Urteil vom Landgericht Dortmund - 3 O 452/13
Tenor
I.
1.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 13.592,31 € (i.W.: dreizehntausendfünfhundertzweiundneunzig 31/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2013 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Rechte an der Beteiligung an der P.
2.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte mit der Annahme der Abtretung in Verzug ist.
3.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen wirtschaftlichen Nachteilen, insbesondere auch von einer etwaigen Pflicht zur Rückzahlung von Ausschüttungen, freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der in Ziff. 1 der Anträge aus der Klageschrift genannten Gesellschaft resultieren und die ohne Zeichnung nicht eingetreten wären.
4.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von der Pflicht zur Leistung der vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 1.236,17 € brutto (1,8 Geschäftsgebühr aus 13.592,31 € zzgl. Auslagenpauschale und MwSt) freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Kosten des Rechtsstreits werden der Klägerin zu 21 % und der Beklagten zu 79 % auferlegt.
III.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
1
Tatbestand:
2Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten bei der Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Beitritt zu einem Schiffsfonds. Sie begehrt Rückzahlung ihrer Einlage nebst Agio abzüglich der erhaltenen Ausschüttungen.
3Unter dem 11.02.2005 beteiligte sich die Klägerin, Rentnerin und seit 1970 Hausfrau, zuvor Goldschmiedin, an der P, einer Beteiligungsgesellschaft, die ihrerseits in sechs einzelne Schiffsgesellschaften investiert. Die Beteiligungssumme der Klägerin belief sich auf 25.000,00 US-$ zuzüglich eines Agios in Höhe von 5 % (insgesamt 19.949,84 €). Vorangegangen war der Zeichnung ein Beratungsgespräch am gleichen Tag. Grundlage des Fondsbeitritts der Klägerin waren der am 20.12.2004 veröffentlichte Emissionsprospekt zu dem Schiffsportfolio P (Anl. K4) sowie die Beitrittserklärung der Klägerin vom 11./18.02.2005 (Anl. K1). Die Beklagte vertrieb Beteiligungen an dem streitgegenständlichen Fonds. Für die Vermittlung der streitgegenständlichen Beteiligung erhielt die Beklagte eine Provision aus den Vertriebskosten des Fonds.
4In der Zeit von 2009 bis 2013 erhielt die Klägerin keine oder allein einen Teil der prognostizierten Ausschüttungen, insgesamt einen Betrag in Höhe von 6.357,53 € (8.625,00 US-$). Die Klägerin forderte mit Schreiben vom 27.09.2012 die Beklagte erfolglos zur Zahlung von Schadensersatz auf (Anl. K7).
5Die Klägerin behauptet, der Emissionsprospekt sei ihr nicht vor Zeichnung übergeben worden. Der Zeuge M habe die Sicherheit der Anlage für die Altersvorsorge betont. Dabei habe er über verschiedene Risiken des Fonds nicht aufgeklärt, so über
6(1) das Totalverlustrisiko,
7(2) das mögliche Wiederaufleben der Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB,
8(3) die fehlende Fungibilität für Kommanditanteile an dem streitgegenständlichen Fonds und besondere Risiken von Schiffsfonds, hierbei:
9(4) Beschäftigungsrisiko
10(5) Vertragserfüllungs- und Bonitätsrisiken hinsichtlich wesentlicher Verträge (insbesondere Bau-/Kaufvertrag, langfristiger Chartervertrag, Garantien, Poolvertrag)
11(6) Risiken aus Schiffsbetrieb, Verlustrisiko
12(7) Risiken aus Schiffsfinanzierungen und damit verbundene Kreditsicherheiten
13(8) Spezielle Steuerrisiken (insbesondere § 5a EStG)
14(9) Risiken bezüglich der Erteilung von Genehmigungen (z.B. Flaggenführung, Klasse, Registrierung)
15(10) Fremdwährungsrisiko
16Die von der Beklagten erhaltenen Rückvergütungen seien ferner nicht offengelegt worden. Bei richtiger Aufklärung wäre die Klägerin dem Fonds nicht beigetreten. Von den den Schadensersatzanspruch begründenden Umständen habe die Klägerin erst im Jahr 2012 durch den Klägervertreter erfahren.
