Urteil vom Landgericht Dortmund - 13 O (Kart) 111/12
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Auf die Widerklage wird der Kläger unter Abweisung der weitergehenden Widerklage verurteilt, an den Beklagten 4.896,20 € (i.W.: viertausendachthundertsechsundneunzig 20/100 Euro) zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 27.06.2012 abzüglich am 06.12.2011 gezahlter 1.000,00 €, am 05.01.2012 gezahlter 1.000,00 €, am 07.02.2012 gezahlter 1.000,00 € und am 06.03.2012 gezahlter 1.000,00 € zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger und Widerbeklagten auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Vollstreckung des Beklagten abzuwenden gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist Landwirt und Berufsreiter. Er ist Mitglied des Reitervereins I, der wiederum Mitglied im Pferdesport Verband Westfalen e. V. ist.
3Der Kläger nimmt seit mehr als 30 Jahren als Reiter an Turnieren teil. Er beantragte dafür beim Beklagten, dem Deutschen Fachverband für den Reit-, Fahr- und Voltigiersport eine Jahresturnierlizenz und deren Verlängerung, zunächst nur schriftlich, ab dem Jahr 2008 online, so auch im März 2010. Er meldete sich auch online an zur Teilnahme an einem vom Reiterverein M e. V. in der Zeit vom 28. bis 30.05.2010 ausgerichteten Turnier in M. In den Anmeldeunterlagen erklärt der Anmeldende, dass er die Leistungsprüfungsordnung (LPO) des Beklagten bzw. die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Beklagten akzeptiert.
4Seit April 2010 gehören zur LPO des Beklagten auch Antidoping- und Medikamentenkontroll-Regeln für den Pferdesport (ADMR). Zum Inhalt der Anmeldeunterlagen und zum genauen Wortlaut des Regelwerks des Beklagten wird auf Blatt 811 bis 822, 903 f. und auf den zur Akte gereichten Loseblattordner (LPO 2013) Bezug genommen.
5Am 30.05.2010 startete der Kläger beim vorgenannten Turnier mit der Stute „Lady D“ des Eigentümers Dr. E in einem Springen der Klasse M. Nach dem Start wurde von diesem Pferd eine Urinprobe genommen, die im Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln untersucht wurde. Die Probe enthielt die Substanz Flunixin, eine auf das Muskel- und Skelettsystem von Pferden wirkendes Arzneimittel. Das Tier und der Kläger als sein Reiter wurden nachträglich disqualifiziert.
6Der Beklagte eröffnete gegen den Kläger ein Disziplinarverfahren. Er wies den Kläger mit Schreiben vom 30.06.2010 hin auf die Möglichkeit der Beantragung einer Kontrollanalyse (B-Probe). Der Kläger machte hiervon keinen Gebrauch. Die erste Kammer der Disziplinarkommission des Beklagten hörte Zeugen und holte eine gutachterliche Stellungnahme eines Pharmakologen ein. Mit Beschluss vom 09.05.2011 schloss sie den Kläger wegen Verstoßes gegen § 920 Ziffer 2 e bb LPO in Verbindung mit Art. 2 ADMR durch fahrlässigen Einsatz des Pferdes Lady D auf der PLS in Lage-Windhof bei Vorhandensein von Flunixin für die Dauer von sechs Monaten ab Rechtskraft der Entscheidung von der Teilnahme an allen LP/PLS aus und verhängte gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 300,00 €. Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt. Seine Beschwerde gegen den Beschluss wurde mit Schiedsspruch des 1. Senats des großen Schiedsgerichts des Beklagten am 03.08.2011 kostenpflichtig zurückgewiesen. Der Beklagte stellte dem Kläger unter dem 19.10.2011 4.896,20 € Verfahrenskosten einschließlich 300,00 € Geldbuße in Rechnung. Zum Inhalt der vorgenannten Entscheidungen und der Rechnung wird auf Blatt 18 bis 30 und 77 d. A. Bezug genommen.
7Der Kläger erhob im Oktober 2011 vor dem Landgericht Münster Klage, mit der er Feststellung der Unwirksamkeit der erwähnten Entscheidungen und daraus resultierender Schadensersatzpflicht verlangte. Er erweiterte die Klage im Januar 2012 und verlangte Feststellung, dass dem Beklagten Ansprüche aus der Rechnung vom 19.10.2011 nicht zustehen.
