Urteil vom Landgericht Dortmund - 4 O 25/10
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.070,00 € (in Worten: dreitausendsiebzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.09.2009 zu zahlen.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger und Widerbeklagte macht gegen die Beklagte und Widerklägerin Honoraransprüche wegen der Durchführung eines sog. „Mini-Faceliftings“ geltend. Die Beklagte begehrt vom Kläger widerklagend Schmerzensgeld und Schadensersatz wegen fehlerhafter ärztlicher Behandlung in dem Zeitraum von März bis Mai 2007.
3Der Kläger ist Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten.
4Die Beklagte stellte sich am 13.03.2007 erstmalig in der Praxis des Klägers mit dem Anliegen einer Faltenkorrektur des Gesichts vor. Sie wurde im Rahmen der Erstvorstellung über die verschiedenen Möglichkeiten der ästhetischen korrektiven Möglichkeiten informiert.
5Am 05.04.2007 stellte sich die Beklagte erneut beim Kläger vor. Zwischen den Parteien wurde sodann ein sogenanntes Mini-Facelifting vereinbart. Über die Höhe des Honorars besteht zwischen den Parteien Streit. Unstreitig hat die Beklagte einen Betrag von 500,00 € an den Kläger übergeben.
6Am 25.04.2007 suchte die Beklagte erneut den Kläger auf. An diesem Tag fand ein Aufklärungsgespräch zwischen den Parteien statt. Hierzu verwandte der Kläger ein maschinengeschriebenes Aufklärungsblatt. In diesem Aufklärungsbogen sind die Risiken und Komplikationen des Eingriffs aufgeführt. Zudem wurden handschriftliche Aufzeichnungen des Klägers vermerkt. Hinsichtlich der Kosten der Behandlung findet sich ebenfalls ein handschriftlicher Eintrag über einen Betrag in Höhe von 3.000,00 € plus 19 % Mehrwertsteuer. Einen weiteren Bogen mit der Überschrift „Allgemeine Einwilligungserklärung des Patienten zur operativen Therapie und zur Verabreichung von notwendigen Medikamenten“ wurde ebenfalls mit Datum vom 25.04.2007 von beiden Parteien unterschrieben. Zusätzlich dokumentierte der Kläger ausdrücklich, dass bei der Beklagten bei diesem kleinen Eingriff (Mini-Facelifting) bestimmt noch viele Falten übrig bleiben werden und dass man diese mit anderen Methoden verbessern müsste. Die Beklagte entschied sich für den kleineren Eingriff, weil sie nicht so viele finanzielle Mittel zur Verfügung hatte.
7An einem dieser Vorstellungstermine beim Kläger wurde die Beklagte von ihrer Freundin, der Zeugin C, begleitet.
8Am 11.04.2007, 13.04.2007 und 18.04.2007 fanden Telefonate zwischen den Parteien statt. Im letzten Telefonat am 18.04.2007 wurde eine Ratenzahlung zwischen den Parteien vereinbart, weil die Beklagte den Betrag nicht auf einmal bezahlen konnte. Der Kläger fragte die Beklagte, warum sie den Eingriff nicht verschieben möchte. Die Beklagte wollte das Facelifting jedoch unbedingt durchführen lassen.
9Am 25.04.2007 wurde durch den Kläger die vereinbarte Straffungsoperation im Gesicht der Beklagten durchgeführt. Zur Operation brachte die Beklagte den unterschriebenen Aufklärungsbogen mit. Ein Operationsbericht wurde nicht erstellt.
10Am 27.04.2007 meldete sich die Beklagte beim Kläger und erklärte, alles sei unauffällig.
11Am 03.05.2007 stellte sich die Beklagte erneut beim Kläger vor, um eine Wundkontrolle durchführen zu lassen.
12Am 25.05.2007 stellte sich die Beklagte letztmalig ambulant in der Praxis des Klägers vor. In den Krankenunterlagen des Klägers wurde dokumentiert, dass die Beklagte aktuell kein Geld hatte und um einen Aufschub hinsichtlich der Zahlung bat. Des Weiteren wurde vermerkt, dass der Hautarzt der Beklagten gemeint habe, dass man mehr Haut hätte straffen können. Durch den Kläger wurde dokumentiert, dass er dem nicht widersprochen habe und dass vor der Operation besprochen worden sei, dass man ein größeres Facelifting sowie eine Augenoperation hätte machen können, die Beklagte hätte diesen Eingriff aus Kostengründen und aus sozialen Gründen jedoch nicht haben wollen.
