Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 O 320/10
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Kläger von Unterhaltsansprüchen freizustellen, die er seinen Kindern N und N2, beide geboren am ##.##.2007, für die Vergangenheit und künftig bis zur Vollendung des 18.Lebensjahres zu zahlen verpflichtet ist, beschränkt auf den gesetzlich geschuldeten Mindestunterhalt.
Ferner werden die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 546,69 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 09.02.2011 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 3/4.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
1
Tatbestand
2Die Beklagten( P und M ) sind Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Sie betreiben in E ein Kinderwunschzentrum, in dem sie versuchen, Paaren durch künstliche Befruchtung zu Nachwuchs zu verhelfen. Der Kläger nimmt die Beklagten nach künstlicher Befruchtung seiner ehemaligen Lebensgefährtin, der Zeugin N3, auf Freistellung von Unterhaltsverpflichtungen in Anspruch. Die Zeugin gebar am ##.##.2007 Zwillinge.
3Am 17.12.2003 stellte sich die Zeugin N3 ausweislich der Dokumentation der Beklagten in Begleitung einer männlichen Person in der Praxis der Beklagten zu einem Erstgespräch vor. Streitig ist, ob es sich bei der Begleitperson um den Kläger handelte. Bei diesem Termin wurde ein in der Praxis von H am 17.10.2003 gefertigtes Spermiogramm übergeben, das eine eingeschränkte Zeugungsfähigkeit des Untersuchten zeigte. Ob die seinerzeit untersuchte Probe (wissentlich) von dem Kläger herrührte, ist ebenfalls streitig.
4Am 15.01.2004 begab sich der Kläger in der Praxis der Beklagten. Er gab an diesem Tag eine Spermaprobe ab, um diese auf seine Zeugungsfähigkeit hin untersuchen zu lassen. Es zeigte sich eine eingeschränkte Zeugungsfähigkeit. Ausweislich der Dokumentation der Beklagten wurde das Ergebnis am 19.01.2004 telefonisch mit einer Frau, gemeint war die Zeugin N3, besprochen.
5Am 19.02.2004 fand eine weitere Beratung - unstreitig ohne Anwesenheit des Klägers - statt, in dem seitens der Beklagten geraten wurde, das Sperma in häuslicher Umgebung zu gewinnen und alsdann in die Praxis zu bringen. Die Beklagten stellten der Zeugin N3 und dem Kläger zugleich eine Bescheinigung zur Vorlage bei der "Ständigen Kommission In-vitro-Fertilisation und Embryotransfer" der Ärztekammer Westfalen-Lippe aus, in der eine sekundäre Sterilität und andrologische Subfertilität bestätigt wurde. Die Genehmigung der Ärztekammer war erforderlich, um die künstliche Befruchtung bei dem nicht verheirateten Paar durchführen zu können.
6Nach einer erneuten telefonischen Beratung am 26.03.2004 brachte die Zeugin N3 am 05.04.2004 eine unstreitig von dem Kläger herrührende Spermaprobe in die Praxis der Beklagten. Dort wurde das Sperma eingefroren und gelagert. Der Kläger unterzeichnete unter dem 05.04.2004 einen Vertrag über die Kryokonservierung (das Einfrieren) von Sperma und einen weiteren Vertrag über die Lagerung von Sperma. Die Lagerung sollte pro Vertragshalbjahr 130,00 € kosten.
7In dem Lagerungsvertrag heißt es auszugsweise:
8§ 8
9- Das Vertragsverhältnis beginnt mit der Unterzeichnung dieses Vertrages und endet automatisch nach Ablauf eines Jahres. Einer Kündigung des Vertrages durch eine Vertragspartei bedarf es nicht.
- Der Auftraggeber ist berechtigt, eine einmalige Vertragsverlängerung um ein weiteres Jahr zu verlangen...
- ...
- Eine weitere Verlängerung ist nur einvernehmlich möglich.
...
11§ 10
12- Das Konservierungsmaterial bleibt Eigentum des Auftraggebers und unterliegt seinem Verfügungsrecht.
- Der Auftraggeber ist jederzeit berechtigt, schriftlich die Herausgabe des Konservierungsmaterials an sich oder einen Dritten zu verlangen. Die Vertretung des Auftraggebers ist insoweit ausgeschlossen.
- Nach Beendigung des Vertrages durch Zeitablauf, Kündigung oder aus sonstigen Gründen wird das Konservierungsmaterial unverzüglich von der P & M vernichtet, es sei denn, der P und M geht rechtzeitig, mindestens jedoch vier Wochen vor diesem Zeitpunkt eine schriftliche von dem Auftraggeber persönlich unterzeichnete Anweisung zu, an wen das Konservierungsmaterial übergeben werden soll. Die Vertretung des Auftraggebers ist insoweit ausgeschlossen.
....
14Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verträge Anlage 7 und 8 des Schriftsatzes der Beklagten vom 20.06.2011 Bezug genommen.
15Mit Schreiben vom 19.04.2004 beantragten Frau N3 und der Kläger unter Nutzung der seitens der Beklagten ausgestellten Bescheinigung bei der Ärztekammer die Zustimmung zur künstlichen Befruchtung. Ob der Kläger tatsächlich an dem Schreiben beteiligt war, ist streitig. Die Zustimmung wurde am 08.07.2004 erteilt.
16Am 30.11.2004 wurde bei der Zeugin N3 eine künstliche Befruchtung durchgeführt, für die ein Teil des am 05.04.2004 übergebenen und eingefrorenen Spermas des Klägers genutzt wurde. In diesem Zusammenhang wurden zahlreiche vertragliche Unterlagen unterzeichnet. Die Unterlagen wurden üblicherweise den Patienten mitgegeben und von diesen zu Hause unterzeichnet.