8Der Kläger zahlte in der Folge auf Rechnung des Beklagten monatlich 1.000,00 €, insgesamt 4.000,00 €. Der Beklagte erhob im Juni 2012 Widerklage über den Rechnungsbetrag abzüglich geleisteter Zahlungen.
9Der Rechtsstreit wurde mit Beschluss vom 21.06.2012 im Hinblick auf kartellrechtliche Einwendungen des Klägers an die Kammer als Kartellgericht verwiesen.
10Der Kläger sieht sich durch das Disziplinarverfahren des Beklagten und die dort ergangenen Entscheidungen im prozessualen Grundrechten verletzt und kartellrechtlich behindert. Die Disziplinarkommission und das große Schiedsgericht seien kein Schiedsgericht im Sinne der ZPO und zudem fehlerhaft besetzt gewesen. Die LPO und die ADMR seien wegen fehlender Organkompetenz nicht satzungsgemäß zustande gekommen und auch materiell nicht rechtmäßig. Der Kläger behauptet zudem, die Regelungen seien nicht in die Rechtsbeziehung der Parteien implementiert. Ihm sei nicht bekannt, dass er sich bei der online-Beantragung dem Regelwerk unterworfen habe. Nach seinem Wissen habe er bei der Antragstellung in den letzten Jahren kein Feld angeklickt, mit dem er sich Allgemeinen Regeln des Beklagten unterworfen habe. Auch anlässlich der Nennung für die Turnierteilnahme sei ihm vom veranstaltenden Reiterverein die Anerkennung der ADMR nicht abverlangt worden. Das durch dieses Regelwerk neu eingeführte Prinzip der strict liability, das auf das Verschuldenserfordernis für die Verhängung einer Sperre mit Strafcharakter verzichte, sei mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht vereinbar. Es gelte vielmehr ungeschränkt das Prinzip „keine Strafe ohne Schuld“ und das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Prinzip der Unschuldsvermutung. Diese Grundsätze würden durch die Zuweisung der Beweislast in Form einer Exkulpationspflicht verletzt. Die Beweislastumkehr statuiere zudem eine Zustandshaftung des Reiters, der dieser gar nicht entgehen könne. Die kontinuierliche Bewachung des Tieres rund um die Uhr sei unmöglich, aus Tierschutzgründen auch unzulässig. Die Vorschriften der ADMR seien auch mangels Regelung der Methodik der Doping-Analyse unbestimmt. Die Dauerbeauftragung eines Labors ohne europaweite Ausschreibung verstoße gegen das Vergaberecht und mache das Untersuchungsergebnis des Labors Dr. T unverwertbar. Wie dieses Labor arbeite, sei nicht bekannt. Die streitgegenständliche Analyse sei aber nicht fehlerfrei. Das Labor sei offensichtlich unzuverlässig, wie neuere Ergebnisse zeigten.
11Die Verhängung einer Sperre von 6 Monaten sei bei einem Vergleich mit anderen aktuellen Fällen völlig unverhältnismäßig und da der Beklagte marktbeherrschend und sozialmächtig sei, auch kartellrechtswidrig. Der Beklagte habe die ADMR insbesondere mit der unkritisch aus dem Humansport übernommenen Beweislastregel zur fahrlässigen Medikation nur auf Druck des damaligen Großsponsors Daimler-Benz übernommen. Eine sachliche Rechtfertigung im Sinne des Schutzes des Reitsports liege nicht vor.
12Der Kläger beantragt nunmehr,
13festzustellen,
141. dass der Beschluss der 1. Kammer der Disziplinar-
15kommission des Beklagten vom 09.05.2011 sowie der Schiedsspruch des großen Schiedsgerichts des Beklagten vom 03.08.2011 unwirksam sind,
162. dass der Beklagte verpflichtet ist, sämtlichen Schaden zu
17ersetzen, der ihm daraus entstanden ist, dass er durch die vorbezeichneten Beschlüsse für die Dauer von sechs Monaten von der Teilnahme an allen Leistungsprüfungen und Pferdeleistungsschauen (LP/PLS) ausgeschlossen worden ist.
