Urteil vom Landgericht Dortmund - 25 O 137/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
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T a t b e s t a n d
2Die Klägerin macht Schadensersatz wegen eines Stolperunfalls geltend, der sich am 26.11.2011 zugetragen haben soll.
3Die Klägerin war am 26.11.2011 zu Fuß in Begleitung ihrer Enkeltochter auf dem Bürgersteig vom L-Weg in V unterwegs. Es handelt sich um einen asphaltierten Gehweg, der auf Höhe der Hausnummer 4 auf der straßenabgewandten Seite durch eine Mauer begrenzt ist. Auf der Seite zur Straßenfahrbahn hin befindet sich am Rande des Fußweges ein großer Baum, der Bestandteil einer Baumallee ist. Im Bereich des Baumes ist der Asphalt durch eine Baumwurzel aufgerissen. Teilweise stehen Baumwurzeln heraus. Der aufgerissene Asphalt erstreckt sich dabei nicht über die gesamte Breite des Fußweges, sondern ist auf den Bereich um den Baum begrenzt. Selbst an der schmalsten Stelle verbleibt noch ein Bereich des Gehweges, der nicht durch die Baumwurzeln beschädigt ist. Einzelheiten hierzu sind den von den Parteien eingereichten Lichtbildern, Blatt 30 und 31 sowie Blatt 51 und 52 der Akte, zu entnehmen. Nach dem behaupteten Unfall besserte die Beklagte zu 1.) auf Höhe des Hauses Nr. 4 den schadhaften Asphalt aus.
4Die Klägerin behauptet, dass sie gegen 18:30 Uhr bei einbrechender Dunkelheit auf Höhe der Hausnummer 4 über den durch die Baumwurzel aufgerissenen Asphalt gestolpert sei und sich schwer verletzt habe. Hierbei habe sie sich den Ellenbogen des linken Arms aufgerissen, so dass der Ellenbogenknochen sichtbar gewesen sei. Ferner habe sie Blutergüsse an Schulter und linkem Oberschenkel erlitten sowie breitflächige Schürfwunden an der linken Hand. Die Wunde am Ellenbogen habe im Krankenhaus V genäht werden müssen. Zudem sei ihre etwa 3 Jahre alte Jacke im Ellenbogenbereich aufgerissen worden. Bis heute könne sie mit der linken Hand nicht so zugreifen wie vor dem Unfall. Unstreitig ist insoweit allerdings, dass die Wunde am Ellenbogen, die Schürfwunde und die Blutergüsse abgeheilt sind.
5Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr ein angemessenes Schmerzensgeld mindestens in Höhe von 3.000,00 € zustünde sowie ein Haushaltsführungsschaden von monatlich 80,00 €. Insoweit behauptet sie, dass sie bis heute nicht in der Lage sei, den Haushalt schmerzfrei zu versorgen. Zudem bestehe die Besorgnis einer Verschlechterung des Gesundheitszustandes. Eventuell müsse die Klägerin wegen möglicher Folgeschäden, etwa Arthrose, einen Pflegedienst früher in Anspruch nehmen.
6In ihrer Klageschrift vom 27.04.2012 hat die Klägerin zunächst auch Klage gegen die ehemalige Beklagte zu 2) erhoben. Insoweit wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 27.04.2012 verwiesen. Mit Schriftsatz vom 20.07.2012 hat die Klägerin ihre Klage gegen die Beklagte zu 2) zurückgenommen.
7Die Klägerin beantragt nunmehr mit der am 30.05.2012 zugestellten Klage,
81. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 3.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.03.2012 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 191,65 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen,
92. festzustellen, dass die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, ihr sämtlichen weiteren materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihr anlässlich des Unfalls vom 26.11.2011 gegen 18:30 Uhr in V auf dem Bürgersteig vom L-Weg in Höhe des Hauses Nr. 4 entstehen wird, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
10Die Beklagte zu 1) beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Die Beklagte zu 2) hat außerhalb der mündlichen Verhandlung Kostenantrag gestellt.
13Die Beklagte zu 1.) ist der Ansicht, dass schon keine Verkehrssicherungspflichtverletzung vorliege. Der Unfallort stelle keine beseitigungsbedürftige Gefahrenstelle dar. Zudem behauptet die Beklagte zu 1.), dass die Klägerin die Unebenheiten hätte umgehen können. Auf dem Teil des Bürgersteiges, der keinerlei Unebenheiten aufweise, könnten auch zwei Personen ohne Weiteres nebeneinander laufen. Schließlich ist die Beklagte zu 1.) der Ansicht, dass es sich bei den behaupteten Verletzungen der Klägerin allenfalls um Bagatellverletzungen handele.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15Die Klage ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
16Soweit die Klägerin die Feststellung der Schadensersatzpflicht für zukünftigen materielle und immateriellen Schäden begehrt, besteht kein Feststellungsinteresse gemäß § 256 ZPO. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist auch bei der Verletzung eines absoluten Rechtsguts ein Feststellungsinteresse dann zu verneinen, wenn aus Sicht des Geschädigten bei verständiger Würdigung kein Grund besteht, mit dem Eintritt eines Schadens wenigstens zu rechnen (BGH NJW-RR 2007, 601 m.w.N.). Zwar behauptet die Klägerin hier, dass eine Arthrosebildung aufgrund der Verletzung möglich sei und deshalb möglicherweise ein Pflegedienst früher als sonst in Anspruch genommen werden müsse. Dieser Vortrag genügt allerdings nicht, um die Möglichkeit künftiger Schäden substantiiert darzulegen. Es ist schon nicht dargetan, inwieweit die Verletzung grundsätzlich geeignet sein soll, in Zukunft eine Arthrosebildung hervorzurufen, geschweige denn, inwieweit deswegen evtl. ein Pflegedienst früher in Anspruch genommen werden müsste. Die Wunde selbst ist nach dem Vortrag der Klägerin abgeheilt. Anhaltspunkte für Folgeerkrankungen und damit verbundener materieller wie immaterieller Schäden sind hier bei verständiger Würdigung der Verletzung nicht ersichtlich.
