stütze zu entziehen, richtet sich nicht nur gegen den Eigentümer des Grundstücks, von dem die Störung ausgeht, sondern gegen jeden, der an der Vertiefung mitwirkt, wie z.B. gegen den Architekten, den Bauunternehmer, den bauleitenden Ingenieur oder auch den Statiker, dessen Berechnungen die Grundlage für den Bodenaushub und die dabei zu beachtenden Sicherungsmaßnahmen bilden. Jeden der Beteiligten trifft eine eigenverantwortliche Prüfungspflicht. Wenn sein Beitrag an der Vertiefung pflichtwidrig und schuldhaft ist, haftet er nach § 823 Abs. 2 i. V. m. § 909 BGB auf Ersatz des dadurch entstandenen Schadens (vgl. BGH, Urt. v. 22.10.2004 – V ZR 310/03 – NZM 2005, 239; Palandt-Bassenge, BGB, 70. Auflage 2011, § 909 Rn. 9).
30Die Beklagte hat an einer Vertiefung im Sinne von § 909 BGB mitgewirkt, die dem Boden des Grundstücks der Klägerin die erforderliche Stütze entzogen und letztlich zu einer Aufwölbung der Bodenplatte im Erdgeschoss des Gebäudes C-straße 14-16 geführt hat. Zwar ist von der Beklagten auf dem Nachbargrundstück keine eigentliche Vertiefung vorgenommen worden. Denn die Beklagte hat keine Aushub-, sondern Baugrubensicherungsarbeiten vorgenommen, also eine bereits vorhandene Vertiefung gegen Absacken an den Grubenrändern gesichert. Ursache für die Aufwölbung der Bodenplatte im Erdgeschoss des Gebäudes C-straße 14-16 war nicht die Vertiefung des Nachbargrundstückes selbst, sondern das Einbringen der Ankerzugglieder unter dem Grundstück der Klägerin und die Verpressung der Anker mit Zement. Die Aufwölbung der Bodenplatte ist jedoch mit einem Stützverlust für das Nachbargrundstück im Sinne des § 909 BGB gleichzusetzen.
31Die Klägerin hat auch nachgewiesen, Eigentümerin des Gebäudekomplexes C-straße 14-16 zu sein. Die Klägerin hat, nachdem die Beklagte in der Klageerwiderungsschrift vom 29.09.2011 die Eigentümerstellung der Klägerin mit Nichtwissen bestritten hatte, mit Schriftsatz vom 28.11.2011 Grundbuchauszüge vorgelegt (Anlagen 2 und 3 = Bl. 59-77 d. A.), die sie als Eigentümerin der Liegenschaften ausweisen.
32Die Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht für das Gericht nach dem im selbständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachten des Sachverständigen U fest. Auf das Beweisergebnis des selbständigen Beweisverfahrens kann sich die Klägerin gemäß § 493 Abs. 1 ZPO berufen. Einwendungen hiergegen hat die Beklagte auch nicht erhoben.
33Die Schadenshöhe beruht auf den gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen H. Auch insoweit hat die Beklagte im hiesigen Hauptsacheverfahren keinerlei Einwendungen erhoben.
34Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 BGB.
35b)
36Der Klägerin steht auch ein Beseitigungsanspruch hinsichtlich der Erdanker zu.
37Der Beseitigungsanspruch ergibt sich unmittelbar aus § 909 BGB, und zwar teilweise aus eigenem Recht (betrifft das Gebäude C-straße 14-16, insoweit besteht daneben ein inhaltsgleicher Anspruch aus § 1004 BGB) und teilweise aus abgetretenem Recht (betrifft die Fa. I als Mieterin des Gebäudes C-straße 14-16, insoweit besteht auch ein inhaltsgleicher Anspruch aus § 1004 BGB, sowie die Erbengemeinschaft als Eigentümerin des Gebäudes C-straße 16a).