17Die Klägerin beantragt,
181. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 13.592,31 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.11.2013 zu zahlen, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Rechte an der Beteiligung an der P,
192. festzustellen, dass die Beklagte mit der Annahme der Abtretung in Verzug ist,
203. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von allen wirtschaftlichen Nachteilen, insbesondere auch von einer etwaigen Pflicht zur Rückzahlung von Ausschüttungen, freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus der in Ziff. 1 der Anträge aus der Klageschrift genannten Gesellschaft resultieren und die ohne Zeichnung nicht eingetreten wären,
214. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin von der Pflicht zur Leistung der vorgerichtlichen Anwaltsgebühren in Höhe von 1.872,35 € brutto (1,8 Geschäftsgebühr aus 25.035,86 € zzgl. Auslagenpauschale und MwSt) freizustellen.
22Die Beklagte beantragt,
23die Klage abzuweisen.
24Die Beklagte behauptet, der Emissionsprospekt sei der Klägerin bereits am 17.12.2004 bei einem vorangegangenen Beratungsgespräch von dem Zeugen M übergeben worden. Ferner habe sie eine Kurzübersicht – abgedruckt ist hierbei der Hinweis „Nur zur internen Verwendung!“ – und eine Kurzpräsentation von dem Zeugen M erhalten, in der sie über Beteiligungsrisiken und Vertriebsprovisionen aufgeklärt worden sei. Der Zeuge M habe die Klägerin über alle Beteiligungsrisiken vollumfänglich aufgeklärt, so dokumentiert in einer Aktennotiz vom 11.02.2005 (Anl. B5, Bl. 66 d.A.).
25Die Beklagte beruft sich auf die Einrede der Verjährung, da die Ansprüche mit Ablauf des Jahres 2008 verjährt seien.
26Die Klage ist am 06.11.2013 zugestellt worden. Die Klägerin hat die Klage in Höhe von 6.357,53 € vor Antragstellung in der mündlichen Verhandlung vom 06.06.2014 zurückgenommen. Die Klägerin hat die ursprüngliche Summe in Höhe von 19.949,84 € um die Höhe der erhaltenen Ausschüttungen auf insgesamt 13.592,31 € reduziert, da die Klägerin sich die Ausschüttungen im Wege des Vorteilsausgleich anrechnen lassen muss.
27Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Klägerin als Partei. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 06.06.2014 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen Bezug genommen.
28Entscheidungsgründe:
29Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang und damit weit überwiegend begründet. Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB wegen einer Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich erhaltener Rückvergütungen der Beklagten zu. Grundlage sind die Vorschriften des BGB, in der seit dem 01.01.2002 geltenden Fassung, da die streitgegenständliche Zeichnung im Jahr 2005 erfolgte.
30Zwischen den Parteien wurde unstreitig ein Beratungsvertrag geschlossen. Für das Zustandekommen ist regelmäßig ausreichend, dass die Parteien wegen einer Geldanlage in Verhandlung getreten sind (BGH NJW 1977, 2259). Ein Anlagevertrag kommt auch ohne ausdrückliche Abrede der Parteien zustande, wenn ein Anlageinteressent bei einer bestimmten Anlageentscheidung Rat bei einem Anlageinstitut sucht und dieses ihn berät (BGH, Urt. v. 15.06.2000 – III ZR 305/98 Rn. 6; BGH, Urt. v. 19.03.2013 – XI ZR 431/11 Rn. 17; Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 280 Rn. 47; a.A. Krüger, NJW 2013, 1845, 1849). Ausreichend für einen stillschweigenden Abschluss ist, dass die Beratung erkennbar Grundlage für die Anlageentscheidung des Interessenten werden soll.
