Beschluss vom Landgericht Dortmund - 26 O 1/11 ThUG
Tenor
Der Antrag auf Unterbringung des Betroffenen nach dem Therapieunterbringungsgesetz (ThUG) wird zurückgewiesen.
Die Auslagen des Betroffenen werden, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren, dem Antragssteller auferlegt.
1
G r ü n d e :
2Der Betroffene ist durch Urteil des Landgerichts Dortmund vom 31.10.1991 -Az.: Ks 9 Js 480/90 12 (Schw) W 6/91- wegen gefährlicher Körperverletzung in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt worden, zugleich wurde die Sicherungsverwahrung angeordnet.
3Ausweislich der Feststellungen des Urteils wuchs der Betroffene gemeinsam mit seinen zwei älteren und fünf jüngeren Geschwistern im Haushalt seiner Eltern auf. Er wurde im Alter von sechs Jahren eingeschult und wechselte kurze Zeit später auf die Sonderschule. Er musste zwei Klassen wiederholen und verließ die Schule nach der siebten Klasse. Anschließend arbeitete der Betroffene als Hilfsarbeiter.
4Mit Urteil des Landgerichts Dortmund vom 20.09.1977 wurde der Untergebrachte wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu einer Jugendstrafe von fünf Jahren verurteilte, die er unter Anrechnung der Untersuchungshaft vom 29.02.1976 bis zum 27.02.1981 verbüßte. Der Betroffene hatte am 28.02.1976 in einem von seinem Gegner begonnenen handgreiflichen Wirtshausstreit unter Alkoholeinfluss seinen Kontrahenten derartig heftig mit den Fäusten und dem beschuhten Fuß traktiert, dass dieser im Bereich des Kopfes und des Brustkorbes zahlreiche Frakturen erlitt und schließlich aufgrund von Gefäßzerreißungen im Hirn und Schädelhöhlenblutungen verstorben war.
5Während der Betroffene die Jugendstrafe verbüßte, beging er eine weitere Straftat: Er hatte am frühen Morgen des 18.12.1979 zusammen mit einem Mitgefangenen, nachdem beide sich aus dem gelockerten Vollzug entfernt hatten, einen 42 Jahre alten Mann, mit dem beide zuvor eine Zechtour unternommen hatten, gewaltsam niedergeschlagen, um ihn auszurauben. Als nach der Tat das Tatopfer stöhnende Laute von sich gab, hatte der Mitgefangene dem am Boden liegenden Opfer mit einem Holzstamm den Schädel eingestampft und ihn so tödlich verletzt. Das mit der Sache befasste Landgericht Hagen konnte nicht feststellen, dass der Betroffene dieses Tun seines Mittäters vorausgesehen oder gebilligt hatte. Es verurteilte ihn am 02.04.1981 wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Jahren, die er bis zum 27.02.1989 verbüßte.
6Der eingangs genannten Verurteilung vom 31.10.1991 lag zu Grunde, dass der Betroffene am Abend des 12.10.1990 in einer Diskothek unter Alkoholeinfluss -die Kammer ging zum Tatzeitpunkt von einer Alkoholisierung von höchstens 2,2 ‰ aus- einen anderen Gast mehrfach mit einem Bierglas gegen die Hals- und Kopfseite geschlagen und ihm so erhebliche Schnittverletzungen am Hals und im Gesicht beigefügt hatte. Ferner hatte der Betroffene einem Mann, der dem Gast zu Hilfe eilen wollte, mit dem Bierglas an der linken Halsseite verletzt. Einen Tötungsvorsatz konnte das Schwurgericht seinerzeit nicht feststellen. Es bejahte indes einen Hang des Untergebrachten zu erheblichen Straftaten und ordnete dessen Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an.
7Nachdem der Betroffene die Freiheitsstrafe verbüßt hatte, wurde ab dem 13.10.1994 die Sicherungsverwahrung vollzogen. Mit Beschluss vom 22.09.2004 -Az.: StVK 458/92K- erklärte das Landgericht Arnsberg im Rahmen der nach § 67 d Abs. 3 StGB durchzuführenden Prüfung die Maßregeln für nicht erledigt und lehnte die bedingte Entlassung des Betroffenen ab. Ferner ordnete es gemäß § 67 a Abs. 1 und 2 StGB die Unterbringung des Betroffenen in einem psychiatrischen Krankenhaus an.