38Die im Boden befindlichen Daueranker stellen unzweifelhaft eine Beeinträchtigung des Eigentums der Klägerin bzw. des Besitzes der Fa. I an dem Grundstück C-straße 14-16 sowie des Eigentums der Erbengemeinschaft an dem Grundstück C-straße 16a dar. Kein Grundeigentümer hat es zu dulden, dass auf seinem Grundstück bauliche Einrichtungen zur Stabilisierung von Bauten auf dem Nachbargrundstück in den Boden eingebracht und dort ohne Notwendigkeit belassen werden. Die Beeinträchtigung liegt bereits in dem Einbau in den Boden, unabhängig davon, ob eine konkrete Behinderung der Grundstücksnutzung davon ausgeht (vgl. zu sog. „Litzenankern“: LG Rostock, Urt. v. 16.03.2007 – 9 O 412/06 – zit. nach www.landesrecht-mw.de; Fritzsche, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), BeckOK BGB, Stand: 01.11.2011, § 1004 Rn. 41).
39Es besteht auch keine Notwendigkeit mehr, die Anker – etwa aus statischen Gründen – im Boden zu belassen. Soweit die Beklagte auf S. 4 der Klageerwiderungsschrift (Bl. 38 d.A.) behauptet, der S habe in seinem Gutachten vom 22.07.2011 festgestellt, dass die Daueranker weiterhin eine statische Funktion übernehmen würden und daher im Erdreich verbleiben müssten, vermag die Kammer diesen Vortrag nicht nachzuvollziehen. Die beklagtenseits behauptete Feststellung des Sachverständigen S ergibt sich aus dem Gutachten vom 22.07.2011 gerade nicht. Er hat seinen Berechnungen für die Wertminderungen des Grundstücks C-straße 14-16 lediglich die – nicht von ihm überprüfte – Annahme zugrunde gelegt, dass die Anker im Erdreich verbleiben. Statische Berechnungen hat der Sachverständige S gerade nicht angestellt. Die Beklagte hat auch keinen substantiierten Vortrag dazu gehalten, weshalb der Verbleib der Anker im Erdreich aus statischen Gründen zwingend notwendig sein soll. Ein entsprechender Vortrag der Beklagten wäre aber auch vor dem Hintergrund veranlasst gewesen, dass die Klägerin in der Klageschrift den nachfolgenden Passus aus dem Schriftsatz der Streithelferin im selbständigen Beweisverfahren vom 02.12.2010 zitierte: „Sowohl die alten, schon bei der Errichtung des Gebäudes Horten eingebrachten Anker als auch die neuen Anker dienen zur Sicherung der Untergeschosswände für die kurze (Bau-)Zeit, in der keine weiteren Geschosse vorhanden sind. Nach Bauende sind diese Anker nicht mehr notwendig.“ (Bl. 6 d.A.).
40Der Beseitigungsanspruch der Klägerin ist auch nicht nach § 905 S. 2 BGB ausgeschlossen. Danach kann der Eigentümer solche Einwirkungen nicht verbieten, die in solcher Höhe oder Tiefe vorgenommen werden, dass er an der Ausschließung kein Interesse hat.
41Die Klägerin hat hinreichend vorgetragen, ein Ausschließungsinteresse zu haben. Geschützt ist jedes vermögensrechtliche Interesse an ungestörter Benutzung des Grundstücks (nicht nur seiner Oberfläche) durch den Eigentümer oder Nutzungsberechtigten, wobei die Besorgnis künftiger Behinderung reicht (vgl. Palandt-Bassenge, a.a.O., § 905 Rn. 2 m.w.N.). Die Klägerin hat zwar nicht konkret vorgetragen, dass etwa beabsichtigt sei, den an das Nachbargrundstück angrenzenden Gebäudeteil zu unterkellern. Die abstrakte Möglichkeit, später einmal Umbaumaßnahmen wie Unterkellerungsarbeiten vorzunehmen, reicht jedoch aus, um die Entfernung der Daueranker bereits jetzt verlangen zu können. Die Klägerin muss sich nicht darauf verweisen lassen, die Eigentumsbeeinträchtigung auf ihrem Grundstück vorerst – bis zu konkreten Baumaßnahmen, bei dem die Anker im Weg wären – zu dulden. Es ist auch weder dargetan noch aus den Akten anderweitig ersichtlich, dass die Anker so tief im Erdreich eingebracht wären, dass bereits jetzt ausgeschlossen werden könnte, dass sie künftige Umbaumaßnahmen in irgendeiner Weise behindern könnten. Nach einer Entscheidung des OLG Stuttgart (Urt. v. 02.12.1993 – 7 U 23/93 – NJW 1994, 739) soll ein Nutzungsinteresse des Eigentümers nicht gegeben sein für die Entfernung eines Sicherungsankers für Bauarbeiten 16 m unter der Bodenplatte eines Wohnhauses (vgl. auch Fritzsche, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), a.a.O., § 905 Rn. 10). Eine vergleichbare Konstellation mit derart tief eingebrachten Ankern ist vorliegend jedoch nicht gegeben.