31Die Beklagte hat die ihr aus dem Beratungsvertrag zukommende Aufklärungspflicht verletzt, indem sie die Klägerin nicht über die aufklärungspflichtigen Rückvergütungen informiert hat. Der Berater schuldet dem Anlageinteressenten eine anleger- und objektgerechte Beratung (BGH, Urt. v. 06.07.1993 – XI ZR 12/93 Rn. 14 ff.; BGH, Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10 Rn. 22 ff.). Eine Nichtaufklärung bezüglich Rückvergütungen stellt einen Verstoß gegen objektgerechte Beratung dar.
32Im Rahmen einer objektgerechten Beratung ist der Berater verpflichtet, den Interessierten richtig und vollständig zu informieren, ihn bezüglich aller Umstände und Risiken aufzuklären, die für die Anlageentscheidung von Bedeutung sein können (BGH, Urt. v. 22.03.2011 – XI ZR 33/10 Rn. 20; BGH, Urt. v. 01.12.2011 – III ZR 56/11 Rn. 9 f.; Palandt, § 280 Rn. 48 ff., 54). Er kommt seinen Pflichten – als eines von mehreren Mitteln BGH, Urt. v. 11.05.2006 – III ZR 205/05 Rn. 9 –, durch die rechtzeitige Übergabe eines richtigen und vollständigen Prospekts nach (OLG Köln, Urt. v. 04.09.2012 – 24 U 65/11 Rn. 25; Palandt, BGB, 72. Aufl. 2013, § 311 Rn. 70). Rechtzeitig handelt, wer den Prospekt spätestens am Tag der Zeichnung vor der Zeichnung übergibt. Nach der Rechtsprechung hat die Prospektübergabe grundsätzlich so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss zu erfolgen, dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden kann (vgl. BGH WM 2007, 1608; BGH WM 2005, 833, BGH NJW 2012, 2427). Dabei ist die Übergabe des Prospekts aber bereits dann rechtzeitig erfolgt, wenn der Anlageinteressent nur hinreichend Zeit zur Lektüre des Prospekts hatte und er den Zeitpunkt der Zeichnung – ohne zwingenden Grund – selbst kurzfristig bestimmt (vgl. OLG Frankfurt NJW-RR 2011, 1549). Zudem darf der Berater in der mündlichen Beratung nicht von den Angaben des Prospekts in verharmlosender oder irreführender Weise abweichen (Palandt, § 280 Rn. 49). Die Beweislast sowohl für die Nichtübergabe des Prospekts als auch für irreführende Aussagen im Gespräch trägt der Anleger (BGH, Urt. v. 11.05.2006 – III ZR 205/05 Rn. 6 f.; Palandt, § 280 Rn. 36, 50).
33Vorliegend kann die Frage der rechtzeitigen Prospektübergabe dahinstehen, da der Prospekt nicht richtig und vollständig ist. Er informiert nicht in ausreichender Hinsicht über die aufklärungspflichtigen Rückvergütungen der Beklagten, die ihr unstreitig von der Fondsgesellschaft für die Vermittlung des Beitritts der Klägerin gezahlt wurden.
34Bei den von der beklagten Bank erhaltenen Rückvergütungen handelt es sich um regelmäßig aufklärungspflichtige Positionen. Eine Bank muss über sie ungefragt – im Gegensatz zu einem freien Anlageberater – informieren und zwar nicht nur über das Ob, sondern auch über die konkrete Höhe (BGH, Urt. v. 19.12.2006 – XI ZR 56/05 Rn. 22; BGH, Beschl. v. 09.03.2011 – XI ZR 191/10; BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 498/11). Bei aufklärungspflichtigen Rückvergütungen handelt es sich um regelmäßig umsatzabhängige Provisionen, die im Unterschied zu Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen gezahlt werden. Damit entsteht bei dem Anlageinteressenten zwar keine Fehlvorstellung über die Werthaltigkeit der Anlage. Wenn der Rückfluss an die Bank allerdings nicht dem Interessenten mitgeteilt wird, kann der Anleger nicht das besondere Interesse der Bank an der Empfehlung einer bestimmten Anlage erkennen (BGH, Beschl. v. 09.03.2011 – XI ZR 191/10 Rn. 22 ff.; Beschl. v. 24.08.2011 – XI ZR 158/01 Rn. 4).
