Schlussurteil vom Landgericht Dortmund - 21 O 323/10
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
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T a t b e s t a n d
2Der Kläger macht Ansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 13.09.2008 auf der N-straße in I geltend. Bei dem Unfall fuhr ein Fahrzeugführer mit dem bei der Beklagten versicherten Fahrzeug auf den Motorroller des Klägers auf. Der Kläger wurde vom Roller geschleudert und erlitt eine Fraktur des dritten Lendenwirbelkörpers sowie multiple Prellungen.
3Der Unfallhergang und die Einstandspflicht der Beklagten dem Grunde nach sind zwischen den Parteien unstreitig und die materiellen Schäden wurden ausgeglichen. Die Beklagte zahlte an den Kläger ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000,00 Euro.
4Der Kläger behauptet, er habe noch heute ständig Schmerzen, u.a. im Bereich der Hüfte und erhalte regelmäßig Schmerzmittel. Außerdem werde er wöchentlich durch physiotherapeutische Maßnahmen unterstützt, wodurch aber keine Schmerzlinderung zu verzeichnen sei.
5Am linken Unterschenkel habe er keine Schmerzempfindungen, es bestünden aber starke Schwächegefühle im rechten Bein.
6Er trage ein 3-Punkte-Korsett, ohne das er sich unsicher und instabil fühle und ohne welches er unter starken Schmerzen leide. Er sei nicht in der Lage, länger als 30 Minuten zu stehen oder zu gehen und könne auch nur unter Zuhilfenahme von Gehhilfen laufen. Darüber hinaus leide er wegen der Schmerzen unter Schlafstörungen. Auch beim Anziehen benötige er Hilfe. Sein soziales Leben habe sich aus diesen Gründen geändert, er könne weder Sport treiben, noch Sportveranstaltungen, kulturelle Veranstaltungen oder familiäre Festlichkeiten besuchen.
7Daher, so die Auffassung des Klägers, sei eine Schmerzensgeldrente oder die Zahlung eines kapitalisierten Schmerzensgeldbetrages angemessen.
8Der Kläger hat ursprünglich beantragt,
91) Die Beklagte zu verurteilen, an ihn wegen des Verkehrsunfalls Datum 13.09.2008 eine monatliche Rente in Höhe von 420,00 Euro, beginnend mit dem 14.09.2008, zu zahlen,
102) Festzustellen, dass die Beklagte schadensersatzpflichtig ist wegen sämtlicher Folgeschäden, die sich aus dem Verkehrsunfall Darum 13.09.2008, N-straße, ##### I, ergeben,
11hilfsweise,
12die Beklagte zu verurteilen, an ihn wegen des Verkehrsunfalls Datum 13.09.2008, ein angemessenes weiteres Schmerzensgeld begrenzt bis zum 30.06.2010 zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, dessen Betrag durch den Kläger mit noch EUR 25.000,00 beziffert wird,
13Die Beklagte hat den Klageantrag zu 2) mit Schriftsatz vom 30.11.2010 in einer von ihr umformulierten Fassung anerkannt. In der mündlichen Verhandlung am 23.03.2011 hat der Kläger den Antrag zu 2) in dem Umfang aufrechterhalten, in dem er von der Beklagten anerkannt worden ist und ihn im weitergehenden Umfang zurückgenommen.
14Mit Teilanerkenntnisurteil vom 23.03.2011 ist festgestellt worden, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche zukünftigen materiellen und nicht vorhersehbaren zukünftigen immateriellen Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 13.09.2008 in I zu ersetzen.
15Der Kläger beantragt nunmehr,
16die Beklagte zu verurteilen, an ihn wegen des Verkehrsunfalls Datum 13.09.2008 eine monatliche Rente in Höhe von 420,00 Euro, beginnend mit dem 14.09.2008, zu zahlen,
17Hilfsweise
18die Beklagte zu verurteilen, an ihn wegen des Verkehrsunfalls Datum 13.09.2008, ein angemessenes weiteres Schmerzensgeld begrenzt bis zum 30.06.2010 zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, dessen Betrag durch den Kläger mit noch EUR 25.000,00 beziffert wird,
19äußerst hilfsweise,
20die Beklagte zu verurteilen, an ihn wegen des Verkehrsunfalls Datum 13.09.2008, ein angemessenes weiteres Schmerzensgeld ohne zeitliche Begrenzung zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mit einer Vorstellung zur Höhe von 40.000,00 Euro.