42Die Beklagte selbst hat auch keinen Vortrag dazu gehalten, weshalb der Klägerin kein Ausschließungsinteresse zustehen soll. Als Einwirkende hätte die Beklagte aber, um den Anspruch der Klägerin gemäß § 905 S. 2 BGB zu Fall zu bringen, vortragen müssen, dass die von der Klägerin behaupteten Umstände für ihr Ausschließungsinteresse nicht bestehen (vgl. BGH, Urt. v. 31.10.1980 – V ZR 157/79 – NJW 1981, 573, 574; Urt. v. 11.12.1980 – III ZR 45/79 – BeckRS 1980, 31071178; MüKo-Säcker, BGB, 5. Auflage 2009, § 905 Rn. 12; Palandt-Bassenge, ebda.).
43Soweit die Streithelferin mit Schriftsatz vom 30.11.2011 (dort S. 4 f. = Bl. 81 f. d.A.) vorgetragen hat, dass eine spätere Unterkellerung des Gebäudekomplexes C-straße 14-16a angesichts der dort vorhandenen Gebäudesubstanz ohnedies eine lediglich theoretische Möglichkeit sei, die praktisch ausscheide, und dass selbst wenn später einmal – was überhaupt nicht absehbar sei – eine Unterkellerung erfolgen sollte, die Anker dann ohne jeden nennenswerten Mehraufwand entsorgt werden könnten, war dieser Vortrag gemäß § 67 ZPO unbeachtlich, da er im Widerspruch zum Vortrag der von der Streithelferin unterstützten Partei – hier der Klägerin – steht (vgl. BGH, Beschl. v. 27.09.2007 – VII ZB 85/06 – NJW-RR 2008, 261; OLG Hamm, Urt. v. 29.04.1996 – 6 U 187/95 – r+s 1997, 55 f.; Urt. v. 10.11.1997 – 6 U 1/97 – NJW-RR 1998, 679, 680; Urt. v. 07.01.1998 – 2 U 85/96 – r+s 1998, 191; Urt. v. 17.06.2009 – 11 U 112/08 – BeckRS 2010, 02015; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 67 Rn. 9).
44c)
45Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Feststellungsanspruch in Bezug auf künftige Schäden zu.
46Das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse folgt bereits aus dem Umstand, dass der Sachverständige H in seinem im selbständigen Beweisverfahren erstatteten Gutachten den Sanierungsaufwand lediglich schätzen konnte. Dies gilt sowohl hinsichtlich der reinen Instandsetzungsarbeiten als auch hinsichtlich der anfallenden Nebenkosten.
47d)
48Die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten nebst Zinsen hat die Beklagte gemäß den §§ 280 Abs. 1 u. Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2 BGB zu erstatten.
493.
50Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 91 Abs.1 S. 1, 101 Abs. 1, 1. Hs. ZPO.
51Der Streitwert wurde nach den §§ 3, 5 ZPO festgesetzt (Klageantrag zu 1.: 182.088,88 €, Klageantrag zu 2.: 20.000,00 €, Klageantrag zu 3.: 18.208,89 €, Klageantrag zu 4.: ohne eigenen Wert), wobei die am 20.07.2011 erfolgte Zahlung der 80.000,00 € wertmindernd berücksichtigt wurde.
524.
53Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 S. 1 u. S. 2 ZPO.
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Referenzen
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