18Den weiteren Feststellungsantrag erklärt der Kläger für erledigt. Der Beklagte schließt sich der teilweisen Erledigungserklärung an.
19Er beantragt im Übrigen,
20die Klage abzuweisen.
21Widerklagend beantragt er,
22den Kläger zu verurteilen, an ihn 4.896,20 € zuzüglich 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz der EZP seit dem 26.01.2012, hilfsweise seit Rechtshängigkeit der Widerklage, abzüglich am 06.12.2011 gezahlter 1.000,00 € am 05.01.2012 gezahlte 1.000,00 €, am 07.02.2012 gezahlter 1.000,00 € und am 06.03.2012 gezahlter 1.000,00 € zu zahlen.
23Der Kläger beantragt,
24die Widerklage abzuweisen.
25Der Beklagte behauptet, der Kläger habe sich seinem ordnungsgemäß zustande gekommenen Sportregelwerk einschließlich der ADMR unterworfen durch Beantragung der Erteilung und Verlängerung des Reiterausweises, der Nennung zur Teilnahme am Turnier in M und der faktischen Teilnahme an diesem Turnier. Die ADMR seien auf einer Sitzung seines Beirats Sport am 20.10.2010 beschlossen worden. Hierüber habe er mit Rundmail vom 16.04.2010 alle beteiligten Kreise, auch den Kläger, informiert. Bereits im Februar 2010 sei über die ADMR auch im Internet und in der Vereinszeitschrift berichtet worden. Die gerichtliche Überprüfung der streitgegenständlichen Entscheidungen durch staatliche Gerichte sei wie bei sonstigen verbandsgerichtlichen Maßnahmen nur eingeschränkt zulässig. Das satzungsgemäß vorgesehene Verbandsverfahren sei eingehalten worden und die Tatsachenermittlung fehlerfrei erfolgt. Verstöße insoweit und gegen die Grundsätze von Treu und Glauben, den ordre public oder das allgemeine Übermaßverbot seien nicht substantiiert vorgetragen und lägen auch nicht vor. Die Besetzungsrüge sei verspätet und gehe fehl. Die Mitglieder der Disziplinarkommission und des großen Schiedsgerichts seien durch den Beirat Sport in ordnungsgemäß einberufener und durchgeführter Sitzung vom 04.05.2009 gewählt worden.
26Der Kläger beantragt,
27die Widerklage abzuweisen.
28Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
29E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
30Die zulässige Klage ist unbegründet. Die zulässige Widerklage ist im Wesentlichen begründet.
31Die Feststellungsklage ist zulässig. Das Rechtsschutzbedürfnis für die verbliebenen Feststellungsanträge ist zu bejahen. Die vom Kläger beanstandeten Entscheidungen beschränken den Kläger in seiner privaten und wirtschaftlichen Betätigungsfreiheit. Durch die Sperre kann ihm wirtschaftlicher Schaden entstanden sein.
32Die Feststellungsanträge sind aber unbegründet. Die angegriffenen Entscheidungen sind nicht unwirksam. Sie sind vielmehr in formaler und materieller Hinsicht rechtlich nicht zu beanstanden.
33Die Disziplinarkommission und das große Schiedsgericht des Beklagten sind, wie der Kläger zu Recht feststellt, keine Schiedsgerichte im Sinne der ZPO. Die Entscheidungen sind verbandsrechtliche Sanktionen erlassen auf der Grundlage eines Regelwerks des Beklagten. Entscheidungen eines Verbandsgerichts unterliegen wegen der grundgesetzlich garantierten Verbandsautonomie einer nur beschränkten Kontrolle durch ein staatliches Gericht. Dies darf nur überprüfen, ob der Betroffene der Vereinsstrafgewalt unterliegt, die Sanktion eine Grundlage im Gesetz oder einer wirksamen Satzung hat und unter Beachtung des Regelwerks und allgemeiner Verfahrensgrundsätze bei fehlerfreier Tatsachenfeststellung ergangen, mit staatlichem Recht vereinbar und inhaltlich sachlich angemessen ist. Im vorliegenden Fall gelten aber andere Prüfungsmaßstäbe. Der Kläger hat sich der Strafgewalt der Beklagten durch rechtsgeschäftliche Willenserklärung unterworfen. Dabei wurde von den Parteien Geltung des Regelwerks des Beklagten als AGB vereinbart. Angesichts dessen ist das Rechtsverhältnis der Parteien ein rein schuldrechtliches. Es unterliegt der AGB-Kontrolle und, da der Beklagte ein sozialmächtiger Monopolverband ist, auch der kartellrechtlichen Überprüfung. Im Rahmen dessen ist zu klären, ob und welche Regeln zwischen den Parteien vereinbart und ob diese eingehalten wurden und ob das fehlerfrei festgestellte Geschehen die beschlossenen Sanktionen rechtfertigen kann. Ohne Belang im Verhältnis der Parteien ist dagegen die Frage, ob das Regelwerk des Beklagten in vereinsrechtlicher Weise wirksam zustande gekommen ist.