13Am 06.11.2007 wurde die Beklagte durch die Neurologin I untersucht. Am 19.11.2007 wurde eine Kernspintomographie des Schädels durchgeführt sowie eine ambulante Untersuchung am 21.01.2008. Im Rahmen dieser Untersuchung wurden Schädigungen der motorischen Nerven des Gesichts ausgeschlossen. Es wurde der Verdacht auf eine Neuralgie des Nervus auricochlearis beidseits geäußert.
14Vom 08.04.2008 bis zum 12.08.2008 befand sich die Beklagte in der Schmerzambulanz der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin des K-Hospitals in E zur ambulanten Schmerztherapie. Hier wurden die Diagnosen chronisches Schmerzsyndrom, atypischer Gesichtsschmerz, leichtgradige depressive Episode, chronische Bronchitis sowie Nikotinabusus gestellt.
15Die Beklagte wandte sich in der Folgezeit an die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler der Ärztekammer Westfalen in Münster. Seitens der Gutachterkommission wurden zwei Gutachten über die Faceliftoperation des Klägers eingeholt. Beide Gutachter stellten keinen Behandlungsfehler fest.
16Mit Schreiben vom 26.06.2009 forderte der Kläger die Beklagte zur Zahlung des ausstehenden Honorars in Höhe von 3.070,00 € auf. Die Beklagte widersprach mit Schreiben vom 13.07.2009 aufgrund der von ihr behaupteten Fehlerhaftigkeit der ärztlichen Behandlung und führte keine Zahlungen an den Kläger durch.
17Am 16.07.2009 erstellte der Kläger eine Rechnung über die Konturenverbesserung der unteren Gesichtshälfte der Beklagten aus. Dort findet sich als Gesamtbetrag 3.570,00 €. Dieser setzt sich zusammen aus 3.000,00 € plus 19 % Mehrwertsteuer (570,00 €).
18Aufgrund der von der Beklagten gezahlten 500,00 € macht der Kläger mit der vorliegenden Klage den restlichen Betrag von 3.070,00 € geltend.
19Hierzu behauptet er, die Behandlung der Beklagten sei nach Facharztstandard durchgeführt worden und die Beklagte sei ordnungsgemäß aufgeklärt worden. Die Erfolgsaussichten seien bei der 70-jährigen Beklagten deutlich eingeschränkt. Darüber sei sie auch ausreichend aufgeklärt worden. Es sei auch eine ausdrückliche Aufklärung über mögliche Nervenschädigungen durchgeführt worden. Die Besonderheiten der Behandlung der Beklagten würden sich aus den erheblichen Falten und den vorgefundenen Zustand des Gesichts ergeben, demzufolge sei auch nur ein Mini-Facelifting vereinbart worden. Beiden Parteien sei von vornherein klar gewesen, dass die Beklagte kein umfangreiches Facelifting wünschte und dies auch angesichts ihres Alters und der Tiefe der Falten nicht zum Erfolg führen würde.
20Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte über Schmerzen im Hinterkopfbereich geklagt habe, die sich wie ein Ziehen anfühlen würden und dass dieses Risiko aufklärungsbedürftig gewesen sei. Ferner wird bestritten, dass die Unterspritzung nach Durchführung des Mini-Facelifting fehlerhaft erfolgt sei. Ferner wird bestritten, dass sich die Beklagte deswegen einer Schmerzbehandlung habe unterziehen müssen. Darüber hinaus hätten sich die Parteien am 25.04.2007 auf einen Betrag von 3.000,00 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer als Kosten der Behandlung geeinigt. Der Kläger bestreitet, dass die Beklagte einen Betrag von 3.000,00 € in bar gezahlt habe.
21Der Kläger beantragt,
22die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.070,00 € nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Klagezustellung zu zahlen.
23Die Beklagte beantragt,
24die Klage abzuweisen.
25Widerklagend beantragt die Beklagte,
261. den Kläger zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld nebst fünf Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen;
272. festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, ihr sämtliche materiellen Schäden aus der Operation vom 25.04.2007 zu zahlen soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind.
28Die Beklagte behauptet hierzu, ein Honoraranspruch des Klägers bestehe nicht. Sie habe neben den unstreitig gezahlten 500,00 € die weiteren 2.500,00 € ebenfalls bereits bezahlt.
29Weiter behauptet die Beklagte, unabhängig davon stehe dem Kläger kein Zahlungsanspruch zu, da ihr ein Zurückbehaltungsrecht zustehe. Der Kläger habe einen ärztlichen Behandlungsfehler bei dem Eingriff begangen.