17Im Rahmen eines gegen die Zeugin N3 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens wurde seitens der Staatsanwaltschaft Hagen ein graphologisches Gutachten eingeholt, um festzustellen, ob die Unterschriften auf diesen Vertragsdokumenten von dem Kläger herrührten. Im Einzelnen handelt es sich um die folgende Unterlagen, wegen deren Einzelheiten auf die Anlagen zum Schriftsatz der Beklagten vom 20.06.2011 Bezug genommen wird:
18- Am 4.11.2004 wurde eine Vereinbarung zur Kostentragung (Anlage 18) unterzeichnet, die laut Gutachten mit hoher Wahrscheinlichkeit von dem Kläger herrühren sollte. Die Zeugin N3 räumte eine Fälschung ein.
- Am 05.11.2004 (bzw. seitens der Ärzte am 16.11.2004) wurde das Einverständnis zur Eizellentnahme, In-vitro-Fertilisation und zum Embryotransfer (Anlage 16) und zur Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (Anlage 17) unterzeichnet. Die Unterschriften stammen laut Gutachten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von dem Kläger.
- Das gleiche gilt bzgl. der Verträge vom 05.11.2004 zur Lagerung von befruchteten Eizellen (Anlage 20) und zum Einfrieren der Eizellen (Anlage 21). Die Lagerung der Eizellen sollte pro Vertragshalbjahr 140,00 € kosten.
Die durchgeführte künstliche Befruchtung blieb ohne Erfolg.
20Am 28.03.2005 erfolgte ein zweiter Versuch zur künstlichen Befruchtung. Es wurde erneut ein Teil des am 05.04.2004 eingefrorenen Spermas genutzt. Ob der Kläger hiervon wusste, ist streitig. In diesem Zusammenhang wurde am 23.02 2005 (bzw. von den Ärzten am 21.03.2005) das Einverständnis zur In-Vitro-Fertilisation und zum Embryotransfer (Anlage 23) und zum assistierten Schlüpfen (Anlage 24) unterzeichnet. Die Unterschriften stammen laut Gutachten mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von dem Kläger.
21Die künstliche Befruchtung war erfolgreich. Am ##.##.2005 wurde der erste Sohn des Klägers, N4 geboren.
22Im Jahr 2007 kam es zu einer dritten künstlichen Befruchtung der Zeugin N3. Der Kläger selbst war unstreitig in diesem Zusammenhang nicht in den Praxisräumen der Beklagten.
23In den Krankenunterlagen der Beklagten befindet sich eine Mail namens der Zeugin N3, laut der sie sich am 18.08.2006 nach den Möglichkeiten einer erneuten künstlichen Befruchtung erkundigte. Nach entsprechender Stimulationsbehandlung erfolgte am 09.03.2007 eine Eizellentnahme und nach Befruchtung wiederum mit einem Teil des am 05.04.2004 eingefrorenen Spermas des Klägers am 12.03.2007 ein Embryotransfer. Ausweislich der Krankenunterlagen der Beklagten fanden im Rahmen der Behandlung mehrere telefonische Beratungen der Zeugin N3 statt. Am 26.02.2007 ist vermerkt, dass die Zeugin Sperma zur weiteren Behandlung abgeben wollte, was aber seitens P abgelehnt wurde. Für den 09.03.2007 ist vermerkt, dass sich der Mann derzeit im Ausland befinde und noch eine Unterschrift nachgeholt werde.
24Im Zusammenhang mit der künstlichen Befruchtung wurden wiederum zahlreiche vertragliche Unterlagen unterzeichnet, bei denen die Echtheit der Unterschrift des Klägers im Rahmen des gegen die Zeugin N3 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens mit folgendem Ergebnis überprüft wurde:
25- Am 8.2.2007 (bzw. seitens der Ärzte am 26.02.2007) wurden eine Kostenregelung (Anlage 39) und eine Einverständniserklärung zur Einschaltung eines Abrechnungsunternehmens (Anlage 45) unterzeichnet. Die Unterschriften stammen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vom Kläger.
- Das Gleiche gilt hinsichtlich des am 10.2.2007 (bzw. seitens der Ärzte am 01.03.2007) unterzeichneten Einverständnisses zur In-vitro-Fertilisation und zum Embryotransfer (Anlage 36) und zur Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (Anlage 37) und des am 10.02.2007 (bzw. seitens der Ärzte ohne Datum) unterzeichneten Einverständnisses zur Blastozystenkultur (Anlage 42).
- Am 26.2.2007 wurde seitens der Ärzte (die Namensunterschrift des Klägers trägt kein Datum) das geplante assistierte Schlüpfen (Anlage 38) unterzeichnet. Auch diese Unterschrift stammt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vom Kläger.
- Das Gleiche gilt hinsichtlich der am 01.03.2007 unterzeichneten Verträge zum Einfrieren von Sperma (Anlage 43) und zur Lagerung von Sperma (Anlage 44).
- Am 09.03.2007 wurden die Verträge zur Kryokonservierung von befruchteten Eizellen (Anlage 40) und zur Lagerung von Eizellen (Anlage 41) unterzeichnet. Die dortigen Unterschriften des Klägers wurden nach dem Ergebnis des Gutachtens gefälscht. Die Zeugin N3 räumte eine Fälschung ein.
Am 26.03.2007 wurde bei der Zeugin N3 eine Schwangerschaft festgestellt. Die Kinder N und N2 wurden am ##.##.2007 geboren. In dem Verfahren des Amtsgerichts Schwelm 34 F 267/09 wurde festgestellt, dass der Kläger der Erzeuger der Kinder ist.