34Es liegt eine wirksame Unterwerfung des Klägers unter die LPO des Beklagten einschließlich der Rechtsordnung und einschließlich der ADMR vor. Durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass sich auch Nichtmitglieder der Disziplinargewalt eines Sportverbandes unterstellen können, dies durch rechtsgeschäftlichen Einzelakt. Sie können mit dem Verband einen Vertrag schließen. Die Unterwerfung kann aber auch erfolgen durch Meldung zu einem nach der Sport- und Wettkampfordnung des Verbandes ausgeschriebenen Wettbewerb oder durch Erwerb einer generellen Start- und Spielerlaubnis des Sportverbanden, immer durch ausdrücklich oder konkludent erklärte Anerkennung des einschlägigen Regelwerks (BGH, Urteil vom 28.11.1994, BGHZ 128, Seite 93 ff.). Grund hierfür ist, dass ohne sportliche Regeln und ihre Durchsetzung einschließlich im Fall des Regelverstoßes zu verhängender Sanktionen ein geordneter Sport- und Wettkampfbetrieb undenkbar ist. Sportregeln dienen der körperlichen Integrität der Teilnehmer, der Herstellung gleicher Sport- und Wettkampbedingungen und der Sicherstellung der organisatorischen Durchführung des Sport- und Wettkampfbetriebes. Sie beanspruchen Geltung gegenüber jedem Teilnehmer, ungeachtet etwaiger vereinsrechtlicher Bindung. Die an den Einzelnen gerichtete Erwartung, sich ihnen zu unterstellen, ist grundsätzlich keine unangemessene Beschränkung der persönlichen oder wirtschaftlichen Freiheit (BGH, a.a.O., Seite 94 f.).
35Das Gericht folgt ohne jede Einschränkung diesen überzeugenden Ausführungen des Bundesgerichtshofs. Anders als dieser geht das Gericht aber mit dem Kläger davon aus, dass die rechtsgeschäftliche Unterwerfung unter die Vereinsgerichtsbarkeit der AGB-rechtlichen Kontrolle unterliegt. Angesichts fortschreitender Kommerzialisierung des Sports liegt die Annahme eines schuldrechtlichen Leistungsaustauschverhältnisses zwischen Sportler und Regel aufstellendem Verein näher als die Annahme eines bloßen sozial-organisatorischen Rechtsverhältnisses (so auch Heer in NZG 1999, Seite 325 ff.). Dies sieht auch der Beklagte so, wenn er für die Beantragung der allgemeinen Jahreslizenz und die Nennung zur Teilnahme an Wettbewerben die Unterwerfung unter sein Sportreglement ausdrücklich im Wege der Vereinbarung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen verlangt.
36Ein solches Verlangen ist aus den vorgenannten Gründen nicht zu beanstanden. Der aktive Sportler hat eine grundsätzliche Verpflichtung, bei organisierten Sportveranstaltungen die für alle Teilnehmer geltenden und für den Sportbetrieb unverzichtbaren Spielregeln anzuerkennen und zu beachten. Wenn ihm dies abverlangt wird durch Abgabe rechtsgeschäftlicher Erklärung belastet ihn das nicht mehr als die Forderung nach mitgliedschaftlicher oder mitgliedschaftsähnlicher Unterwerfung. Es verbleibt im Fall in einer Beschränkung des AGB-Schutzes bei Vereinbarungen mit Unternehmern gemäß § 310 Abs. 1 BGB, der im vorliegenden Fall für den Kläger als gewerblich oder selbständig Tätigen im Sinne von § 14 BGB einschlägig ist, zumindest die Inhaltskontrolle auf unangemessene Benachteiligung nach § 307 BGB.