30Nach der Operation seien bei ihr im seitlichen Gesichtsbereich der Wangen bis zum Haaransatz am Kopf und im Bereich der Ohren Lähmungen aufgetreten. Offensichtlich seien bei der Operation die Nervenenden durch den Kläger beschädigt worden. Darüber hinaus verspüre sie Schmerzen im Hinterkopfbereich, die sich wie ein „Ziehen“ anfühlen würden.
31Darüber hinaus behauptet die Beklagte, sie sei in keiner Form vom Kläger aufgeklärt worden. Von den möglichen Nebenfolgen eines Gesichtsliftings habe sie keine Kenntnisse erlangt. Darüber hinaus habe der Kläger am 07.05.2007 nach Durchführung des Gesichtsliftings bei der Beklagten das Mittel Radiesse unterspritzt, was bereits eine fehlerhafte Behandlung darstelle, da nur wenige Wochen nach einem Gesichtslifting nicht die nächste Behandlung im Gesichtsbereich erfolgen dürfe.
32Die Beklagte behauptet weiter, aufgrund des fehlerhaften Eingriffs habe sie sich einer Schmerzbehandlung unterziehen müssen. Sie habe aufgrund der Behandlung des Klägers an massiven Schmerzen gelitten; aufgrund der bei ihr eingetretenen Nervenverletzung stehe ihr ein Schmerzensgeld zu. Dieses sei in Höhe von 6.000,00 € angemessen und erforderlich.
33Die Kammer hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin C und durch Einholung von Sachverständigengutachten von G und S, das die Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung erläutert haben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gutachten vom 30.10.2011 von G (Bl. 153 f. d. A.), das Gutachten vom 01.08.2012 von S (Bl. 186 f. d. A.) sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2013 (Bl. 250 f. d. A.).
34E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
35Die zulässige Klage ist begründet.
36Die zulässige Widerklage hat dagegen in der Sache keinen Erfolg.
371.
38Dem Kläger steht gegen die Beklagte der zuerkannte Anspruch in Höhe von 3.070,00 € aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Heilbehandlungsvertrag gemäß § 611 Abs. 1 BGB zu.
39Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ist zwischen den Parteien auch ein Heilbehandlungsvertrag gemäß § 611 BGB über einen Behandlungsbetrag in Höhe von 3.000,00 € plus 19 % Mehrwertsteuer zustande gekommen. Den Heilbehandlungsvertrag samt allgemeiner Einwilligungserklärung der Patientin haben die Parteien beide unterschrieben. Nachdem die Beklagte zunächst im Termin bestritten hatte, überhaupt ein Schriftstück des Klägers unterzeichnet zu haben und nach Inaugenscheinnahme der vorgelegten Verträge sodann verneint hatte, dass es sich bei der Unterschrift auf dem Vertrag um ihre eigene handeln würde, korrigierte die Beklagte auf Vorhalt der Kammer, dass es sich letztlich doch um ihre eigene Unterschrift handeln müsse, ihr Vorbringen. Auf weitere Nachfrage der Kammer bestätigte die Beklagte, dass sie sich jetzt doch erinnern würde, etwas unterschrieben zu haben. Daraufhin hielt sie ihren Vortrag nicht mehr aufrecht.
40Im Übrigen waren sich beide Parteien darüber einig, dass Gegenstand des Vertrags ein sogenanntes Mini-Facelift sein sollte. Nach dem Eindruck in der mündlichen Verhandlung wurde für die Kammer deutlich, dass die Beklagte das Facelift unbedingt durchführen lassen wollte, sich aber für einen Mini-Facelift entschied, weil sie die höheren Kosten für ein großes Facelift nicht aufbringen konnte.
41Die Parteien haben sich auch auf einen Betrag von 3.000,00 € zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer geeinigt. Der Vortrag der Beklagten, dass sie über die unstreitig gezahlten 500,00 € auch die weiteren 2.500,00 € bereits bezahlt habe, hat sich auch nach der Beweisaufnahme nicht bestätigt. Diesbezüglich blieb die Beklagte für die Voraussetzungen des § 362 Abs. 1 BGB beweisfällig. Sie konnte ein Erlöschen der Forderungen nicht beweisen. Sie trägt jedoch gemäß § 363 BGB die Beweislast für die Erfüllung. Zu keiner Zeit konnte die Beklagte – auch auf mehrfacher Aufforderung durch die Kammer - den von ihr angekündigten Abbuchungsbeleg über den Nachweis der Zahlung von weiteren 2.500,00 € zu den Akten reichen. Auch im Termin vor der Kammer konnte sie an ein derartiges Schriftstück nicht vorlegen.
