Urteil vom Landgericht Dortmund - 17 S 208/12
Tenor
Die Berufung der Klägerinnen zu 1) und 2) gegen das am 23.08.2012 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerinnen zu je ½.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
4II.
5Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.
6Das Urteil des Amtsgerichts ist nicht zu beanstanden. Der angefochtene Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung vom 29.10.2011 zu TOP 7 entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung.
7Bei dem Beschluss vom 29.10.2011 zu TOP 7 handelt es sich um eine Gebrauchsregeleung im Sinne von § 15 WEG. Gem. § 15 Abs. 2 WEG können die Wohnungseigentümer durch Stimmenmehrheit einen der Beschaffenheit des gemeinschaftlichen Eigentums entsprechenden ordnungsmäßigen Gebrauch beschließen. Die von der Mehrheit der Wohnungseigentümer getroffene Regelung entspricht ordnungsgemäßer Verwaltung. Insbesondere ergeben sich für die Klägerinnen keine Nachteile aus der Regelung.
81.
9Nach Auffassung der Kammer ist den Klägerinnen ein Nutzungsrecht bereits nicht wirksam eingeräumt worden. In den Verträgen heißt es wie folgt:
10- 11
notarieller Kaufvertrag der Klägerin zu 1.) vom 10.12.1976 (Bl. 57 d. A.):
„Die Eheleute X haben das Nutzungsrecht an dem Abstellplatz Nr. 49 auf dem oberirdischen, der Miteigentümergemeinschaft gehörenden Parkplatz. Dieses Nutzungsrecht ist ebenfalls Gegenstand des Kaufvertrages und wird mit allen Nebenrechten auf Frau G übertragen.“
13- 14
notarieller Vertrag der Klägerin zu 1.) vom 06.10.1987 (Bl. 65 d. A.):
„Der jeweilige Eigentümer der Wohnung Nr. 45 (Wohnung der Klägerin zu 1.) … erhält somit das unwiderrufliche Nutzungsrecht unter Ausschließung aller anderen Wohnungseigentümer an der Garage Nr. 42.“
16- 17
notarieller Kaufvertrag der Klägerin zu 2.) (Bl. 129 d. A.):
„Die Eheleute C erhalten an dem oberirdischen Einstellplatz Nr. 57 … ein Nutzungsrecht mit der Maßgabe, dass sie (die Klägerin zu 2.) dort zu jeder Tages- und Nachtzeit ihren Kraftwagen abstellen kann.“
19Die Formulierungen in den Kaufverträgen sprechen zwar dafür, dass den Klägerinnen ein Sondernutzungsrecht an dem jeweiligen Stellplatz bzw. der Garage eingeräumt werden sollte. Hierfür spricht auch (in Abgrenzung zu einer bloßen Gebrauchsregelung) die in dem Beschluss vom 11.06.1975 (Bl. 95, 98 d. A.) enthaltene Absichtserklärung im Hinblick auf die zukünftig beabsichtigte Eintragung des (Sonder-) Nutzungsrechts in das Grundbuch. Soweit einem Wohnungseigentümer ein über das Recht zum Mitgebrauch hinausgehendes, ausschließliches Nutzungsrecht an Teilen des gemeinschaftlichen Eigentums (z. B. Terrasse, Garten, Pkw-Stellplatz) überlassen wird, bedarf es jedoch der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, weil dadurch deren Mitgebrauchsrecht entzogen und dadurch die gesetzliche Regelung in § 13 Abs. 2 WEG abgeändert wird (Hügel, in: Bamberger/Roth, Beck´scher Online-Kommentar BGB, Stand 01.02.2013, § 13 Rn. 8). Die Begründung von Sondernutzungsrechten erfordert daher eine Vereinbarung der Wohnungseigentümer nach § 10 WEG. Eine solche liegt hier nicht vor, vielmehr wurden lediglich individuelle Kaufverträge mit den jeweiligen (Vor-) Eigentümern abgeschlossen.
20Auch die Begründung einer rein schuldrechtlichen Berechtigung zur Sondernutzung des gemeinschaftlichen Eigentums bedarf der einstimmigen Vereinbarung aller Wohnungseigentümer, so dass vorliegend keine wirksamen schuldrechtlichen Sondernutzungsrechte eingeräumt werden konnten.