37Der Kläger hat sich der Disziplinargewalt des Beklagten wirksam unterworfen. Er hat die Geltung der LPO des Beklagten vereinbart, sowohl bei Beantragung der Verlängerung des Reiterausweises als auch bei der Nennung zur Turnierteilnahme. Der Beklagte hat beide Anmeldevorgänge im Einzelnen dargestellt und dabei dargetan, dass eine online-Anmeldung nur erfolgreich erfolgen kann, wenn der Anmeldende die Unterwerfung unter das Sportreglement des Beklagten ausdrücklich erklärt durch Anklicken eines entsprechenden Feldes. Der Kläger, der unstreitig den Anmeldevorgang selbst getätigt und den Anmeldezweck hat, kann sich angesichts dessen nicht auf Bestreiten mit Nichtwissen beschränken.
38Zur Vereinbarung der LPO einschließlich der ADMR als AGB war es für den Kläger als Unternehmer ausreichend, dass er die Möglichkeit hatte, vom Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen. Die Möglichkeit lag vor. Der Kläger wurde nach nicht bestrittenem Vortrag des Beklagten noch im April 2010 durch Rundmail auf die Erweiterung der LPO durch Einbeziehung der ADMR hingewiesen. Als Berufsreiter mit langjähriger Kampferfahrung musste und konnte er, sollte er zu diesem Zeitpunkt durch vorhergehende Berichterstattung tatsächlich noch nicht ausreichend informiert gewesen sein, sich diese Kenntnis selbst verschaffen. Dass dies für ihn mit irgendwelchen Schwierigkeiten verbunden war, trägt der Kläger nicht vor und ist auch nicht ersichtlich.
39Der Kläger hat die LPO des Beklagten samt der Rechtsordnung in ihrer damals gültigen Fassung verbindlich anerkannt. Er hat dies wörtlich so im Jahr 2007 erklärt. In dem Verlängerungsantrag nimmt er auf diese Erklärung Bezug. Da er gleichzeitig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen akzeptiert, ist die darin liegende Willenserklärung des Klägers nach § 133 BGB dahin auszulegen, dass er die LPO des Beklagten in der jeweils gültigen Fassung akzeptiert. Die Erklärung ist nach §§ 133, 157 BGB auch dahin zu verstehen, dass der Inhalt des Regelwerks des Beklagten Vertragsinhalt werden soll auch dann, wenn das Regelwerk in vereinsrechtlicher Sicht nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sein sollte. Aus den vom BGH dargelegten Gründen für die Notwendigkeit einer Reglementierung von organisierten Sportveranstaltungen ist anzunehmen, dass die Vertragsparteien die Geltung des Sportreglement nicht von formalen Wirksamkeitsvoraussetzungen abhängig machen wollten.
40Das zwischen den Parteien vereinbarte Regelwerk des Beklagten hält der AGB-Kontrolle statt. Die Überprüfung beschränkt sich nach § 310 BGB auf das Vorliegen unangemessener Benachteiligung nach § 307 BGB. Eine solche liegt nicht vor. Die Erwägungen des Bundesgerichtshofs zur Rechtfertigung von Regelungen für das organisierte Sportgeschehen gelten uneingeschränkt und sogar im besonderen Maße für Regelungen zur Bekämpfung von Doping und unerlaubter Medikation. Solche Regelungen sind generell geboten, um einen fairen Wettkampf unter Wahrung der Chancengleichheit aller Beteiligten und Erhaltung der Gesundheit der eingesetzten Tiere zu ermöglichen. Sie müssen, um das gesetzte Ziel zu erreichen, geeignete Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten beinhalten. Ausgehend von diesen Erwägungen sind die Regelungen in § 920 Ziffer 2 e bb LPO in Verbindung mit Art. 2.1.1 ADMR nicht ungemessen.
