Urteil vom Landgericht Dortmund - 5 O 24/11
Tenor
1.
Der Beklagte wird verurteilt, den PKW VW T5 Multivan Highline 2,5 TDI DPF mit der Fahrzeugidentnummer ################# nebst zugehöriger Schlüssel an die Klägerin herauszugeben.
2.
Dem Beklagten wird zur Herausgabe der unter Ziffer 1) genannten Gegenstände eine Frist von 2 Wochen nach Rechtskraft gesetzt, nach deren Ablauf die Klägerin berechtigt ist, die Leistung abzulehnen.
3.
Für den Fall, dass der Beklagte seiner Leistungsfrist nicht fristgerecht nachkommt, wird er verurteilt, an die Klägerin 17.773,11 € (i. W. siebzehntausendsiebenhundertdreiundsiebzig 11/100 Euro) netto zu zahlen.
4.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 17 % und der Beklagte 83 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Herausgabe eines Kraftfahrzeugs.
2Die Klägerin, eine Leasingfirma, erwarb das streitgegenständliche Fahrzeug mit Kaufvertrag vom 11.10.2007. Mit Mietkaufvertrag vom 11.09.2007/17.10.2007 überließ sie das Fahrzeug der Firma I. Die Mietzeit betrug 48 Monate, der monatliche Mietzins 690,00 €. Die Klägerin verpflichtete sich, sofern die Mieterin alle Verpflichtungen aus dem Mietvertrag erfüllte, das Eigentum am Mietobjekt nach Ablauf der Mietzeit auf den Mieter zu übertragen. Hinsichtlich des weiteren Inhalts des Mietkaufvertrages wird auf Blatt 5 sowie 48 der Akte Bezug genommen. Die Firma I wurde sodann als Halterin in die Zulassungsbescheinigung II (Fahrzeugbrief) eingetragen. Der Fahrzeugbrief verblieb vereinbarungsgemäß bis zum Ablauf der Mietzeit bei der Klägerin.
3Wegen Zahlungsrückstands kündigte die Klägerin den Mietkaufvertrag am 09.04.2010 und forderte die Firma I auf, ihr das Fahrzeug bis zum 14.04.2010 auszuhändigen.
4Der Beklagte erlangte im März 2010 Besitz an dem Fahrzeug. Mit Schreiben vom 12.10.2010 wandten sich die Prozessbevollmächtigen der Klägerin an den Beklagten, wiesen ihn auf das Eigentum der Klägerin hin und forderten ihn zur Herausgabe des Fahrzeugs an die Klägerin auf. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 9 f. der Akte Bezug genommen.
5Der Beklagte antwortete mit Schreiben vom 19.10.2010, in dem er mitteilte, dass Herr L aus E bevollmächtigt sei, für ihn, den Beklagten, in dieser Angelegenheit zu korrespondieren. Hinsichtlich des genauen Inhalts dieses Schreibens wird auf Bl. 57 der Akte Bezug genommen. Der Beklagte gab das Fahrzeug nicht an die Klägerin heraus.
6Die Klägerin behauptet, sie sei Eigentümerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs, der Beklagte Besitzer. Der Fahrzeugwert betrage 21.420,00 €.
7Die Klägerin beantragt, den Beklagten zu verurteilen
81.
9das im Tenor näher bezeichnete Fahrzeug an die Klägerin herauszugeben,
102.
11für den Fall der Nichtherausgabe des im Klageantrag zu 1) genannten Fahrzeugs binnen einer Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft des Urteils an die Klägerin 21.420,00 € zu zahlen.
