Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 213/11
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand
2Der Kläger macht gegen die Beklagte aus einem Vorfall vom 11.03.2010 Ansprüche aus einer Unfallversicherung geltend.
3Der Kläger unterhält bei der Beklagten eine private Unfallversicherung. Versichert waren zum streitgegenständlichen Zeitpunkt eine Invaliditätsgrundsumme von 135.000,00 €, ein Genesungsgeld sowie ein Unfall-Krankenhaus-Tagegeld in Höhe von jeweils 60,00 € sowie ein Tagegeld in Höhe von 20,00 €. Dem Vertrag liegen die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten „GUB 2008“ zugrunde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Nachtrag zum Versicherungsschein vom 09.07.2009 (Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 29.07.2011) sowie die Ablichtung der GUB 2008 (Anlage B 2 zum Schriftsatz vom 29.07.2011) Bezug genommen.
4Der Kläger stellte sich erstmals am 08.04.2010 aufgrund eines Vorfalls vom 11.03.2010 bei einem Arzt vor. Am 09.04.2010 wurde bei dem Kläger eine Großzehenamputation und am 13.04.2010 eine Vorfußamputation des linken Fußes durchgeführt. Der Kläger meldete mit Schadensanzeige vom 12.06.2010 der Beklagten das Unfallereignis.
5Die Beklagte minderte die Ansprüche des Klägers um 75 % wegen einer ihrer Meinung nach bestehenden unfallunabhängigen Vorschädigung aufgrund einer Diabetes Erkrankung und zahlte die verbleibenden Beträge an den Kläger.
6Der Kläger behauptet, er habe am 11.03.2010 einen Unfall erlitten. Er habe am 11.03.2010 zusammen mit Helfern eine Gartenlaube um 1,8 Meter nach vorne verlegen wollen. Bei Verladung eines Arbeitsgeräts sei ein Verlängerungsrohr von einer Pritsche heruntergefallen und auf seinen linken Fuß gefallen. Er habe eine Verletzung am linken Zeh sowie seitlich am Ballen erlitten.
7Er behauptet, infolge des Unfalls sei es zu Wundheilungsstörungen gekommen, aufgrund derer zunächst der Großzeh und dann auch der Fuß in Höhe der Mittelfußknochen habe amputiert werden müssen. Er behauptet, es liege eine Invalidität von 6/10 Fußwert vor. Er behauptet, die Gesundheitsbeeinträchtigungen seien ausschließlich auf das Ereignis vom 11.03.2010 zurückzuführen. Es liege keine Mitwirkung vorbestehender Erkrankungen vor.
8Nachdem der Kläger ursprünglich den Klageantrag zu 2. zweifach gestellt hatte, hat er diesen Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2011 einmal zurückgenommen.
9Der Kläger beantragt nunmehr,
101) die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus dem Versicherungsvertrag Nr. xx.xxx9 aufgrund des Schadensereignisses vom 11.03.2010 eine Invaliditätsentschädigung von 34.080,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2011 zu zahlen.
112) die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus dem Versicherungsvertrag Nr. xx.xxx9 aufgrund des Schadensereignisses vom 11.03.2010 für den Zeitraum vom 22.03.2010 bis 11.09.2010 ein weiteres Krankentagegeld von 2.145,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.10.2010 zu zahlen.
123) die Beklagte zu verurteilen, an ihn aus dem Versicherungsvertrag Nr. xx.xxx9 aufgrund des Schadensereignisses vom 11.03.2010 für den Zeitraum vom 08.04.2010 bis 10.05.2010 ein weiteres Krankenhaustage- und Genesungsgeld von 2.970,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.09.2010 zu zahlen.
134) die Beklagte zu verurteilen, ihm vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 1.307,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage am 08.07.2011 zu zahlen.
14Die Beklagte beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Sie erklärt sich hinsichtlich des Hergangs des Vorfalls vom 11.03.2010 mit Nichtwissen. Sie behauptet, der unfallfremde Mitwirkungsanteil liege aufgrund der – unstreitig – bei dem Kläger bestehenden Diabetes Typ 2 bei 100 %.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
18Die Kammer hat den Kläger persönlich angehört. Ferner hat sie Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin Behringen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.12.2011 (Bl. 54 ff. d. A.) Bezug genommen.
19Die Kammer hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 08.02.2012 durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses wird auf das Sachverständigengutachten des Sachverständigen U vom 28.01.2013 Bezug genommen. Die Kammer hat den Sachverständigen ferner mündlich angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.08.2011 (Bl. 103 f. d. A.) Bezug genommen.
20Entscheidungsgründe
21Die zulässige Klage ist unbegründet.
22Dem Kläger stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus dem zwischen den Parteien geschlossenen Unfallversicherungsvertrag zu.
23Zunächst steht dem Kläger kein Anspruch auf die mit dem Klageantrag zu 1) geltend gemachte Invaliditätsentschädigung zu.
24Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger am 11.03.2010 einen Unfall erlitten hat, als ein Verlängerungsrohr auf seinen linken beschuhten Fuß gefallen ist. Ferner steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger durch das Fallen des Rohres auf seinen Fuß eine Verletzung am Zeh sowie eine Verletzung seitlich am Ballen erlitten hat. Der Kläger hat den Vorfall im Rahmen seiner persönlichen Anhörung glaubhaft geschildert und seine Schilderungen sind durch die glaubhaften und widerspruchsfreien Bekundungen der Zeugin C bestätigt worden.
25Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht weiterhin zur Überzeugung der Kammer fest, dass das Fallen des Rohres kausal für die Amputationen gewesen ist. Im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens hat der Sachverständige U ausgeführt, dass das diabetische Fußsyndrom in der Regel mit sogenannten Bagatellverletzungen beginne. Der Sachverständige U hat im Rahmen seiner mündlichen Anhörung ergänzend dazu ausgeführt, dass das Fallen des Rohres und die daraus resultierenden oberflächlichen Schürfverletzungen am Anfang gestanden haben. Es sei dann dazu gekommen, dass der Kläger aufgrund einer diabetischen Neuropathie nur ein reduziertes bzw. aufgehobenes Schmerzempfinden habe, welches wiederrum dazu geführt habe, dass er sich nicht ärztliche Behandlung begeben habe, da er keine Schmerzen empfunden habe. Es sei das Erkrankungsbild der feuchten Gangrän entstanden, welches oftmals zu Amputationen führe und auch vorliegend geführt habe. Der Sachverständige hat damit letztlich die Ursächlichkeit des Fallens des Rohres für die erfolgte Amputation bejaht, auch wenn er im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens ausgeführt hat, dass die Amputation Folge des diabetischen Fußsyndroms und nicht der erlittenen Hautabschürfung sei. Der Sachverständige hat jedoch eine ununterbrochene Kausalkette geschildert, an deren Anfang die durch das Rohr entstandene Hautabschürfung stand.
26Dem Kläger steht gegen die Beklagte dennoch kein Anspruch auf eine Invaliditätsleistung zu, da die Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt ist, dass eine 100 %-ige Mitwirkung der Diabetes gegeben ist. Nach 5 GUB 2008 mindert sich, wenn Krankheiten oder Gebrechen bei der durch das Unfallereignis verursachten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt haben, im Falle einer Invalidität der Prozentsatz des Invaliditätsgrades. Nur in dem Fall, dass der Mitwirkungsanteil weniger als 40 % beträgt, unterbleibt eine Minderung.
27Der Sachverständige U hat im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens zunächst ausgeführt, dass bei der unfallbedingten dauerhaften Beeinträchtigung und deren Folgen die bei dem Kläger vorliegende Diabetes mellitus mitgewirkt habe. Den Grad dieser Mitwirkung hat der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten mit 100 % bewertet. Im Rahmen seiner mündlichen Anhörung hat der Sachverständige ergänzend ausgeführt, dass eine Kombination aus einer oberflächlichen Verletzung und einem diabetischen Fußsyndrom vorgelegen habe, jedoch die diabetische Erkrankung den Verlauf in Richtung Amputation gelenkt habe. Der Sachverständige hat den Grad der Mitwirkung im Rahmen seiner mündlichen Anhörung mit 90 % bis 100 % bewertet.
28Die Kammer geht trotz der von dem Sachverständigen im Rahmen seiner mündlichen Anhörung angegebenen Schätzung des Mitwirkungsgrades auf 90 % bis 100 % von einem Mitwirkungsanteil von 100 % aus. Das Maß der Berücksichtigung der Krankheiten bzw. Gebrechen ergibt sich aus einer Abwägung, die bestimmt wird von der Schwere des Unfalls einerseits und der Schwere des Vorschadens andererseits. Insoweit ist zu fragen, welche funktionellen Einbußen zu erwarten gewesen wären, wenn allein das Unfallereignis zu gesundheitlichen Folgen geführt hätte, und welche aufgrund des Hinzutretens von bereits davor vorhandenen Krankheiten oder Gebrechen eingetreten sind (vgl. Römer, VVG, § 182, Rn. 2). Der Sachverständige hat im Hinblick auf die Schwere des Unfalls ausgeführt, dass das Fallen eines Rohres mit einem Gewicht von 3,5 kg auf einen beschuhten Fuß keine hohe Gewalteinwirkung habe, und, dass auch der Kläger die unmittelbar aus dem Ereignis hervorgegangenen Schürfwunden als minderschwer eingestuft habe, was sich daran zeige, dass er die Wunden selbst behandelt habe. Die von dem Kläger erlittenen Schürfwunden wären nach den Ausführungen des Sachverständigen bei einem gesunden Menschen folgenlos ausgeheilt. Eine Amputation hätte – so der Sachverständige – mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht stattfinden müssen, wenn es sich bei der betroffenen Person nicht um einen Diabetiker gehandelt hätte.
29Es handelte sich demnach um einen Bagatellunfall, der ohne die Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe folgenlos ausgeheilt wäre und in keinem Fall bei einem gesunden Menschen zu einer Amputation geführt hätte. Unter Zugrundelegung dessen erscheint nur die Annahme einer 100 %- igen Mitwirkung als gerechtfertigt. Diese Annahme passt auch zu der von dem Sachverständigen im Rahmen seines schriftlichen Gutachtens vorgenommen Einschätzung sowie seiner in der mündlichen Verhandlung vorgenommenen Beurteilung, dass eine Amputation mit an Sicherheit grenzend Wahrscheinlichkeit nicht hätte stattfinden müssen, wenn es sich nicht um einen Diabetiker gehandelt hätte.
30Die Klageanträge zu 2) und 4) sind unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte auch kein Anspruch auf Zahlung von Krankentagegeld, Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld zu, da Leistungen der Beklagten – wie oben ausgeführt - aufgrund der 100 %-igen Mitwirkung der Diabetes ausgeschlossen sind.
31Mangels Erfolges der Hauptforderungen besteht auch kein Anspruch auf die begehrten Rechtsanwaltskosten.
32Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 Sätze 1 und 2 ZPO.
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Referenzen
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