41Art. 2.1.1 ADMR begründet keine verschuldensunabhängige Haftung. Es liegt auch kein Verstoß gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Unschuldsvermutung vor. Die Vorschrift ist nicht isoliert, sondern im Zusammenhang mit den Regelungen in Art. 3 und Art. 10.4.1 und 10.4.2 ADMR zu sehen. Danach liegt eine bloße Beweislastverteilung vor. Eine solche ist zur effektiven Durchsetzung von Maßnahmen der Doping- und Medikamentenmissbrauchsbekämpfung zwingend erforderlich. Eine effektive Mißbrauchsbekämpfung ist bei Einhaltung des allein für das staatliche Strafrecht geltende Prinzip der Unschuldsvermutung nur unzureichend, wenn nicht gar unmöglich. Sie ist aber, wie ausgeführt, zur Wahrung der Chancengleichheit im sportlichen Wettbewerb unerlässlich und für den freiwillig daran teilnehmenden Sportler deswegen auch zumutbar. Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Kläger herausgestellten Besonderheiten des Pferdesports. Wegen der vielfältigen Möglichkeiten der den Sportwettbewerb verfälschenden Substanzbeibringung bei einem Tier ist es unumgänglich, denjenigen, die in besonderer Nähe zum Tier stehen, eine besondere Verantwortlichkeit für das Nichtvorhandensein bestimmter Substanzen im Tierorganismus aufzuerlegen. Dabei ist eine Berufung auf fehlende Überwachungsmöglichkeit nicht akzeptabel. Es ist nicht dargetan, weshalb ein Pferd, wenn dessen Aufenthalt in freier Natur auch während der kurzen Zeit eines Turniers tatsächlich immer für die Dauer von 23 Stunden erforderlich sein sollte, nicht durch den Verantwortlichen oder durch einen von diesem dazu herangezogenen Dritten überwacht werden kann.
42Die Regelungen der ADMR zur Feststellung von Tatsachen in Art. 3.2 und zur Durchführung des Sanktionierungsverfahrens in Art. 8 sind ebenfalls nicht unangemessen. Fehlende Vorgaben zur Analysemethode macht die Regelung in Art. 3.2 ADMR nicht unbestimmt. Die Analysemethode ist vom beauftragten Labor in eigener Verantwortung nach den geltenden Untersuchungsstandards festzulegen. Dass ein vom Beklagten autorisiertes Labor ohne Vergabe eingeschaltet wurde, ist ebenfalls nicht zu bestanden. Eine Laborbeauftragung nach Vergabegrundsätzen ist, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, bei Sportereignissen unpraktikabel. Die in Art. 8 ADMR postulierten Verfahrensgrundsätze genügen, da sie dem Gebot des rechtlichen Gehörs und des unparteiischen Richters Rechnung tragen, rechtsstaatlichen Anforderungen.
43Die Regelung in Art. 10 ADMR zur Art und Maß der für Verstöße zu verhängenden Sanktionen ist ebenfalls nicht unangemessen. Der Ausschluss von der Teilnahme an künftigen Wettbewerben und die Verhängung von Geldbußen sind zur effektiven Durchsetzung der mit der Dopingbekämpfung verfolgten Zielsetzung geeignet und geboten. Die für den Einzelfall notwendige Differenzierung wird geleistet.
44Die Entscheidungen der Disziplinarkammer und des Schiedsgerichts des Beklagten erfolgten unter Beachtung der vereinbarten Regelungen. Das Verfahren ist nach den Vorgaben von Art. 8 ADMR durchgeführt worden. Verfahrensfehler sind nicht festzustellen. Auf fehlerhafte Besetzung der Entscheidungsgremien kann sich der Kläger nach Treu und Glauben nicht berufen, da er diese im jeweiligen Verfahren nicht geltend gemacht hat.
45Die Tatsachenfeststellung und die Festsetzung der Sanktionen sind nicht zu beanstanden. Zu Recht wurde davon ausgegangen, dass das Regelwerk des Beklagten einschließlich der ADMR aufgrund rechtsgeschäftlicher Vereinbarung Grundlage der Feststellung ist. Auf die vorhergehenden Ausführungen wird Bezug genommen.