8Aufgrund des Beschlusses des Landgerichts Arnsberg vom 22.09.2004 wurde der Betroffene am 21.01.2005 in das Westfälische Zentrum für Forensische Psychiatrie (WZFP) Lippstadt verlegt. Seit dem 27.01.2006 erfolgte die Behandlung des Betroffenen in der LWL-Klinik für Forensische Psychiatrie Dortmund, Wilfried-Rasch-Klinik, ehe das Landgericht Arnsberg mit Beschluss vom 05.08.2010 -Az.: III StVK 658/10-unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 -Az.: 19359/04- und die Entscheidungen des Oberlandesgerichts Hamm vom 28.05.2010 -Az.: 4 Ws 157/10- und 22.06.2010 -Az.: 4 Ws 180/10- die durch das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 21.10.1991 angeordnete Unterbringung des Betroffenen in der Sicherungsverwahrung für erledigt erklärte, da diese mehr als zehn Jahre vollstreckt worden sei. Zugleich wurde die Führungsaufsicht angeordnet und dem Betroffenen wurden diverse Weisungen im Rahmen der Führungsaufsicht erteilt. Die gegen diesen Beschluss eingelegte sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Dortmund verwarf das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 02.12.2010 -Az.: III-4 Ws 254/10-.
9Ausweislich des Berichts der Führungsaufsichtsstelle beim Landgericht Dortmund vom 06.05.2012 (Blatt 195 d. A.) verblieb der Betroffene nach der Entlassung aus der Sicherungsverwahrung zunächst auf freiwilliger Basis in der Wilfried-Rasch-Klinik, ehe er zum 01.02.2011 eine eigene Wohnung in der F-straße # in E bezog. In E habe der Untergebrachte Anschluss in einem Kirchenchor gefunden, den er bis zu seinem Umzug regelmäßig besucht habe. Der Betroffene habe umziehen müssen, weil seine Vermieterin von seiner Entlassung aus der Sicherungsverwahrung erfahren und in der Folge den Mietvertrag wegen arglistiger Täuschung angefochten sowie hilfsweise dessen Kündigung erklärt hatte. Die Beendigung des Mietverhältnisses sei in zweiter Instanz vom Landgericht Dortmund am 01.07.2011 bestätigt worden. Während des Rechtsstreits habe die Vermieterin des Betroffenen zudem als Sicherungsmaßnahme vor dessen Wohnungstür einen 24-stündigen Sicherheitsdienst postiert. Der Betroffene habe eine neue Wohnung gesucht und sei zum 04.08.2011 in die M Straße ### in E umgezogen. Trotz dieser Belastungen sei der Betroffene in dieser Zeit ruhig und besonnen geblieben. Seine Wohnung habe der Betroffene seit dem Umzug in Ordnung gehalten und er habe mit der Haushaltsführung keine Probleme. Er unterhalte gegenwärtig soziale Beziehungen zu seinen beiden Schwestern und deren Familien verbunden mit regelmäßigen Besuchen. Er stehe zudem im regelmäßigen Kontakt mit seinen Bewährungshelfern und trete diesen gegenüber stets freundlich, höflich und gesprächsbereit auf. Ferner habe er regelmäßig an der forensischen Nachsorgeambulanz teilgenommen, deren Suchtmittelkontrollen bislang zu keinen positiven Befunden geführt hätten. Die dem Betroffenen im Rahmen der Führungsaufsicht erteilten Weisungen habe er genau eingehalten, da er diese für sich als verbindlich ansehe. Schwierigkeiten habe der Betroffene indes, Maßnahmen der Polizei zu akzeptieren, die ihm gegenüber im Rahmen des analog auf ihn angewendeten Konzepts zum Umgang mit rückfallgefährdeten Sexualstraftätern (KURS NRW) getroffen würden. Am 15.03. und 16.03.2012 sei es erstmals zu verbalen Auseinandersetzungen zwischen den Polizeibeamten und dem Betroffenen gekommen, die sich zwischenzeitlich hätten klären lassen, weswegen der Betroffene weiterhin zu einer Zusammenarbeit mit der Polizei bereit sei.
10Die Kammer hat mit Beweisbeschlüssen vom 01.08.2011 zwei fachpsychiatrische Sachverständigengutachten zu den Fragen eingeholt, ob der Betroffene an einer Störung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThuG leidet, bejahendenfalls, ob eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass der Betroffene infolge der psychischen Störung das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung einer anderen Person erheblich beeinträchtigen wird, und, bejahendenfalls, welche Möglichkeiten der Behandlung bestehen, welche empfohlen werden und wie lange deren Umsetzung voraussichtlich dauern werde.
