Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 383/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger nimmt die Beklagte aus einer bei dieser genommenen Rechtsschutzversicherung auf Deckung in Anspruch.
3Der Kläger beantragte am 15.02.2001 bei der B (im Folgenden: B) den Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung. Die B nahm den Antrag an (im Folgenden: Vertrag 908).
4Sodann beantragte er den Abschluss der streitgegenständlichen
5Rechtsschutzversicherung bei der Beklagten. Diese policierte mit Versicherungsschein vom 19.04.2001, wegen dessen Einzelheiten auf die Anlage zum Schriftsatz des Klägers vom 28.09.2011, Blatt 19 ff. d. A., verwiesen wird. Dem Vertrag liegen die ARB 2000 zugrunde (Blatt 23 ff. d. A.).
6Am 16.12.2008 beantragte der Kläger wiederum bei der B den Abschluss einer weiteren Berufsunfähigkeitsversicherung. Die B nahm auch diesen Antrag an (im Folgenden: Vertrag 840).
7Der Kläger ist seit Mai 2010 berufsunfähig. Nachdem er bei der Allianz Ansprüche angemeldet hatte, erklärte diese mit Schreiben vom 22.07.2010 (Blatt 7 ff. d. A.) die Anfechtung beider Verträge wegen arglistiger Täuschung. Der Kläger habe die Gesundheitsfragen unzutreffend beantwortet. Dem trat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 18.08.2010 entgegen. Er ersuchte die Beklagte um Deckung für die außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung gegen die B. Die Beklagte lehnte die Deckung zunächst mit Schreiben vom 01.11.2010 insgesamt ab, da der Versicherungsfall nicht nach Vertragsbeginn eingetreten sei. Noch weit vor der Zustellung der Klage am 14.12.2011 hat die Beklagte mit Schreiben an den Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 21.10.2011 erklärt, hinsichtlich des Vertrages 840 Deckung zu gewähren. Entsprechend der Berechnung in einem weiteren Schreiben vom 21.10.2011 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers überwies sie an diesen vorschussweise 1.339,09 € (1.589,09 € abzüglich 250,00 € Selbstbeteiligung).
8Der Kläger meint, der Eintritt des Versicherungsfalles in der Rechtsschutzversicherung sei mit dem Zeitpunkt anzunehmen, in dem die Berufsunfähigkeit tatsächlich eingetreten sei, also im Jahr 2010. Von einer arglistigen Täuschung gegenüber der B könne keine Rede sein.
9Der Kläger hat zunächst beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, ihm bedingungsgemäß Versicherungsschutz zur Rechtsschutzversicherungsschein-Nr. PRS ### bzw. PRS ### für die Geltendmachung von Rentenansprüchen von monatlich 2.539,40 € beginnend ab Mai 2010 gegen die B aus den bei dieser Gesellschaft bestehenden Berufsunfähigkeitszusatzversicherungen mit den Nummern ######908 und ######840 zu erteilen.
11Der Kläger beantragt nunmehr, unter Klagerücknahme im Übrigen,
12die Beklagte zu verurteilen, ihm bedingungsgemäß Versicherungsschutz zur Rechtsschutzversicherungsschein-Nr. PRS ### bzw. PRS ### für die Geltendmachung von Rentenansprüchen von monatlich 1.839,40 € beginnend ab Mai 2010 gegen die B aus der bei dieser Gesellschaft bestehenden Berufsunfähigkeitsversicherung mit der Nr. ######908 zu erteilen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie beruft sich wegen des noch streitgegenständlichen Anspruchs auf Vorvertraglichkeit. Maßgeblich sei auf den behaupteten Rechtsverstoß der falschen Beantwortung der Gesundheitsfragen abzustellen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die zulässige Klage ist im nunmehr noch geltend gemachten Umfange unbegründet.
