Urteil vom Landgericht Dortmund - 17 S 55/12
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 19.01.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung aus dem Urteil durch Hinterlegung oder Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Die Revision wird zugelassen.
1
G r ü n d e:
2I.
3Wegen des Tatbestandes wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen. Der Tatbestand des Urteils erster Instanz ist allerdings wegen offensichtlicher Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO dahingehend zu berichtigen, als dass es dort auf Seite 2 2. Absatz von unten heißen muss:
4„Zum Sondereigentum gehören ferner…“.
5Die Klägerin hat beantragt,
6den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 15.6.2011 zu TOP 8 „Farbe, Material, Glas und Größe neu einzubauender Wohnungsabschlusstüren“ für ungültig zu erklären.
7Die Beklagten haben beantragt,
8die Klage abzuweisen.
9Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben und festgestellt, dass der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 15.6.2011 zu Tagesordnungspunkt 8 „Farbe, Material, Glas und Größe neu einzubauender Wohnungsabschlusstüren“ nichtig sei.
10Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Nichtigkeit des Beschlusses daraus folge, dass die getroffene Regelung wegen absoluter Beschlussunzuständigkeit der Wohnungseigentümerversammlung einer Beschlussfassung entzogen sei. Der Beschluss habe nicht die Verwaltung gemeinschaftlichen Eigentums zum Gegenstand, da die „Türen zum Treppenhaus“ nach der Gemeinschaftsordnung dem Sondereigentum zugeordnet seien. Nach der Regelung in der Gemeinschaftsordnung unterlägen lediglich Veränderungen an den Außenseiten der Türen einem Beschlussvorbehalt. Der Beschluss gehe jedoch inhaltlich über eine Regelung betreffend Veränderungen an den Außenseiten der Türen hinaus und regele insbesondere auch Material und die Farbe an der Innenseite der Türen.
11Der Beschluss sei darüber hinaus auch deshalb nichtig, weil dadurch die in § 3 der Gemeinschaftsordnung geregelte Zulässigkeit für Veränderungen an der Türaußenseite ausgehebelt werde, da der streitgegenständliche Beschluss die Türgestaltung verbindlich festlege und damit für eine Zustimmung zu Veränderungen an der Außenseite der Türen – entgegen der Vorgabe des § 3 der Gemeinschaftsordnung – kein Raum mehr sei.
12Hiergegen wenden sich die Beklagten mit der Berufung. Sie rügen, dass das Amtsgericht rechtsfehlerhaft nicht erkannt habe, dass die in der Gemeinschaftsordnung erfolgte Qualifizierung der „Türen zum Treppenhaus“ als Sondereigentum gemäß §§ 5 Abs. 1 und Abs. 2 WEG, § 134 BGB nichtig ist. Nach Auffassung der Beklagten sind die zu den Laubengängen führenden Wohnungsabschlusstüren zwingend Gemeinschaftseigentum und ist eine in der Gemeinschaftsordnung enthaltene anderweitige Zuordnung unwirksam. Da sich der angefochtene Eigentümerbeschluss auf Bestandteile des Gemeinschaftseigentums beziehe, sei entgegen der Ansicht des Amtsgerichts die erforderliche Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümerversammlung gegeben.
13Die Beklagten beantragen,
14unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 19.1.2012, Aktenzeichen: 97a C 33/11, die Klage abzuweisen.
15Die Klägerin beantragt,
16die Berufung zurückzuweisen.
17Insbesondere unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des BGH vom 2.3.2012 (NJW 2012, 1722) und eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 4.1.2002 (NZM 2002, 571) verteidigt die Klägerin das angefochtene Urteil. Sie ist der Ansicht, dass Wohnungseingangstüren durch Teilungserklärung wirksam dem Sondereigentum zugeordnet werden könnten, da es sich nicht um einen Teil des Gebäudes handele, der für dessen Bestand oder Sicherheit erforderlich sei, und auch nicht eine Anlage oder Einrichtung sei, die dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer diene. Die Klägerin beantragt die Zulassung der Revision, sofern die Kammer sich der Auffassung der Klägerin nicht anschließe.
18Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vom 20.7.2012, Bl. 130 d.A., verwiesen.
19II.
201.
21Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist fristgerecht eingelegt und begründet worden.
222.
23Die Berufung ist auch in der Sache begründet.
24Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass mit den im angefochtenen Beschluss als „Wohnungsabschlusstüren“ bezeichneten Türen die Wohnungstüren gemeint sind, die zu den Laubengängen hinausführen. Es besteht darüber hinaus Einigkeit, dass es sich dabei auch um „Türen zum Treppenhaus“ im Sinne des § 3 der Gemeinschaftsordnung vom 24.5.1971 handelt.
25Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist der Beschluss zu TOP 8 der Eigentümerversammlung vom 15.6.2011 jedoch wirksam.
26Er ist weder nichtig, noch aus sonstigen Gründen für unwirksam zu
27erklären.
28Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts sind die zu den Laubengängen führenden Wohnungsabschlusstüren nicht dem Sondereigentum des jeweiligen Wohnungseigentümers zugehörig. Zwar bestimmt § 3 der Gemeinschaftsordnung, dass zum Sondereigentum auch die Türen zum Treppenhaus gehören, nach Auffassung der Kammer stehen die Wohnungsabschlusstüren jedoch gemäß § 5 Abs. 2 WEG zwingend im Gemeinschaftseigentum.
29In Rechtsprechung und Literatur ist die Frage, ob die Wohnungseigentümer eine Vereinbarung dahin gehend treffen können, dass Wohnungsabschlusstüren zum Sondereigentum des jeweiligen Miteigentümers gehören, umstritten. Nach überwiegend vertretener Ansicht in Rechtsprechung und Literatur stehen Wohnungsabschlusstüren zwingend vollständig im Gemeinschaftseigentum (Bärmann/Armbrüster, WEG, § 5 Rdnr. 113; OLG München ZMR 2007, 725, juris-Rdnr. 17; OLG Stuttgart, BauR 2005, 1490, juris-Rdnr. 14; so auch noch OLG Düsseldorf, Urteil vom 10.9.1999, OLGR Düsseldorf 2000, 1ff, juris-Rdnr. 10). Gleiches gilt für Balkontüren (vgl. dazu OLG Karlsruhe NZM 2002, 220). Soweit ersichtlich hat in der Rechtsprechung lediglich das OLG Düsseldorf die Auffassung vertreten, dass eine Wohnungsabschlusstür dann sondereigentumsfähig sei, wenn sie nicht für Bestand und Sicherheit erforderlich sei oder dem gemeinschaftlichen Gebrauch diene (OLG Düsseldorf ZMR 2002, 445, 446; so auch Staudinger/Rapp § 5 Rdnr. 25; i.E. offen gelassen: BayOLG vom 8.8.2002, NZM 2002, 869ff., juris-Rdnr. 24).
30Entgegen der Ansicht der Klägerin hat der BGH in seiner Entscheidung vom 2.3.2012 (NJW 2012, 1722) dagegen zu der hier relevanten Frage nicht Stellung genommen. Gegenstand der höchstrichterlichen Entscheidung ist vielmehr die Frage, ob und welchem Umfang die Wohnungseigentümer eine von den §§ 21 Abs. 5 Nr. 2, 16 Abs. 2 WEG abweichende Regelung zur Instandhaltung und –setzung treffen können.
31Nach Auffassung der Kammer ist der Auffassung des OLG Düsseldorf im Ergebnis schon deshalb nicht zu folgen, weil Wohnungsabschlusstüren immer auch insoweit dem gemeinschaftlichen Gebrauch dienen, als dass sie das Sonder- von dem Gemeinschaftseigentum abgrenzen, die Abgeschlossenheit des Sondereigentums herstellen und den Zutritt von dem Sonder- zum Gemeinschaftseigentum und umgekehrt ermöglichen. Mit der herrschenden Meinung ist daher davon auszugehen, dass Wohnungsabschlusstüren zwingend im Gemeinschaftseigentum stehen (so auch Palandt/Bassenge, WEG, 69. Aufl. 2010, § 5 Rdnr. 6; MüKo/Commichau, WEG, § 2 Rdnr. 43).
32Im hier zu entscheidenden Fall besteht überdies noch die Besonderheit, dass es sich bei den Wohnungstüren nicht um Wohnungsabschlusstüren handelt, die zu einem gemeinsamen Treppenhaus führen, das wiederum selbst nochmals durch eine Hauseingangstür vom Außenbereich und damit von äußeren Einflüssen abgegrenzt ist. Vorliegend führen die Wohnungsabschlusstüren vielmehr auf sog. Laubengänge hinaus, so dass sie nicht nur – wie auch Hauseingangstüren und Fenster – zur Herstellung der Geschlossenheit der Wohnung erforderlich sind, sondern auch von außen sichtbar sind und insbesondere auch dem Schutz des Gebäudes vor z. B. witterungsbedingten oder sonstigen außerhalb der Wohnungseigentumsanlage veranlassten Eingriffen dienen. Abgesehen davon, dass die Wohnungsabschlusstüren damit nach Auffassung der Kammer schon deshalb nach § 5 Abs. 2 WEG zwingend zum Gemeinschaftseigentum gehören, weil es sich um Teile des Gebäudes handelt, die auch für dessen Sicherheit erforderlich sind und darüber hinaus auch dem gemeinschaftlichen Gebrauch der Wohnungseigentümer dienen, liegen auch die Voraussetzungen für eine Zuordnung der Türen zum Sondereigentum nach § 5 Abs. 1 WEG nicht vor. Durch die Entfernung oder Veränderung der Wohnungsabschlusstüren würde die äußere Gestaltung des Gebäudes unweigerlich verändert. Gemäß § 5 Abs. 1 WEG können aber Gegenstand des Sondereigentums nur Bestandteile des Gebäudes sein, die verändert, beseitigt oder eingefügt werden können, ohne dass dadurch das gemeinschaftliche Eigentum oder ein auf Sondereigentum beruhendes Recht eines anderen Wohnungseigentümers über das nach § 14 zulässige Maß hinaus beeinträchtigt oder die äußere Gestaltung des Gebäudes verändert wird.
