Beschluss vom Landgericht Dortmund - 2 S 9/14
Tenor
Die Kammer weist die Parteien darauf hin, dass beabsichtigt ist, die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie einstimmig davon überzeugt ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat, eine Entscheidung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht erforderlich ist und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.
Dem Berufungskläger wird Gelegenheit gegeben, binnen zwei Wochen nach Zugang dieses Beschlusses, zu den Hinweisen Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung aus Kostengründen zurückgenommen wird.
1
Gründe
2Die zulässige Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
3Die Sache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung der Kammer auf Grund mündlicher Verhandlung, die auch sonst nicht geboten ist (§ 522 Abs. 2 S. 1 ZPO).
4I.
5Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er aus der zwischen den Parteien unter Geltung der MB/KT bestehenden Krankentagegeldversicherung im Versicherungsfall Anspruch auf eine Krankentagegeld in Höhe von 120 € statt der policierten 92 € hat.
6Er hat sein Klagebegehren im Wesentlichen damit begründet, dass der am 09.10.2012 durch die Beklagte ausgestellte Versicherungsschein, in dem das Krankentagegeld trotz seines Erhöhungsverlangens von 90,- € auf 120,- € lediglich auf 92,- € erhöht worden ist, eine nach den Anforderungen des § 5 Abs. 2 VVG fehlerhafte Belehrung über die Abweichung des Versicherungsscheins vom Antrag enthalten habe. Deswegen komme die Regelung des § 5 Abs. 3 VVG zur Anwendung. Nach dieser Fiktionsregelung gelte der Versicherungsvertrag im Falle einer fehlerhaften Belehrung nach § 5 Abs. 2 VVG als mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers geschlossen. Da der Kläger zuvor eine Erhöhung auf 120,00 € beantragt habe, seien die beantragten 120,00 € somit Bestandteil des Versicherungsvertrages geworden.
7Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, dass die vom Kläger genutzte Möglichkeit der Anpassung des Versicherungsschutzes nach den Tarifbedingungen nicht unter den Anwendungsbereich des § 5 VVG falle, jedenfalls aber wegen des Widerspruchs des Klägers gegen die in der Police ausgewiesene Erhöhung auf "nur" 92 € der Vertrag mit dem ursprünglich vereinbarten Tagegeld in Höhe von 90 € fortbestehe.
8Das Amtsgericht Dortmund hat mit Urteil vom 29.01.2014 die Klage abgewiesen. Es hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass § 5 VVG für den Fall, dass ein bestehender Versicherungsschutz durch den Antrag eines Versicherungsnehmers verändert werden soll, nicht zur Anwendung komme. Die Vorschrift komme lediglich zur Anwendung, wenn ein Neuvertrag geschlossen werde.
9Diese Rechtsauffassung greift der Kläger mit seiner Berufung an. Ferner ist der Kläger der Ansicht, dass ihm ein Anspruch auf Erhöhung des Krankentagegeldes auf 120,- € aus Schadensersatzgesichtspunkten zustehe, weil die Beklagte ihre Hinweispflichten aus § 6 VVG verletzt habe, indem sie ihm seit 1985 nicht ein einziges Mal Hinweise zur Verbesserung des Krankentagegeldschutzes erteilt habe.
10Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und hält an ihrer erstinstanzlich geäußerten Rechtsauffassung fest.
11II.
12Das Urteil des Amtsgerichts Dortmund vom 29.01.2014 (Az. 419 C 8889/13) lässt im Ergebnis entgegen der Rechtsauffassung des Klägers eine Rechtsverletzung gem. §§ 513, 546 ZPO nicht erkennen.
131.
14a) Dem Kläger ist allerdings entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts darin zuzustimmen, dass § 5 VVG auch dann zur Anwendung gelangt, wenn der Versicherungsschutz im Rahmen von bereits bestehenden Versicherungsverträgen auf ein Verlangen des Versicherungsnehmers hin verändert werden soll. Die weitgehend dem § 5 VVG a. F. entsprechende Vorschrift gilt für jede Art von Versicherungsurkunden, wie Versicherungsschein, Verlängerungsschein, Nachtrag, Folgepolice (BGH VersR 2004, 893; OLG Hamm VersR 93, 169; Prölss in: Prölss/Martin, § 5 VVG, Rn. 1). Unanwendbar sind § 5 Abs. 1 und Abs. 2 VVG nur dann, wenn weder ein Vertrag noch ein Antrag des Versicherungsnehmers vorausgegangen war, sondern der Versicherer durch unerwartet übersandten Versicherungsschein einen neuen Vertrag oder die Veränderung eines bestehenden Vertrages beantragt (Prölss, in: Prölss/Martin, § 5 VVG, Rn. 1).