21Zwar kann die Vereinbarung im Einzelfall durch langjährige einverständliche Übung zustande kommen (OLG Köln, NZM 1998, 864). Auch im hier zu beurteilenden Fall haben die Wohnungseigentümer den „Erwerb“ von Nutzungsrechten über viele Jahre hinweg akzeptiert, so dass möglicherweise von der Einräumung eines schuldrechtlichen Sondernutzungsrechts aufgrund langjähriger einverständlicher Übung ausgegangen werden könnte. Jedoch hätte selbst dann der streitgegenständliche Beschluss keine nachteiligen Auswirkungen für die Klägerinnen. Das Sondernutzungsrecht am Gemeinschaftseigentum ist kein dingliches Recht, etwa in Form einer Dienstbarkeit oder einer sonstigen dinglichen Belastung. Es handelt sich vielmehr um einen aus dem Gemeinschaftsverhältnis resultierenden schuldrechtlichen Rechtsanspruch des begünstigten Wohnungseigentümers gegen die übrigen Wohnungseigentümer auf Gewährung des vereinbarten ausschließlichen Gebrauchs (Schuschke, NZM 1999, 241/242). Mit Eintragung im Grundbuch wirkt die – an sich formlos mögliche – Vereinbarung eines Sondernutzungsrechtes nach § 10 Abs. 3 WEG gegen Sondernachfolger. Nicht im Grundbuch eingetragene Sondernutzungsrechte werden auch als schuldrechtliche Sondernutzungsrechte bezeichnet (OLG Köln NZM 1998, 864; Schuschke, NZM 1999, 242). Inhaltlich unterscheiden sich „schuldrechtliche“ und „dingliche“ Sondernutzungsrechte nicht, sie besitzen nur unterschiedliche Wirkung gegenüber Sondernachfolgern. Ist ein Sondernutzungsrecht nicht im Grundbuch eingetragen, geht es nach Ansicht der Rechtsprechung wie jede andere schuldrechtliche Vereinbarung auch in dem Augenblick unter, in dem ein neuer Erwerber durch Eintragung im Grundbuch Mitglied der Gemeinschaft geworden ist (OLG Zweibrücken NZM 2005, 343; OLG Köln NZM 2001, 1135). Soweit die Klägerinnen daher einwenden, dass sie aufgrund des Beschlusses das ihnen zustehende Nutzungsrecht bei Verkauf der Eigentumswohnung nicht mit veräußern können, ist darauf hinzuweisen, dass dies auch bislang mangels Eintragung im Grundbuch nicht der Fall gewesen ist, so dass die Regelung auch insoweit nicht nachteilig für die Klägerinnen ist.
222.
23Der streitgegenständliche Beschluss stellt eine zulässige Gebrauchsregelung im Sinne von § 15 Abs. 2 WEG dar.
24Die Eigentümer können die Benutzung sowohl des gemeinschaftlichen Eigentums als auch des Sondereigentums durch einen Mehrheitsbeschluss regeln. Nach der Regelung des § 15 Abs. 2 WEG kann ein Mehrheitsbeschluss nur erfolgen, soweit er sich auf einen ordnungsmäßigen Gebrauch beschränkt. Nur in diesem Rahmen dürfen die Wohnungseigentümer einen Beschluss zur Gebrauchsregelung des gemeinschaftlichen Eigentums (und des Sondereigentums) fassen (Hügel, a. a. O., § 15 Rn. 5). Ordnungsmäßig ist ein Gebrauch, den § 14 WEG gestattet und der nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften oder sonstiges höherrangiges Recht verstößt. Im Einzelfall ist dies eine Auslegungsfrage und richtet sich nach dem Charakter des Hauses und ggf. seiner näheren Umgebung. Die Gebrauchsregelung darf zudem nicht willkürlich sein, sondern muss in den Grenzen des billigen Ermessens unter Beachtung des Gebots der allgemeinen Rücksichtnahme in Abwägung der allseitigen Interessen erfolgen (BGH NJW 1998, 3715). Eine nachteilige Gebrauchsregelung im Sinne von § 14 Nr. 1 WEG liegt nicht vor (s. o.). Auch ein sonstiger Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften oder sonstiges höherrangiges Recht ist nicht ersichtlich.
25Es bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf die angestrebte Vermietung der übrigen Stellplätze, die nicht von einem Nutzungsrecht betroffen sind. Besteht ein Mangel an Kfz-Stellplätzen, so hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, welche Verteilungsregelung ordnungsmäßigem Gebrauch entspricht. Die Vermietung an einzelne Eigentümer/Mieter erscheint sachgemäß, da hier durch klare Belegungsverhältnisse geschaffen werden und der Wohnungseigentümergemeinschaft die daraus erzielten Einnahmen zugute kommen.
26III.
27Die Berufung war daher zurückzuweisen.
28Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 97, 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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