18Anspruch auf Rechtsschutz besteht gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 c) ARB 2000 von dem Zeitpunkt an, in dem der Versicherungsnehmer oder ein anderer einen Verstoß gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften begangen hat oder begangen haben soll. Das Ereignis muss nach Beginn und vor Ende des Versicherungsschutzes eingetreten sein (§ 4 Abs. 1 Satz 2 ARB 2000). Ein Verstoß im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 1 c) ARB 2000 ist jedes Verhalten, das objektiv nicht mit Rechtsvorschriften oder Rechtspflichten im Einklang steht und das den "Keim eines Rechtskonflikts" in sich trägt (BGH VersR 2005, 1684; VersR 2007, 535; OLG Karlsruhe r+s 2012, 175 mit Anm. Maier) in sich trägt. Bei Versicherungsstreitigkeiten kommt für einen Versicherungsfall in diesem Sinne als streitauslösender Verstoß die Verletzung von Pflichten aus dem Versicherungsvertrag durch eine der Vertragsparteien in Betracht (BGH VersR 2005, 1684 (1685); OLG Karlsruhe, a.a.O.). Damit kommen als streitauslösende Verstöße zum einen der angeblich unter Verletzung der vorvertraglichen Anzeigepflicht eingereichte Antrag des Klägers bei der B vom 15.02.2001 sowie zum anderen die nach der Darstellung des Klägers unberechtigte Weigerung der B Leistungen wegen Berufsunfähigkeit zu erbringen in Betracht. In einer solchen Konstellation liegt der streitauslösende erste und damit maßgebliche Verstoß (§ 4 Abs. 2 Satz 2 ARB 2000) in der Antragstellung vom 15.02.2001.
19Ist bereits die Entstehung eines Schuldverhältnisses mit einem Verstoß behaftet, etwa wenn es um die Frage geht, ob ein Vertrag wegen Verstoßes gegen §§ 134, 138 BGB nichtig ist oder ein Willensmangel nach den §§ 119, 123 BGB zum Vertragsschluss geführt hat, so ist diese schon mit dem Keim eines künftigen Rechtskonfliktes belastet. Durch die Regelung in § 4 (2) Satz 2 ARB 2000 (ähnlich § 14 (3) Satz 2 ARB 75) soll gerade vermieden werden, dass die Rechtsschutzversicherung mit Kosten solcher Rechtskonflikte belastet wird, die bei Abschluss des Vertrages bereits die erste Stufe der Gefahrverwirklichung erreicht haben, also gewissermaßen vorprogrammiert sind (OLG Celle NJW RR 2009, 38 zu § 14 (3) ARB; OLG Karlsruhe a.a.O.; Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl., § 4 ARB 2000 Rn. 41, 46; Prölss/Martin, VVG, 28. Aufl., § 4 ARB 2008, Rn. 74; Münkel in Rüffer/Halbach/Schimikowski, VVG, 2. Aufl., § 4 ARB 2010, Rn. 6). So liegt es hier. Wegen des nach der Behauptung der B durch eine arglistige Täuschung erreichten Vertragsschlusses war der Rechtskonflikt im Keim angelegt. Das Verhalten der B lag im Bereich des Erwartbaren. Es entspricht der gängigen Praxis der Berufsunfähigkeitsversicherer, nach der Geltendmachung von Leistungsansprüchen (auch) die Richtigkeit der Angaben zu den Gesundheitsfragen im Versicherungsantrag zu überprüfen und gegebenenfalls vertragsbeendende Erklärungen abzugeben. Es unterliegt daher keinem Zweifel, dass die von der B dem Kläger vorgeworfene arglistige Täuschung nach der Lebenserfahrung geeignet war, den späteren Rechtskonflikt auszulösen.
20Abweichendes folgt auch nicht aus der Entscheidung des OLG Hamm vom 10.10.2000 (r + s 2001, 70). Ein dieser Entscheidung vergleichbarer Sachverhalt liegt ersichtlich nicht vor ( dort: außerhalb aller Wahrscheinlichkeit liegende Reaktion eine öffentlichen Dienstherrn auf eine arglistige Täuschung durch dessen "in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland einmaliges Vorgehen").
21Nach alledem besteht keine Pflicht der Beklagten, wegen des Rechtskonfliktes bezüglich des Vertrages 908 Deckung zu gewähren. Abzugrenzen von der hier gegebenen Fallkonstellation ist diejenige, in welcher der erste Rechtsverstoß früher als ein Jahr vor Beginn des Versicherungsschutzes erfolgte, welche abweichend zu beurteilen sein dürfte (vgl. dazu OLG Karlsruhe a.a.O. (176ff.); OLG Hamm Beschluss vom 09.06.2010, Az: I-20 W 17/10 soweit ersichtlich nicht veröffentlicht; LG Berlin r+s 2012,174 alle zu der Frage der Deckung bei einem Rechtskonflikt in der Berufsunfähigkeitsversicherung). Um eine solche geht es hier nicht: Der erste Verstoß lag hier in der Antragstellung vom 15.02.2001. Der Versicherungsschutz begann aber noch im Jahr 2001.
22Nach alledem war zu erkennen wie geschehen.
23Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 269 III S.2, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Referenzen
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