17Im Übrigen ist die Klage zwar zulässig, allerdings unbegründet.
18Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Insbesondere besteht kein Schadensersatzanspruch nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG. Zwar hat die Klägerin hier eine Verletzung an ihrem Ellenbogen, mithin an ihrer Gesundheit, erlitten. Allerdings fehlt es an einem haftungsbegründenden Unterlassen der Beklagten zu 1), weil ihr hinsichtlich der Beseitigung des durch die Baumwurzel aufgerissenen Asphalts keine Verkehrssicherungspflicht oblag. Zwar ist die Beklagte zu 1), unabhängig davon, ob es sich bei der Straße L-Weg um eine Kreisstraße oder eine Gemeindestraße handelt, gemäß §§ 9, 43 Abs. 1 Nr. 1 bzw. § 47 Abs. 1 StrWGNW Trägerin der Straßenbaulast und damit auch Verkehrssicherungsverpflichtete. Allerdings fehlt es vorliegend an einer Verletzung der Verkehrssicherungspflicht. Die Beklagte zu 1) hat ihren Obliegenheiten insoweit Genüge getan.
19Der Pflichtige muss in geeigneter und in objektiv zumutbarer Weise nach den Verhältnissen im Einzelfall alle, aber auch nur diejenigen Gefahren ausräumen, die für den sorgfältigen Benutzer nicht oder nicht rechtzeitig erkennbar sind und auf die er sich nicht oder nicht rechtzeitig einzustellen vermag. Der Umfang der Verkehrssicherungspflicht richtet sich dabei insbesondere nach der Verkehrsart, dem Verkehrsaufkommen und der Verkehrsgeschwindigkeit, die nach Art der Verkehrsfläche zu erwarten sind. Grundsätzlich muss der Benutzer dabei die Verkehrsfläche so hinnehmen, wie sie sich ihm darbietet, und sein Verhalten den gegebenen Verhältnissen anpassen. Der Verkehrssicherungspflichtige schuldet damit nur diejenigen Vorkehrungen, für die ein echtes Sicherungsbedürfnis besteht (hierzu Palandt/Sprau, 71. Aufl. 2012, § 823, Rn. 221, OLG Hamm, NZV 2005, 525).
20Vorliegend fehlt es an einem solchen echten Sicherungsbedürfnis, so dass eine Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1) in Form der Beseitigung des aufgerissenen Asphalts und der Baumwurzel nicht ersichtlich ist. Wie sich aus den von den Parteien zur Akte gereichten Ablichtungen, Blatt 30 bis 31 und 51 bis 52 der Akte, ergibt, ragen die Wurzeln des Baumes und der dadurch aufgerissene Asphalt nicht über den gesamten Fußweg. Vielmehr verbleibt noch ein breiterer Teil des Fußweges, auf welchem sich keine derartigen Unebenheiten befinden. Dieser verbleibende Teil des Fußweges ist ausreichend breit, so dass wenigstens eine Person dort entlang laufen kann, vermutlich sogar mehrere Personen nebeneinander. Dies geht insbesondere aus dem oberen Bild auf Blatt 31 der Akte hervor, auf welchem eine Person direkt an der Unfallstelle steht, und zwar dort auf dem unbeschädigten asphaltierten Teil des Fußweges. Ausweislich der Fotografie hat die dort stehende Person ausreichend Platz sowohl zu der Mauer im Hintergrund als auch zu den beginnenden Unebenheiten des Wurzelbereichs. Damit ist der Fußweg jedenfalls breit genug, um den Unebenheiten auszuweichen. Insoweit kann dahinstehen, ob es sich tatsächlich um die von der Beklagtenseite behaupteten drei Meter handelt und ob dort tatsächlich zwei Personen nebeneinander entlang laufen können. Jedenfalls gibt es einen für eine Person ausreichend breiten Bereich des Fußweges, der gefahrlos begangen werden kann.
21Es ist auch nicht vorgetragen, dass der zu erwartende Verkehr auf dem Fußweg so hoch und so schnell ist, dass von einer übermäßigen Sicherungspflicht auszugehen wäre. Es handelt sich vielmehr um einen reinen Fußweg. Darüber hinaus ist im Bereich von Bäumen, wie es auf dem L-Weg mit der Baumallee der Fall ist, stets mit Wurzeln zu rechnen. Hierauf musste sich die Klägerin als Fußgängerin einstellen. Insoweit sind die Bäume und deren Wurzelbereich ohne Weiteres sichtbar.
22Soweit die Klägerin einwendet, dass zum Unfallzeitpunkt einbrechende Dunkelheit herrschte, so trägt sie nicht vor, dass dies dazu geführt habe, dass sie die Wurzeln nicht erkannt habe, etwa weil keine ausreichende Beleuchtung vorhanden war. Letztlich kann dies aber auch dahinstehen, da sie jedenfalls gefahrlos in der Nähe der Mauer hätte laufen können.
23Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Beklagte zu 1) zeitlich nach dem behaupteten Unfall den aufgebrochenen Asphalt ausbessern ließ. Der Beklagten zu 1) bleibt unbenommen, die Straßen im Gemeindegebiet über das durch die Verkehrssicherungspflichten beschriebene Mindestmaß hinaus zu unterhalten. Ein Indiz für eine Verkehrssicherungspflichtverletzung folgt hieraus gleichwohl nicht.
24Mangels Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1) scheidet damit ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus.
25Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 Abs. 3 S. 2 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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