27Bereits vor der Geburt war durch Schreiben der Zeugin N3 vom 01.05.2007 - mit einer Namensunterschrift des Klägers – bei den Beklagten um eine Vernichtung des gelagerten Spermamaterials gebeten worden. Dem kamen die Beklagten am 05.10.2007 nach. Dies wurde dem Kläger auf seine Anfrage vom 16.10.2007 mitgeteilt.
28Der Kläger behauptet, die künstlichen Befruchtungen seien sämtlich ohne sein Wissen und Wollen durchgeführt worden. Er habe nicht mit Frau N3 zusammengelebt und zu keiner Zeit einen Kinderwunsch gehabt. Das Sperma sei nur vorsorglich und auf Drängen der Frau N3 eingefroren worden. Es habe nicht zur künstlichen Befruchtung verwendet werden sollen.
29Er habe auch nicht gewusst, dass der Sohn N4 durch eine künstliche Befruchtung gezeugt worden sei. Auch diese Befruchtung sei ohne sein Wissen durchgeführt worden. Er sei von einer natürlichen Zeugung ausgegangen.
30Er sei zu den benannten Terminen fast ausnahmslos nicht in der Praxis der Beklagte gewesen und auch nicht telefonisch beraten worden. So sei er nicht zu einem Erstgespräch am 17.12.2003 bei den Beklagten gewesen. Er habe zur fraglichen Uhrzeit gearbeitet. Er habe die Beklagten auch nie persönlich gesehen. H sei ihm ebenfalls nicht bekannt, er sei dort nie Patient gewesen. Er habe das Spermiogramm auch nicht übergeben.
31Er sei lediglich einmal in der Praxis gewesen, um sein Sperma untersuchen zu lassen. Hierbei habe er auch Unterlagen unterzeichnet. Auch die beiden Verträge vom 05.04.2004 habe er unterzeichnet. Alle weiteren Unterschriften stammten nicht von ihm. Den Beklagten seien zur Durchführung der In-vitro-Fertilisation unechte Unterlagen vorgelegt worden. An der Korrespondenz mit der Ärztekammer sei er ebenfalls nicht beteiligt gewesen.
32Er habe nach 2004 keinen Kontakt mehr zu den Beklagten gehabt.
33Im Jahr 2007 sei er nicht im Ausland gewesen, als diese Angabe in den Unterlagen der Beklagten vermerkt worden sei. Er habe auch die Kündigung im Jahr 2007 nicht unterschrieben.
34Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagten seien verpflichtet gewesen, das Sperma zu vernichten. Das Vertragsverhältnis habe spätestens am 04.05.2005 geendet. Dies ergebe sich aus § 8 Ziffer 1 des Lagerungsvertrages. Indem sie es nicht vernichteten, hätten sie einen Missbrauch durch Dritte ermöglicht. Im Übrigen seien sie verpflichtet gewesen, sich von seiner Identität und von seinem Einverständnis zur erneuten künstlichen Befruchtung nach mehreren Jahren zu überzeugen.
35Mit der am 09.02.2011 zugestellten Klage beantragt der Kläger,
36- die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von Unterhaltsansprüchen freizustellen, die er seinen Kindern N und N2, beide geboren am ##.##.2007, beide wohnhaft L-Straße ##, ##### T zu zahlen verpflichtet ist,
- die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an ihn 546,69 € zuzüglich Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
38die Klage abzuweisen.
39Der Beklagten behaupten, der Kläger habe an dem Erstgespräch am 17.12.2003 teilgenommen und den Befund des H selbst vorgelegt. Er sei auch im Jahr 2004 mit der In-vitro-Fertilisation einverstanden gewesen. Sie hätten davon auch ausgehen dürfen, da der Kläger und Frau N3 die Korrespondenz mit der Ethik-Kommission der Ärztekammer gemeinsam geführt hätten. Bei der ersten Vorstellung sei die Krankenversicherungskarte des Klägers eingelesen und mit den Daten seien die Abrechnungsunterlagen zusammengestellt worden. Auch in den Jahren 2005 und 2007 sei er mit den künstlichen Befruchtungen einverstanden gewesen. Der Kläger habe alle Unterschriften selbst geleistet. Außerdem seien die Kosten für die Lagerung des Spermas gezahlt worden.
40Vor Einsichtnahme in die Beiakte des Amtsgerichts Schwelm haben die Beklagten bestritten, dass der Kläger überhaupt Vater der Kinder sei.
41Die Beklagten sind der Ansicht, dem Kläger stehe kein Schadensersatz zu, selbst wenn er keine Einwilligung gegeben habe. Wenn der Vertrag beendet sei, bestünden auch keine vertraglichen Ansprüche mehr. Im Übrigen sei ein Kind kein Schaden, sodass auch keine deliktsrechtlichen Ansprüche bestünden.
42Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrages wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen samt eingereichter Krankendokumentation Bezug genommen.
43Das Gericht hat die Verfahren des Amtsgerichts Schwelm 34 F 267/09 und der Staatsanwaltschaft Hagen 511 Js 62/08 mit dem dort eingeholten Sachverständigengutachten der graphologischen Sachverständigen M2 vom 29.12.2008 beigezogen und zu Beweiszwecken verwertet. Zudem hat die Kammer den Kläger und den Beklagten zu 2) angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen N3 und H. Wegen der Einzelheiten wird auf die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 27.10.2011, Bl. 66 ff. d.A., und vom 28.03.2010, Bl. 117 ff. d.A., Bezug genommen.
44Entscheidungsgründe
45Die zulässige Klage ist zum großen Teil begründet.
46I.
