Urteil vom Landgericht Dortmund - 1 S 298/12
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 23. Juli 2012 verkündete
Urteil des Amtsgerichts Herne – 28 C 19/12 – abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Eigentümerbeschluss vom 7. März 2012 zum Tagesordnungspunkt 3 über die Genehmigung der Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2010 inklusive Heizkostenabrechnung 2010 wird hinsichtlich der Einzelabrechnungen der Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung für ungültig erklärt.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
1
Gründe:
2I.
3Nach den §§ 540 Abs. 2 ZPO, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO und 26 Nr. 8 EGZPO wird von einer Darstellung des Tatbestandes abgesehen.
4II.
5Die Berufung ist zulässig und begründet.
6Der Eigentümerbeschluss vom 07.03.2012 zum Tagesordnungspunkt 3 über die Genehmigung der Jahresabrechnung für das Wirtschaftsjahr 2010 inklusive Heizkostenabrechnung 2010 ist schon deshalb hinsichtlich der Einzelabrechnungen der Heiz- und Warmwasserkostenabrechnung für ungültig zu erklären, weil die Protokollierung nicht den Anforderungen des § 12 Ziffer 6 der Teilungserklärung entspricht. Dort ist in Ergänzung des § 23 WEG bestimmt worden, dass zur Gültigkeit eines Beschlusses der Eigentümerversammlung dessen Protokollierung erforderlich ist und das Protokoll vom Verwalter zu erstellen und von dem Versammlungsvorsitzenden sowie von zwei Wohnungseigentümern oder Verwaltungsbeiräten zu unterschreiben ist. Eine solche Regelung ist wegen des berechtigten Interesses der Wohnungseigentümer an einer effektiven Kontrolle und an der sicheren Feststellung der gefassten Beschlüsse wirksam (BGH NJW 2012, 2512). Die in Satz 1 angeordnete Protokollierung ist nur dann ordnungsmäßig, wenn sie die in Satz 2 vorgesehene Form wahrt. Die Wahrung dieser Form ist ebenfalls Gültigkeitsvoraussetzung für die gefassten Beschlüsse. Dieses ergibt sich aus dem inhaltlichen Zusammenhang von Satz 2 mit Satz 1. Die Annahme, die Teilungserklärung habe nur die Protokollierung der Beschlüsse zur Gültigkeitsvoraussetzung gemacht und nicht auch deren Form, liegt für einen unbefangenen Betrachter fern, weil die Form die Richtigkeit des Protokolls gewährleisten soll und die Rechtsfolge eines unrichtig oder unvollständig unterzeichneten Protokolls vernünftigerweise keine andere sein kann als die der fehlenden Protokollierung. Hätte man bei der Beurkundung der Teilungserklärung etwas anderes gewollt, hätte man zum Ausdruck bringen müssen, dass die Unterschriftenregelung im Gegensatz zu Satz 1 nicht „in Ergänzung des § 23 WEG zur Gültigkeit des Beschlusses“, sondern in Abweichung von § 24 Abs. 6 S. 2 WEG erfolgt. Da dieses aber nicht geschehen ist, kann aus der bei der gesetzlichen Regelung bestehenden Rechtslage, nach der eine fehlende oder nicht ordnungsgemäße Unterschrift unter das Protokoll nicht die Gültigkeit gefasster Beschlüsse, sondern nur die Beweiskraft des Protokolls berührt, nicht hergeleitet werden, dass dies bei der hier zu beurteilenden Bestimmung der Teilungserklärung ebenso sei (BGH NJW 1997, 2956; OLG Celle OLGR 1999, 67). Die unterzeichnenden Wohnungseigentümer müssen bei der Eigentümerversammlung anwesend gewesen sein. Denn sie bestätigen durch ihre Unterschrift die inhaltliche Richtigkeit der Niederschrift. Eine solche Bestätigung kann aber nur dann erfolgen, wenn diese Wohnungseigentümer selbst in der Eigentümerversammlung anwesend waren (OLG Hamm NZM 2008, 808; OLG München NJW 2008, 156). Die Nichtbeachtung einer Gültigkeitsvoraussetzung führt nicht zur Nichtigkeit, sondern lediglich zur Anfechtbarkeit des Eigentümerbeschlusses (BGH NJW 2012, 2512; OLG Hamm NZM 2002, 295). Die Möglichkeit der Anfechtung lässt den Anspruch der Wohnungseigentümer auf ordnungsgemäße Protokollierung unberührt. Bei unberechtigter Verweigerung der Unterschriften müssen daher beide Verfahren nebeneinander betrieben und ggf. miteinander verbunden werden (BGH NJW 1997, 2956). Das Protokoll der Eigentümerversammlung vom 07.03.2012 ist zunächst nur von dem Versammlungsleiter unterschrieben worden. Herr S, der Kläger und der Beklagte zu 179) haben jedoch als zur Mitunterzeichnung herangezogene Verwaltungsbeiratsmitglieder ihre Unterschriften mit der Begründung verweigert, dass das Protokoll in Teilen nicht den tatsächlichen Ablauf wiedergebe. Diese Weigerung kann nicht als rechtsmissbräuchlich angesehen werden. Davon wäre nur dann auszugehen, wenn Herr S, der Kläger und der Beklagte zu 179) die Unterzeichnung des Protokolls allein im Hinblick auf die Regelung des § 12 Ziffer 6 der Teilungserklärung und die sich daraus ergebende Anfechtungsmöglichkeit abgelehnt hätten. Besteht aber ein Streit über den Inhalt des Protokolls, kann nicht von einer rechtsmissbräuchlichen Weigerung ausgegangen werden (OLG Celle OLGR 1999, 67). Soweit sich die Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2013 unter Vorlage des Protokolls darauf berufen haben, dass dieses nach der Weigerung des Herrn S, des Klägers und des Beklagten zu 179) im April 2012 von den ebenfalls in der Eigentümerversammlung vom 07.03.2012 anwesenden Beklagten zu 15) und 180) unterzeichnet worden sei, ist dieses neue Vorbringen schon deshalb in der Berufungsinstanz zu berücksichtigen, weil es unstreitig geblieben ist (BGH NJW 2005, 291). Diese Tatsache führt aber nicht dazu, dass die Anforderungen des § 12 Ziffer 6 der Teilungserklärung als erfüllt angesehen werden können. Zwar wird der Verstoß gegen eine qualifizierte Protokollierungsklausel als heilbar angesehen (BGH NJW 2012, 2512; OLG München NJW 2008, 156). Hier geht es aber nicht um eine bloße Nachholung zunächst unterbliebener Unterschriften, sondern um die Ersetzung einer Unterschriftenverweigerung durch die Unterschriften anderer Wohnungseigentümer. In einem solchen Fall können die nachträglichen Unterschriften nicht mehr den Zweck erfüllen, dass durch sie die inhaltliche Richtigkeit des Protokolls bestätigt wird, da diese bereits durch die vorherige Verweigerung der Unterschriften durch Herrn S, den Kläger und den Beklagten zu 179) in Frage gestellt ist.
7Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 und 708 Nr. 10 ZPO, wobei die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner zu tragen haben.
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