42Darüber hinaus blieb auch die Vernehmung der von der Beklagten hierzu benannten Zeugin C unergiebig, denn die Zeugin konnte keinerlei Angaben zu eventuellen Zahlungsvereinbarungen und Leistungen bestätigen. Sie konnte gegenüber der Kammer lediglich bestätigen, dass sie die Beklagte zu einem Termin zum Kläger begleitet hatte. An weitere Einzelheiten – mit Ausnahme des schönen Wetters an diesem Tage - konnte sie sich nicht erinnern.
432.
44Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer auch fest, dass die Beklagte keine Gegenansprüche in Form von Schmerzensgeld und Schadensersatzansprüchen im Wege der Einrede des nicht erfüllten Vertrages dem Zahlungsanspruch des Klägers entgegenhalten kann.
45Ihr stehen aus der streitgegenständlichen Behandlung weder Ansprüche wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Heilbehandlungsvertrag gemäß §§ 280 Abs. 1, 611 BGB noch Ansprüche wegen unerlaubter Handlung gemäß §§ 823 ff. BGB gegen den Kläger zu. Die Kammer vermag weder einen Behandlungsfehler noch einen Aufklärungsfehler festzustellen.
46a)
47Die Operation am 25.04.2007 ist fachgerecht durchgeführt worden. Der insoweit beweisbelasteten Beklagten ist der Beweis eines Behandlungsfehlers nicht gelungen. Denn der Sachverständige S hat die diesbezüglichen Behauptungen der Beklagten nicht bestätigt.
48Nach seinen überzeugenden und nachvollziehbaren Ausführungen ergibt sich kein Anhalt dafür, dass der Eingriff vom 25.04.2007 fehlerhaft durchgeführt wurde. Vielmehr sei das zwischen den Parteien vereinbarte Mini-Facelift dem ärztlichen Standard entsprechend durchgeführt worden.
49Es seien auch keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass über die im Rahmen der Hautinzision üblicherweise auftretenden Schädigung kleiner Nerven eine im beschriebenen Umfang ausgeprägte Nervenschädigung entstanden sei. Es sei zu keinerlei Lähmung im Bereich des seitlichen Gesichts gekommen. Vielmehr habe der Kläger dem Alter der Beklagten entsprechend und hinsichtlich ihrer Hautqualität das vereinbarte Mini-Facelift behandlungsfehlerfrei durchgeführt. Zwar habe der Kläger auch gewusst, dass er mit der gewählten Operationsart nicht die von der Vorstellungen der Beklagten umfasste Verbesserung im Gesicht würde erreichen können, dies stelle allerdings im Ergebnis keinen Behandlungsfehler dar.
50Ebenso seien keine Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass die Unterspritzung des Mittels Radiesse fehlerhaft gewesen sei. Auch der Zeitpunkt, ca. 10 Tage nach der Faceliftoperation, sei in keiner Form zu beanstanden, da die Unterspritzung in einer Region durchgeführt worden sei, die von den im Rahmen des Minifacelifts präparierten Gewebearealen deutlich entfernt liege.
51Zwar führt der Sachverständige S hinsichtlich der vom Kläger gewählten Operationstechnik aus, dass diese nicht geeignet sei, die bei der Beklagten bestehende ausgeprägte Faltenbildung im Gesicht und am Hals substantiell zu verbessern. Hierfür hätte es nicht eines sogenannten Mini-Facelift bedurft, sondern vielmehr eines umfassenden Face-neck-Lifts, ergänzt durch weitere operative Schritte und Maßnahmen. Allerdings habe der Kläger wohl dem wiederholten ausdrücklichen und stets fordernden Behandlungswunsch der Beklagten entsprechen wollen. In den unstreitig stattgefundenen mehrfachen Gesprächen zwischen den Parteien erscheine es für den Sachverständigen so, dass der Kläger der Beklagten habe helfen und in ihrem Sinne ein gutes Ergebnis erzielen wollen. Dies sieht die Kammer genauso. Dabei habe er zwar aus Sicht des Sachverständigen eine Operationstechnik gewählt, die das angestrebte Ziel nicht erreichen konnte. Dieses zu erkennen und die im Hinblick auf das gewünschte Ergebnis nicht aussichtsreiche Operation abzulehnen, sei allerdings eine Einzelfallentscheidung und hänge insbesondere auch von den individuellen Wünschen der Patienten ab.