47Der Kläger hat gegen die Beklagten aufgrund des zwischen den Parteien unter dem 05.04.2004 geschlossenen Lagerungsvertrages für sein Sperma i.V.m. § 280 BGB einen Anspruch auf Schadensersatz in der Form, dass er die Freistellung von Unterhaltsverpflichtungen verlangen kann. Die Beklagten haben ihre Pflichten aus dem Vertrag verletzt, indem ohne Einverständnis des Klägers das Sperma zur Zeugung der leiblichen Kinder N und N2 genutzt worden ist, denen er Unterhalt schuldet.
481.
49Wenn auch die Begleitumstände streitig sind, so ist unstreitig, dass zwischen den Parteien unter dem 05.04.2004 ein Kryokonservierungs- und Lagerungsvertrag für das Sperma des Klägers geschlossen worden ist. Der Vertrag sieht in § 8 Ziffer 1 eine Laufzeit von einem Jahr vor, ohne dass es einer Kündigung bedurfte. Der Vertrag endete damit am 05.04.2005. Das Sperma wäre alsdann zu vernichten gewesen.
50Zu einer Verlängerung des Vertrages, die nach § 8 Ziffer 2 auf einseitigen Wunsch des Klägers um ein Jahr und darüber hinaus nach § 8 Ziffer 4 im beiderseitigen Einverständnis möglich gewesen wäre, ist es nicht gekommen. Die Beklagten behaupten selbst nicht, dass der Kläger mit dem Wunsch der Vertragsverlängerung an sie herangetreten ist oder zwischen den Parteien eine Absprache zur Vertragsverlängerung erfolgt ist.
51Auch eine konkludente Verlängerung kann die Kammer nicht feststellen. Die Beklagten machen zwar geltend, dass die Kosten für die Lagerung weiterhin bezahlt worden seien. Dies ist aber nicht festzustellen. Ausweislich der Aufstellung vom 16.02.2011 (Anlage 29 zum Schriftsatz der Beklagten vom 20.06.2011) sind in den Jahren 2004 und 2005 insgesamt vier Mal je 140,00 € gezahlt worden, im Jahr 2006 162,40 € und im Jahr 2007 166,60 €. Es steht nicht fest, dass es sich um Zahlungen auf den Lagerungsvertrag handelte, denn die Lagerung sollte pro Vertragshalbjahr 130,00 € kosten. Die Lagerung von Eizellen gemäß Vertrag vom 05.11.2004 sollte dagegen halbjährlich 140,00 € kosten. Es spricht also bereits der äußere Anschein dafür, dass die Zahlungen auf diesen Vertrag erfolgt sind und nicht auf den Vertrag zur Lagerung des Spermas.
52Im Übrigen könnte selbst dann, wenn Zahlungen auf den Lagerungsvertrag erfolgt wären, eine Vertragsverlängerung nicht festgestellt werden. Es ist weder vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass die Zahlungen von dem Kläger herrührten und mit dessen Einverständnis erfolgt sind. Sämtliche Zahlungen im Rahmen des Vertragsverhältnisses sind durch die damalige Partnerin des Klägers, die Zeugin N3, erfolgt, die – wie sie selbst eingeräumt hat- die Unterschrift des Klägers unter die Erklärung zur Kostentragung vom 04.11.2004 gefälscht hat. In ihrer Vernehmung hat sie dies damit begründet, dass der Kläger ohnehin keine Zahlungen erbringen wollte, sondern die Zahlungen durch sie erfolgen sollten.
532.
54Obwohl der Vertrag beendet war und das Sperma hätte vernichtet werden müssen, haben die Beklagten das Sperma benutzt, um am 12.03.2007 nach Eizellentnahme bei der Zeugin N3 eine künstliche Befruchtung vorzunehmen. Dies ist unstreitig und ergibt sich aus dem in den Krankenunterlagen der Beklagten enthaltenen Bogen zur Verfolgung der Nutzung des eingefrorenen Spermas.
55Damit haben die Beklagten gegen ihre Pflichten aus dem Vertrag verstoßen. Der Vertrag beinhaltete nicht nur die Verpflichtung zur fachgerechten Lagerung des Spermas, um im Fall eines Kinderwunsches darauf zurückgreifen zu können. Er sah auch in §§ 8 und 10 die unverzügliche Vernichtung nach Ablauf der Vertragszeit vor, ohne dass sich der Einlagernde um die Vernichtung bemühen musste. Eine Herausgabe an den Einlagernden selbst oder einen Dritten durfte nur mit persönlich unterzeichneter Anweisung des Einlagernden erfolgen. Eine Vertretung war laut Vertrag ausgeschlossen und spiegelt die Bedeutung der Sache wider. Denn unzweifelhaft handelte es sich bei dem Sperma und dem Genmaterial des Klägers um ein höchstpersönliches Gut, das nur seiner eigenen Disposition unterliegen durfte.
56Abgesehen davon, dass, wie bereits dargestellt, eine Vertragsverlängerung nicht zustande gekommen ist, ist unstreitig keine Anweisung des Klägers erfolgt, das im Jahr 2004 eingelagerte Spermamaterial herauszugeben oder zu nutzen. Zu keinem Zeitpunkt ist dem Kläger persönlich vor der künstlichen Befruchtung im Jahr 2007 mitgeteilt worden, dass sein Sperma noch eingelagert war.
573.