35Auf S. 34 des Emissionsprospekts heißt es: „Für die Vermittlung des Emissionsprospekts inkl. der Projektierung und dem Marketing der Emission erhalten die I und die E Gruppe Vergütungen in Höhe von insgesamt US-$ 26.296.000 (dies entspricht 19 % des Emissionskapitals) zzgl. 5 % Agio auf das Emissionskapital. Diese Emissionskosten teilen sich wie folgt auf: (…).“ Hinsichtlich der namentlich erwähnten Beklagten wird keine konkrete Höhe der an sie geleisteten Rückvergütungen beziffert. Es fehlen genaue Angaben hinsichtlich des Anteils, den die Beklagte von der Gesamtsumme in Höhe von ca. 30 Mio. US-$ erhält.
36Ferner kann dahinstehen, ob die beiden Broschüren Kurzpräsentation und -übersicht rechtzeitig vor Zeichnung übergeben worden sind. Sie wären angesichts ihrer nur verkürzten und teilweise identischen Darlegung gegenüber dem Prospekt kein Ersatz, der einer ausreichenden Aufklärung bezüglich Rückvergütungen genügen würde. Auch sie klären nicht in hinreichender Weise über die an die Beklagte gezahlten Rückvergütungen auf.
37Ferner steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge M in der mündlichen Beratung die Klägerin nicht über die an die Beklagte geleisteten Rückvergütungen aufgeklärt hat. Die insoweit beweisbelastete Klägerin hat den Beweis führen können, dass sie von dem Zeugen nicht auf Rückvergütungen hingewiesen wurde.
38Der Zeuge M hat erklärt, dass er die Klägerin nicht über die Rückvergütungen aufgeklärt habe, die die Fondsgesellschaft an die Beklagte geleistet habe. Das sei in dem streitgegenständlichen Zeitraum nicht üblich gewesen. Das Gericht folgt dieser Aussage. Es ist überzeugt, dass die Aussage glaubhaft und der Zeuge persönlich glaubwürdig ist. Der Zeuge hat nachvollziehbar und detailliert dargelegt, wie sich seine Tätigkeit als Mitarbeiter der Beklagten im Bereich Anlageberatung im Gespräch mit Kunden gestaltet. Er hat dabei widerspruchsfrei auf die Üblichkeiten der damaligen Bankpraxis Bezug genommen und erklärt, wie er die Fondsangebote den Kunden vorgestellt hat. Dabei hat er auch erklären können, dass es nicht üblicher Vorsicht in der Bankenpraxis entsprach, über Rückvergütungen zu informieren. Er räumt ein, dass es sich hierbei um eine durchaus – angesichts gesteigerter Aufklärungsverantwortung – nunmehr korrigierte Vorgehensweise handele, damals eine Information jedoch noch nicht zu dem Beratungsprogramm bei einer Fondsbeteiligung gehörte. Diese Darstellung ist plausibel und entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung in Hinblick auf Gespräche mit Bankkunden in Anlagefragen. Ferner ist der Zeuge auch glaubwürdig, da er an der Darstellung kein ersichtliches Eigeninteresse hat, durch den Hinweis auf fehlende Aufklärung vielmehr Defizite einräumt. Der Zeuge ist Mitarbeiter der Beklagten seit dem Jahr 1981. Letztere trägt eine umfassende Aufklärung auch bezüglich der erhaltenen Vertriebsprovisionen vor (Bl. 56 d.A.). Dieser Widerspruch von Interessen der Beklagten und Aussage des Zeugen belegt dessen unvoreingenommene Glaubwürdigkeit.