15b) Dem Kläger ist ferner zuzugeben, dass ein VersNehmer, der einer sich aus dem Versicherungsschein ergebenden Abänderung vom Antrag widerspricht, damit in aller Regel nicht von der gesetzlichen Regelung in § 5 Abs. 3 VVG VVG abweichen will. Deshalb kommt der Vertrag oder die Änderung des Vertrags nicht wie die Beklagte im Anschluss an die Entscheidung des Versicherungsombudsmanns v. 24.1.2013 -Az: 5571/12- zustande bzw. wird nicht zu den ursprünglichen Bedingungen fortgeführt, sondern wird mit den im Versicherungsantrag niedergelegten Bedingungen wirksam (BGH VersR 1982, 841; OLG Köln r+s 1995, 283; OLG Hamm VersR 1989, 947), wenn im Versicherungsschein nicht oder nicht hinreichend deutlich auf die Abweichung vom Antrag hingewiesen wird. Dass die Beklagte ihrer Hinweisobliegenheit nicht in der erforderlichen Form nachgekommen ist, ist unter den Parteien nicht streitig (siehe zu den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Obliegenheitserfüllung: Rixecker in: Römer/Langheid, § 5 VVG, Rn. 10).
162.
17Dennoch kann sich der Kläger auf den Verstoß gegen die grundsätzlich nach § 5 Abs. 2 VVG bestehende Hinweispflicht nicht berufen, da er nicht schutzwürdig war.
18a) Die Annahme einer Hinweispflicht des Versicherers aus § 5 Abs. 2 VVG setzt ein besonderes Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers voraus, da § 5 Abs. 2 und 3 VVG eine besondere Ausprägung des Vertrauensschutzgedankens enthalten (BGH r+s 2000, 491). Dieser bedarf nur dann eines besonderen Hinweises oder einer besonderen Belehrung durch den Versicherer, wenn er nach Treu und Glauben davon ausgehen darf, der Versicherer werde von seinem „Antrag“ nicht, jedenfalls nicht ohne Gegenteiliges zu erklären, abweichen und ihm einen Versicherungsschein erteilen, der seinem Antrag umfassend entspricht. Fehlt es im Einzelfall an einem entsprechenden Schutzbedürfnis, so kann aus § 5 Abs. 2 VVG – als Ergebnis einer teleologischen Reduktion – keine Hinweis- und Belehrungspflicht des Versicherers abgeleitet werden, deren Nichteinhaltung zugunsten des Versicherungsnehmers zur Folge hat, dass gemäß dessen Antrag umfassender Versicherungsschutz als vereinbart anzusehen ist. Das von § 5 Abs. 2 VVG mit seinem Belehrungserfordernis vertretene Schutzbedürfnis des Versicherungsnehmers entfällt insbesondere dann, wenn der Versicherer von vornherein – also noch vor Antragstellung – deutlich gemacht hat, er werde auf keinen Fall ein bestimmtes Risiko übernehmen, (vgl. OLG Saarbrücken VersR 2010, 63.; Rixecker in: Römer/Langheid, 4. Aufl., § 5 VVG, Rn. 13).
19An einem von § 5 Abs. 2 VVG geforderten Schutzbedürfnis des Klägers fehlt es im vorliegenden Fall.
20Die Beklagte hat, bevor sie dem Kläger den Versicherungsschein vom 9.10.2012 zugesandt hatte, klar und deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Erhöhung des Krankentagegeldes von 90,00 € auf 120,00 € nicht policieren wird.
21Nachdem der Kläger erstmals mit Schreiben vom 8.7.2012 um eine Erhöhung des Krankentagegeldes auf 110,00 € gebeten hatte, teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11.7.2012 mit, dass eine Anpassung erst erfolgen könne, wenn die letzten beiden Gehaltsabrechnungen, aus denen die Erhöhung des Einkommens des Klägers hervorgeht, übersandt werden. Daraufhin übersandte der Kläger mit Schreiben vom 18.7.2012 die Gehaltsabrechnungen für die Monate Juni und Juli 2012 sowie eine Gehaltstabelle ab Oktober 2012. Mit Schreiben vom 25.7.2012 teilte die Beklagte dem Kläger sodann mit, dass nach Abschnitts F) der Versicherungsbedingungen der Versicherungsschutz entsprechend der dauerhaften Erhöhung des Nettoeinkommens angepasst werden könne, sofern ein Antrag spätestens zwei Monate nach einer dauerhaften Änderung des Nettoeinkommens gestellt werde. Mit Schreiben vom 1.10.2012 übersandte der Kläger sodann die Gehaltsabrechnungen für die Monate September und Oktober 2012 mit der erneuten Bitte, das Krankentagegeld nun auf 120,00 € zu erhöhen. Mit Schreiben vom 9.10.2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass aufgrund der vorliegenden Gehaltsnachweise für September und Oktober 2012 eine Anpassung von 2,00 € pro Tag möglich ist, der Vertrag entsprechend abgeändert worden sei und der neue Versicherungsschein – der streitgegenständliche Versicherungsschein vom 9.10.2012 – beiliege. Die gewünschte Erhöhung auf 120,00 € sei aus den bereits bekannten Gründen nicht möglich.