58Die Beklagten haben auch nicht bewiesen, dass der Kläger im Jahr 2007 mit der Zeugung eines Kindes oder gar mehrerer Kinder mit seinem Genmaterial einverstanden war. Denn dann hätte ihm nach § 242 BGB die Berufung auf den abgelaufenen Lagerungsvertrag verwehrt sein können. In Anbetracht der Tatsache, dass gesunde Kinder gezeugt worden sind und er dann mit der Entstehung von Unterhaltspflichten einverstanden gewesen wäre, wäre es unbeachtlich, ob die Zeugung mit frischem, im Jahr 2007 gewonnenem Genmaterial erfolgt wäre oder mit dem noch – Abrede widrig- vorhandenen Genmaterial aus dem Jahr 2004.
59Anhand der Dokumentation der Beklagten war nicht festzustellen, dass der Kläger im Jahr 2007 mit einer der künstlichen Befruchtungen durch Verwendung seines Spermas einverstanden war. Schon bei den vorausgegangenen In-vitro-Fertilisationen sind organisatorische Defizite in der Praxis der Beklagten festzustellen. So waren von Beginn an keinerlei organisatorische Vorkehrungen getroffen worden, um die Identität des Spenders und die Berechtigung zum Empfang der Spende zu überprüfen, sei es durch Vorlage von Ausweispapieren oder Anfertigung von Lichtbildern, wie der Kammer von anderen Instituten bekannt ist, weil gelegentlich auch Ausweispapiere missbräuchlich genutzt werden oder die Identität anhand des Lichtbildes in den Papieren nicht immer zweifelsfrei ist. Zu Beginn der Behandlung ist ausschließlich die Versichertenkarte des Klägers eingelesen worden. Dass auch solche Karten missbräuchlich verwandt werden können, ist bekannt. Als sodann das Sperma des Klägers eingelagert worden ist, war seitens des einlagernden Mannes eine eidesstattliche Versicherung abzugeben, dass das Sperma von ihm herrührt. Man hat sich damit begnügt, diese Erklärung von der Zeugin N3 in Vertretung unterschreiben zu lassen, obwohl es eine höchstpersönliche, nicht durch einen Vertreter abzugebende Erklärung bleiben sollte.
60Letztlich hat sich dies zwar nicht ausgewirkt, da die Spende im Jahr 2004 unstreitig von dem Kläger herrührte, zeigt aber, dass durchgehende organisatorische Mängel bestanden.
61Zu der zweiten und schließlich auch der dritten In-vitro-Fertilisation konnte es kommen, ohne dass in diesem Zusammenhang überhaupt ein Kontrakt zu dem werdenden Vater stattgefunden hat. So ist insbesondere für das hier fragliche Jahr 2007 nicht im Streit, dass der Kläger nicht ein einziges Mal in der Praxis der Beklagten war. Man hat sich seitens der Beklagten damit begnügt, dass die erforderlichen Formularerklärungen mit nach Hause gegeben und unterschrieben – von wem auch immer – wieder eingereicht wurden. Zwar glaubt die Kammer aufgrund der Angaben des Beklagten zu 2) und der Dokumentation, dass er der Zeugin N3 gesagt hat, dass auch der Partner zur Eizellentnahme mitkommen müsse, und er durch einen Anruf des vermeintlichen Partner am 09.03.2007, dass er im Ausland weile und nicht erscheinen können, getäuscht worden ist. Die In-vitro-Fertilisation ist sodann aber erfolgt, ohne dass zu irgendeinem Zeitpunkt ein Partner in der Praxis erschienen ist. Selbst wenn jemand erschienen wäre, wäre seine Identität nicht überprüft worden.
62Es gab damit im Jahr 2007 keinen Praxiskontakt seitens des Klägers, aus dem ein Einverständnis mit der künstlichen Befruchtung unter Nutzung seines Genmaterials abzuleiten wäre.
63Soweit im Jahr 2007 zahlreiche Formulare unterzeichnet worden sind, lassen diese ebenfalls keinen eindeutigen Rückschluss zu. Die Kammer hat das in dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Hagen (511 Js 62/08) eingeholte Sachverständigengutachten von Frau M2 vom 29.12.2008 nach § 411a ZPO verwertet. Das Gutachten hat ergeben, dass bei der Erklärung zur Kostenregelung (Anlage 39), bei den Einverständniserklärungen zur Einschaltung eines Abrechnungsunternehmens (Anlage 45), zur In-vitro-Fertilisation und zum Embryotransfer (Anlage 36), zur Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (Anlage 37), zur Blastozystenkultur (Anlage 42), zum assistiertes Schlüpfen (Anlage 38), zum Einfrieren von Sperma (Anlage 43) und zur Lagerung von Sperma ( Anlage 44) die Unterschriften mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit vom Kläger herrühren. Bei den Verträgen zur Kryokonservierung von befruchteten Eizellen (Anlage 40) und zur Lagerung von Eizellen (Anlage 41) wurden die Unterschriften des Klägers durch die Zeugin N3 gefälscht. Abgesehen von diesen Fälschungen konnte die Sachverständige den höchst möglichen Grad an Wahrscheinlichkeit, den sie "mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit" bezeichnet, bei keiner Unterschrift feststellen.
64Auch nach Vernehmung der Zeugin N3 ist die Kammer nicht davon überzeugt, dass der Kläger die Unterschriften geleistet, geschweige denn bewusst geleistet hat und mit einer In-vitro-Fertilisation und seiner Vaterschaft einverstanden war. Zwar hat dies die Zeugin bestätigt, die Kammer konnte diesen Angaben aber keinen Glauben schenken.