39Die fehlende Aufklärung bezüglich der Rückvergütungen ist für die Anlageentscheidung der Klägerin auch kausal geworden. Mit Blick auf BGH, XI ZR 262/10 und 498/11 gilt uneingeschränkt die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens. Bei der Kausalität des Schadens ist die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens zu beachten (BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 240/10 Rn. 29). Aus dieser Vermutung wird eine Beweislastumkehr gefolgert (BGH, Beschl. v. 09.03.2011 – XI ZR 191/10 Rn. 20; BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 240/10 Rn. 20). Die Beklagte müsste darlegen und beweisen, dass die Klägerin auch im Fall ordnungsgemäßer Aufklärung die Anlage erworben hätte, da sie einen zutreffenden Rat ohnehin nicht befolgt hätte (BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 240/10 Rn. 19). Die Beklagte ist beweisfällig geblieben. Sie hat den Beweis durch Parteivernehmung der Klägerin nach § 445 Abs. 1 ZPO nicht führen können.
40Nach Beweisaufnahme durch Vernehmung der Klägerin nach § 445 ZPO steht nicht zur Überzeugung der erkennenden Kammer fest, dass die Klägerin die Beteiligung auch bei Aufklärung über die Rückvergütungen gezeichnet hätte. Die als Partei vernommene Klägerin hat den Vortrag der Beklagten, die Klägerin sei auch bei Kenntnis um die Rückvergütungen dem Fonds beigetreten, nicht bestätigt. Bereits aufgrund dieser widersprechenden Aussagen waren für die Kammer keine sicheren Feststellungen zu dem streitigen Sachvortrag der Beklagten möglich. Die letztlich für das erkennende Gericht verbleibenden Zweifel gehen aber zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten.
41Die Beklagte hat die Aufklärungspflichtverletzung mangels entlastender Anhaltspunkte auch zu vertreten.
42Der Klägerin ist der Schaden im Sinne von § 249 Abs. 1 BGB im Wege der Naturalrestitution zu ersetzen, sie ist so zu stellen, als ob sie den Zeichnungsschein nicht gezeichnet hätte. Der Anspruch ist gerichtet auf Rückzahlung der Zeichnungssumme nebst Agio abzüglich erhaltener Ausschüttungen, Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Beteiligungsrechte.
43Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist auch nicht verjährt. Die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren nach § 195 BGB beginnt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 u. 2 BGB mit Entstehen des Anspruchs und Kenntnis bzw. grob fahrlässiger Unkenntnis. Der Anspruch entsteht im Falle einer mangelnden Aufklärung und Beratung durch Eingehung der vertraglichen Verpflichtung, also mit Vertragsschluss vom 11./18.02.2005 (BGH, Urt. v. 08.07.2010 – III ZR 249/09 Rn. 24; Palandt, § 199 Rn. 15).
44Es steht zur Überzeugung des erkennenden Gerichts fest, dass die Klägerin erst im Jahr 2012 durch ihren Prozessbevollmächtigten von den anspruchsbegründenden Umständen, der fehlenden Aufklärung in Bezug auf erhaltene Rückvergütungen, erfahren hat. Nach den Feststellungen des Gerichts wurde ihr der Emissionsprospekt, der einen Hinweis auf Vertriebsprovisionen enthält, nicht übergeben.
