Urteil vom Landgericht Dortmund - 21 O 361/10
Tenor
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die
Klägerin 4.001,81 € (in Worten: viertausendeins 81/100 Euro) und vorgerichtliche Kosten in Höhe von 446,13 €, beides nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.07.2010, zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 00.00.2010 gegen 17.00 Uhr in E auf dem X-damm (B 1) in Fahrtrichtung V im Bereich des B-Gebäudes ereignet hat.
3Zum Unfallzeitpunkt befuhr der Zeuge C mit dem Pkw Chrysler der Klägerin die B 1. In gleicher Richtung waren der Zeuge C2 mit einem Pkw Ford Ka des Beklagten zu 1.) sowie der Zeuge T mit einem Pkw Opel Vectra unterwegs. Es kam zu einer seitlichen Kollision der Fahrzeuge. Die Einzelheiten sind im Streit.
4Unstreitig ist lediglich, dass der Pkw Opel im äußerst linken Fahrstreifen bewegt wurde. Die B 1 weist im Unfallbereich in Fahrtrichtung V drei Fahrstreifen auf. Die Klägerin behauptet, der Zeuge C habe deutlich vor dem Zusammenstoß einen Fahrstreifenwechsel vom rechten Fahrstreifen in den mittleren Fahrstreifen abgeschlossen. Zum Unfallzeitpunkt sei der Chrysler vollständig im mittleren Fahrstreifen bewegt worden. Hier erhielt er einen Stoß gegen die linke hintere Tür, als der Zeuge C2 mit dem Pkw Ford vom äußerst linken Fahrstreifen in den mittleren Fahrstreifen wechselte.
5Die Klägerin macht materielle Schäden geltend, die der Höhe nach nicht im Streit sind. Hierzu zählen die Reparaturkosten laut Gutachten in Höhe von 7.040,90 €, die Sachverständigenkosten mit 937,72 € und eine Unfallpauschale von 25,56 €.
6Die Klägerin beantragt,
7die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 8.004,18 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.07.2010 und außergerichtliche Anwaltskosten von 825,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.07.2010 zu zahlen.
8Die Beklagten beantragen,
9die Klage abzuweisen.
10Sie behaupten zum Hergang, der Zeuge C2 habe mit dem Pkw Ford durchgehend den mittleren Fahrstreifen benutzt. Der Zeuge C habe einen unzulässigen Fahrstreifenwechsel vom rechten Fahrstreifen in den mittleren Fahrstreifen vorgenommen, so dass es zur Kollision gekommen sei.
11Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
12Das Gericht hat die Zeugen C, C2 und T sowie Frau A vernommen. Sodann ist ein unfallanalytisches Gutachten des Sachverständigen T2 eingeholt worden, das dieser mündlich erläutert hat.
13Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschriften, das schriftliche Gutachten und die Anlagen zum mündlichen Gutachten Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Die Klage ist teilweise begründet.
16Die Klägerin kann von den Beklagten gemäß §§ 7, 17 StVG, 115 VVG die Hälfte der ihr entstandenen Schäden verlangen.
17Im Rahmen der Beweisaufnahme hat der Zeuge C angegeben, dass er weit vor der Unfallstelle vom rechten auf den mittleren Fahrstreifen gewechselt sei. Sodann habe er ausschließlich den mittleren Fahrstreifen benutzt. Der Unfallgegner sei vom linken Fahrstreifen herüber gekommen und habe sein Fahrzeug gerammt.
18Die Zeugin A, Beifahrerin bei dem Zeugen C, hat bestätigt, dass dieser die mittleren Fahrstreifen benutzt habe. Auf einen vorangegangenen Fahrstreifenwechsel könne sie sich nicht erinnern.
19Der Zeuge C2, Fahrer des Pkw Ford, hat bekundet, dass er immer den mittleren Fahrstreifen benutzt habe. Das klägerische Fahrzeug sei aus dem rechten Fahrstreifen gekommen und habe ihn gerammt.
20Der Zeuge T hat bekundet, er selber habe immer den äußerst linken Fahrstreifen benutzt, zuvor sei der Pkw Ford hinter ihm im linken Fahrstreifen gewesen. Sodann habe er auf dieses Fahrzeug nicht mehr geachtet. Das klägerische Fahrzeug habe er nicht wahrgenommen.