65Wenn auch der Zeuge H keine Angaben zu dem seinerzeit erschienenen Patienten machen konnte, so mag es noch zutreffen, dass der Kläger entsprechend der Angaben der Zeugin im Jahr 2004 in der Praxis des H war und dort sein Sperma hat überprüfen lassen. Denn damals war er mit der Überprüfung grundsätzlich einverstanden und hat zu gleichem Zweck auch die Beklagten aufgesucht. Es mag auch sein, dass er die Zeugin N3 am 17.12.2003 in die Praxis begleitet hat. Die angeblich dagegen sprechende Arbeitsbescheinigung des Klägers, die noch nicht einmal einen Aussteller erkennen lässt, ist ohne Aussagewert. Dies alles mag zutreffen, denn im Jahr 2004 hat der Kläger sein Sperma einlagern lassen, und zwar in einer Kinderwunschpraxis. Dass er dies getan, um vorsorglich für Eventualitäten sein Sperma eingefroren zu haben, glaubt die Kammer dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht, sondern dass er im Jahr 2004 grundsätzlich mit einer künstlichen Befruchtung einverstanden war. Inwieweit er im Jahr 2004 in den Ablauf involviert war, ist nicht festzustellen, da sogar die Zeugin N3 angibt, dass er sich geweigert habe, an einem Gespräch mit den Ärzten teilzunehmen. Diese erste Befruchtung im Jahr 2004 war jedenfalls nicht erfolgreich. Davon, dass der Kläger in dem Folgejahr und insbesondere im Jahr 2007 mit einer künstlichen Befruchtung einverstanden war, ist die Kammer nicht überzeugt.
66Die Antwort der Zeugin N3 auf die Frage, ob der Kläger mit einer künstlichen Befruchtung einverstanden war, beschränkte sich im Wesentlichen auf die Angabe, der Kläger sei einverstanden gewesen, denn er habe schließlich die Formulare unterzeichnet. Die gesamte Aussage der Zeugin war bemerkenswert detaillos. Die Kammer hat mehrfach insistiert, um zu erfragen, welcher Entscheidungsprozess dem Entschluss zur künstlichen Befruchtung vorausgegangen ist. Dazu waren der Zeugin keine Angaben möglich. Dies aber ist nicht nachvollziehbar. Es ist etwas Besonderes, wenn ein Paar sich bewusst zur künstlichen Befruchtung entschließt. Es ist auch etwas Besonderes, wenn ein Paar sich nach einem fehlgeschlagenen Erstversuch zu einer Wiederholung entschließt, mag die Absprache auch nur darauf beschränkt sein, dass man sich bestätigt, den Versuch wegen des großen Wunsches nach einem Kind wiederholen zu wollen. Insbesondere aber ist nicht nachvollziehbar, dass, nachdem eine Befruchtung gelungen war und man ein gemeinsames Kind hatte, vor dem nächsten, dem dritten Versuch keine Absprache innerhalb des Paares stattgefunden haben soll, wie man sich die weitere Zukunft vorstellt. Immerhin hatte der Kläger eine eigene Wohnung beibehalten, mag er sich auch überwiegend bei der Zeugin aufgehalten haben. Auch die Wahrscheinlichkeit einer Mehrlingsgeburt war groß. Es handelt sich um einen bewussten Schritt in der Lebensplanung, zu dem die Zeugin keinerlei Angaben zu Planungen und Gesprächen machen konnte.
67Dass die Aussage nicht richtig ist, zeigt sich auch darin, dass die Zeugin Tatsachen nicht bestätigt hat, die nach der Dokumentation der Beklagten für die Kammer feststehen. So ist dort zunächst eine Mail vom 18.08.2006 (Anlage 30) enthalten, mit der die Zeugin N3 Kontakt mit den Beklagten aufgenommen und nachgefragt hat, ob das erste Kind, das noch gestillt werde, durch die erforderliche Hormonbehandlung Schaden nehme könne. Die Mail ist der Zeugin vorgehalten worden. Eine solche Mail ist ihr nicht in Erinnerung, ohne dass sie Angaben dazu hat machen können, wie es ansonsten zu einer ersten Kontaktaufnahme gekommen ist oder, ob es ein solches Stillproblem aus ihrer Sicht nicht gab.
68Darüber hinaus ergibt sich auch aus der Dokumentation, dass sie am 26.02.2007 mit einer Spermaprobe in der Sprechstunde erschienen ist und der Beklagte zu 1. nach Rücksprache eine Prüfung ablehnte, weil nicht feststellbar war, von wem die Probe herrührte. Die Übergabe einer solchen weiteren Probe stellt die Zeugin gänzlich in Abrede.
69Darüber hinaus hat der Beklagte zu 2. glaubhaft angegeben, dass er der Zeugin N3 gesagt habe, dass der Partner anlässlich der Eizellentnahme erscheinen solle und er an dem maßgeblichen Tag einen Anruf des vermeintlichen Partners der Zeugin erhalten habe, dass er im Ausland sei und nicht erscheinen könne. So findet sich in der Dokumentation an dem 09.03.2007 der Eintrag, dass sich der Mann im Ausland aufhalte und eine Unterschrift des Mannes nachgeholt werde.
70Abgesehen davon, dass der Beklagte zu 2. einen uneingeschränkt glaubwürdigen Eindruck gemacht hat und die Beklagten auch nicht beschönigt haben, dass der Kläger im Jahr 2007 nicht in der Praxis war, hat die Kammer an der Richtigkeit der Dokumentation keinen Zweifel. Die Dokumentation ist größtenteils handschriftlich, chronologisch und in sich stimmig und folgerichtig. Wenn die Kammer auch Versäumnisse bei der Feststellung der Identitäten sieht, so ist doch die eigentliche Behandlung sorgfältig erfolgt.