11Der Sachverständige S, der den Betroffenen am 02.10. und 07.10.2011 exploriert hat, gelangt in seinem Gutachten vom 15.10.2011, auf dessen Inhalt wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, im Anschluss an die Einschätzungen der Sachverständigen, die den Betroffenen zuletzt während des Maßregelvollzugs behandelt und begutachtet haben, zu der Diagnose, dass bei dem Betroffenen keine Persönlichkeitsstörung, sondern eher eine Störung der Impulskontrolle (ICD-10: F 63.8) vorliegt. Der Betroffene sei oft misstrauisch und argwöhnisch, was aber damit zusammenhänge, dass er komplexere Sachverhalte angesichts seiner intellektuell begrenzten Möglichkeiten nicht verstehe. Insoweit sei bei dem Betroffenen eine leichte intellektuelle Minderbegabung (ICD-10: F 70.0) zu diagnostizieren, ferner sei von einem schädlichen Gebrauch von Alkohol ohne Abhängigkeitssyndrom (ICD-10: F 10.1) auszugehen.
12Der Sachverständige konstatiert, dass die legalprognostische Situation des Betroffenen sich im Vergleich zu den letzten Begutachtungen nicht wesentlich geändert habe. Insbesondere bestehe ein großes Risiko von Gewalttätigkeiten bei erneutem Alkoholkonsum. Im Grunde resultiere die Gewalttätigkeit des Probanden einerseits aus mangelnder Einsicht im Rahmen begrenzter intellektueller Kapazität, andererseits aus einer persönlichkeitseigenen Impulsivität, die durch Alkoholeinfluss gefördert werde. Momentan lebe der Betroffene in seiner eigenen Wohnung und werde sehr umfangreich betreut. Er verhalte sich ruhig und angepasst. Zu bedenken sei dabei, dass der Betroffene in der jetzigen Lebenssituation natürlich sehr viel mehr Stressoren ausgesetzt sei als in einem geschlossenen Wohnheim oder auf der geschlossenen Abteilung in der Psychiatrie. Legalprognostisch sei natürlich ungünstig, dass der Betroffene Rückfalltäter sei und die Tat aus dem Jahre 1979 aus dem offenen Vollzug heraus begangen habe. Auch wenn er jetzt selbst seine Taten verurteile, sei nicht davon auszugehen, dass er in der Lage sei, affektiv getönten Konfliktsituationen aus dem Weg zu gehen und damit einer aggressiven Eskalation zuvor zu kommen, zumal er sich bis ins Jahr 2010 im Maßregelvollzug angesichts der Rückverlegung von Marsberg nach Dortmund -der Betroffene war ausweislich des Schreibens der Wilfried-Rasch-Klinik vom 16.07.2010 (Blatt 45 d. A.) in Marsberg in einer Wohngruppe mit überwiegend schizophrenen Mitpatienten untergebracht, mit denen er Schwierigkeiten hatte und wegen derer er sich an Mitarbeiter der Einrichtung gewandt und um seine Rückverlegung nach Dortmund gebeten hatte- irritierbar gezeigt habe. Momentan wirke er in seinem Verhalten sehr vorsichtig und verhalte sich sehr sozial angepasst. Es sei aber davon auszugehen, dass er bestrebt sein werde, seinen Freiraum auszubauen und in der Gesellschaft mehr auszuprobieren. Die Gefahr, dass der Betroffene unkontrolliert Frustrationen im sozialen Nahbereich ausgesetzt ist, seien nun viel höher und indizierten auf dem Boden der Störung auf psychiatrischen Fachgebiet auch die Gefahr erneuter Gewalttätigkeit. Komplizierend komme hinzu, dass der Betroffene über 30 Jahre in Unfreiheit gelebt habe und insofern schon ein Mangel an sozialer Kompetenz hinsichtlich des Lebens in Freiheit bestehe. Gerade dies mache ihn noch vulnerabler für Gefährdungssituationen im Zusammenhang mit Alkohol bzw. auch für das aggressive Ausleben von missgedeuteten sozialen Situationen.
13Im Ergebnis sei festzuhalten, dass bei dem Betroffenen eine psychische Störung im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG vorliege und eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür bestehe, dass der Betroffene infolge der psychischen Störung die körperliche Unversehrtheit einer anderen Person erheblich beeinträchtigen werde.