12Der Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Der Beklagte bestreitet das Eigentum der Klägerin mit Nichtwissen. Der Beklagte behauptet, er habe das Fahrzeug von der Firma I kaufen wollen und auch eine Anzahlung geleistet. Daraufhin sei ihm das Fahrzeug ausgehändigt worden. Zu einem schriftlichen Kaufvertrag sei es nicht mehr gekommen. Er sei bei Erwerb des Fahrzeugs in gutem Glauben gewesen, aber selbst das Opfer von Betrügern geworden. Er sei in rechtlichen Dingen völlig unerfahren und ausgesprochen gutgläubig. Er sei auch nicht mehr Besitzer des Fahrzeugs. Die Firma I habe das Fahrzeug am 24.11.2010 mit Hilfe eines Zweitschlüssels wieder an sich genommen. Das Fahrzeug sei auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellt gewesem. Er wisse nicht, wo sich das Fahrzeug befinde.
15Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zum Fahrzeugwert. Hinsichtlich des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen H vom 21.03.2012 sowie seine ergänzende Stellungnahme vom 08.08.2012 Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17A.
18Die Klage ist im erkannten Umfang begründet.
19I.
20Die Klägerin kann von dem Beklagten Herausgabe des Fahrzeugs aus § 985 BGB verlangen.
211.
22Die Klägerin ist Eigentümerin des Fahrzeugs. Die Klägerin hat durch Vorlage des Fahrzeugbriefs sowie durch Vorlage sowohl des Kaufvertrags mit der Voreigentümerin als auch des Mietkaufvertrags substantiiert dargelegt, dass sie bei Abschluss des Mietkaufvertrags Eigentümerin des Fahrzeugs war. Diese Tatsache ist als zugestanden im Sinne des § 138 ZPO anzusehen. Der Beklagte hat das Eigentum der Klägerin lediglich mit Nichtwissen bestritten. Dieses ist angesichts der Darlegungen der Klägerin unter Vorlage von Kopien der entsprechenden Urkunden nicht ausreichend. Die Klägerin hat ihr Eigentum auch nicht an die Firma I verloren. Eine Eigentumsübertragung an diese Firma ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Es bestand auch kein Anlass für eine Eigentumsübertragung, da die Firma I ihre Zahlungspflichten aus dem Mietvertrag nicht erfüllt hat.
232.
24Ob der Beklagte im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch Besitzer des Fahrzeugs war, kann dahin stehen. Der Schuldner kann zur Herausgabe verurteilt werden, ohne Beweis über die von diesem behauptete Unmöglichkeit der Leistungsklage zu erheben, wenn die nachträgliche subjektive Unmöglichkeit der Herausgabe vom Gläubiger bestritten wird und der Schuldner die behauptete Unmöglichkeit zu vertreten hätte (vgl. Palandt-Bassenge, BGB, 71. Auflage, § 985 Rz. 14).
25Die Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin bestreitet den Besitzverlust des Beklagten. Für den Fall eines inzwischen eingetretenen Besitzverlusts haftet der Beklagte der Klägerin auf Schadenersatz aus §§ 989, 990 BGB.
26a)
27Der Beklagte war in der Zeit, in der er unstreitig Besitzer war, nicht in gutem Glauben gemäß § 990 BGB. Dabei kann dahin stehen, ob der Beklagte trotz fehlender Übergabe des Kfz-Briefes bei Erwerb des Besitzes noch gutgläubig war. Jedenfalls im Zeitpunkt des Zugangs des Schreibens der Klägerin vom 12.10.2010 war der Beklagte bösgläubiger Besitzer, § 990 Abs. 1 S. 2 BGB. Der Zugang des Schreibens jedenfalls vor dem 19.10.2012 ergibt sich daraus, dass der Beklagte am 19.10.2012 auf das Schreiben vom 12.10.2010 geantwortet hat. Aus dem Inhalt des Schreibens vom 19.10.2010 konnte der Beklagte auch zweifelsfrei entnehmen, dass die Klägerin ein Eigentumsrecht an dem Fahrzeug geltend machte.
