Urteil vom Landgericht Dortmund - 5 O 506/09
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d:
2Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen bösgläubigen Erwerbs von Schmuckgegenständen in Anspruch.
3Die Klägerin, die eine Großhandlung mit Schmuckwaren betreibt, belieferte den unter der Bezeichnung Q-Juwelenmacher firmierenden Q im Februar 2003 mit zahlreichen Schmuckartikeln, insbesondere auch 143 Goldketten. Hinsichtlich des genauen Inhalts der Lieferungen wird auf die Lieferscheine Blatt 16 ff. Bezug genommen. Die Klägerin vereinbarte mit Q, dass dieser die Schmuckstücke zu einem näher bestimmten Ladenpreis veräußerte und hiervon die Hälfte an die Klägerin zurückzahlte. Die Ware blieb bis zur vollständigen Bezahlung im Eigentum der Klägerin. Hinsichtlich des weiteren Inhalts der Lieferungen wird auf die Lieferscheine Blatt 16 ff. der Akte Bezug genommen.
4Herr Q stellte am 23.04.2004 Insolvenzantrag. Die Klägerin erhielt die Ketten weder vor noch nach Insolvenzantragstellung zurück.
5Herr Q wurde auf Grund dieses Verhaltens am 20.01.2006 durch das Amtsgericht Dortmund wegen veruntreuender Unterschlagung bestraft. Im Rahmen dieses Prozesses kam es zu einem Schriftwechsel zwischen den Parteien.
6Die Klägerin schrieb den Beklagten im Januar 2006 an, da dieser in der Liste der Insolvenzgeschädigten auftauchte. Sie fragte bei dem Beklagten auch nach, ob er etwas von dem Verbleib der 143 Goldketten wisse. Wegen des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 97 d.A. Bezug genommen.
7Der Beklagte antwortete mit einem Schreiben, das er einem Mitarbeiter der Klägerin am 20.01.2006 im Gerichtsflur beim Amtsgericht Dortmund im Rahmen der Hauptverhandlung gegen Herrn Q übergab. Darin teilte er mit, dass er „die Sache“ zur damaligen Zeit im guten Glauben, dass Herr Q Besitzer sei, mit 10.000,00 € beliehen habe. Herr Q habe ihm dies erst später mitgeteilt. Er, der Beklagte, schlage vor, das Pfand gegen Zahlung von 10.000,00 € zuzüglich 5 % Zinsen bei ihm, dem Beklagten, abzuholen. Wegen des weiteren Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 39 d.A. Bezug genommen.
8Mit Schreiben vom 21.03.2006 erklärte der Beklagte, dass er der Klägerin eine Frist bis zum 11.04.2006 für den Rückkauf setzte. Nach fruchtlosem Fristablauf werde er die Sachen anderweitig verwerten. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 40 d.A. Bezug genommen. Die Klägerin nahm dieses Angebot nicht an.
9Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe 143 Goldketten, die auf den Lieferscheinen Blatt 16 ff. d.A. verzeichnet und an Herrn Q ausgehändigt worden seien, von Herrn Q erhalten. Diese Goldketten stünden nach wie vor im Eigentum der Klägerin. Der Beklagte sei bei Entgegennahme der Gegenstände bösgläubig gewesen. Der Wiederbeschaffungswert der 143 Goldketten sei um 388 % gestiegen und betrage nunmehr 74.615,42 €.
10Die Klägerin hat zunächst beantragt, den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über den Verbleib der Gegenstände Auskunft zu erteilen, diese Angaben an Eides Statt zu versichern und sie nach erteilter Auskunft an die Klägerin herauszugeben, hilfsweise, 42.730,00 € nebst Zinsen an die Klägerin zu zahlen. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Antrags wird auf die Klageschrift vom 23.12.2009, Blatt 7 ff. der Akte, Bezug genommen. Nachdem der Beklagte im Rahmen des Prozesses erklärt hatte, nicht im Besitz der Gegenstände zu sein, hat die Klägerin den Klageantrag geändert und von dem Beklagten Auskunft darüber verlangt, welche Goldketten er von Herrn Q erhalten habe und zu welchem Preis er diese veräußert habe sowie nach erteilter Auskunft die aus den vorgenommenen Veräußerungen erhaltenen Beträge an die Klägerin zu zahlen. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieser Anträge wird auf den Schriftsatz vom 14.05.2010, Blatt 80 ff., Bezug genommen.