52Hiervon konnte sich die Kammer auch in der mündlichen Verhandlung selbst überzeugen. So hat der Kläger eindrucksvoll und nachvollziehbar in seiner persönlichen Anhörung geschildert, dass er die Beklagte immer wieder darauf hingewiesen habe, dass ein Mini-Facelift nicht den von ihr gewünschten Erfolg haben werde. Allerdings habe die Beklagte weiterhin darauf bestanden, ihn deshalb angefleht und sogar um Durchführung des Eingriffs gebettelt. Diesen Ausführungen der Klägerseite hat die Beklagte auch nicht widersprochen. Es war ihr ausdrücklicher und inniger Wunsch, etwas gegen ihre Faltenbildung im Gesicht vornehmen zu lassen. Ihre eigenen Vorstellungen konnten aber von vorherein mit der hier gewählten Operationsmethode zu keinem Zeitpunkt erfüllt werden. Diesen Umstand wollte sie jedoch trotz mehrfachen Hinweises des Klägers nicht akzeptieren bzw. wahrhaben.
53Hierzu führte der Sachverständige S im Termin aus, dass gerade im Bereich der ästhetischen und kosmetischen Chirurgie ein anderer Maßstab in Bezug auf die Vereinbarkeit der Wünsche eines Patienten und dem medizinischen Nutzen der Eingriffe gelte. Wenn ein Patient den Arzt mit seinem Wunsch nach kosmetischer Veränderung bedränge und sich nicht davon abbringen lasse, dann sei es ein Einzelfall und Ermessensentscheidung des Arztes, ob er auch eine Operation durchführen sollte, die keine substantiellen Verbesserungen erwarten lasse.
54Die Kammer ist im Ergebnis davon überzeugt, dass die Beklagte den Kläger dazu gedrängt hat, den Eingriff bei ihr durchzuführen. Diesem Wunsch hat der Kläger – trotz seiner Bedenken im Hinblick auf die geringen Erfolgsaussichten - auch entsprochen, obwohl ihm bewusst war, dass die bei der von ihm gewünschten Operationstechnik keine substantiellen Verbesserungen zu erwarten waren. Nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S ist die Kammer der Auffassung, dass der Kläger die Operation nicht hätte ablehnen müssen. Er hat vorliegend gewissenhaft die Beklagte beraten und aufgeklärt und hat schließlich im Einzelfall dem Drängen und Wünschen der Beklagten nachgegeben, weil er ihr auch helfen wollte.
55Darüber hinaus hat auch der Sachverständige G überzeugend ausgeführt, dass sich aus neurologischer Sicht keinerlei Anzeichen einer peripheren Facialis-Parese bei der Beklagten finden ließen.
56Die von der Beklagten berichteten Sensibilitätsstörungen im Gesicht würden keinem peripheren Innervationsgebiet folgen. Die Sensibilitätsstörungen seien auch nicht durch eine organische Schädigung der peripheren Nerven zu erklären. Vielmehr sei aus neurologischer Sicht aufgrund der Symptomatik am ehesten von einem atypischen Gesichtsschmerz auszugehen, einer Schmerzform, die nicht selten im Zusammenhang mit psychosomatisch verursachten Schmerzen beobachtet wird. Organische Folgen am peripheren Nervensystem durch eine Verletzung bei der Operation anlässlich des Faceliftings seien nicht festzustellen.
57Vielmehr seien die Beschwerden wahrscheinlich im Rahmen einer psychosomatischen Reaktion der Beklagten aufgetreten, die wiederum Folge einer unrealistischen Erwartungshaltung an den Operationserfolg seien. Die von der Beklagten vorgebrachte Sensibilitätsstörung im Gesicht sei auf die bei ihr vorhandene depressive Grundsymptomatik zurückzuführen, die unstreitig seit Jahren bestehe und eben in dem Wunsch gipfelte, eine Gesichtsoperation mit Faltenglättung durchführen zu lassen. In keinem Fall sei der Schmerz jedoch auf den durchgeführten Eingriff zurückzuführen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass der Wunsch der Beklagten zur Vornahme des Eingriffs so groߠ gewesen sei, dass sie sich keinesfalls von diesem Wunsch hätte abbringen lassen. Dieser Feststellung, denen sich die Kammer aus eigener Überzeugung vollumfänglich anschließt, korrespondieren im Ganzen auch mit dem Eindruck, den sich die Kammer im Termin zur mündlichen Verhandlung aufgrund des Vortrages der Parteien selbst bilden konnte.