21Die Beklagte beantragt,
22die Klage abzuweisen.
23Sie ist der Auffassung, ein Antrag auf Zahlung eines zeitlich begrenzten Teilschmerzensgeldes sei unzulässig und er sei der Höhe nach übersetzt. Darüber hinaus bestreitet sie, dass die beim Unfall erlittene Lendenwirbelkörperfraktur nicht ausgeheilt sei. Die Beschwerden des Klägers seien nicht darauf zurückzuführen. Die sonstigen Wirbelsäulenschäden seien degenerativen Ursprungs.
24Die Beklagte bestreitet eine paravertebrale Beschwerdesymptomatik und eine radikuläre Reizsymptomatik als Unfallfolge.
25Sie bestreitet die vom Kläger behaupteten Bewegungseinschränkungen und Schmerzzustände mit Nichtwissen und darüber hinaus, dass diese unfallbedingt seien.
26Der Höhe nach seien die Schmerzensgeldvorstellungen des Klägers übersetzt. Ab dem 28.04.2009 habe allenfalls noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % vorgelegen. Dies rechtfertige keine Schmerzensgeldrente. Im Übrigen sei der Kläger infolge des Arbeitsunfalls im Jahr 1992 bereits berufsunfähig und die nun verbleibende, allenfalls geringe, Minderung der Erwerbsfähigkeit wirke sich nicht auf den ohnehin berenteten Kläger aus.
27Mit der Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 5.000,00 Euro seien die erlittenen Verletzungen und diese allenfalls geringe Minderung der Erwerbsfähigkeit abgegolten.
28Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien, insbesondere der vom Kläger behaupteten Beschwerden im Einzelnen, wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst ihrer Anlagen verwiesen.
29Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2011 den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch Einholung eines fachorthopädisch-unfallchirurgischen Sachverständigengutachtens des Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie T.
30Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.03.2011, Bl. 34 ff. d. A., sowie auf das Gutachten des Sachverständigen T vom 11.10.2011 und seine Stellungnahme vom 15.05.2012 verwiesen, die sich in den Anlagen befinden.
31E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
32Die zulässige Klage ist unbegründet.
33Der Kläger kann von den Beklagten gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 StVG, § 115 VVG kein weiteres Schmerzensgeld verlangen. Er hat nicht bewiesen, dass die von ihm behaupteten Einschränkungen Folgen des Verkehrsunfalls vom 13.09.2008 sind.
34Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger zwar bei dem Verkehrsunfall am 13.09.2008 einen Bruch des dritten Lendenwirbelkörpers und multiple Körperprellungen erlitten hat. Die nun vom Kläger behaupteten körperlichen Einschränkungen sind aber nicht mehr auf diesen Unfall zurückzuführen. Das Gericht nimmt Bezug auf die gewonnenen Erkenntnisse durch das fachorthopädische Sachverständigengutachten.
35Der Sachverständige T hat den Kläger am 10.10.2011 untersucht und die ihm überlassenen ärztlichen Unterlagen, Krankenberichte und die entsprechende bildgebende Dokumentation ausgewertet. Er hat ergänzend unter dem 15.05.2012 eine Stellungnahme zum ärztlichen Attest von Herrn S vom 13.03.2012, Bl. 162 d. A., und dessen Gutachten, Bl. 167 ff. d. A., angefertigt.
36Er hat festgestellt, dass der beim Unfall erlittene Bruch des dritten Lendenwirbelkörpers knöchern fest und ohne wesentliche Deformierung verheilt ist. Auch eine Computertomographie der Lendenwirbelsäule hat in den mittleren und unteren Bereichen keinen wesentlichen Verschleiß der Lendenwirbelsäule gezeigt. Auf fachorthopädischem Gebiet findet sich daher nach Angaben des Sachverständigen für die vom Kläger geschilderten Beschwerden keine Erklärung.