11Mit Teilurteil vom 27.09.2010 hat die Kammer den Beklagten verurteilt, der Klägerin unter genauer Beschreibung der Einzelartikel Auskunft darüber zu erteilen, welche der 143 Goldketten der Klägerin er von Herrn Q in den Jahren 2004 und 2005 erhalten habe und welche der erhaltenen Goldketten er wann und zu welchem Preis weiter veräußert habe. Hinsichtlich des weiteren Inhalts dieses Urteils wird auf Bl. 159 ff. der Akten Bezug genommen. Der Beklagte hat die Berufung gegen dieses Urteil zurückgenommen, nachdem das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 23.12.2010 den Wert des Streitgegenstandes für die Berufung des Beklagten auf 200,00 € festgesetzt hatte. Mit Schreiben vom 13.11.2010 erteilte der Beklagte der Klägerin Auskünfte. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Schreibens wird auf Blatt 8 der Beiakte „Antrag nach § 888 ZPO“ Bezug genommen. Mit Beschluss vom 10.02.2011 wies die Kammer den Antrag der Klägerin auf Festsetzung eines Zwangsgeldes mit der Begründung, der Beklagte habe den Auskunftsanspruch nicht ordnungsgemäß erfüllt, zurück. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Beschlusses wird auf Blatt 36 ff. des Sonderheftes „Antrag nach § 888 ZPO“ Bezug genommen. Das Oberlandesgericht Hamm hat die Beschwerde der Klägerin gegen diese Entscheidung mit Beschluss vom 15.04.2011 zurückgewiesen.
12In der mündlichen Verhandlung vom 24.08.2011 hat die Klägerin sodann den Antrag auf Versicherung der Richtigkeit seiner Angaben an Eides statt für erledigt erklärt, nachdem der Beklagte in dieser Verhandlung weitere Angaben gemacht hatte. Der Beklagte hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.
13Die Klägerin beantragt,
14den Beklagten zu verurteilen, an sie 74.615,42 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus einem Betrag von 42.730,00 € seit dem 08.05.2006 sowie aus einem Betrag von 32.885,42 € seit Zustellung der Klageerweiterung an den Beklagten zu zahlen.
15Der Beklagte beantragt,
16die Klage abzuweisen.
17Der Beklagte behauptet, hinsichtlich aller Schmuckgegenstände, die er von Herrn Q erworben habe, gutgläubig in Bezug auf das Eigentum Qs gewesen zu sein. Er kenne Herr Q schon seit längerem. Er habe ihm auch ein erhebliches Darlehen von 40.000,00 € gegeben, das dieser in monatlichen Beträgen von 300,00 € zurückgezahlt habe. Er habe bei einem Besuch bei Herrn Q gesehen, dass sich dort zwei Tüten mit der Aufschrift „Altgold“ und einer Gewichtsangabe befunden hätten. Er habe Herrn Q darauf angesprochen und gefragt, was es damit auf sich habe. Herr Q habe ihm gesagt, dass dies Altgold sei, das er gekauft habe und nun als Pfand für einen Kredit in Höhe von 10.000,00 € einsetzen wolle. Er habe bisher aber weder Banken noch private Pfandleiher dazu bewegen können, ihm diesen Betrag, den er unbedingt benötige, auszuhändigen. Daraufhin habe Herr Q ihn, den Beklagten gefragt, ob er bereit sei, ihm 10.000,00 € als Darlehen zur Verfügung zu stellen gegen Verpfändung des Inhalts der vorgenannten Tüten. Er, der Beklagte, habe keinen Zweifel gehabt, dass es sich hierbei um Eigentum des Herrn Q, gehandelt habe, der Juwelier sei. Herr Q habe ihm auch gesagt, dass es seine Ware sei. An der Ware hätten sich auch keine Etiketten befunden. Aus seiner Sicht sei es Altgold gewesen. Er habe erst nach einem Brief der Klägerin davon erfahren, dass es sich um Ware der Klägerin gehandelt haben könne. Er habe auch einen schriftlichen Vertrag mit Herrn Q aufgesetzt. Insoweit wird auf das von dem Beklagten eingereichte, auf den 30.01.2004 datierte und mit „Pfandkreditvertrag“ überschriebene Schreiben, Blatt 98 der Akte, Bezug genommen. Nachdem ihm Herr Q kurzfristig die 10.000,00 € nicht habe zurückzahlen können, habe er das Pfand an sich genommen und später verwertet. Er, der Beklagte, sei fest davon ausgegangen, dass sich das Pfand im Eigentum des Herrn Q befunden habe. Er bestreite, dass es sich dabei um die Schmuckgegenstände gehandelt habe, die Gegenstand der Klage seien. Wegen der weiteren Behauptungen des Beklagten wird auf die Sitzungsprotokolle vom 24.08.2011, Blatt 250 ff. der Akten, und vom 07.03.2012, Blatt 284 ff. der Akten, Bezug genommen.
18Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen Q. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20.06.2012, Blatt 314 ff. der Akte, Bezug genommen.
19E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
20A.
21Die Klage ist unbegründet.
22Der Klägerin steht kein Anspruch gegen den Beklagten aus §§ 816 Abs. 2, Abs. 1 BGB, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. 259 Abs. 1 StGB, 826 BGB, 989, 990 BGB zu.
23Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei den Gegenständen, die Herr Q dem Beklagten übergeben hat, um die Schmuckgegenstände handelt, die die Klägerin zum Gegenstand der Klage gemacht hat.
24Selbst wenn es sich um diese Schmuckgegenstände gehandelt hätte, stünde dem Beklagten ein Recht zum Besitz an diesen Gegenständen zu.
25Der Beklagte hat substantiiert dargelegt, dass Herr Q ihm im Zeitraum Dezember 2003/Januar 2004 Schmuckgegenstände gegen Auszahlung eines Darlehens in Höhe von 10.000,00 verpfändet und übergeben hat und er, der Beklagte, davon ausgegangen sei, dass Herr Q Eigentümer dieser Gegenstände gewesen sei.
26I.
27Die Klägerin hat nicht bewiesen, dass der Beklagte beim Erhalt der Gegenstände bösgläubig war.
28Der Beklagte hat unstreitig durch das Anschreiben der Klägerin aus dem Monat Januar 2006 (Bl. 97 d. A.) davon erfahren, dass diese Eigentümerin des Schmucks war. Jedenfalls zu diesem Zeitpunkt befand sich der Beklagte auch nach dem Vortrag der Klägerin im Besitz der Schmuckgegenstände. Dass der Beklagte bereits zu einem früheren Zeitpunkt Kenntnis von der Eigentümerstellung der Klägerin hatte, lässt sich weder der Beweisaufnahme noch den sonstigen Umständen entnehmen.
29Gemäß § 932 Abs. 2 BGB ist der Erwerber nicht in gutem Glauben, wenn ihm bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehört.
301.
31Der von der Klägerin benannte Zeuge Q hat diese Behauptung der Klägerin nicht bestätigen können. Der Zeuge hat im Gegenteil ausgesagt, er habe den ihm von der Klägerin überlassenen Schmuck so präpariert, dass dieser wie Altgold ausgesehen habe und für Dritte nicht erkennbar gewesen sei, dass es sich hier um Neuware gehandelt habe. Weiterhin hat er bekundet, dass er dem Beklagten erklärt habe, er, Q, sei Eigentümer des Schmucks. Unabhängig davon, ob dem Zeugen in vollem Umfang gefolgt werden konnte, lässt sich diesen Angaben jedenfalls nicht entnehmen, dass dem Beklagten bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt war, dass die Schmuckgegenstände nicht Herrn Q, sondern der Klägerin gehörten.
322.
33Auch aus den sonstigen Umständen lässt sich keine grob fahrlässige Unkenntnis des Beklagten davon, dass der Schmuck nicht im Eigentum des Zeugen Q war, entnehmen.
