Urteil vom Landgericht Dortmund - 2 O 49/14
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt nach einem Streitwert von 68.599,30 € der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger war seit 1977 bei der Beklagten krankenversichert. Die Beklagte warf dem Kläger vor, in den Jahren 2004 bis 2009 mit 577 gefälschten Rezepten Erstattungsleistungen in Höhe von mehr 100.000,00 € erschlichen zu haben, weil die Rezepte entgegen dem darin enthaltenen Angaben nicht von der Tapotheke in Duisburg bezogen wurden. Deswegen kündigte sie die Krankenversicherung am 22.04.2009. Der Kläger schloss bei einem anderen Versicherer eine neue Krankenversicherung ab dem 01.11.2009 ab.
3Ihren Rückzahlungsanspruch machte die Beklagte vor dem Landgericht Duisburg geltend, reduziert u. a. um Versicherungsprämien, die der Kläger nach Kündigung noch gezahlt hat (insgesamt 5.608.01 €). Das Landgericht Duisburg hat den Kläger in jenem Verfahren antragsgemäß zur (Rück-)Zahlung von 98.725,04 € verurteilt und dessen Widerklage auf Erstattung von u. a. 6 Monatsprämien für die Krankenversicherung aus der Zeit nach Kündigung abgewiesen, da der Rückzahlungsanspruch durch Aufrechnung der Beklagten erloschen sei. Das Urteil ist rechtskräftig geworden.
4In der Folgezeit leitete der Kläger zur Abwendung der Zwangsvollstreckung ein Insolvenzverfahren ein, in dem keine Gläubigeransprüche zur Tabelle angemeldet wurden und Restschuldbefreiung für 2013 festgestellt wurde.
5Ein von der Beklagten veranlasstes Strafverfahren gegen den Kläger wurde vom Amtsgericht Duisburg eingestellt.
6Mit der vorliegenden Klage verlangt der Kläger materiellen und immateriellen Schadensersatz, weil er die Kündigung für unberechtigt hält, zeitweise ohne Versicherungsschutz gewesen ist und durch die drohende Zwangsvollstreckung massiv unter Druck geraten sei.
7Er behauptet, seit der Titulierung der Kostenforderung unter schweren im Einzelnen beschriebenen psychischen Beschwerden zu bleiben, als dessen Ausgleich ihm ein Schmerzensgeld von 50.000,00 € vorschwebt.
8Der Kläger beantragt,
91. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz in Höhe
10von 18.599,30 € zu zahlen;
112. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ein in das Ermessen des
12Gerichts gestelltes Schmerzensgeld zuzüglich 5 % Zinsen hieraus aus dem Basiszinssatz der EZB zu zahlen gemäß §§ 246, 247 BGB.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie hält die Forderung schon im Hinblick auf die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Duisburg für unberechtigt.
16Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
17E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18Die Klage ist unbegründet.
19Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Ersatz des materiellen oder immateriellen Schadens aus Anlass der Vorwürfe zu, die die Beklagte gegen ihn im Zusammenhang mit der Einlösung von Rezepten erhoben hat.
201.Der Anspruch auf Rückzahlung von Versicherungsprämien, die der Kläger nach Kündigung des Krankenversicherungsvertrages durch die Beklagte noch gezahlt hat, ist durch Aufrechnung der Beklagten erloschen. Dies ist rechtskräftig durch das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 12.05.2011 ‑ 1 O 92/10 – festgestellt, da das Landgericht die auf Zahlung der Versicherungsprämien gerichtete Widerklage des Klägers abgewiesen hat.
212.Der Anspruch auf materiellen Schadensersatz wegen Kosten, die im Zusammenhang mit der Durchführung des Zivilverfahrens vor dem Landgericht Duisburg entstanden sind, einschließlich der Kosten für Gutachter und Kosten für das Insolvenzverfahren ist ebenfalls unbegründet. Dem Anspruch steht ebenfalls die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts Duisburg entgegen, durch das der Klage der hiesigen Beklagten stattgegeben, die Widerklage abgewiesen und die Verfahrenskosten dem hiesigen Kläger auferlegt worden sind. Die damit im Zusammenhang stehenden Kosten sind entweder Teil der Verfahrenskosten, über die bereits das Landgericht Duisburg rechtskräftig entschieden hat, oder Folgekosten, die nach den Feststellungen des Landgerichts Duisburg der Beklagten nicht anzulasten sind.
223.Der Kläger hat gegen die Beklagte auch keinen Anspruch auf Ersatz von immateriellen Schaden. Der zwischen den Parteien abgeschlossene Krankenversicherungsvertrag, auf dessen Verletzung der Kläger seinen Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldbetrages stützt, dient nicht dem Schutz der Rechtsgüter des § 253 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift fasst den Anwendungsbereich der Ersatzpflicht für immaterielle Schäden allerdings erheblich weiter als die ersetzte Vorschrift des § 847 BGB. Sie sieht sowohl bei der Vertragshaftung als auch bei der Gefährdungshaftung den Ersatz immaterieller Schäden vor, während diese Bereiche früher nicht umfasst waren. Deshalb schließt nunmehr auch die vertragliche Haftung einen Anspruch auf eine billige Entschädigung in Geld grundsätzlich nicht aus. Allerdings kann dem Anspruchsgegner nur der Schaden zugerechnet werden, der innerhalb des Schutzbereichs der verletzten Norm eingetreten ist. Diese Wertung gilt auch im Vertragsrecht. Die Haftung des Schädigers ist dort durch den Schutzzweck der verletzten vertraglichen Pflicht beschränkt (BGH NJW 2009, 325). Dies bedeutet für die vom Kläger behauptete Verletzung des Krankenversicherungsvertrages, dass eine solche Verletzung keinen Schmerzensgeldanspruch begründen kann, da der Krankenversicherungsvertrag nicht den Schutz der Rechtsgüter des § 253 Abs. 2 BGB zum Gegenstand hat. Bei der Krankenkostenversicherung handelt es sich um eine Schadensversicherung, die auf Ersatz von Heilbehandlungskosten gerichtet ist. Damit hat sie den Ausgleich der durch die Behandlung von Krankheiten entstandenen Vermögensnachteile zum Gegenstand und nicht den Schutz der in § 253 Abs. 2 BGB aufgeführten Rechtsgüter, so dass die aus einer Vertragsverletzung herrührende Beeinträchtigung dieser Rechtsgüter nicht in den Schutzzweck des Krankenversicherungsvertrages fällt, so dass schon aus Rechtsgründen dem Kläger wegen der seiner Meinung nach unberechtigten Kündigung des Krankenversicherungsvertrages und der Vorwürfe, die die Beklagte gegen ihn – seiner Meinung nach zu Unrecht – erhoben hat, kein Anspruch auf Schmerzensgeld zustehen kann.
23Die Klage musste somit insgesamt mit der Kostenfolge aus § 91 ZPO abgewiesen werden.
24Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- 1 O 92/10 1x (nicht zugeordnet)