21Bei diesem uneinheitlichen Bild der Zeugenaussagen kam dem unfallanalytischen Gutachten des Sachverständigen T2 besondere Bedeutung zu. Der Sachverständige hat den Unfall zur Überzeugung des Gerichts aufgeklärt. Ausgangspunkt seiner Beurteilung war der ungewöhnliche Kollisionswinkel von etwa 17 Grad zwischen dem Pkw Ford und dem Pkw Chrysler. Der Sachverständige hat überzeugend ausgeführt, dass ein so großer Kollisionswinkel nicht erreicht werden kann, wenn lediglich ein Fahrzeug einen Fahrstreifenwechsel ausführt. Bei einer Spurwechselbreite von 3,2 m ergibt sich bei einer Fahrgeschwindigkeit von 60 bis 70 km/h ein maximal erreichbarer Kollisionswinkel von 7,5 Grad. Legt man entsprechend der Angaben der Unfallbeteiligten eine geringere Geschwindigkeit von etwa 40 bis 50 km/h zugrunde, so ist der Kollisionswinkel von 17 Grad auch bei dem niedrigeren Geschwindigkeitsniveau nicht erreichbar. Unterstellt man, dass lediglich ein Fahrzeug wechselt, so ist ein Schwerpunktversatz dieses Fahrzeuges von 1,5 m zur Seite erforderlich. Ein solcher Schwerpunktversatz ist nur unter absolutem Verreißen der Lenkung mit einer sehr hohen Querbeschleunigung erreichbar. Führt man diese Fahrbewegung mit einer als normal empfundenen Querbeschleunigung durch, wäre ein seitlicher Versatz von etwa 7,5 m erforderlich, der im vorliegenden Fall gar nicht zur Verfügung stand.
22Der Sachverständige hat ein weiteres Argument herausgearbeitet, das das Gericht überzeugt hat. Unterstellt man einen alleinigen Spurwechsel des Beklagtenfahrzeuges, so hätte der Zeuge C2 den Entschluss zum Fahrstreifenwechsel nach rechts getroffen, als das Klägerfahrzeug etwa 8 m schräg rechts vor ihm war. Das Klägerfahrzeug war für den Zeugen C2 im Moment des hypothetischen Entschlusses vollständig sichtbar. Ein gleichwohl getroffener Entschluss setzt voraus, dass die Kollision absichtlich gesucht wurde, hierfür gibt es keinen tatsächlichen Anhaltspunkt.
23Nachdem sich herausgestellt hat, dass ein alleiniger Fahrstreifenwechsel durch den Beklagten zu 1.) nicht nachweisbar ist, hat der Sachverständige die Möglichkeit untersucht, dass der Fahrstreifenwechsel von beiden Fahrzeugen etwa zur gleichen Zeit vorgenommen worden ist. Es ergab sich dabei eine geschlossene Lösung, d. h. es erklärt sich so der große Kollisionswinkel von etwa 17 Grad und zudem lässt sich aus den weg-/zeitmäßigen Zusammenhängen herleiten, dass beide Fahrzeugführer etwa zur gleichen Zeit zum Fahrstreifenwechsel in den mittleren Fahrstreifen angesetzt haben, wo sich die Kollision ereignete.
24Das Gericht geht daher davon aus, dass es zu einem gleichzeitigen Fahrstreifenwechsel beider Fahrzeugführer in den mittleren Fahrstreifen gekommen ist. Es lässt sich dabei nicht der Nachweis führen, dass das jeweilige Fahrmanöver des anderen Verkehrsteilnehmers bereits erkennbar war.
25Bei der Abwägung ist daher zugrunde zu legen, dass jeder Fahrzeugführer seinen Entschluss zum Fahrstreifenwechsel gefasst hat, als der jeweils andere Fahrstreifenwechsel noch nicht erkennbar war. Somit lässt sich ein Verschulden eines der beiden Fahrzeugführer nicht feststellen.
26Die gemäß § 17 Abs. 3 StPO vorzunehmende Abwägung der beiderseitigen Anteile umfasst die jeweiligen Betriebsgefahren. Beide sind gleich groß, denn aus vergleichbaren Situationen heraus setzten beide Fahrzeugführer jeweils zum Wechsel in den mittleren Fahrstreifen an. Eine Schadensteilung ist unter diesen Umständen geboten.
27Der Kläger kann daher die Hälfte der Reparaturkosten in Höhe von 7.040,90 € und die Hälfte der Gutachterkosten von 937,72 € verlangen. Zudem steht ihm eine Schadenspauschale von 12,50 € zu.
28Die vorgerichtlichen Kosten bestimmen sich nach einer 1,3-Gebühr mit einem Gegenstandswert in Höhe der Urteilssumme.
29Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO.
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