37Eine Notwendigkeit zum Tragen eines Korsetts oder der Verwendung von Unterarmgehstützen war für den Sachverständigen nicht nachvollziehbar. Eine Muskelminderung an den Beinen oder neurologische Ausfälle konnten durch ihn nicht festgestellt werden.
38Mögliche, dann aber eindeutig unfallunabhängige, Ursachen für die Beschwerden könnten möglicherweise tageweise leichte schmerzhafte Verspannungen der Lendenwirbelmuskulatur und gegebenenfalls eine Wetterfühligkeit sein. Eine Aggravation der Beschwerden oder eine Somatisierung psychischer Probleme sei außerdem naheliegend. Dies wird vom Kläger aber vehement verneint.
39Eine Ursächlichkeit des Verkehrsunfalls für die vom Kläger geschilderten Beschwerden besteht jedenfalls nach Überzeugung des Gerichts nicht. Somit sind die sonstigen vom Kläger behaupteten Einschränkungen in der Lebensgestaltung, die ein weiteres Schmerzensgeld rechtfertigen würden, auch nicht Folge des Unfalls.
40Eine Minderung der Erwerbsfähigkeit oder in der Haushaltsführungfähigkeit des Klägers wären nach dem Sachverständigengutachten auch nur dann nachvollziehbar, wenn wesentliche Deformierungen gegeben wären, was sich anhand der bildgebenden Dokumentation hätte feststellen lassen. Dies war aber nicht der Fall.
41Hinsichtlich zukünftig zu erwartender Auswirkungen des Bruchs des Lendenwirbelkörpers sind nach dem Sachverständigengutachten schwerwiegendere Komplikationen nicht zu erwarten. Ein vorzeitiger Verschleiß könne sich vielleicht in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten einstellen. Auf den gegenwärtigen Röntgenaufnahmen sei dies an den benachbarten Zwischenwirbelräumen des dritten Lendenwirbelkörpers jedoch noch nicht sichtbar. Auf diese Fragen kommt es aber nicht mehr an, da hinsichtlich des Feststellungsantrags ein Teilanerkenntnisurteil ergangen ist.
42Soweit der Kläger sich gegen die Beurteilung des Sachverständigen T gewandt und dazu Stellungnahmen seines Arztes S vorgelegt hat, hat dies zu keiner anderen Auffassung des Gerichts geführt.
43Die klägerische Behauptung, der Sachverständige habe ihn nur kurz untersucht, sieht das Gericht nach der Stellungnahme des Sachverständigen als widerlegt an. In einer wie vom Kläger behaupteten kurzen Zeit von 7 Minuten hätte der Sachverständige die von ihm dokumentierten Untersuchungen gar nicht durchführen können.
44S als behandelnder Arzt schildert in seinen Attesten und Stellungnahmen die objektiv sichtbaren Veränderungen im Bereich des dritten Lendenwirbelkörpers, mit denen sich der gerichtlich bestellte Sachverständige bereits eingehend auseinandergesetzt hatte und die sich, wie oben erörtert, nur möglicherweise in fernerer Zukunft auswirken können, was durch das Teilanerkenntnisurteil erledigt ist.
45Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
46Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger. Mangels eines sofortigen Anerkenntnisses war § 93 ZPO nicht anwendbar. Die Beklagte hat nämlich zunächst angezeigt, sich gegen die Klage verteidigen zu wollen und den Klageantrag zu 2) erst mit der Klageerwiderung anerkannt. Das Gericht hat den Streitwert des anerkannten ursprünglichen Klageantrags zu 2) aber mit 2.000,00 Euro und die des verbleibenden Rechtsstreits gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. § 45 Abs. 1 S. 2, 3 GKG mit 25.200,00 Euro angesetzt, so dass ein Fall des § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorliegt und dem Kläger aus diesem Grund die gesamten Kosten des Rechtsstreits auferlegt werden.
47Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
48Der Streitwert wird auf 27.200,00 Euro festgesetzt.
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