46Es ist auch zu Recht festgestellt worden, dass ein Fall der fahrlässigen Medikation vorliegt. Der Kläger hat im Disziplinarverfahren ebenso wie in diesem Verfahren selbst vorgetragen, dass sich die verbotene Substanz im Körper des Pferdes befunden hat. Er ist an dieses Geständnis in diesem Verfahren nach § 290 ZPO gebunden. Ein wirksamer Widerruf des Geständnisses liegt nicht vor. Die nunmehr vorgetragenen Zweifel betreffend den damaligen Laborbefund sind ohne Substanz und dafür nicht ausreichend. Dem Kläger ist auch zu Recht der Vorwurf fahrlässigen Verhaltens gemacht worden. Er wusste nach eigenem Vorbringen von der zeitweisen Unterbringung eines mit Flunixin medikamentierten Tieres in der Box des von ihm zu reitenden Pferdes. Wenn die Möglichkeit einer Medikamentenverunreinigung an der Futterkrippe besteht, war sie gerade für den Kläger als mit den Örtlichkeiten vertrauten Eigentümer des Hofes naheliegend. Er hätte damit rechnen und dafür Sorge tragen müssen, dass die Vorgänge keine Auswirkungen auf ein von ihm zu reitendes Turnierpferd haben. Dass ihm dies nicht möglich gewesen sein soll, wird nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich.
47Die Verhängung einer Sperre von 6 Monaten und einer Geldbuße von 300,00 € ist ebenfalls keine unangemessene Benachteiligung. Der den Kläger treffende Fahrlässigkeitsvorwurf wiegt keineswegs gering. Die Dauer der Sperre und die Höhe der Geldbuße ist angesichts dessen nur als moderat zu bezeichnen.
48Die angegriffenen Entscheidungen sind auch in kartellrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Weder die Unterwerfung des Klägers unter das Regelwerk des Beklagten noch die im Rahmen dessen gegen ihn verhängten Sanktionen verstoßen gegen §§ 1, 20 GWB und Artikel 101 AEUV. Die Parteien sind Normadressaten dieser Vorschriften. Die wettbewerbsbeschränkenden Regelungen und Maßnahmen sind aber zur Wahrung der Freiheit des Wettbewerbs erforderlich und weder unbillig noch diskriminierend. Es gelten die vorherigen Ausführungen zum Fehlen einer unangemessenen Benachteiligung im Sinne von § 307 BGB entsprechend. Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung hat das Interesse des Klägers an uneingeschränkter wettbewerblicher Betätigung gegenüber den vom Beklagten mit der Dopingbekämpfung verfolgten Interessen, zu denen auch die Wahrung und Förderung eines nicht manipulierten Leistungswettbewerbs gehören, eindeutig zurückzustehen.
49Der weitere Feststellungsantrag ist unbegründet. Eine Schadensersatzverpflichtung des Beklagten besteht nicht, da die die Entscheidungen seiner Gremien zu Recht erfolgten. Auf die vorherigen Ausführungen wird verwiesen.
50Die nach § 33 Abs. 1 ZPO zulässige Widerklage ist im Wesentlichen begründet.
51Die Kostenerstattungsverpflichtung des Klägers folgt aus § 962 LPO. Die Regelung, wonach der unterlegende Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, ist weder unangemessen nach § 307 BGB noch kartellrechtswidrig. Der Streitwertansatz von 10.000,00 € ist gerechtfertigt. Gründe hiergegen und gegen die Höhe der in Ansatz gebrachten Kosten werden vom Kläger nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
52Der Beklagte kann Verzinsung der Forderung verlangen nach §§ 288, 286 BGB, jedoch erst ab Rechtshängigkeit der Widerklage. Verzug bereits zum 26.01.2012 kann nicht festgestellt werden. Verzugsbegründende Mahnung wird nicht vorgetragen. Eine Entgeltforderung nach § 286 Abs. 3 BGB liegt nicht vor.
53Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1 Satz 2, 91 a ZPO. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits auch im Hinblick auf den übereinstimmend für erledigt erklärten Feststellungsantrag zu tragen. Dieser war zulässig, aber unbegründet. Auf die Ausführungen zur Begründetheit der Widerklage wird Bezug genommen.
54Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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