28b)
29Der Beklagte hat den – insoweit zu unterstellenden – nach Zugang des Schreibens erfolgten Besitzverlust auch zu vertreten. Eine objektive Pflichtverletzung liegt bereits in der fehlenden Rückgabe des Fahrzeugs trotz Aufforderung der Klägerin vom 12.10.2012, mit der sich der Beklagte aufgrund der Fristsetzung der Klägerin im Zeitpunkt des –unterstellten – Verlusts des Fahrzeugs im Verzug befand. Dem Vorbringen des Beklagten lässt sich auch nicht entnehmen, dass er die Pflichverletzung nicht zu vertreten hat. Er hat das Fahrzeug vielmehr noch am 24.11.2010 auf einem öffentllichen Parkplatz in Kenntnis des Umstandes, dass eine andere Person einen Zweitschlüssel besaß, abgestellt, ohne das Fahrzeug weiter zu sichern. Er musste auch mit einer Inbesitznahme durch die Firma I rechnen, da er unstreitig nicht den vollständigen Kaufpreis bezahlt hatte.
303.
31Auf ein von der Firma I abgeleitetes Recht zum Besitz gemäß § 986 BGB kann sich der Beklagte nicht berufen, da die Beklagten den Mietkaufvertrag bereits im Jahre 2010 gekündigt hat.
32II.
33Gemäß § 283 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 255 Abs. 1 ZPO ist dem Beklagten eine Frist zu setzen, innerhalb derer er die Gegenstände herauszugeben hat. Die insofern beantragte Frist von 2 Wochen begegnet keinen Bedenken und wird auch von dem Beklagten nicht angegriffen.
34III.
35Das gem. § 259 ZPO zulässige Verlangen auf Titulierung von Schadensersatz gemäß §§ 989, 990 BGB wegen Nichterfüllung gemäß § 283 BGB ist nur in Höhe von 17.773,11 € begründet. Aufgrund der vorgenannten Sachverständigengutachten hat die Klägerin einen Fahrzeugwert in Höhe von 21.150,00 € einschließlich Umsatzsteuer nachgewiesen. Gegen die ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen vom 08.08.2012, die in sich auch schlüssig und nachvollziehbar ist, haben die Parteien keine Bedenken erhoben. Die Klägerin kann allerdings nicht den in dem Betrag von 21.150,00 € enthaltenen Umsatzsteueranteil von 3.376,89 € verlangen.
36§ 249 Abs. 2 Satz 2 BGB bestimmt, dass die Umsatzsteuer nur dann einzubeziehen ist, wenn und soweit sie tatsächlich angefallen ist. Die Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs hat die Klägerin nicht vorgetragen. Sie ist auch ansonsten nicht ersichtlich.
37§ 249 Abs. 2 S. 2 BGB ist auch anwendbar, wenn nicht nur die Wiederherstellung der beschädigten Sache, sondern eine Ersatzbeschaffung verlangt wird. Art und Umfang des vom Schädiger zu leistenden Ersatzes bestimmen sich nach den Vorschriften der §§ 249 ff. BGB. Das schadensersatzrechtliche Ziel der Restitution beschränkt sich nicht auf eine Wiederherstellung der beschädigten Sache. Es besteht in umfassender Weise darin, einen Zustand herzustellen, der wirtschaftlich gesehen der ohne das Schadensereignis bestehenden Lage entspricht (BGH, NJW 2004, Seite 1943). Dieses Ziel kann bei der Vorenthaltung eines Kraftfahrzeuges dadurch erreicht werden, dass der Geschädigte ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erwirbt. Der Wortlaut von § 249 Abs. 2 Satz 2 BGB gibt keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass sie nur bei einer Wiederherstellung der beschädigten Sache, nicht aber im Falle einer Ersatzbeschaffung Anwendung finden soll. Gegenteiliges kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass in dieser Form von der „Beschädigung einer Sache“ die Rede ist. Die Verwendung dieses Begriffes dient vielmehr allein dazu, Art und Umfang des bei einer Sachsubstanzverletzung zu leistenden Schadensersatzes von der Schadensersatzverpflichtung abzugrenzen, die wegen der Verletzung einer Person besteht (BGH a.a.O.).
38B.
39Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 709 ZPO.
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Referenzen
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