71Schließlich hat die Zeugin N3 angegeben, sich wenigstens im Jahr 2007 genau an die Unterschriftssituation erinnern zu können, als nämlich der Erstgeborene auf dem Schoß des Klägers gesessen habe. Auf Vorhalt, dass die Formulare unterschiedlichste Daten tragen, meinte sie dann allerdings, dass Formulare an unterschiedlichen Tagen unterzeichnet worden sein können. Einzelheiten zu weiteren Unterschriftsleistungen konnte sie nicht schildern. Der Vertrag zur Kostenregelung (Anlage 39) soll am 08.02.2007 unterschrieben worden sein, ebenso die Ermächtigung zur Einschaltung eines Abrechnungsinstitutes (Anlage 45), das Einverständnis zur In-vitro-Fertilisation (Anlage 36) trägt das Datum vom 10.02.2007, ebenso wie das Einverständnis zu Intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (Anlage 37) und zur Blastozystenkultur (Anlage 42), das Einverständnis zum assistierten Schlüpfen (Anlage38) trägt kein Datum, die Unterschriften zum Einlagern und Einfrieren von Sperma (Anlagen 43 und 44) tragen das Datum des 01.03.2007. In Wirklichkeit mussten also immer wieder neue Unterschriften geleistet und das Erfordernis in der – wie noch darzustellen sein wird – kriselnden Beziehung thematisiert werden, wenn denn die Unterschriften willentlich von dem Kläger geleistet worden sind.
72Durchgreifende Zweifel an der Richtigkeit der Angaben der Zeugin ergeben sich auch daraus, dass im Jahr 2007 zwei der Unterschriften von ihr gefälscht worden sind, nämlich die vom 09.03.2007 unter die Verträge zur Kryokonservierung und Lagerung von Eizellen (Anlagen 40 und 41). Dabei ist die im Ermittlungsverfahren gegebene Erklärung, dass es sich um ihre Eizellen gehandelt und sie sich deshalb zu der Erklärung berechtigt gesehen habe, nicht stichhaltig. Denn der Vertrag bezieht sich auf befruchtete Eizellen, an deren Einfrierung und Lagerung der Mann offensichtlich ein gleich großes Interesse haben musste. Auch bei ihrer Vernehmung vor der Kammer war keinerlei Unrechtsbewusstsein der Zeugin zu erkennen. Sie hat ein solches sogar ausdrücklich verneint, weil die Unterschrift angeblich dem Willen des Klägers entsprochen habe. Eine Begebenheit, bei der die Lagerung von befruchteten Eizellen für die Zukunft besprochen worden sein sollte, vermochte sie nicht zu schildern.
73Schließlich ist auch die persönliche Situation des Paares zu sehen. Auch wenn man in der Vergangenheit als Paar zusammengelebt haben mag, so war die Beziehung in der Krise. Dabei kann dahinstehen, ob man bereits endgültig getrennt war oder nicht. Denn selbst die Zeugin N3 hat eingeräumt, dass der Kläger in der Zeit, als die Unterschriften zu leisten waren, öfters 3-4 Tage nicht zu ihr kam. Dass der Kläger in dieser Situation ohne Diskussion über die Lebensplanung wissentlich einer künstlichen Befruchtung der Zeugin zugestimmt und mit betrieben haben sollte, ist schlicht unglaubhaft.
744.
75Aufgrund der künstlichen Befruchtung ist es zur Schwangerschaft der Zeugin N3 und Geburt der Kinder N und N2 gekommen. Soweit die Zeugin N3 in der Vernehmung bekundet hat, dass die Kinder auch durch einvernehmlichen Geschlechtsverkehr gezeugt sein könnten, behauptet dies keine der Parteien. Denn aufgrund der Spermaproben des Klägers steht fest, dass eine verminderte Zeugungsfähigkeit bestand. In dem Verfahren des Amtsgerichts Schwelm 34 F 267/09 ist festgestellt worden, dass der Kläger der leibliche Vater der geborenen Kinder ist.
765.
77Die Beklagten sind dem Kläger zum Schadensersatz verpflichtet.
78Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein Schadensersatzanspruch gegeben sein, wenn infolge eines ärztlichen Fehlers ein Kind zur Welt kommt, dessen Geburt bei fehlerfreiem ärztlichem Handeln vermieden worden wäre. Denn wenn in solchen Fällen aus übergeordneten Gründen kein Schadensersatzanspruch bestünde und deshalb ärztliches Fehlverhalten ohne haftungsrechtliche Konsequenz bliebe, wäre das nicht nur systemwidrig, sondern könnte auch ein gefährliches Nachlassen der medizinischen Sorgfalt in diesem Bereich zur Folge haben (BGH NJW 1980,1452; vgl. auch Müller VersR 2005, 1461). Voraussetzung eines solchen Schadensersatzanspruches ist aber, dass der Arzt durch den jeweiligen Behandlungs- oder Beratungsvertrag den Schutz vor wirtschaftlichen Belastungen durch das Kind mit übernommen hat (vgl. BGH a.a.O.).
79Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die sich auf fehlgeschlagene Schwangerschaftsabbrüche oder Sterilisationen bezieht, ist auch in der vorliegenden Fallkonstellation zu berücksichtigen. Denn wie bereits dargestellt, beinhaltete der Lagerungsvertrag nicht nur die Pflicht zur fachgerechten Lagerung des Spermas, sondern insbesondere auch das Verbot, das Sperma ohne ausdrückliche Anweisung an Dritte herauszugeben. Schutzzweck des Vertrages war es damit auch, dass nicht ohne Wissen und Wollen des Spenders Leben gezeugt wird und sodann aufgrund der gesetzlichen Unterhaltsregelungen zwangsläufig Unterhaltsansprüche der Kinder gegen den leiblichen Vater entstehen. Diese Fallkonstellation nicht zu erfassen, würde bedeuten, dass die Reproduktionsmedizin in weiten Teilen ohne Haftung bliebe.