45Maßgeblich ist, wann die Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen Kenntnis hatte oder grob fahrlässig keine Kenntnis hatte. Kenntnis ist zu bejahen, wenn die bekannten Tatsachen genügen, um die Folgerung auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners nahezulegen (BGH, Urt. v. 03.06.2008 – XI ZR 319/06, Rn. 29 ff.). Im Fall mangelnder Aufklärung über die Höhe von Rückvergütungen wird Kenntnis bereits dann bejaht, wenn der Anleger weiß, dass die Bank Provisionen erhält. Denn sobald der Anleger von den Zahlungen erfährt, weiß er auch von der Pflichtverletzung, der fehlenden Aufklärung hinsichtlich der Höhe der Rückvergütungen (BGH, NJW 2013, 1801; BGH, NJW-RR 2013, 98; Palandt, BGB, § 199 Rn. 31). Für das Vorliegen der Voraussetzungen ist die Anspruchsgegnerin, die Beklagte, beweispflichtig (BGH, Urt. v. 23.01.2007 – XI ZR 44/06, Rn. 19). Sie hat die Übergabe schon nicht schlüssig dargelegt und ist beweisfällig geblieben. Es fehlt in dem Vortrag der Beklagten schon eine schlüssige Darstellung, wann und unter welchen Umständen der Prospekt übergeben worden sein soll. So trägt sie vor, dass der Prospekt am 17.12.2004 und damit drei Tage, bevor er am 20.12.2004 überhaupt veröffentlicht wurde, übergeben worden sein soll. Auch nach Vernehmung des Zeugen M steht nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Zeuge der Klägerin den Emissionsprospekt oder die Broschüren Kurzübersicht/-präsentation (Anl. B3, 4) übergeben hat. Der Zeuge bestätigt schon nicht den Vortrag der Beklagten. Er sagt aus, dass er sich weder an den konkreten Gesprächsinhalt noch an eine Prospektübergabe erinnern könne. Auch hinsichtlich der konkreten Übergabe von Kurzpräsentation und -übersicht fehlt ihm die Erinnerung. Bereits aufgrund der unergiebigen Aussagen waren für die Kammer keine sicheren Feststellungen zu dem zwischen den Parteien streitigen Sachvortrag der Beklagten möglich. Zudem gab es auch keine objektiven Anhaltspunkte, die für den streitigen Vortrag der Beklagten, die rechtzeitige Übergabe von Prospekt nebst Broschüren, sprechen könnten. Die verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten der beweisbelasteten Beklagten.
46Der Zinsanspruch folgt aus folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
47Der Feststellungsantrag ist zulässig und begründet. Insbesondere kann das gemäß § 256 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse nach §§ 756, 765 ZPO bejaht werden (vgl. BGH, Urt. v. 31.05.2000 – XII ZR 41/98; Thomas/Putzo, § 256 Rn. 10). Das den Gläubigerverzug nach §§ 293 ff. BGB begründende Angebot auf Anteilsübertragung ist jedenfalls in der Klageschrift erfolgt. Da der unter Ziff. 1) geltend gemachte Anspruch auf Rückzahlung besteht, hat eine Zug-um-Zug-Verurteilung gegen Übertragung der Anlage zu erfolgen (vgl. Palandt, § 280 Rn. 50).
48Der weitere Feststellungsantrag hinsichtlich der Freistellung ist ebenfalls zulässig und begründet. Insbesondere ist die Leistungsklage nicht vorrangig, da ein Freistellungsanspruch – wie ein Zahlungsanspruch – nach Grund und Höhe bezeichnet werden muss. Wenn das der Klägerin wie hier nicht möglich ist, wäre ein Freistellungsantrag unzulässig, die Feststellungsklage zulässig, das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO zu bejahen (vgl. BGH, Urt. v. 22.03.2010 – II ZR 66/08 Rn. 33; Zöller, § 256 Rn. 7a).
49Die Klägerin kann die Kosten der Rechtsverfolgung in Bezug auf den zugesprochenen Betrag in Höhe von 13.592,31 € ersetzt verlangen. Sie waren insoweit aus ihrer Sicht zur Wahrnehmung ihrer Rechte erforderlich und zweckmäßig und damit aus ihrer Perspektive als sachdienlich zur Rechtsverfolgung anzusehen (BGH, Urt. v. 04.05.2011 – VIII ZR 171/10 Rn. 24 f.; OLG Frankfurt, Urt. v. 30.09.2013 – 23 U 9/13 Rn. 49; Palandt, § 249 Rn. 56). Hinsichtlich des darüber hinaus verfolgten Betrags waren die Kosten mangels Erfolgsaussicht der Anspruchsdurchsetzung nicht erforderlich und zweckmäßig.
50Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 u. 2 ZPO.
51Der Streitwert wird bis zum 06.06.2014 auf 19.949,84 € und ab dem 07.06.2014 auf 13.592,31 € festgesetzt.
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