14Der Sachverständige I, der den Betroffenen am 26.10. und 28.10.2011 exploriert hat, stellt in seinem Gutachten vom 08.11.2011, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Diagnose einer leichten Intelligenzminderung mit Verhaltensstörungen (ICD-10: F 70.1). Verbunden mit dieser Störung der Hirnleistung seien eine vermehrte psychosoziale Irritierbarkeit, die sich vor allem im Kontakt mit anderen manifestiere, sowie eine vermehrte Empfänglichkeit gegenüber psychotropen Substanzen. Angesichts des Umstandes, dass der Betroffene während seiner Haft- und Unterbringungszeit sich nie extrem auffällig im Hinblick auf physisch-aggressive Übergriffe auf andere gezeigt habe, sei davon auszugehen, dass das aggressive Verhalten des Betroffenen bei seinen Straftaten in einem bedeutsamen Maße auf die Alkoholisierung zurückzuführen gewesen sei. Aus diesem Grunde könne nicht zugleich die Diagnose einer Impulskontrollstörung gestellt werden, da definitionsgemäß aggressive und impulshafte Handlungen bei einer Impulskontrollstörung nicht Folge eines anderen psychiatrischen Syndroms sein dürfen. Ferner sei bei dem Betroffenen -lediglich im Sinne einer Tatzeitdiagnose- ein schädlicher Gebrauch von Alkohol (ICD 10: F 10.1) zu diagnostizieren.
15Die bei dem Betroffenen zu diagnostizierende Intelligenzminderung mit Verhaltensstörungen sei als psychische Störung im Sinne des § 1 Abs. 1 ThUG zu klassifizieren, wenngleich die psychischen Symptome dieser psychischen Störung sich mittlerweile in einem Ausmaß zurückgebildet hätten, das die Begehung von Straftaten mit der Beeinträchtigung des Lebens, der körperlichen Unversehrtheit und der persönlichen Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung nicht mehr in einem hohen Maße wahrscheinlich erscheinen lasse. Während der Unterbringung des Betroffenen sei nämlich noch davon ausgegangen worden, dass der Betroffene nicht in der Lage sei, ohne dauerhafte Unterstützung selbständig zu leben, weswegen seine Verlegung in ein geschlossenes Heim empfohlen worden sei. Nach seiner Entlassung sei der Betroffene jedoch bislang recht gut zurechtgekommen und ihm sei es gelungen, sich nach Schwierigkeiten in der ersten Wohnung sofort eine neue Wohnung zu verschaffen. Er habe es geschafft, sein persönliches Umfeld penibel in Ordnung zu halten und könne sich selbst hinreichend beschäftigen. Weiter habe er erkannt, wie unangenehm sich Alkohol auf sein bisheriges Leben ausgewirkt habe. Er habe auf einfacher Ebene den Zusammenhang zwischen Alkohol, Fehlanpassung, Konfliktfähigkeit und aggressivem Verhalten begriffen und lebe bislang abstinent. Als prognostisch positiver Faktor komme das mittlerweile fortgeschrittene Alter des Betroffenen hinzu, denn neuere statistische Untersuchungen hätten belegt, dass mit steigendem Alter ein stetiger Rückgang der Rückfälligkeit zu strafbaren Handlungen zu verzeichnen sei. Dementsprechend sei in den letzten Jahren bei dem Betroffenen auch ein Rückgang der aggressiven Dynamik zu verzeichnen, der aber auch mit einem Hinzugewinn von an psychosozialen Kompetenzen, einer gewissen Persönlichkeitsnachreifung und der Entwicklung von Bewältigungsstrategien in den beiden forensischen Kliniken zusammenhänge. Positiv sei im Hinblick auf den sozialen Empfangsraum des Betroffenen zu vermerken, dass der Betroffene sich kooperativ im Hinblick auf die ihm auferlegten Maßnahmen verhalten und er sich peinlich genau an alle Regeln gehalten habe. Hinzukomme, dass sich offenbar die ruhige und reizarme Umgebung einer Einzelwohnung günstig auf das Verhalten des Betroffenen auswirke, der eher irritiert werde, wenn er gezwungen sei, sich in einer Umgebung aufzuhalten, in der er zusammen mit vielen unruhigen Menschen untergebracht sei. Vor diesem Hintergrund besteht bei dem Betroffenen nach der Einschätzung des Sachverständigen I unter dem Vorbehalt, dass der Betroffene weiterhin alkoholabstinent bleibe, keine besonders hohe Gefahr, dass der Betroffene im Sinne der Anlassdelinquenz wieder straffällig werde.