22Die Beklagte hat dem Kläger vor Übersendung des Versicherungsscheins vom 9.10.2012 durch Übersendung des Schreibens vom 25.7.2012 hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass das Krankenhaustagegeld lediglich nach Abschnitt F) der geltenden Versicherungsbedingungen in der Form erfolgen könne, dass das bereits vereinbarte Krankentagegeld i.H.v. 90,00 € nur entsprechend der Erhöhung des Nettoeinkommens des Klägers vorgenommen werden kann. Allein aufgrund des Schreibens der Versicherung vom 25.07.2012 hätte der Kläger, der selbst Versicherungskaufmann ist, erkennen müssen, dass sowohl das ursprüngliche Erhöhungsverlangen auf 110,00 € und erst recht das nachfolgende Erhöhungsverlangen auf 120,00 € aufgrund der geltenden Regelungen im Abschnitt F) der Versicherungsbedingungen nicht vom Versicherer angenommen werden würde, weil die Versicherungsbedingungen lediglich eine dem Anstieg des Nettoeinkommens entsprechende Erhöhung des Krankentagegeldes ermöglichen und die persönlichen Nettoeinkommenssteigerung des Klägers für sein Verlangen nicht ausreichte. Dem Kläger hätte bewusst sein müssen, dass sich die Beklagte aufgrund der geltenden Bedingungen niemals auf sein Verlangen eingelassen hätte.
23b) Die Schutzwürdigkeit des Klägers fehlt auch deswegen, weil die von ihm wahrgenommene Möglichkeit, eine im Tarif vorgesehene Anpassung des Versicherungsschutzes zu beantragen, keinen Antrag darstellte, von dem der Kläger überhaupt erwarten konnte, dass die Beklagte ihn unverändert annehmen würde. Denn im Änderungsantrag war keine (höhere) Prämie angegeben, die die vom Kläger gewünschte Anpassung des Versicherungsschutzes nach sich gezogen hätte. Der Kläger konnte schlechterdings nicht erwarten, dass eine Erhöhung des Tagessatzes von 90€ auf 120 € zum bisherigen Beitrag zu erhalten sei, so dass er ohnehin mit einem vom Antrag abweichenden Versicherungsschein rechnen musste.
24Entgegen der Ansicht des Klägers schadet es der Beklagten deshalb nicht, dass sie den in § 5 Abs. 2 VVG vorgesehenen Hinweis nicht erteilt hat. (vgl. OLG Saarbrücken a.a.O..; Rixecker a.a.O.).
253.
26Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch steht ihm auch nicht gem. § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 6 VVG wegen der Verletzung von Beratungspflichten zu. Die Beklagte hat ihre Pflichten aus § 6 VVG nicht verletzt, so dass es an einer Pflichtverletzung im Sinne des § 280 Abs. 1 BGB fehlt.
27Der Versicherer ist nach Treu und Glauben immer dann zu einer besonderen Information verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer aufgrund der Komplexität des Wagnisses oder der Versicherungsbedingungen nicht in der Lage ist, sich selbst Klarheit über seine Sicherung zu verschaffen, während dies dem Versicherer unschwer möglich ist und ein konkreter Anlass für einen Informationsbedürfnis des Versicherten für den Versicherer erkennbar ist (BGH VersR 2007, 196). Den Versicherer trifft deshalb grundsätzlich keine Pflicht zu einer vorsorgenden umfassenden Rechtsberatung in Bezug auf alle möglichen Auswirkungen von veränderten Umständen ohne konkreten Anlass. Voraussetzung einer Beratungspflicht ist ferner in jedem Fall, dass der Versicherungsnehmer die Beratung benötigt, er also nicht in ausreichendem Maße sachkundig ist bzw. sich nicht, auch durch die erforderliche Lektüre übersichtlicher Versicherungsbedingungen, selbst informieren kann (Prölss in: Prölss/Martin, VVG, § 6 Rn. 22; Armbrüster in: Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, § 6, Rn. 31).
28Nach diesen Grundsätzen traf die Beklagte keine Beratungspflicht in Bezug auf eine mögliche Erhöhung des Krankentagegeldes gegenüber dem Kläger jedenfalls bis zu dem Zeitpunkt, als sich der Kläger erstmals mit Schreiben vom 08.07.2012 mit dem Erhöhungsverlangen an die Beklagte wandte. Der Kläger hatte sich zuvor weder mit einem konkreten Beratungsanliegen an die Beklagte gewandt noch standen Vertragsänderungen auf Wunsch des Klägers an. Der Kläger, der Versicherungskaufmann ist, war ferner ohne weiteres selbst dazu in der Lage, durch Lektüre der Versicherungsbedingungen in Erfahrung zu bringen, dass er bei einer Steigerung seines Nettoeinkommens eine Erhöhung des Krankentagegeldes hätte verlangen können.
29Einen Anlass für einen Hinweis der Beklagten an den Kläger auf eine Erhöhungsmöglichkeit hätte für die Beklagte ohnehin nur dann bestehen können, wenn sie von einer Einkommenssteigerung des Klägers Kenntnis erlangt hätte. Dass der Kläger die Beklagte stets über seine Einkommenserhöhungen unterrichtete, hat der Kläger nicht vorgetragen. Eine allgemeine, sich stets wiederholende Hinweispflicht des Versicherers gegenüber dem Versicherten auf vereinbarte Versicherungsbedingungen besteht jedenfalls nicht.
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