34a)
35So hat die Klägerin nicht beweisen können, dass es sich bei dem Schmuck offensichtlich um Neuware handelte, die erheblich unter Wert verpfändet worden ist. Der Beklagte hat erklärt, er sei davon ausgegangen, es habe sich um Altgold gehandelt. Der Klägerin ist es nicht gelungen, diese Behauptung zu widerlegen. Sie hat nicht beweisen können, dass in dem Zeitpunkt, als Q die Schmuckgegenstände an den Beklagten übergeben hat, diese noch mit Preisetiketten versehen waren. Dementsprechend konnte die Behauptung des Beklagten, von Altgold ausgegangen zu sein, nicht widerlegt werden.
36b)
37Ausgehend davon, dass es sich aus der Sicht des Beklagten um Altgold gehandelt hat, sprechen auch keine weiteren Umstände dafür, dass sich dieses nicht in Qs, sondern in fremdem Eigentum befunden hat. Der Zeuge Q war Juwelier. Die Übergabe hat unwiderlegt in seinem Geschäft stattgefunden. Dass sich diese Schmuckgegenstände nicht aus einem Ankauf des Juweiliers Q, sondern aus Kommissionsware zusammensetzten, war ihnen nicht anzusehen. Die Klägerin hat auch weder dargelegt noch unter Beweis gestellt, dass es sich erkennbar um Kommissionsware gehandelt hat.
38c)
39Allein der Umstand, dass sich der Zeuge Q, was der Beklagte auch unstreitig gewusst hat, in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat, reicht für die Annahme, dass sich von diesem verpfändeter Schmuck nicht in seinem Eigentum befand, nicht aus. Es ist vielmehr ebenso plausibel, dass ein Juwelier, der sich in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, nicht mehr mit Kommissionsware, sondern nur noch gegen Vorkasse beliefert wird und daher Eigentümer der in seinem Sortiment befindlichen Ware ist, insbesondere dann, wenn es sich wie hier - zumindest dem Anschein nach – um Altgold handelt. Es war aus Sicht des Beklagten ohne Weiteres möglich, dass es sich bei den Schmuckgegenständen, die der Zeuge Q verpfändet hat, um solche handelte, die er auch angekauft hatte.
40d)
41Auch aus der Art und Gestaltung des Erwerbsgeschäftes lassen sich keine negativen Schlüsse zu Lasten des Beklagten ziehen. Allein der Umstand, dass der Beklagte als Privatmann dem Zeugen Q einen Kredit gewährt hat und hierfür Sicherheiten entgegengenommen hat, reicht nicht aus, das Erwerbsgeschäft als unnormal oder ungewöhnlich erscheinen zu lassen. Nach der Aussage des Zeugen Q ensprach die Höhe des von dem Beklagten gewährten Darlehens dem Goldwert der ihm verpfändeten Gegenstände.
42e)
43Die Beweiserleichterungen, die die Rechtsprechnung demjenigen zuerkennt, dessen Eigentum durch den nichtberechtigten Besitzer an eine Pfandkreditanstalt verpfändet wird (vgl. BGH, Urteil vom 05.10.1981, AZ: VIII ZR 235/80), kommen der Klägerin nicht zu Gute. Der Beklagte betreibt unstreitig keine Pfandkreditanstalt.
44II.
45Die Klägerin hat auch die Beweislast daür, dass der Beklagte im Zeitpunkt der Entgegennahme des Schmucks bösgläubig war.
46Dem Eigentümer obliegt der Beweis für die die Bösgläubigkeit des Pfandgläubigers begründenden Umstände (BGH a.a.O.).
47Dass der Beklagte nach Erwerb des Pfandrechts, aber vor Verwertung des Pfandgegenstandes von der Eigentümerstellung der Klägerin erfahren hat, ist ohne Bedeutung. Es kommt auf den Zeitpunkt der Bestellung des Pfandrechts und der Besitzerlangung des Pfandgegenstandes an (Palandt-Bassenge, BGB § 1207 Rz 1f.).
48B.
49Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.
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