16Im Rahmen der Anhörung der Sachverständigen am 15.05.2012 hat der Sachverständige S ausgeführt, dass dem Untergebrachten anders als im Maßregelvollzug eine feste Struktur fehle. Dies begünstige, dass der Untergebrachte, der auf Grund seiner Minderbegabung dazu neige, Alltagssituation falsch zu verstehen, sich irritieren lasse und es zu aggressiven Impulsdurchbrüchen komme. Zwar sei seit seiner Begutachtung ungefähr ein halbes Jahr vergangen und der Betroffene habe sich in diesem Zeitraum gut geführt, weswegen sich graduell seine Prognose gebessert habe und die Wahrscheinlichkeit der Begehung neuer Straftaten gesunken sei. Wie hoch diese Wahrscheinlichkeit sei, könne er jedoch nicht genau sagen.
17Der Sachverständige I hat demgegenüber in dem Anhörungstermin erklärt, dass den Betroffenen die Umgebung im Maßregelvollzug, in der er mit schizophrenen, im Auftreten teils distanzlosen Mitpatienten konfrontiert sei, eher belaste. Der Betroffene könne sich selbst hinreichende Strukturen schaffen und mit Belastungssituationen auch außerhalb des Maßregelvollzugs umgehen, wie sich insbesondere durch sein Verhalten nach dem Verlust seiner Wohnung, während der vorangegangenen Bewachung durch einen Sicherheitsdienst und anlässlich der Verfahren vor dem Amts- und Landgericht zeige. Hinzukomme, dass der Betroffene in der Lage sei, aus negativen Erfahrungen zu lernen. Er habe daher begriffen, dass er abstinent leben müsse.
18Angesichts der widerstreitenden Ergebnisse der eingeholten Sachverständigengutachten und nach dem Ergebnis des Anhörungstermins gelangt die Kammer nicht zu der Überzeugung, dass die Voraussetzungen für eine Unterbringung des Betroffenen nach dem ThUG vorliegen. Wenngleich beide Sachverständigen den Alkoholkonsum des Betroffenen als konstellativen Faktor seiner strafrechtlichen Delinquenz herausgearbeitet haben, erscheinen der Kammer die Ausführungen des Sachverständigen I insgesamt plausibler, der konkret anhand des Verhaltens des Betroffenen seit seiner Entlassung aus dem Maßregelvollzug und den seither eingetretenen besonderen Belastungssituationen -etwa die Bewachung durch einen Sicherheitsdienst oder den Verlust der Wohnung- dessen faktische Bewährung in extramuralen Bedingungen herausgestellt hat. Diese faktische Bewährung des Betroffenen führt dazu, dass aus Sicht der Kammer nicht die Prognose gestellt werden kann, dass der Betroffene mit hoher Wahrscheinlichkeit das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer anderen Person, wie in § 1 Abs. 1 Nr. 1 ThUG vorausgesetzt, beeinträchtigen wird. Die Kammer verkennt insoweit nicht, worauf der Sachverständige S in seinen gutachterlichen Ausführungen hingewiesen hat, dass der Betroffene gegenwärtig umfangreich betreut wird und möglicherweise eben diese engmaschige Betreuung mit dazu beiträgt, dass der Betroffene sich bislang gut geführt hat und insbesondere abstinent geblieben ist. Dies zeigt jedoch zugleich, dass es einer geschlossenen Unterbringung des Betroffenen nicht bedarf, sondern die bestehenden Kontrollmechanismen über das Institut der Führungsaufsicht, ausreichend sind und damit -dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgend- im Vergleich zu einer Unterbringung nach dem ThUG das verhältnismäßig mildere Mittel darstellen.
19Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 3 ThUG, 81 Abs. 1 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, die Kosten dem Antragssteller aufzuerlegen, da der Betroffene, der seinen Lebensunterhalt durch den Bezug von Sozialleistungen bestreitet, voraussichtlich nicht in der Lage ist, die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen selbst zu tragen.
20Rechtsbehelfsbelehrung
21Gegen diesen Beschluss kann von dem Betroffenen, dem ihm beigeordneten Rechtsanwalt sowie der zuständigen unteren Verwaltungsbehörde binnen einer Frist von zwei Wochen nach seiner schriftlichen Bekanntgabe beim Landgericht Dortmund, Kaiserstraße 34, 44135 Dortmund Beschwerde eingelegt werden. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle eingelegt. Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen. Die Beschwerde soll begründet werden. Die Beschwerde kann auf neue Tatsachen und Beweismittel gestützt werden. Die Beschwerde kann nicht darauf gestützt werden, dass das Gericht des ersten Rechtszugs seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat. Eine Anfechtung dieses Beschlusses mit dem Rechtsmittel der Sprungrechtsbeschwerde ist nicht möglich.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
This content does not contain any references.