58Danach ist die Kammer im Ergebnis davon überzeugt, dass die Beklagte den Eingriff in jedem Falle hätte durchführen lassen. Sie hat sich auch in den zahlreichen Gesprächen und telefonischen Rückfragen beim Kläger nicht davon abbringen lassen. Aufgrund ihrer in der depressiven Verstimmung verwurzelten unrealistischen Erwartungshaltung und ihrem unbedingten Drängen, den Eingriff vornehmen zu lassen, ist die Kammer davon überzeugt, dass der Kläger den Eingriff auch nicht hätte ablehnen müssen. Er hat vielmehr seiner ärztlichen Pflicht dadurch genüge getan, dass er die Beklagte im Vorfeld des Eingriffs umfassend und ausreichend über die Möglichkeiten, Risiken und Ziele des Eingriffs aufgeklärt hatte.
59b)
60Deshalb kann sich die Beklagte auch nicht darauf berufen, dass der operative Eingriff rechtswidrig erfolgt ist, weil sie mangels ausreichender Aufklärung nicht wirksam in den Eingriff eingewilligt habe. Denn sie ist vor der Durchführung des Eingriffs am 25.04.2007 ordnungsgemäß durch den Kläger aufgeklärt worden. Davon ist die Kammer überzeugt.
61Zur Behandlungsaufklärung gehört zwar auch, dass der Arzt dem Patienten Kenntnis von Behandlungsalternativen verschaffen muss, die bei gleicher Belastung und gleichem Risiko für den Patienten bessere Erfolgschancen oder bei geringerer Belastung und Risiko für den Patienten die gleichen Erfolgschancen geboten hätten. Eine Aufklärung über echte Behandlungsalternativen mussten aber nicht erfolgen, weil solche nach den Ausführungen der Sachverständigen, den sich die Kammer auch insoweit anschließt, nicht zur Verfügung standen. Ein großes Facelifting war aufgrund der finanziellen Möglichkeiten der Beklagten nicht zu realisieren. Das letztlich durchgeführte Mini-Facelift wurde aufgrund des Drängens der Beklagten gewählt und durchgeführt.
62Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen S sei die Beklagte sehr ausführlich über den Eingriff aufgeklärt worden. Die in den Krankenunterlagen befindlichen Einwilligungserklärungen seien sehr umfassend und durch eigenhändige Zusätze und Zeichnungen ergänzt worden. Allerdings zeige die Dokumentation, dass trotz der zeitlichen und inhaltlich umfangreichen Aufklärung ganz offensichtlich ein unterschiedliches Verständnis vom streitgegenständlichen Eingriff beim Kläger und bei der Beklagten bestanden habe in der Form, wie viel Straffungsaffekt erzielt werden soll und welchen chirurgischen und finanziellen Aufwand die Beklagte dafür zu tragen bereit sei. Auch diesen Ausführungen schließt sich die Kammer vollumfänglich an. Trotz der sehr umfassenden Aufklärung durch den Kläger hat die unrealistische Erwartungshaltung der Beklagten an den Eingriff dazu geführt, dass die Beklagte übertrieben hohe Erwartungen hatte. Sie ist allerdings über sämtliche Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt worden, hatte aber im Ergebnis aufgrund ihrer depressiven Grundverstimmung eine zu hohe Erwartungshaltung an den gewünschten Erfolg. Allerdings stellt dies keinen Aufklärungsmangel dar.
63Nachdem die Beklagte zunächst bestritten hat, dass sie überhaupt irgendwelche schriftlichen Unterlagen erhalten hat, bestätigte sie nach Vorhalt durch die Kammer und nach Vorlage der unterschriebenen Einwilligungserklärungen letztlich doch, dass sie diese unterschrieben hat.
64Darüber hinaus ist die Kammer davon überzeugt, dass die Beklagte den Eingriff in jedem Fall hätte durchführen lassen. Aufgrund der Anhörung der Klägerin in der mündlichen Verhandlung wurde deutlich, dass sie sich von dem Vorhaben durch nichts hätte abbringen lassen. Ein Aufklärungsmangel war deshalb vorliegend zu verneinen.
65Das damit widerklagend geltend gemachte Schmerzensgeld- und Schadensersatzbegehren konnte deshalb keinen Erfolg haben. Sonstige Einwände gegen den Zahlungsanspruch des Klägers sind vorliegend nicht ersichtlich. Der Zinsanspruch ergibt aus §§ 291, 288 BGB.
66Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
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