806.
81Der Haftung der Beklagten steht nicht entgegen, dass laut § 12 des Lagerungsvertrages die Ansprüche der Vertragspartner nach Ablauf eines Jahres, gerechnet ab erfolgter oder beabsichtigter Rückgabe des Konservierungsmaterials, aufgrund von Verjährung entfallen sollen. Die Regelung, bei der es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, ist nach § 309 Nr. 7 BGB unwirksam, denn die Verjährungsregelung kommt einem Haftungsausschluss gleich, ohne dass Ansprüche aufgrund groben Verschuldens oder Verletzung von Leben, Körper und Gesundheit ausgeschlossen werden (vgl. BGH NJW 2007, 674; 2009, 1486).
827.
83Hinsichtlich der Höhe ist der Freistellungsanspruch des Klägers auf den gesetzlich geschuldeten Mindestunterhalt der Kinder bis zur Vollendung ihres 18. Lebensjahres beschränkt, sodass der Klage nur in diesem Umfang stattzugeben und sie im Übrigen abzuweisen war.
84Der Bundesgerichtshof hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 18.03.1980 (NJW 1980,1452) ausgeführt, dass der fehlerhaft behandelnde Arzt von den wirtschaftlichen Belastungen, die aus der von ihm zu verantwortenden Geburt eines Kindes hergeleitet werden, nur denjenigen Teil zu übernehmen hat, der nach durchschnittlichen Anforderungen für das Auskommen des Kindes erforderlich ist und damit nicht den familienrechtlich geschuldeten Unterhalt. Denn soweit ein wirtschaftlich mehr oder weniger gehobener Lebenszuschnitt der Eltern höhere Aufwendungen bedingt, tritt der Aspekt der familienrechtliche Teilhabe besonders stark in den Vordergrund. Jenseits der Grenze eines durchschnittlichen Auskommens ist dem Schädiger billigerweise eine Erstattung der Aufwendungen nicht zumutbar.
85Diese Beschränkung stellt eine deutliche Ausnahme vom Prinzip der Totalreparation dar, die ihren Grund in der Besonderheit dieses Schadens hat (vgl. Müller VersR 2005, 1461).
86Obwohl der Kläger anders als in den bislang entschiedenen Fällen an der Zeugung der Kinder nicht beteiligt und ein familiäres Zusammenleben nicht beabsichtigt war, sieht die Kammer keine Veranlassung von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuweichen und dem Kläger einen höheren Freistellungsanspruch zuzubilligen. Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass er die Ersatzfähigkeit des Unterhaltsaufwandes nicht auf einen Anspruch in objektiven Notlagensituationen begrenzen wollte, sondern stattdessen den Anspruch der Höhe nach schematisiert hat. Unter diesem Gesichtspunkt rechtfertigt sich eine abweichende Behandlung des vorliegenden Falles nicht. Sämtlichen Fällen ist gemein, dass das geborene Kind nicht erwünscht war und der familienrechtliche Unterhalt sich an dem Lebenszuschnitt des Unterhaltspflichtigen richtet, mag dieser getrennt leben oder nicht, mag dieser einen Kontakt zu seinen Kindern wünschen oder nicht.
87Deshalb ist der Anspruch grundsätzlich auf den Ersatz des durchschnittlichen Auskommens beschränkt, der sich früher an dem Regelunterhalt orientiert hat und nunmehr nach Wegfall des Regelunterhalts nach § 1612 a BGB i.V. m. § 36 Nr. 4 EGZPO zu bemessen ist.
88Ferner ist der Anspruch zunächst beschränkt auf die Vollendung des 18. Lebensjahres der Kinder (Vgl. BGH NJW 1980, 1452), da von dieser Altersstufe ab eine haushaltliche Betreuung durch die Eltern nur noch ausnahmsweise geschuldet wird und offen ist, ob eine länger andauernde Berufsausbildung nicht Ausdruck der gehobenen Lebenshaltung der Familie ist, deren Ersatz nicht geschuldet wäre. Trotz Erörterung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Mindestunterhalt in der mündlichen Verhandlung vom 27.10.2011 ist ein Feststellungsantrag für mögliche weitere Ansprüche nicht gestellt worden.
89II.
90Weitergehende Schadensersatzansprüche scheiden auch nach § 823 BGB aus, sodass dahinstehen kann, ob in der unbefugten Weitergabe des Genmaterials eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers zu sehen ist. Die Kammer verweist im Übrigen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Der Schutz der Menschenwürde gemäß Artikel 1 des Grundgesetzes verbietet es, die Existenz eines Kindes als Schaden zu bewerten (BGH VersR 1995, 964; BVerfG NJW 1993, 1751).
91III.
92Gemäß § 249 BGB hat der Kläger einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten, die er in Höhe einer 1,3 fachen Gebühr nach einem Streitwert von 5.748,00 € geltend macht. Da die Gebühren nach einem zu geringen Streitwert berechnet worden sind, nämlich orientiert am einfachen Jahresbetrag des gewünschten Unterhalts, hat die Kammer trotz des teilweisen Unterliegens keine Kürzung vorgenommen.
93Die Zinsforderung ergibt sich insoweit aus § 291 BGB.
94IV.
95Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Die Kammer hat dem Kläger ¼ der Kosten auferlegt, da er zeitlich unbefristet die Freistellung von Unterhaltsleistungen in Höhe der zweiten Stufe der Düsseldorfer Tabelle begehrt, ihm ein Anspruch aber nur in der zugesprochenen Höhe gebührt.
96Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
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