33Ob die Regelung in § 3 der Gemeinschaftsordnung dahingehend auszulegen ist, dass den jeweiligen Miteigentümern hinsichtlich der Türen zum Treppenhaus die alleinige Instandhaltungspflicht auferlegt werden soll, ist für den hier vorliegenden Rechtsstreit nicht erheblich und bedarf keiner abschließenden Entscheidung.
34Die in der Gemeinschaftsordnung getroffene Regelung, die die Türen zum Treppenhaus dem Sondereigentum zuordnet, verstößt damit gegen § 5 Abs. 2 WEG und ist nichtig, so dass die Wohnungseigentümerversammlung berechtigt war, die Gestaltung der Wohnungsabschlusstüren durch Beschluss festzulegen.
35Der Beschluss zu TOP 8 ist auch entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht deshalb nichtig, weil die in § 3 der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Möglichkeit, durch Mehrheitsbeschluss Veränderungen an der Türaußenseite vorzunehmen, in unzulässiger Weise eingeschränkt würde. Unbeschadet der Frage, ob diese Regelung bei Nichtigkeit der Zuordnung der Wohnungsabschlusstüren zum Sondereigentum noch von Relevanz ist, ist die Wohnungseigentümergemeinschaft durch die Festlegung einheitlicher Gestaltungsmerkmale aufgrund des angefochtenen Beschlusses nicht gehindert, zukünftig erneut und auch abändernd im Grundsatz oder für den Einzelfall über die Gestaltung der Wohnungsabschlusstüren zu beschließen. Die Zuordnung der Wohnungsabschlusstüren zu dem gemeinschaftlichen Eigentum lässt die nach § 3 der Gemeinschaftsordnung vorgesehene Möglichkeit jedes einzelnen Wohnungseigentümers, eine Beschlussfassung über eine abweichende Gestaltung seiner Wohnungsabschlusstür herbeizuführen, unberührt.
36Der angefochtene Beschluss entspricht nach Ansicht der Kammer auch ordnungsgemäßer Verwaltung. Eine Maßnahme entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung, wenn sie aus Sicht eines vernünftigen und wirtschaftlich denkenden Beurteilers dem Interesse aller Wohnungseigentümer und nicht nur dem von Einzelnen dient, wobei den Wohnungseigentümern ein Ermessensspielraum zusteht (BayOblG NJW-RR 2004, 1455). Eine Beschlussfassung zu dem Zweck, ein einheitliches Erscheinungsbild der Wohnungseigentumsanlage sicherzustellen, dient einem schutzwürdigen Interesse und entspricht grundsätzlich ordnungsgemäßer Verwaltung. Auch der BGH hat hinsichtlich einer entsprechenden Regelung in der Gemeinschaftsordnung, die den Zweck verfolgt, eine einheitliche Außenansicht des Gebäudes sicherzustellen, keine Bedenken geäußert (BGH, Urteil vom 2.3.2012, V ZR 174/11, juris-Rdnr. 9). Vorliegend ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass bei der Errichtung der Wohnungseigentumsanlage sämtliche Wohneinheiten mit den gleichen Wohnungsabschlusstüren ausgestattet wurden. Um den ursprünglich vorhandenen optisch einheitlichen Gesamteindruck zu bewahren, erscheint der angefochtene Beschluss geeignet und angemessen. Bei der Frage, ob die hier angefochtene Beschlussfassung den einzelnen Wohnungseigentümer unbillig beeinträchtigt, ist jedenfalls dann, wenn es auf das äußere Erscheinungsbild und einer damit einhergehenden optischen Beeinträchtigung in Form einer Verschlechterung des Wohnungseigentums ankommt, auf den Gesamteindruck sämtlicher Wohnungseigentümer abzustellen, wenn es sich um einen zusammenhängenden Gebäudekomplex handelt. Insoweit ist nicht maßgeblich, ob der einzelne Wohnungseigentümer von seinem Standort und seinem Blickwinkel gut, schlecht oder gar nicht die nach außen hin generell sichtbare optische Veränderung wahrnehmen kann (BayOblG, Beschluss vom 8.8.2002, NZM 2002, 869ff., juris-Rdnr. 26). Eine unterschiedliche Gestaltung der zu den Laubengängen führenden Wohnungsabschlusstüren ist geeignet, das Erscheinungsbild negativ zu beeinflussen. Dass auch die Beklagten dieser Auffassung sind, zeigt der bereits rechtskräftig abgeschlossene Rechtsstreit 97a C 55/08 AG Lüdenscheid (17 S 81/10 LG Dortmund). Dort war die jetzige Klägerin von den Beklagten auf Ausbau der von den übrigen Wohnungsabschlusstüren in Farbe und Gestaltung abweichenden Wohnungseingangstür in Anspruch genommen worden.
37III.
38Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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